and the oscar goes to

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krokotraene

Mitglied
Die wichtigste Nacht im Jahr war angebrochen. Vor einiger Zeit erreichte mich ein Schreiben, dass ich heuer für den Oscar nominiert war. Mein Herz blieb fast stehen, während ich den Brief immer wieder las. Gott, war ich aufgeregt. Nie und nimmer hätte ich gerechnet, dass ich zu dieser Preisvergabe eingeladen werde.

"Ist ja noch lange nicht gesagt, dass Du auch so einen goldenen Gockel mit nachhause nimmst", äffte mein beleidigter Mann. Er fühlte sich in seiner Männlichkeit gekränkt. Tagelang konnte er keine negative Bemerkung über den doofen Oscar auslassen. Ständig musste er an der Nacht der Nächte rumnörgeln.

Ich wollte bestens vorbereitet sein. Ich hatte mein schönstes Kleid aus den Tiefen meines Kastens hervorgekramt. Frisch gewaschen, gebügelt und die verschlissenen Stellen mühevoll genäht. Die Jahre waren ins Land gezogen und irgendwer musste den Stoff eingenäht haben. Verdammt, ich zwängte mich mit Mühe in mein altes Kleidungsstück und beschloss ab sofort auf Diät zu gehen.

Die Zeit der Stöckelschuhe hatte ich schon lange hinter mir und mit drei Kindern wird auch jede Art von Schönheitsfarm weitläufig umfahren. Aber jetzt musste ich wieder einmal eine Neuauflage meiner ehemals jugendlichen Frische herausgeben. Mit zittrigen und abgearbeiteten Händen fingerte ich nervös an der auffällig roten Türschnalle des "Verschönerungsvereins".
Heraus kam ich als neue Frau. Am meisten musste ich lachen, als mein Mann nachhause kam. Ich stand am Herd. Perfekte Frisur mit neuer Haarfarbe, rot lackierte Fingernägel, elfengleich geschminkt, eingehüllt in einen betörenden Duft. Es war ein zauberhafter Anblick.

Fred blieb kurz stehen und stammelte: "Schöne Frau, wer sind Sie?". Ich brach in schallendes Gelächter aus. Die Schönheitsfarmlady hatte volle Arbeit geleistet. Ich war stolz auf mich. Und Fred entdeckte an diesem Abend neuerlich seine Liebe zu mir. Es sollte eine unvergessliche Nacht werden. Die letzte Nacht vor der Oscarverleihung sollte sich in mein Hirn brennen.

Ich konnte nicht schlafen, die Aufregung hatte mich fest im Griff. Wieso eine ganz normale Hausfrau mit drei Kindern, Ehemann, zwei Hunden, vier Katzen, einem Meerschweinchen, einem Kaninchen sowie fünfzig Fischen gerade für den Oscar nominiert war, blieb ein gut gehütetes Geheimnis. Immer öfter zweifelte ich an mir selbst. Sollte mein Mann recht behalten und ich kurz vor dem Zugriff zu dem, wie hat er gesagt, goldenen Gockel scheitern?

Meine Hände waren klitschnass, als mir der Fahrer die Tür der Limousine öffnete und mich höflich aus dem Wagen bat. Meine, in goldene Stöckelschuhe - Leihgaben einer Freundin - steckenden Füße, betraten den roten Teppich. Blitzlichtgewitter brach über mich herein. Unzählige Hände wurden mir entgegen gestreckt und überall erklang der Ruf nach einem Autogramm.

Mit stolz geschwellter Brust erreichte ich den wohl prachtvollsten Saal dieser Welt. Die Scheinwerfer tauchten die Szenerie in eigenartiges Licht. Mir wurde gleich in der ersten Reihe ein Platz zugewiesen. Der Abend begann.

Ein Oscar nach dem anderen fand seinen Besitzer. Unweigerlich schaute ich gelangweilt in die Runde. Mein Mann ging mir nicht aus dem Kopf, er sollte wohl recht behalten. Nagut, aber immerhin war ich nominiert. Das war doch auch schon etwas. Morgen würden die Zeitungen über die dreifache Mutter mit dem Traum nach dem Griff zum Oscar berichten. Auch so würde ich berühmt werden.

Die Moderatorin stellte den nächsten Antrag auf eine Oscarvergabe und verlas:
"In der Kategorie: Hausfrau, Mutter und Ehefrau vergeben wir heuer erstmals einen Oscar. Herausragende Leistungen erbringen diese Menschen jeden Tag. Unermüdlich opfern sie sich für ihre Familien und die gesamte Gesellschaft. Kümmern sich um die kleinen und großen Probleme der Kinder. Führen sie durch das Labyrinth des Schulwesens auf den harten Weg des Berufslebens. Sie geben ihre Wünsche, Phantasien und Träume in eine Schublade, um sich um ihre Familien zu sorgen. Hilfreich zur Seite zu stehen und die Anderen nie zu enttäuschen, diese Eigenschaften stellen sie über ihre privaten Bedürfnisse. All diese Frauen sind Helden. Ohne ihnen und ihrer Energie würde diese Welt nicht existieren können. Sie stellen jedes Staatsoberhaupt in den Schatten. Hochrangige Manager werden von ihnen an die Wand gespielt und sogar der Papst in die Jackentasche gesteckt. Es ist an der Zeit diesen unbeachteten, ja sogar missachteten, Menschen Anerkennung zu zollen. Als herausragendes Beispiel dürfen wir heute einer dieser unermüdlichen Kämpfernaturen einen Oscar überreichen."

Es wurde spannend. Trommelwirbel setze ein. Die Lichteffekte unterstrichen diesen spannenden Moment. Mein Adrenalin schoss empor. In meinen Augen standen Tränen, zu herzergreifend war diese Rede.

Die Moderatorin öffnete andächtig und sorgsam den fest verschlossenen Umschlag. Behutsam nahm sie den Zettel aus dem roten Kuvert, stockte ganz kurz und setzte zu dem berühmtesten Satz dieser Nacht an.

"... and the oscar goes to...", sie hielt kurz inne, und setzte dann fort, "...to MADELEINE".

Vor lauter Schock fiel ich fast vom Stuhl und spürte feste Arme, die mich sofort auffingen. Ich wurde wie ein Cocktail geschüttelt. Von der Bühne hörte ich abermals, diesmal wie aus einem weit entfernten Land, "Madeleine". Nochmals wurde mein Name aufgerufen. Ich wollte auf die Bühne stürmen, meinen goldenen Mann entgegen nehmen, doch die starken Arme hielten mich fest umschlungen. Ich schlug wie wild um mich und hörte eine männliche Stimme auffordernd: "Mach mal die Augen auf!"

Vorsichtig blinzelte ich in das anbrechende Tageslicht und starrte in die Augen meines Mannes. Da hörte ich nochmals: "Sag Madeleine, was hast Du denn geträumt? Du wärst beinahe aus dem Bett gefallen!"
 
S

Steky

Gast
Schreibt doch einfach mal was Neues. Wie oft habe "the oscar goes to.." schon ganz oben hier in der Liste gelesen. Davon wirds, meiner Einschätzung nach, nicht besser. Man nimmt höchstens anderen Autoren die Chance, gelesen zu werden. Das ist das gleiche wie mit der Millionshow story.
 



 
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