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He de Be

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Ich bin ganz gut im Aus-der-haut-fahren. Vor Jahren hatte man mich deshalb HB-Männchen genannt, worauf ich jedes mal sagte: hl. Warum, sage ich später. Zu Zeiten des besagten Männchens kannte man anscheinend noch ein Gegenmittel, besagte Zigarette eben. Das Strichmännchen fuhr aus der Haut beziehungsweise in die Luft und eine Stimme aus dem Off sagte dann: « Aber wer wird denn gleich in die Luft gehen?! » Schwupp kam das Angebot, doch lieber eine HB zu rauchen.

HB gibt es schon lange nicht mehr, war aber damals ziemlich erfolgreich. Vor allem war es die Werbung dafür, nicht so ein Flop wir die von Lux spül später, der man schon längst eine Goldmedaille für den größten Werbeflop aller Zeiten hätte geben sollen. Beide waren von meinem Vater ausgedacht worden, das aber hätte ich damals in der Schule besser nicht erzählt.

Mein Vater bestand Zeit seines Lebens darauf, dass in der Werbung für dieses Spülmittel eine ganze gescheiterte Revolution steckte, ausgeheckt von seiner Werbeagentur und finanziert von Unilever.
« Wenn das geklappt hätte », rief er jedes Mal, wenn er es wieder einmal geschafft hatte, das Thema aufs Tablett zu bringen, « dann lebten wir heute in einer viel besseren Welt ! » (Ja Sohn! Ich beherrschte den Konjunktiv!) Jedes Mal setzte er auch noch eins drauf : « Und an mir liegt es nicht, dass daraus nichts wurde ! »

« Und an wem sonst ? » fragte meine Mutter dann jedes Mal mit spitzer Zunge, « vielleicht an mir ? »

Meine Mutter hatte außer dem Werbesprucherzeuger selbstverständlich auch bald das Zeug im Haus, das mit besagter Werbung an den Mann und vor allem an die Frau hatte gebracht werden sollen. Allerdings hatte sie das Etikett auf dem Geschirrspülmittel eiligst überklebt. Ich wusste warum, irgendwie, und dann doch wieder nicht, jedenfalls nicht so genau. Ich hatte immerhin eine Ahnung davon bekommen, dass und wieso diese Kampagne ein Flop werden würde, wie gesagt, seit ich in der Schule davon erzählt hatte. Und ich hatte es mir irgendwie sogar gewünscht.

Denn wegen dieser Werbung saß ich eines Morgens mit aufgeplatzer Lippe am Frühstückstisch, während der Blick meines Vaters auf ein Pflaster fiel, das auf der Spülmittelflasche klebte.

« Was ist das denn das ? » fragte er sofort.

« Was ? » fragte meine Mutter. Ich ging schon mal auf Halbmast.

« Das Plaster da ! » Mein Vater deutete mit halbvollem Mund, einer Kopfbewegung und dem Messer in der Hand in Richtung Spüle.

« Ach das ? » sagte meine Mutter, « das wundert dich ? Wieso fragst du nicht deinen Sohn, woher er eine aufgeplatzte Lippe hat ? »

Ich hatte es befürchtet. Meine Mutter hatte mich diesbezüglich schon am Vorabend ausgefragt. Ich hatte bei der Gelegenheit schon nichts dazu sagen wollen. Männerangelegenheiten eben. Wahrscheinlich wollte sie deshalb jetzt meinen Vater mit reinziehen. Der schaute sich die Lippe an, fand aber wohl, dass es nicht halb so schlimm sei.

« Da hat der Sohnemann wohl eine dicke Lippe riskiert, was ?! » rief er laut lachend.

« Genau ! » rief ich und sprang schnell auf, um meine Sachen zu packen und zu verschwinden.

Meine Mutter rief hinter mir her, dass sie aber gerne gewusst hätte, was da vorgefallen sei. Sie hatte jedoch keine Chance, denn gleichzeitig hatte mein Vater immer noch wissen wollen, wieso die Spülflasche mit dem Pflaster verklebt sei.

« Sie hatte halt ein Leck ! » sagte meine Mutter nun kurzerhand. Dem Tonfall konnte man entnehmen, dass sie damit die Fragestunde als beendet ansah. Meine Mutter war Lehrerin.

Sie hatte sich an der Schule im Lehrerzimmer genug Sticheleien anhören müssen. Immerhin waren sie nicht böse gemeint und wirklich witzig. Sie musste selbst zugeben, dass sie es auch zum Schieflachen komisch fand, wenn der eine Kollege sich über diese Werbung hermachte. « Willst du nicht noch einmal den S-pot ver-s-potten ? » säuselte gleich darauf der nächste auf Hamburgerisch. « Klar doch ! » rief der, « aber nur, wenn Frau Kollegin sich mit großer S-leife am Rücken bereit macht ! » Schon krümmten sie sich vor Lachen.


Das aber hat mir meine Mutter erst gestern erzählt, dreißig Jahre später ! Gestern, am vierten Todestag meines Vaters. Zufällig war ich in meiner alten Stadt und besuchte sie in unserem alten Haus. Und zufällig fiel mein Blick auf die Flasche mit dem Geschirrspülmittel, die wirklich immer noch an derselben Stelle steht wie damals, wenn auch Arbeitsfläche und Spüle inzwischen erneuert wurden.

Wie in alten Zeiten sitzen wir in der Küche und trinken Kaffee.

« Ups », sage ich lachend, « die sieht beinahe aus wie die von damals, weißt du noch ? »

« Klar », sagt meine Mutter, « wie könnte ich die vergessen ? ».

Der Spot hatte damals nicht nur für Spott gesorgt, sondern auch ein gewaltiges Loch in die Haushaltskasse gerissen, hatte doch mein Vater deswegen bald darauf einen Job weniger.

« Weißt du, woher ich die aufgeplatzte Lippe hatte ? » frage ich nun meine Mutter, die verneint.

« Ich hatte mich mit ein paar Jungs aus der Schule geprügelt, wegen der Werbung, die Papa gemacht hatte, der für das Spülmittel. »

« Deswegen prügelte man sich ? » fragt meine Mutter.

« Nein », sage ich, « natürlich nicht. Sie hatten schon noch etwas mehr gesagt. »

Meine Mutter schaut mich fragend an und ich fahr also fort : « Na etwa, dass meine Mutter ja wohl jeden fff.. » – hier räuspere ich mich – « und ich auch nichts weiter sei als ein motherfucker oder so. Da bin ich dann halt in die Luft gegangen ! »

« Klar », sagt meine Mutter, « hattest keine HB zur Hand, was ?! »

Wir lachen. Dann erst fällt mir wieder ein, dass die Geschirrspülflasche damals mit einem Pflaster verklebt war.

« Ach so ! » rufe ich, « du auch ! »

« Was auch ? »

« Du hattest auch deinen Teil abbekommen wegen dieser Werbung ! »

« Nein ! » sagt da meine Mutter, « ich hatte nur die Nase voll von den schlüpfrigen Bemerkungen darüber. »

« Papa fand die Kampagne ja bis zuletzt ganz toll », sage ich nach einer Pause. « Hat ihn denn damals keiner schon vorher darauf hingewiesen, was das lostreten würde ? »

« Doch, klar. Er hatte große Mühe, seinen Entwurf in der Agentur und dem Hersteller gegenüber durchzusetzen. Darüber haben wir nächtelang diskutiert. » Sie schaut für gefühlte fünf Minuten zum Fenster hinaus und fügt dann erst hinzu : « Ich habe ihm damals auch gesagt, dass das doch nicht ginge : Eine Hausfrau, die für ein Schäferstündchen den Abwasch auf später verschieben würde – dank des genialen Spülmittels ..  » Wieder hält sie inne. Dass ihr Mann daraufhin damals, abends im Bett, gesagt hatte : « Nee, dank des genialen Mannes ! » - und sich mit diesen Worten lachend auf sie geworfen hatte, verheimlicht sie.

Ich sehe, wie ihre Lippen sich für einen Moment zu einem Schmunzeln verziehen.

Nach einem Schluck aus der Kaffetasse sage ich : « Ja, diese Werbung an sich war ein Hammer und gleichzeitig voll daneben. Das Produkt war ja vielleicht gut, nur die in der Kampagne angepeilte Käuferschaft nicht ganz die Richtige ! »

« Hä ? » macht da meine Mutter.

« Na ja, wenn man damit junge Leute angesprochen hätte, Studenten, oder alleinstehende Männer, die schon mal den Abwasch warten lassen - wollen ! » meine ich.

« Das hätte auch nichts geändert », sagt meine Mutter, « es gibt Dinge, die gibt es, die darf man jedoch nicht als solche benennen, das nennt sich tabu. »

« Jetzt willst du auch noch wie Papa damit anfangen, dass diese Werbung an den Grundfesten der Gesellschaft gerüttelt hätte und eine Revolution ausgelöst ? »

« Ja », sagt da meine Mutter plötzlich, « eigentlich hatte er Recht, dein Vater. »

« Was ?! » platzt es da aus mir raus, « hast du immer noch nicht gemerkt, wie sexistisch das Ganze war?! »

« Nein, wieso denn das jetzt ?! » ruft sie zurück.

« Weil jetzt leben gleich .. gleichbedeutend sein soll mit Sex ?! » schreie ich laut und gehe schon wieder in die Luft.

« Ja, wieso denn wohl nicht ?! » kreischt meine Mutter und fährt aus der Haut.


Schon weiß ich wieder, woher ich das habe.




  • Anmerkung I : Trotz etlicher Recherchen im Netz habe ich leider kein einziges Video mit dieser Werbung gefunden, nicht einmal ein Foto oder auch nur einen Hinweis. Vielleicht wird jemand anderes ja fündig. Ich schwöre bei allem, was mir hoch und heilig ist sowie allen möglichen sonstigen Leuten wichtigen Dingen, dass es sie wirklich gegeben hat, genauso wie das Spülmittel : Lux spül später. In der Werbung dazu sieht man eine Frau, die vor einer Spüle steht, das heißt einen Ausschnitt ihrer Rückseite von der Taille bis zum Beinansatz. Eine große Schleife ziert diese Rückenansicht und knüpft praktischerweise eine adrette Arbeitsschürze über dem feinen Kleid fest. Gerade will sie den Abwasch in Angriff nehmen, da treten zwei Männerhände in Erscheinung, packen mit zartem Griff die Zipfel der Schleife und ziehen diese damit langsam auf – wie man vermuten soll, um ihr die Schürze und - bei Gefallen .. wohl noch mehr - auszuziehen. Aber bevor man das alles auch zu sehen bekommt: Schnitt - cut! - und schon wird von unsichtbarer Hand die Flasche mit dem Geschirrspülmittel drin und 'Lux spül später'-Etikett drauf ins Bild geschoben, zusammen mit dem Text, von dem ich nicht mehr weiß, ob er zu hören oder zu sehen war : « Leb jetzt, spül später ».

    Anmerkung II : Die in dieser Geschichte erwähnten Produkte und deren Werbung gab es wirklich ; Personen und Handlung jedoch sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.
 



 
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