Wiener Dialekt-Gedicht (mit Übersetzung)

Dorian

Mitglied
Aufgwocht bin i scho amoi.
Jetzt muaß i nua mehr aus da Hapfn kreun.
Owa i glaub, i bin zfäu.
Brunzn muaß i aa.
Wird ma nix onders üwableim,
wia aufsteh.

Aufgstondn bin i scho amoi
Jetzzt muaß i mi nua mehr onziagn.
Des is gor net so aafoch.
Brunzn wor i aa.
Wird ma nix onders üwableim,
wia fruahstuckn.

I steh in da Kuchl.
Kaffee is guat owa aus.
Zum eischneidn gibts aa nix mehr
Gehri ins Kaffeehaus.

Am Weg warad i scho amoi.
Jetzt muaß i nua mehr hifindn.
Gottseidonk, kenn i in Weg.
Knedl howi aa.
Wiad ma nix onders üwableim,
wira Fettn.

Sitzn tat i scho amoi.
Jetzt braucht nua mehr da Schani kumma.
Er hod mi glei wieder kennd.
De Hüsn bringtaraa.
Wiad ma nix onders üwableim,
wia mit eam redn.

Schani, mei Bua
Wia schau ma aus?
De Oide wida moi oweghaut?
Bring ma zwa Eier im Glos.

Aans zmittoch is
Um Fünfe gehri zum Wirtn
Um Zwöfe ins Beisl
Nocha... wer waaß?

Ich glaube, mein Korrekturprogramm hat sich grade erschossen. Es wollte nämlich auf italienisch korrigieren. Ausgetrickst!
Hier die Übersetzung:

Anmerkung: „Schani“ ist die Koseform von Johann, aber auch die landläufige Bezeichnung für typische Wiener Kaffeehauskellner.

Aufgewacht bin ich schon mal.
Jetzt muss ich nur noch aus dem Bett kriechen.
Aber ich glaube, ich bin zu faul.
Pissen muss ich auch.
Mir wird nichts anderes übrigbleiben,
als aufzustehen.

Aufgestanden bin ich schon mal.
Jetzt muss ich mich nur noch anziehen.
Das ist gar nicht so einfach.
Pissen war ich auch.
Mir wird nichts anderes übrigbleiben,
als zu frühstücken.

Ich stehe in der Küche.
Kaffee ist gut, aber aus.
Zu Futtern gibt es auch nichts mehr.
Geh ich halt ins Kaffeehaus.

Auf dem Weg wäre ich schon mal.
Jetzt muss ich nur noch hinfinden.
Gott sei Dank kenne ich den Weg.
Geld habe ich auch.
Mir wird nichts anderes übrigbleiben,
als ein Besäufnis.

Sitzen täte ich schon mal.
Jetzt muss nur noch der Kellner kommen.
Er hat mich gleich wiedererkannt.
Das Bier bringt er auch.
Mir wird nichts anderes übrigbleiben,
als mit ihm zu reden.

Johann, mein Junge,
wie geht es uns denn?
Deine Alte wieder mal betrogen?
Bring mir zwei Eier im Glas.

Es ist ein Uhr mittags.
Um Fünf werde ich ins Wirtshaus gehen.
Um Zwölf in die Kneipe.
Danach... wer weiß?
 

unbekannt2581

Verbotenes Mitglied
das sit ein "schönes" gedicht, aber nur im dialekt, find ich. die übersetzung leidet, aber als lesehilfe ist sie ok.
ist das der berühmte wiener schmäh ? ;-)

g

mike
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Dorian,

mir gefällt das Gedicht auch gut.

Im Dialekt zu schreiben ist oft nicht einfach, weil man ihn mit den gebräuchlichen Buchstaben annähern muss.

Aber eigentlich ist es kein Dialekt, sondern eine Weltsprache.

Viele Grüße von Bernd
 

Dorian

Mitglied
Hallo Leute!

Vielen Dank für Lob und vor allem Kritik!
Wenn ich ganz ehrlich bin, muß ich zugeben, daß ich, als mich die Inspiration traf, eigentlich nur die ersten zwei Zeilen im Kopf hatte, nicht mal eine Handlung, oder so was. Der Rest ist sozusagen einfach aus der Feder geflossen und ich war mit dem Ergebnis halbwegs zufrieden, deshalb hab ichs gepostet.
Ich bin schon dankbar, wenn mir überhaupt was einfällt, die letzten vier Jahre war so ziemlich tote Hose. Darum gefällt mir die Leselupe auch so gut, hier hole ich mir die eine oder andere Inspiration (siehe Schreibaufgabe).Ich habe in den letzten 36 Stunden mehr geschrieben, als in den 36 Monaten davor. :)

@ibini: Ja, gewisse Ausdrücke lassen sich nur sehr schwer übersetzen. Die Übersetzung dient eigentlich nur als Lesehilfe, für diejenigen, die mit dem Dialekt nicht vertraut sind.
Der Protagonist spricht den Kellner mit "mei Bua" an, weil er ihn schon lange kennt, praktisch noch aus Jugendtagen.

@Bernd: Dr. Kurt Ostbahn, alias Ostbahn-Kurti, alias Willi Resetarits hat mehrere Lieder und zwei Asterix-Bände (Da große Grobn, Da Woasoga) ins wienerische übersetzt und das sehr gut gemacht, bei ihm habe ich sozusagen "gelernt". Aber es ist trotzdem nicht leicht, vor allem fehlt das offene o, das es auf skandinavischen Tastaturen als a mit Ring drüber gibt, und das im Wiener Dialekt sehr wichtig ist.

LG

Dorian
 

ibini

Mitglied
Hallo Dorian,

es geht gar nicht so sehr um einzelne Ausdrücke an sich, als vielmehr um das damit verbundene gewisse Etwas. Nehmen wir mal Beisl: das ist als Metapher Musik, (gedämpfte) Stimmung, Atmosphäre/Flair, Leben, Gemütlichkeit, Ruhepunkt inmitten einer weltoffenen Großstadt, Gelassenheit usw., alles in einem. Ja, selbst sonst unvereinbare Gegensätze scheinen sich hier wenigstens für kurze Zeit in voller Eintracht die Hand zu reichen. Dagegen Kneipe: verräucherter Zufluchtsort mit Promille und Phon als Dominanten. Jemand meint übertrieben? Zugegeben, vor allem im einzelnen betrachtet. In der Gesamtheit aber durchaus das Empfinden. Vergleichbar etwa einem in weicher französischer oder harter nordischer Sprache zelebriertem bzw. gesungenem Chanson. Eigentlich ein nicht ganz fairer (weil zu einseitiger) Vergleich!

Mit Gruß
ibini
 

Dorian

Mitglied
Hellas!

@Bernd
Danke für den Link, der ist recht unterhaltsam.

@ibini
Du hast zum Großteil recht, obwohl ich auch einige Beisln erlebt habe, die nicht ganz so gemütlich waren. Übrigens: Kennst Du das Kinderbuch "Das kleine Ichbinich"?
Frosch: Wer bist denn Du?
Ichbinich: Ich bin das kleine Ichbinich...
*g*

lG

Dorian
 

Pinky

Mitglied
Die Schwierigkeiten der Mundart

Hab dein Gedicht gelesen und finde es wirklich toll, da die hohe Kunst der Mundart viel zu wenig gepflegt wird, obwohl sie, meiner Meinung nach, sehr wichtig ist. Ich weiß selbst, wie schwierig es ist, Mundart zu schreiben, da ch mich gelegentlich selbst darin versuche (siehe Fantasy&SciFi). Man sollte vielleicht ein eigenes Forum für Mundarttexte einrichten.
Jedenfalls, weiter so!

mfg Pinky
 

ibini

Mitglied
Hallo Dorian,

sicher, nicht immer und überall herrschen paradiesische Zustände. Selbst nicht im früher mal als Paradebeispiel der Gemütlichkeit geltenden Wien. Das ist wohl nur in der Erinnerung so geblieben. Oder in alten Filmen. Oder in der Musik. Oder in der Literatur (hier zweifellos nicht Jandl/Jelinek, sondern zum Beispiel Adolph). Und eben, nicht zu vergessen, in der Tendenz! Du bestätigst es ja.

Nein, das Kinderbuch kenne ich nicht! Leider, muß ich wohl sagen. Ich werde es mir aber besorgen. Vielleicht ist das dann bei mir der Beginn eines neuen Hobbys: Ahnenforschung! Schade, daß der Frosch für mich von vornherein offenbar nicht in Frage kommt. Denn was ist aus so einem Tierchen nicht schon alles geworden! Jedenfalls danke für den Hinweis.

Mit Gruß
ibini
 



 
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