aus meinen memoiren: vorzeit

flammarion

Foren-Redakteur
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Enschulljen Sie bitte, det ick mir hier zu Wort melde, aba det Janze is n schrecklicha Irrtum. Det Leehm, meine ick. Nee, nich det Leehm an sich, sondan, wie wir mitnanna umjehn. Wir beurteiln - ratz, batz - n Menschn nach m erstn Oorenblick, un kümman uns n Scheißdreck dadrum, wie er so jeworn is wie er is. Aba jeda is n Produkt seina Zeit un seina Umjebung. Allet nur ne Frare der Azie-hung, wa. Un det will ick hier ma jesaacht haam. Un enschulljen Sie bitte, wenn ick manschma int Hochdeutsche vorfalle - det ha ick ja denn ooch ma in ne Schule jelernt, wa, - aba det meiste uff die nachfoljendn Seitn vaschteehn womööchlich bloß so ne Leute, die damals bei mir um me Ecke je-wohnt haam. Also ick fang denn ma jetz am bestn mit n Anfang an. Am Anfang jab et mir noch jar nich, sondan bloß zwee Familien, die sich üüübahaupt nich kanntn und ooch nie nich kennjelernt haam, neemlich eene Familie Seeger in Berlin und eene Familie Hellings in Bayern.

Vor meiner Zeit

Alles, was hier geschrieben steht, ist genauso in meiner Erinnerung. Es ist möglich, daß das, was ich nicht selbst erlebt habe, ein klein wenig anders stattgefunden hat. Die Kenntnisse über meine Familie habe ich zumeist bei Familienfeiern abgelauscht, einiges aus den Gesprächen zwischen Ida und ihrer Schwester herausgehört und nur ganz wenig von meiner Mutter erfahren, denn sie sprach nur selten über ihre Verwandtschaft.
Ihr Vater war Oberlehrer in einer bayerischen Kleinstadt, ihre Mutter entstammte einer ange-sehenen Kaufmannsfamilie. Meine Mutter war Einzelkind und verwand bis zu ihrem Tode nicht, daß sie ein Internat zu besuchen hatte. Dort lernten die Mädchen außer Handarbeiten, kochen und Wirt-schaftsführung auch zeichnen, musizieren und tanzen. Meine Mutter konnte mit 45 Jahren noch im-mer wie eine Ballerina auf Zehenspitzen tanzen, und das bei einem Gewicht von 75 kg auf 150 cm Scheitelhöhe! Obendrein hatte sie so kleine Füße, daß ihr Kinderschuhe paßten. Familie Hellings war so vornehm, daß sie auch ein Dienstmädchen hatten, von welchem Frau Hellings sich "gnädige Frau" titulieren ließ.
Im Jahre 1935 trennte sich meine Mutter von ihren Eltern und zog - gerade 23 Jahre alt - nach Berlin, wo sie im Stadtbezirk Prenzlauerberg in einem Haus aus der Gründerzeit in der Marienburger-straße zur Untermiete wohnte. (Als ich 50 Jahre später mit meinen Kindern in die Winsstraße - Ecke Marienburger - zog, schmunzelte ich oft beim Betreten dieser Straße: Hier wollte deine Mutter ein neues Leben beginnen, genau wie du jetzt!) Bei Mama reichte das Geld damals nicht für eine eigene Wohnung, obwohl sie gleich Arbeit fand, nämlich als Näherin in einem Textilbetrieb.
Von ihren ersten Ersparnissen kaufte sie zwei schwarze Stühle mit hohen, geschnitzten Leh-nen. Sie mußte die Stühle selbst nach Hause tragen, denn Kleinmöbel wurden nicht geliefert und in die Straßenbahn durfte man damit nicht einsteigen. Wie sie so schwer beladen die Straße ent-langkeuchte, wurde sie von einem Lumpensammler angesprochen, der sie mit seinem Karren überhol-te. Auf dem Karren war noch Platz, so bot er an, die Stühle aufzuladen. Meine Mutter nahm die un-verhoffte Hilfe dankbar an und griff auch selbst nach der Deichsel, um ziehen zu helfen (und um si-cherzustellen, daß der Helfer nicht mit ihrem Besitz davonläuft). Auf dem kilometerlangen Weg wa-ren die Lebensläufe bald ausgetauscht. Elly Hellings erfuhr, daß Otto Seeger verwitwet war und seine drei Kinder Hermann, Paul und Grete bereits verheiratet waren. (Paul und Grete habe ich nie kennen-gelernt, Hermann nur einmal gesehen. Ich weiß nicht, aus welchem Grunde er unsere Tante Ida be-suchte, es war kein besonderer Tag, nicht einmal Sonntag. Als ich aus der Schule kam, sagte Ida zu mir: "Saach ma aatich "Jutn Tach", det is dein Bruda aus deinn Vata seine erste Ehe." Ich war stark beeindruckt, einen so viel älteren Bruder zu haben. Nach wenigen Minuten faßte ich so viel Vertrauen zu ihm, daß ich ihm meine Gedichte zeigte. Ich hatte in den Jahren 1954 - 58 die Dichtkunst für mich entdeckt und schrieb unzählige Gedichte, manchmal drei an einem Tag, kurze Gedichte über Alltags-dinge und lange, poesievolle über Menschenschicksale und den "Gang der Welt". Er las sie und bewunderte meine literarische Reife. Ida sagte: "Jaja, die Jöre hat ne reje Fantasie. Weeß der Deibel, wo se det her hat und wat dadraus noch weern soll." Ihrem Tonfall nach war Phantasie eine bösartige Krankheit.)
Als Otto hörte, daß Elly erst vor kurzem nach Berlin gezogen war, bot er sofort an, ihr die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu zeigen, sie in die Kulturstätten zu führen und sie mit den Berliner Gepflogenheiten vertraut zu machen. Da sie noch keine Be-kanntschaften geschlossen hatte - den ewig schnatternden Kolleginnen aus der Fabrik mochte sie sich nicht anschließen, zumal sie von ihnen oft wegen ihrer Sprechweise ge-hänselt wurde, sie sprach nämlich hochdeutsch! - nahm sie die Einladung gerne an. Im Laufe der Zeit wurde aus ihnen ein Paar. Mein Vater war damals 48 Jahre alt, gerade gewachsen, kräftig und stattlich. Mit seinem hochgezwirbelten Schnurrbart, den gut frisierten Haaren und den großen blauen Augen war er trotz seines schäbigen Gewerbes eine beeindruckende Erscheinung. Obendrein wußte er meine Mutter mit allerlei Schnurren und Possen trefflich zu unterhalten, sodaß sie ihm trotz des Altersunter-schieds bald ihr Jawort gab.
Mein Vater war ein Sohn des Gastwirts Hermann Seeger. Dieser hätte seinen Lebensunterhalt auch als Opernsänger verdienen können (er verfügte über einen voll-tönenden Baß), aber eine Gaststätte zu führen, erschien ihm solider. Er kaufte nahe der Hauptstadt ein Ausflugslokal, brachte das Geschäft auf Hochtouren und verkaufte es mit Gewinn. Seine Nachfolger ahnten nicht, daß die Gäste ausbleiben, wenn nicht mehr mit Gesang ausgeschenkt wird. Zwanzig Gaststätten sollen durch seine Hände gegan-gen sein, und natürlich hatte auch Familie Seeger Dienstmädchen, die ihre Brotgeber allerdings mit "Chef" und "Chefin" anredeten.
Irgendwann hatte Ernestine Seeger das Wanderleben satt und bat ihren Mann, in Berlin-Weißensee ein Haus zu kaufen. Er kaufte noch ein Fischgeschäft dazu, womit er bis an sein Lebensende - er wurde 84 Jahre alt - sich und seine Familie ernährte. Sei-ne Frau wurde 82 Jahre alt und hat ihren Mann nur um drei Monate überlebt.
Durch den ständigen Wohnortwechsel wurden kaum zwei der Seeger-Kinder im selben Dorf geboren. Hermann schwängerte seine Ernestine mindestens einmal im Jahr. Sie erlitt im Lauf der Zeit mehrere Fehlgeburten. Letztendlich waren zwölf Kinder zu ernähren, acht Töchter und vier Söhne. Vier dieser zwölf Kinder verstarben im Klein-kindalter. Von den verbliebenen acht Onkeln und Tanten lernte ich außer der ältesten Seeger-Tochter Ida nur Tante Rosa kennen. Onkel Paul wanderte nach Amerika aus, um nicht als Soldat eingezogen zu werden. Er schrieb drei Briefe, dann hörte man nichts mehr von ihm. Alle anderen Onkel und Tanten sind vor meiner Geburt verstor-ben. Aber ich habe Fotos von ihnen gesehen und hörte, daß sie zuletzt fast alle in Wei-ßensee lebten. Die ewig kränkelnde Tante Malchen z.B. wohnte in einem häßlichen grauen Haus in der Charlottenburgerstraße. Um ihr im Notfall beistehen zu können, zog mein Vater mit seiner jungen Frau während des Krieges in ihr Haus, genauer gesagt ins Hinterhaus. Und das war gut so, denn wenige Tage später schlug eine Bombe in das Haus, in welchem meine Eltern solange gewohnt hatten.
Tante Malchen hatte eine Zweiraum-Wohnung mit Bad, wir hatten eine Einraum-Wohnung mit Kammer. Unsere Wohnungstür war gleichzeitig die Küchentür, jeder Besucher stand bei uns also gleich in der Küche neben dem Herd. Die nächste Tür führte in die Stube; durchschritt man die Stube, kam man zur Kammertür. In dieser Kammer schliefen meine Brüder. Es gab hier weder Fenster noch Heizung. Die Toilette befand sich auf dem Hof, ein Plumpsklo. Es wurde von drei Mietparteien genutzt (beim Gedanken an diese "Wohnung" bekomme ich noch heute Albträume, denn unter dem einen Fenster hingen die Dielen so tief durch, daß wir in den darunterliegenden Keller blicken konnten. Außerdem hatte die Wohnung keine Doppelfenster; wenn man auf eine bestimmte Weise von außen an den Fenstern rüttelte, sprang der Riegel zurück und man konnte so auch ohne Schlüssel oder große Gewaltanwendung in die Wohnung ein-steigen. Obendrein war der Schwamm schon bis in die Etage über uns gezogen . . .)
Mein Vater hoffte, nach dem Tod seiner Schwester deren Wohnung überneh-men zu können, aber als es soweit war, konnte er die vom Hauseigentümer geforderte Kaution nicht zahlen. Er hatte als Lumpensammler ein kümmerliches Leben, auch wenn er sich stolz "Produktenhändler" nannte. Er zog mit seinem Karren von Hof zu Hof und rief mit melodischer Stimme: "Lum - pen, Kno - chen, Alt - papier, auch Me - tall bringt her - zu mir!" War der Wagen voll, zog er ihn zu seinem "Laden". Er hatte unweit sei-ner Wohnung eine Waschküche gemietet, wo das Gesammelte gereinigt, sortiert und zwischengelagert wurde. Die Flaschen mußten gespült werden, das Papier mußte ge-glättet, sortiert und gebündelt werden, die Lumpen mußten sortiert und gewaschen werden, dann wurden sie zu Ballen gepreßt. Mein großer Bruder war sehr stolz, wenn er die Presse bedienen durfte. Es ist ein schönes Gefühl, nützlich zu sein! Namentlich für ein Kind (als meine Schwägerin um 1975 ihren Sohn ein "unnützes Kind" schimpfte, war ich darüber so entsetzt, daß ich sie jahrelang nicht mehr besuchte).
Das Metall wurde ebenfalls sortiert und an bestimmten Tagen vom Großhandel abgeholt. Wenn mein Vater mal das Glück hatte, auf den Höfen nur saubere Flaschen und gebündeltes Papier zu erbeuten, ging er damit sofort zum Großhandel und setzte den Erlös in Schnaps um. Er konnte es nicht verwinden, daß er in den letzten Kriegs-tagen - obwohl K.u. beglaubigt - doch noch zum Volkssturm eingezogen wurde. Manchmal trank er so viel, daß meine Mutter ihn aus der Kneipe abholen und auf sei-nem Wagen nach Hause ziehen mußte. Am anderen Tag schimpfte sie dann mit ihm, aber er blieb unverbesserlich.
Reden wir nun von der Person, bei der ich meine Kindheit erlebte. Ida war die älteste der Seeger-Geschwister. Ihrer Obhut waren sie alle anvertraut. Ihre Kindheit und Jugend bestand aus Kinderbetreuung und dem abendlichen Bedienen der Kneipen-gäste, bis der Beamte Karl Seele sie ehelichte. Leider war es ihr nicht vergönnt, Kinder zu gebären. Und sie wäre so gern Mutter! Es gab die Möglichkeit der Adoption, aber dazu mußte das Ehepaar nach den damaligen Bestimmungen mindestens 50 Jahre alt sein oder jede Möglichkeit, eigene Nachkommen zu haben, mußte ausgeschlossen sein.
Ihr Bruder Oskar erwischte 1910 seine Ehefrau mit einem anderen Mann im Bett, ließ sich scheiden und gab seinen erst wenige Monate alten Sohn Bruno bei Ida in Pflege. Onkel Bruno - wie ich ihn nennen durfte - lebte bei Ida bis zur Eheschließung mit seiner Lotte. Von dieser Familie S. ist später noch ausführlich die Rede.
1922 ging Ida Seele mit Mann und Pflegesohn an einem sonnigen Sonntag spa-zieren. Sie kamen an einer Kneipe vorbei, vor der ein Kinderwagen stand mit einem schreienden Bündel Mensch darin. Ida meinte, dem Kind sei vielleicht der Schnuller entglitten und beugte sich über den Wagen, um zu helfen und prallte entsetzt zurück. Das Kind war gewiß über ein Jahr alt, dem Wagen also längst entwachsen. Es war schmutzig, die blonden Löckchen verklebt, das Gesicht voller Schorf und Eiter. Als Ida die Sprache wiedergefunden hatte, stürmte sie mit dem Kind auf dem Arm in das Lokal, fragte, wem das Kind gehört und teilte der halbbetrunkenen Mutter mit, daß sie es mit-nimmt. Sie gab der Rabenmutter ihre Adresse und sagte ihr, daß sie das Kind nicht wie-der hergeben wird, denn da ihr Mann Beamter ist, ist es ihr auch am Wochenende mög-lich, diesen unglaublichen Fall von Kindesvernachlässigung zu protokollieren. So kam es dann auch. Die kleine Gerda wurde der Ida und ihrem Mann zur Adoption freigege-ben. Allerdings forderte die Kindesmutter eine gewisse Geldsumme, die Karl Seele ihr auch gab, obwohl die Dame laut amtlicher Verfügung kein Recht hatte, irgend etwas zu beanspruchen. Karl neckte die kleine Gerda später oft mit der Bemerkung: "Dich haben wir uns jekooft." Nach Gerdas Tod bekam ihre Tochter auch die Papiere von Karl zu sehen. Darin stand, daß er nicht Beamter, sondern Kohlenplatzarbeiter war . . .
Durch die arge Vernachlässigung - wie es sich herausstellte, sollte nach dem Willen der Mutter das ungeliebte Kind nicht am Leben bleiben; sie pflegte es auf einem Eisblock schlafen zu legen, daher hatte es Erfrierungen im Gesicht und blieb lange ein unansehnliches Mädchen mit schiefem Mund - war die kleine Gerda nervös, schlief sehr unruhig und behielt in der ersten Zeit wenig Nahrung bei sich. Aber Ida war sehr ver-siert in Kinderpflege, und bald entwickelte die kleine Gerda sich zu einem lebensfrohen Menschenkind.
Als sie alles Herbe überwunden hatte und auch der (sogenannte) große Bruder Bruno aus dem Haus war, wollte Ida nicht, daß Gerda als Einzelkind heranwuchs. Sie meinte, daß Geschwister leichter zu erziehen seien. So ging sie im Frühjahr 1928 mit Gerda zum weißenseer Waisenhaus, wo sich das sechsjährige Mädchen ein Geschwi-sterchen aussuchen durfte. Die Wahl fiel auf die fünf Monate alte Irmgard Selling (spä-ter kurz Irma genannt). Irma hatte noch mehrere Geschwister, die alle im Waisenhaus lebten. Ihre Mutter "arbeitete" nachts auf der Straße (sie verkaufte ihren Körper), da kam ab und zu solch ein "Betriebsunfall" vor. Sie erlaubte nicht, daß eins ihrer Kinder adoptiert wird. Sie glaubte ernstlich, daß ihre Kinder sie später ernähren würden! Ida setzte es durch, daß Irma wenigstens bei ihr leben durfte, so wuchsen Gerda und Irma wie Schwestern auf und hatten einander recht gern. Bald war Irma der Gerda über den Kopf gewachsen, und das in jeder Beziehung.
Von Gerdas Einsegnung wurde ein Erinnerungsfoto gemacht. Sie war zu jenem Zeitpunkt ein schönes Mädchen (auf dem Foto sieht man ihre großen blaugrauen Au-gen, ihre langen blonden Stocklocken und ihr Gesicht ist erleuchtet von Unschuld und Arglosigkeit), daß der Fotograf dieses Foto sehr lange Zeit als Werbung für seine Kunst im Schaufenster zu hängen hatte, ja, er gab es sogar zur allerersten Fotoausstellung, die seinerzeit (in Wien) stattfand, wo das Foto beinahe einen Preis errungen hätte.)
Während Gerda jedoch stets blaß und durchscheinend blieb, wurde Irma bald ein kräftiges, hochgewachsenes Mädchen mit roten Wangen und blitzenden Augen. Gerda lernte nach dem Schulabschluß Schneiderin, Irma Schlächtermammsell.
Gerda wurde mit 17 Jahren Mutter einer Tochter, die sie auf den Namen Wal-traud taufen ließ. Sie hätte den Kindesvater gerne geheiratet, er war ja ihre erste große Liebe, aber während des elf Jahre dauernden 1000jährigen Reiches brauchte man zur Eheschließung den Arier-Nachweis. Ida schickte Gerda zu ihrer leiblichen Mutter, um dieses Dokument zu erbitten, aber diese Dame dachte nicht daran, es herauszugeben, vermutlich besaß sie es auch gar nicht, denn sie war ja jeder Verpflichtung Gerda ge-genüber enthoben. Der junge Mann wurde 1943 in seine Heimat Italien zurückberufen und die Liebe verdorrte während vier Jahren Hoffens und Wartens. Dann lernte Gerda einen gewissen Alfred Gruber kennen, den sie ein paar Monate später heiratete. Von diesem Menschen wird später noch die Rede sein.
Waltraud blieb bei Ida, weil die elterliche Wohnung zu klein war und auch, da-mit das junge Paar sich aneinander gewöhnen konnte und wenigstens die Flitterwochen in Ruhe genießen konnten (seit ich diese Fakten kenne, hat das Wort "Flitterwochen" für mich etwas Anrüchiges, den Beigeschmack des Negativen, denn diese Flitterwochen dauerten Jahre).
Damit Waltraud nun nicht als Einzelkind aufwachsen sollte, nahm Ida von ei-nem Besuch bei ihrem Bruder Otto die fünf Monate alte Christa mit. Ich lag in meinem Wagen und plärrte aus irgendeinem Babygrund. Mein Vater sagte: "Nimm die Blaare mit, Ida!" Und sie nahm mich mit, obwohl ich noch zu jeder Mahlzeit gestillt wurde. Zu meiner Mutter sagte sie: "Hab dir nich so albern!" und kaufte ihr eine Milchpumpe. Ida wußte ja nicht aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn die Milch in der Brust schwillt und es ist keiner da, der sie abtrinkt! Meine Mutter konnte gegen diese Familie nichts ausrichten. Sie war streng katholisch erzogen worden (das Weib sei dem Manne unter-tan!), so ließ sie den Dingen ihren Lauf. Bald schlug das Schicksal auch noch auf andere Weise auf sie ein, aber davon später.
In den nächsten Kapiteln stelle ich meine Verwandten und unsere nächsten Be-kannten in der Reihenfolge vor, wie ich sie kennenlernte.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Omar Chajjam

Mitglied
Das ist ein zeithistorisches Dokument, daß auf einen Mangel in diesem Forum hinweist. Es fehlt ein Forum für solche Texte wie Essays, Autobiografien usw. Toll. Weil man ja bewerten soll, bekommst Du 9 Punkte auf der Skala.

Gruß
Omar
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
vielen

dank, lieber omar! trotz fehlender rubrik war ich so frei, etliche kapitel meiner memoiren hier zu posten, seit 3 monaten schon. danke für die punkte! ganz lieb grüßt
 
Liebe oldicke

ich schließe mich der Meinung von Omar an und verteile auch 9 Punkte. Nicht, weil mich der Nachahmungstrieb plagt, sondern weil ich den Text einfach toll finde.
Herzliche Grüße
Willi
 

La Luna

Mitglied
Liebe Flammarion,

du hast ein ausgeprägt gutes Erzähltalent.
Ich könnte stundenlang in deinen Memoiren lesen und würde gar nicht bemerken, wie die Zeit dabei vergeht.
Auch deine Einführung in Mundart, ist ausgesprochen originell.
Der Berliner Dialekt hat so etwas kumpelhaft Sympathisches.

Liebe Grüße
Julia
 



 
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