undenkbar

3,00 Stern(e) 1 Stimme

Anonym

Gast
undenkbar

manchmal, wenn ich ganz verzweifelt bin,
über das, was in der welt geschieht,
denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

da fordern sie die todesstrafe
und sagen, das sei nur gerecht,
bejubeln später den vollzug
und kennen kein pardon

dann wünsche ich mir manchmal
dass jeder, der nach todesstrafe brüllt,
auf diesem wege seinen
ihm liebsten menschen sterben sieht

manchmal, wenn ich ganz verzweifelt bin,
über das, was in der welt geschieht,
denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

da foltern sie im dienst der sache,
die man für gut befunden hat,
verkrüppeln körperlich und seelisch
geheiligt ist der zweck

dann wünsche ich mir manchmal,
dass jene, die das dulden oder tun,
am eignen leib erfahren,
was folter wirklich ist

manchmal, wenn ich ganz verzweifelt bin,
über das, was in der welt geschieht,
denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

da hetzen sie verfolgte
und pesten gegen deren anderssein,
ob auf den straßen oder in den ämtern
wird klar gemacht, dass man sie hier nicht will,

dann wünsche ich mir manchmal,
dass alle, die so handeln oder reden,
vor krieg und hunger fliehen müssen
in eine für sie völlig fremde welt

manchmal, wenn ich ganz verzweifelt bin,
über das, was in der welt geschieht,
denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

ob haftentlassen oder psychisch krank
ob alt ob homosexuell
ob schwerbehindert oder arm
die ignoranz verfolgt sie jeden tag

und ich könnt nur noch um mich schlagen
wenn ich das sehe, all das hör
verstehe manchen bombenwerfer
und weiß doch, dieses ist der falsche weg

manchmal, wenn ich ganz verzweifelt bin,
über das, was in der welt geschieht,
denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

und wenn ich nicht mehr denken will,
bleibt oft nur wut auf jene,
durch die ich denke, wie ich gar nicht denken will
 

petrasmiles

Mitglied
Ein ganz starker Text!
Ich denke nur, die regelmäßige Wiederholung der ersten Strophe dient der Qualität nicht - im Gegenteil.

Liebe Grüße
Petra
 

Anonym

Gast
Hallo Petra,

ich freue mich sehr über Dein "Ein ganz starker Text!"!

Was die Wiederholung angeht, so ist sie aus meiner Sicht dringend notwendig. Wie ein Mantra oder eine Beschwörung "betet" das Lyrich die Sätze runter, wenn es wieder in Richtungen denkt, in die es gar nicht denken will. Doch möglicherweise hängt die Wirkung auch davon ab, wie der Text insgesamt gelesen bzw. vorgetragen wird.

Ich werde Deine Anmerkung trotzdem zum Anlass nehmen, mir noch einmal Gedanken über diesen Punkt zu machen. Doch vielleicht gibt es ja auch noch andere Meinungen und Stimmen hierzu.

Herzlichen Dank und liebe Grüße

A.
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo A.,

das habe ich auch so verstanden und das hat auch seinen Reiz, z.B. Brechts 'So verging die Zeit, die auf Erden mir gegeben war', aber die fünf Zeilen erscheinen mir zu lang.
Beim Vortrag kommt noch eine neue dramatische Komponente hinzu, die den gewünschten - oder innewohnenden - Effekt trägt, aber wo werden noch Texte vorgetragen?
Wenn man ihn liest, ist die Gefahr größer, dass man nach der dritten Wiederholung 'aussteigt'.
Als erstes und als vorletzte Strophe scheint mir ausreichend.

Aber mir leuchtet auch ein, dass sie als 'dramatische Kurve' betrachtet quasi Pfeiler sind.

Mal sehen, was andere dazu sagen.

Liebe Grüße
Petra
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,

Idee und Aussage unterschreibe ich sofort, auch den Aufbau finde ich grundsätzlich gut aber die Sprache ist stellenweise nicht präzise genung und etwas ungelenk. Etwas schade aber ich habe den Text dennoch mit Interesse und gerne gelesen.

Gruß

Jürgen
 

Anonym

Gast
undenkbar

manchmal, wenn ich ganz verzweifelt bin,
über das, was in der welt geschieht,
denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

da fordern sie die todesstrafe
sagen, dies sei nur gerecht,
bejubeln später den vollzug,
und kennen kein pardon

dann wünsche ich mir manchmal,
dass jeder, der nach todesstrafe brüllt,
durch sie den liebsten mensch verliert

manchmal denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

da foltern sie im dienst der sache,
die man für gut befunden hat,
verkrüppeln körperlich und seelisch
geheiligt sei der zweck

dann wünsche ich mir manchmal,
dass jene, die das dulden oder tun,
am eignen leib erfahren,
was folter wirklich ist

manchmal denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

da hetzen sie die fremden und verfolgten,
pesten gegen deren anderssein,
und zeigen heimlich oder offen,
dass man sie hier nicht haben will

dann wünsche ich mir manchmal,
dass alle, die das tun,
vor krieg und armut fliehen müssen
in eine für sie völlig fremde welt

manchmal denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

ob haftentlassen oder psychisch krank,
ob alt, ob homosexuell,
ob schwerbehindert oder arm,
die ignoranz verfolgt sie jeden tag

und ich könnt nur noch um mich schlagen
wenn ich das sehe, all das hör
verstehe manchen bombenwerfer
und weiß genau, dies ist der falsche weg

manchmal, wenn ich ganz verzweifelt bin,
über das, was in der welt geschieht,
denk ich dinge, die ich gar nicht denken will,
denk ich dinge, die sich nicht gehören,
denk ich, dass ich nicht mehr denken will

und wenn ich nicht mehr denken will,
bleibt oft nur wut auf jene,
durch die ich denke, wie ich gar nicht denken will
 

Anonym

Gast
Hallo Petra, hallo JoteS,

jetzt habe ich den Text noch ein wenig bearbeitet. Zum Teil sind Eure Anregungen und Kritikpunkte mit eingeflossen.

Danke für Euer Feedback!

Schöne Grüße

A.
 



 
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