Hallo Patrick,
irgendwie passen Lavendelfelder und Wälder nicht zusammen. Ich war bis jetzt zweimal in der Provence, das Bild, was man vor sich hat, wenn man dein Gedicht liest, gibt es so nicht. Lavendelfelder sind nicht unmittelbar neben Wäldern, da stehen höchstens vereinzelt Bäume.
Ansonsten hat mir das Gedicht auch einen Tick „furchtbarer Schmerz" zu viel. Es badet geradezu in Emotionen und bringt eigentlich immer dasselbe Thema, mir ist es ehrlich gesagt zu kitschig. Auch wenn ich mich jetzt unbeliebt mache.
Auch der Vers macht nicht viel Sinn. Natürlich können Sterne nicht im All ertrinken, warum muss man auf etwas, was für sich allein schon keinen Sinn macht, hinweisen?
Schöne Grüße
SilberneDelfine
Hallo SilberneDelfine,
ich glaube, du vermischst hier ein bisschen Äpfel mit Birnen. Alltagslogik in der Lyrik zu suchen, ist so eine Sache - kann man machen, führt aber oft am Eigentlichen vorbei.
"Sterne können nicht im All ertrinken –
ich weiß das, weil ich traurig bin."
Diese Zeile ist zutiefst paradox - gerade das Unmögliche macht die Aussage poetisch. Hier wird Traurigkeit in eine interessante Dimension überführt: Sterne - oft Sinnbilder des Ewigen, des Leuchtenden - stehen in einer Leere, nämlich im All. Dass sie „nicht ertrinken können“, wird plötzlich mit dem Wissen des lyrischen Ichs verknüpft, das traurig ist.
Die Pointe: Es geht nicht um die Sterne an sich, sondern um das Bedürfnis, in der eigenen Traurigkeit eine Wahrheit zu finden - eine Wahrheit, die sich der Logik entzieht. Der Vers stellt also keine naturwissenschaftliche Behauptung auf, sondern schafft ein Bild für das Gefühl, dass auch etwas Großes, Strahlendes wie ein Stern in der Leere versinken könnte - aber nicht darf, weil sonst alles verloren wäre. Es ist ein verzweifelter Versuch, sich an etwas festzuhalten. Das Besondere an Sterne ist zudem, dass ihr Licht, das wir sehen, ein Rest ihres Lebens ist, denn die meisten sind bereits erloschen oder erlagen dem kosmischen Exodus.
"Ich denke noch an die Lavendelfelder"
Diese Wiederholung ist kein bloßer Rückblick, sondern eine Art Mantra, eine Beschwörung eines vergangenen Gefühls. Sie verleiht dem Gedicht meiner Meinung nach seine melancholische Musik und macht deutlich, dass das Ich gefangen ist zwischen Erinnerung und Zweifel, zwischen Vergangenheit und gegenwärtiger Einsamkeit:
"und frage mich, hab ich geliebt?"
Diese letzte Frage ist zutiefst existenziell, findest Du nicht? Sie stellt die gesamte Erinnerung, das erlebte Leben, infrage. War es wirklich Liebe? War es Glück? Oder nur ein Traum? Auch dies entzieht sich einer rationalen Antwort.
Zum Thema Lavendelfelder und Wälder: Deine Annahme, dass das nicht zusammengeht, stimmt so nicht. Es gibt durchaus Orte, wo Lavendelfelder direkt an Wälder grenzen - z.B. bei uns in Deutschland, Stichwort Lavendeltour in Meinberg - aber Meinberg steht nicht allein: Thüringer Becken, im Harz, Hunsrück-Naheland usw usf. Das weiß ich nicht aus dem FF, habe ich aber eben gegoogelt. Aber viel wichtiger ist doch: In einem Gedicht geht es nicht darum, ob das landschaftlich exakt so vorkommt, sondern was das Bild im Kopf auslöst. Lavendel steht oft für Sehnsucht, Leichtigkeit, vielleicht Erinnerungen an bessere Zeiten. Wälder dagegen für Tiefe, Dichte, vielleicht auch für etwas Undurchschaubares. Diese Kombination finde ich poetisch schon spannend - sie soll nicht naturgetreu sein, sondern Atmosphäre schaffen. Natürlich hat jeder Mensch gemessen daran seine eigenen Präferenzen.
Und der Vers „Sterne können nicht im All ertrinken“ - ja, natürlich nicht. Aber genau darum geht’s doch. Das Bild will ein Gefühl transportieren: Verlorenheit, Machtlosigkeit in dieser riesigen Leere des Alls. Sterne stehen oft für Hoffnung, Licht - und jetzt stell dir vor, selbst ein Stern könnte untergehen in dieser unendlichen Dunkelheit. Schön finde ich auch die Personifikation des Sterns. Das ist ein starkes Bild, ein Paradoxon, das genau deshalb funktioniert, weil es sich der Alltagslogik entzieht. Wobei, ich finde, dass es selbst in der Alltagslogik vorkommt. Ich fühle mich auch öfter so, als würde ich an einer Sache oder an einem Umstand ertrinken. Nur bin ich kein Stern, obwohl ich auf atomarer Ebene aus den Teilchen eines Sternes bestehe
Es zeigt, wie fragil selbst das scheinbar Unzerstörbare ist. Und das wird hier mit der eigenen Traurigkeit verknüpft - das ist nicht „unsinnig“, sondern, wie ich finde, tief. Natürlich könnte man, wollte man Kritik satteln, sagen, dieses Bild als autonome Metaphorik, sei abgegriffen. Ich finde es nicht abgegriffen, weil ich das Paradoxon für sehr einfühlsam und ehrlich halte.
Maren