brechen gebrochen

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Walther

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brechen gebrochen


er brach den stab
und das gebrochne lag / so schwer auf seinem rücken
und die lasten / die türmten sich und waren hart
ein hasten / nicht ruhen war in seinen gesten
tag / und nacht verbrachte er die stunden
rasten // erträumte er so schwer wie schlaf
der schlag / der kirchturmuhr erschien ihm als vertrag /
die lebzeit abzuzählen
und ein tasten // verstohlen nach der wärme in der kälte /
wars nicht vergebens
denn die einsamkeit / erfüllte ihn mit schmerz
der sich gesellte // zum brechen und zu dem gebrochen werden /
es wurde endlich zeit für ihn
bereit / sich auszuruhn
ein enden der beschwerden
 

Vera-Lena

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Lieber Walther,

das ist eine gute Idee, die Sätze leicht lesbar zu machen und trotzdem durch "/" die Sonettform zu verdeutlichen.

Mein Vorschlag wäre, trotzdem das Sonett noch einmal in seiner Sonett-Form unter das jetzige Gedicht zu setzen, sonst kriegt man nur schwer mit, wie Du es eigentlich gemeint hast. Aber vielleicht wartetst Du ja auch auf die Kenner, die es in der LL durchaus gibt, und die dann doch auch ohne diese Unterstützung die Sonett-Form herauslesen.

Inhaltlich ist es ein Text, bei dem ich mir unsicher bin, ob ich ihn in Deinem Sinne verstehe.

Mir drängt sich zunächst Folgendes auf: Den Stab bricht das Lyri hier anscheinend über sich selbst und was dabei herauskommt, lastet schwer auf seiner Seele. (Sollte ich hier schief liegen, passen auch die folgenden Gedanken nicht.)

So quält es sich dann mehr oder weniger durch sein Leben, empfindet vorrangig Kälte und Einsamkeit und sehnt das Ende der Lebenszeit auf Erden herbei.

Am Ende wird noch erwähnt dass auch andere den Stab über das Lyri gebrochen haben "gebrochen werden", was das Leidensmaß dann endgültig voll gemacht hat.

Ganz persönlich fällt mir dazu die Zeit ein, in der ich ein Jahr lang mit lebenslänglich männlichen Gefangenen gearbeitet habe. Sie fanden es unmenschlich bei einem ihrer Mithäftlinge, dass er nicht begnadigt wurde nach 15 Jahren, denn sein Vergehen war aus ihrer Sicht nicht so schwerwiegend gewesen.

Ich konnte mich in ihre Situation nie wirklich ganz hineindenken, denn es ist mir immer wieder gelungen, selbst diese Menschen in unseren Arbeitstunden zum Lachen zu bringen. Trotzdem..... wenn ich Deine Zeilen so lese, wie ich es Dir eben beschrieben habe, würden sie gut auf diese Menschen zutreffen, möglicherweise auch auf depressive Menschen, deren Zahl in Deutschland in der letzten Zeit erschreckend angestiegen ist.

Danke für diesen Text, der mit wenigen Worten sehr eindringlich das Leiden auf Erden, das ja letzten Endes niemandem in Gänze erspart bleibt, beschreibt. An irgendeiner Stelle wird sich jeder Leser wiederfinden, denke ich. Allerdings legen sich Menschen heutzutage immer geschickter Verdrängungsechanismen zu, um ein Leid gar nicht erst an sich herankommen zu lassen.

Also, so lese ich das. Ich bin gespannt, wie andere es sehen werden.

Ganz liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
das sonett

er brach den stab und das gebrochne lag /
so schwer auf seinem rücken und die lasten /
die türmten sich und waren hart ein hasten /
nicht ruhen war in seinen gesten tag //
und nacht verbrachte er die stunden rasten /
erträumte er so schwer wie schlaf der schlag /
der kirchturmuhr erschien ihm als vertrag /
die lebzeit abzuzählen und ein tasten //
verstohlen nach der wärme in der kälte /
wars nicht vergebens denn die einsamkeit /
erfüllte ihn mit schmerz der sich gesellte //
zum brechen und zu dem gebrochen werden /
es wurde endlich zeit für ihn bereit /
sich auszuruhn ein enden der beschwerden //
 

Walther

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brechen gebrochen


er brach den stab
und das gebrochne lag / so schwer auf seinem rücken
und die lasten / die türmten sich und waren hart
ein hasten / nicht ruhen war in seinen gesten
tag // und nacht verbrachte er die stunden
rasten / erträumte er so schwer wie schlaf
der schlag / der kirchturmuhr erschien ihm als vertrag /
die lebzeit abzuzählen
und ein tasten // verstohlen nach der wärme in der kälte /
wars nicht vergebens
denn die einsamkeit / erfüllte ihn mit schmerz
der sich gesellte // zum brechen und zu dem gebrochen werden /
es wurde endlich zeit für ihn
bereit / sich auszuruhn
ein enden der beschwerden /
 

Walther

Mitglied
Lb. Vera-Lena,

in der Tat geht es hier um Brechen und Gebrochen werden. Ich erinnere mich da an das Wort des "Einreitens", verwandt für die Kinder, den Lehrling, den Rekruten, die Hure. Hier wird das Kreuz gebrochen, der Stolz, die Person.

Wie gern bricht man den Stab über andere? Und wie schwer wiegt dieses Überheben, wenn die Rechnung, sei es innen oder außen, ausgeglichen wird? Fragen, Fragen, Fragen.

Und, ja, es gibt die Depression, die Ausweglosigkeit, das Davonlaufen, das Burn-out.

Ich habe versucht, mit wenigen Bildern solche Seelenräume aufzuzeigen; ausgestalten darf und kann sie der Leser. Textkollagen dieser Art sind nicht "fertig" - im Sinne von zu Ende erzählt -, sie sind die Aufforderung zum Dialog mit dem Text, mit sich, mit anderen, die diesen Text gelesen haben und die man, wenn man sich treiben läßt, finden könnte - wenn man das will.

Danke für Deine Überlegungen und Deinen Hinweis, den ich oben umgesetzt habe.

LG W.
 

Walther

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brechen gebrochen


er brach den stab
und das gebrochne lag / so schwer auf seinem rücken
und die lasten / die türmten sich und waren hart
ein hasten / nicht ruhen war in seinen gesten
tag // und nacht verbrachte er die stunden
rasten / erträumte er so schwer wie schlaf
der schlag / der kirchturmuhr erschien ihm als vertrag /
die lebzeit abzuzählen
und ein tasten // verstohlen nach der wärme in der kälte /
wars nicht vergebens
denn die einsamkeit / erfüllte ihn mit schmerz
der sich gesellte // zum brechen und zu dem gebrochen werden /
es wurde endlich zeit für ihn
bereit / sich auszuruhn
ein enden der beschwerden //
 



 
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