Mutter Zeit

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poetix

Mitglied
Mutter Zeit


Schon rufst du wieder, Mutter Zeit,
und nimmst mich sicher an die Hand.
Du führst mich durch dein großes Land,
zur Umkehr bist du nie bereit.

Halt, warte, eile nur nicht so,
noch will ich eigentlich nicht gehen.
Ja, kannst du das denn nicht verstehen?
Ich bin hier eigentlich ganz froh.

Dass du nur immer weiter reist!
Und ziehst mich mit dir weiter fort
von jedem je geliebten Ort.
Auch mich formst du in diesem Geist.

Als ob es ohne dich nicht ginge!
Doch üb ich, ohne dich zu sein;
denn einmal lässt du mich allein,
erlöst, am Ende aller Dinge.
 
hallo poetix,

von der basis (melody, bilder) gefällt mir dein gedicht, die umsetzung ist nicht ganz überzeugend...

Schon rufst [blue]du[/blue] wieder, Mutter Zeit,
und nimmst mich sicher an die Hand.
[blue]Du[/blue] führst [blue]mich[/blue] durch [blue]dein[/blue] großes Land,
zur Umkehr bist [blue]du[/blue] nie bereit.

in Z3 sind das zu viele Pronomen

Halt, warte, eile nur nicht so,
noch will ich [blue]eigentlich[/blue] nicht [blue]gehen[/blue].
Ja, kannst du das denn nicht [blue]verstehen[/blue]?
Ich bin hier [blue]eigentlich[/blue] ganz froh.

"eigentlich" ist kein lyrischer Begriff - ihn gilt es zu vermeiden - erst recht die Doppelung.

von Hand/Land gehst Du zu verstehen/gehen über und wechselst somit den Rhythmus - ist gar nicht notwendig, denn mit verstehn/gehn bist Du wieder im Takt.

Schon rufst du wieder, Mutter Zeit,
und nimmst mich sicher an die Hand.
führst durch ein weitgestelltes Land,
zur Umkehr nicht gewillt, bereit.

Nun warte, stell die Schritte ein,
noch möcht ich bleiben und nicht gehn.
Sag, kannst du mich denn nicht verstehn?
Hier kann und darf ich glücklich sein.

So könnten die ersten Verse aussehen, falls sie deiner Intention noch folgen.

Die Beispiele sind beliebig und nur als Ansatz gedacht.
Diesen Rhythmus solltest Du auch für V3+4 beibehalten, aber ich will dir ja nicht die ganze Arbeit abnehmen ,-)

Gruß, A.D.
 

poetix

Mitglied
Mutter Zeit


Schon rufst du wieder, Mutter Zeit,
und nimmst mich sicher an die Hand,
mich führend durch dein großes Land,
zur Einkehr, Umkehr nie bereit.

Halt, warte, eile nur nicht so,
noch will ich bleiben und nicht gehn.
Ja, kannst du das denn nicht verstehn?
Im Jetzt zu sein, das macht mich froh.

Dass du nur immer weiter reist!
Und ziehst mich mit dir weiter fort
von jedem je geliebten Ort.
Auch mich formst du in diesem Geist.

Als ob es ohne dich nicht ginge!
Doch streb ich, von dir frei zu sein;
denn einmal lässt du mich allein,
erlöst, am Ende aller Dinge.
 

poetix

Mitglied
Hallo Andere Dimension,
vielen Dank für deinen freundlichen Kommentar, die Bewertung und natürlich vor allem für die Verbesserungsvorschläge. Ich habe das Gedicht nun revidiert. Einige deiner Vorschläge habe ich wörtlich übernommen, andere in meine eigenen Worte gefasst. In der letzte Strophe bin ich noch bei dem weiblichen Reim geblieben, weil dies die Pointe hervorhebt. Insofern wäre es vielleicht erlaubt? Auf jeden Fall werde ich noch weiter darüber nachdenken.
Viele Grüße
poetix
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
das Jetzt

Ein klarer Gedanke, nicht allzu eng geführt, etwas breit, aber dadurch schlicht und verständlich. Und inzwischen auch gut korrigiert.

Ich stoße mich ein wenig daran, daß die Mutter Zeit gewissermaßen vorauseilt und das LyrI klagt:
Im Jetzt zu sein, das macht mich froh.
Ist es nicht das Jetzt, das dem Vergehenden immer vorausgeht und wie ein zukunftsschwangerer Mutterschoß Allewelt in Vergangenheitsrichtung aus sich hervorbringt? Wer an einer Stelle des permanenten Geburtsprozesses verbleiben wollte, müßte sich aus-tragen lassen in die Vergangenheit. In dem festgehaltenen "Augenblick" stirbt bekanntlich der Unternehmer, Mephistotraktierer und Lustmolch Faust. Das, was immer weiterschreitet, ist ja gerade das Jetzt. Mütterlich an der Zeit ist (außer der immerwährenden Geburt von Geschichtswellen, Handlungen und Lebenszyklen) gerade dies, daß man aus dem Jetzt nicht herausfallen kann. Wir mögen uns der Vergangenheiten bewußtwerden, uns in Zeitreisen verlieren können wir nicht (es sei denn, wir werden zu den ironisch reflektierten "Gestalten im Kasten", siehe Captain Picards Erkenntnis am Ende der zweiten "Moriatti"-Folge der "Next Generation"-Startrek-Serie). Immer sind wir im Jetzt, im ewigen Jetzt.
 

poetix

Mitglied
Hallo Mondnein,
danke sehr für deinen Kommentar. Das Jetzt ist das, was wir als Gegenwart empfinden. Es ist das Wesen der Zeit, das dieses Jetzt sich immer weiterentwickelt, sich ändert. Natürlich ist man dann wieder in einem Jetzt, aber es ist nicht mehr das Jetzt, was man festhalten wollte. Faust suchte nach solch einem Augenblick, ohne ihn letztlich zu finden (er spricht zum Schluss im Irrealis). Im Zen-Buddhismus wird der Augenblick zelebriert und man versucht, durch ihn zu Satori zu gelangen. Im vorliegenden Text wird nun diese Würdigung des Augenblicks, des "Jetzt" aufgenommen und zum Ausgangspunkt der Klage über den Wandel gemacht. Ich hoffe, dass ich das im Text nicht allzu missverständlich formuliert habe.
Viele Grüße
poetix
 
hallo peotix,

was (dir) gefällt und niemandem schadet, das ist auch erlaubt.

es liest sich schon deutlich flüssiger - gefällt mir, wie schnell du das umsetzen konntest. "dass" ist auch kein lyrisches wort, fällt aber hier nicht so sehr ins gewicht.
"macht mich froh" gehört für mich irgendwie auch nicht ins gedicht, doch dafür kannst du nichts .,,ist eher meine assoziation...

gruß,a.d.
 
F

Fettauge

Gast
Lieber Poetix,

zunächst: Mir gefällt das Gedicht sehr. Du hast dir Gedanken gemacht darüber, dass das Entscheidende immer das Heutige, das Jetzt ist, in der der Mensch wirken kann und muss. Das finde ich eine völlig richtige Überlegung. Diesen Gedanken hast du logisch durch das Gedicht geführt, großartig.

Wobei mir aber nicht ganz logisch Strophe 1, Vers 4 ist:
"zur Einkehr, Umkehr nie bereit". Was kann mit "Einkehr" gemeint sein? Dem Jetzt kann man sich nur durch den Tod entziehen, in die Gegenwart kann man also immer nur "einkehren", ob man will oder nicht. Die "Umkehr" halte ich für völlig überflüssig, nur Sonnambule und Konservative machen den Tag zur Nacht und das Heute zum Gestern. Mutter Zeit (gefällt mir!) drängt schließlich immer in die Zukunft.

"Im Jetzt zu sein, das macht mich froh" lässt sich weniger flach formulieren, denke ich.

"Dass du nur immer weiter reist!" - eine Gedankenfigur, genannt Invokation, sehr schön.

"Auch mich formst du in diesem Geist" finde ich etwas unklar formuliert. Sagen willst du sicher: Auch ich werde älter,
ich unterliege dem Fluss der Zeit. Von Formung kann da eigentlich keine Rede sein, eher vom Zwang der Zeit.

Die letzte Strophe geht darauf ein, dass die Mutter Zeit ihren Einfluss auf das Ich erst verloren hat, wenn es stirbt. Ein anderer, etwas positiverer Ausblick wäre meines Erachtens aber die Erkenntnis, dass die Zeit niemals ihr Wirken aufgibt, dass das Leben weitergeht.

Das ist ein sehr schönes Gedicht, poetix, es hat mich sehr gefreut, es lesen zu dürfen.

Liebe Grüße, Fettauge
 

poetix

Mitglied
Mutter Zeit


Schon rufst du wieder, Mutter Zeit,
und nimmst mich sicher an die Hand,
mich führend durch dein großes Land,
zur Einkehr, Umkehr nie bereit.

Halt, warte, eile nur nicht so,
noch will ich bleiben und nicht gehn.
Ja, kannst du das denn nicht verstehn?
Im Jetzt erblüh ich und bin froh.

Dass du nur immer weiter reist!
Und ziehst mich mit dir weiter fort
von jedem je geliebten Ort.
Auch mich formst du in diesem Geist.

Als ob es ohne dich nicht ginge!
Doch streb ich, von dir frei zu sein;
denn einmal lässt du mich allein,
erlöst, am Ende aller Dinge.
 

poetix

Mitglied
Hallo Fettauge,
vielen Dank für deinen tiefgehenden Kommentar. Die "Jetzt"-Zeile habe ich mir gleich vorgenommen. Ich hoffe, es ist jetzt etwas besser. Die Sache mit der Ein- und Umkehr ist eigentlich gar nicht so tiefsinnig. Es geht einfach um die Eigenschaft der Zeit, nicht stehenzubleiben (Einkehr) oder die Richtung umzukehren (Umkehr). Das erscheint uns natürlich klar, wir bemerken gar nicht, dass wir hier zwanghaft (an der Hand) geführt werden. Wir sind so, müssen so sein. Kennen wir es nicht anders? Lernen wir es womöglich erst am Anfang des Lebens? Und verinnerlichen wir es dann immer mehr, bis wir uns anderes gar nicht mehr denken können? Darauf spielt die Zeile an:
Auch mich formst du in diesem Geist
Ja, die letzte Strophe geht auf den Tod ein, aber sie ist positiv gestimmt. Im Tod sind wir frei von allen menschlichen Einschränkungen. Die reine Anschauungsform "Zeit" wird nicht mehr benötigt. Dieser Zustand ist überzeitlich. Viel mehr können wir darüber nicht aussagen, wir sind durch unsere Kategorien behindert. Es ist eine Negativ-Aussage, die man positiv interpretieren kann.
Viele Grüße
poetix
 

poetix

Mitglied
Mutter Zeit


Schon rufst du wieder, Mutter Zeit,
und nimmst mich sicher an die Hand,
mich führend durch dein großes Land,
zur Einkehr, Umkehr nie bereit.

Halt, warte, eile nur nicht so,
noch will ich bleiben und nicht gehn.
Ja, kannst du das denn nicht verstehn?
Ich lieb das Jetzt, umarm es froh.

Dass du nur immer weiter reist!
Und ziehst mich mit dir weiter fort
von jedem je geliebten Ort.
Auch mich formst du in diesem Geist.

Als ob es ohne dich nicht ginge!
Doch streb ich, von dir frei zu sein;
denn einmal lässt du mich allein,
erlöst, am Ende aller Dinge.
 

poetix

Mitglied
Mutter Zeit


Schon rufst du wieder, Mutter Zeit,
und nimmst mich sicher an die Hand,
mich führend durch dein großes Land,
zur Einkehr, Umkehr nie bereit.

Halt, warte, eile nur nicht so,
noch will ich bleiben und nicht gehn.
Ja, kannst du das denn nicht verstehn?
Das Jetzt lieb ich, umarm es froh.

Dass du nur immer weiter reist!
Und ziehst mich mit dir weiter fort
von jedem je geliebten Ort.
Auch mich formst du in diesem Geist.

Als ob es ohne dich nicht ginge!
Doch streb ich, von dir frei zu sein;
denn einmal lässt du mich allein,
erlöst, am Ende aller Dinge.
 

molly

Mitglied
Hallo Christoph,
Dein Gedicht gefällt mir sehr. Gerade die Zeile:

<zur Einkehr, Umkehr nie bereit.>

finde ich sehr wichtig: Weil es keine Zeit zum verweilen gibt, brauchen Menschen mitunter eine "Auszeit".
Viele Grüße
Monika
 

poetix

Mitglied
Hallo Monika,
danke dir für deinen freundlichen Kommentar. Ja, manchmal fühlen wir den Druck der Zeit sehr stark, manchmal weniger stark.
Viele Grüße
Christoph
 

poetix

Mitglied
Mutter Zeit


Schon rufst du wieder, Mutter Zeit,
und nimmst mich sicher an die Hand,
mich führend durch dein großes Land,
zur Einkehr, Umkehr nie bereit.

Halt, warte, eile nur nicht so,
noch will ich bleiben und nicht gehn.
Ja, kannst du das denn nicht verstehn?
Das Jetzt lieb ich, umarm es froh.

Dass du nur immer weiter reist!
Und ziehst mich ständig mit dir fort
von jedem je geliebten Ort.
Auch mich formst du in diesem Geist.

Als ob es ohne dich nicht ginge!
Doch streb ich, von dir frei zu sein;
denn einmal lässt du mich allein,
erlöst, am Ende aller Dinge.
 



 
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