12.

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mondnein

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12.

Buchstaben - Nächte in den Tag geprägt
Damit die Tage ihren Sinn erblicken
Der Blinde trägt den Lahmen auf dem Rücken
Bedeutungsarm ist was Bedeutung trägt

Wenngleich das Opfer größer ist: zu tragen
Und der Bedeutung Glanz vor dem verglimmt
Was schöpferischer Wahn zu sein bestimmt
Und aller Selberdeutung zu entsagen

Den größten Reichtum trägt Geröll und Sand
Gekräusel auch im Schaum poröser Rinden
Kannst du die Schrift die Ornamente finden
Die Salomon versiegelt mit Verstand

Doch ärmer bin der Gärtner ich: Geblendet
Wie mir die Blüten durch die Sinne brennen
So liebe ich sie die sich selbst nicht kennen
Bis ihre Anmut allen Reiz vollendet
 

Ubertas

Mitglied
Halĺo @mondnein, hansz,
der Selberdeutung entsage ich mich an dieser Stelle. Den tiefen Sinn in deinen Worten spüre ich auch so.
Ein wunderschönes Gedicht.
Lieben Gruß, ubertas
 

Ubertas

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Schweigen und Sprachlosigkeit können sich ein Bett teilen. Sie ruhen nur auf unterschiedlichen Kissen.
Mir gefällt deine Antwort und dein Gedicht.
Und zwar sehr!
 

mondnein

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Ja, gewiß, Ubertas:
Sie ruhen nur auf unterschiedlichen Kissen.
Der kühle Gedankenansatz, mit dem das Gedicht beginnt, reflektiert darüber, wie sich Kanal und Information zueinander verhalten.
Informationstheoretisch unterschied man in den IBM-Zeiten vor Bill Gates zwischen dem Träger einer Informationen-Struktur, z.B. den Radiowellen des Rundfunks und den auf diesem Träger wie auf einem Kissen aufruhenden sprachlichen oder musikalischen Inhalten.
Interessanterweise kann man komplexe Mehrfach-Schichtungen tragender "Kanäle" unten und aufruhender "Information" darüber vielfach aufspelzen, z.B. Sprachlaute (Phonetik), Lexeme, Grammatik, Mitteilung und Pragmatik; oder die Moleküle der Aminosäuren, Organe, Lebensstrukturen und das von ihnen getragene Wachbewußtsein usw.

Die Schwärze der Buchstaben (z.B. hier im Lupentext), dem taghellen Weiß des Papiers oder des Monitorbildes "eingeprägt", verbindet die "Kanal-Information"-Dualität mit der Metapher von "lahmem" Tagesbewußtsein und "blinder" Nacht.

Sieh auch http://12koerbe.de/azur/licht1.htm

Soweit in der ersten Strophe.

grusz, hansz
 

Ubertas

Mitglied
Hallo @mondnein, hansz,
deine Ausführung ist gut begründet und ich bin erstaunt im guten Sinn, wie komplex du es betrachtest. Im Mittelmaß ergibt sich zwischen Kanal und Information zumeist zuvor eine Korrespondenz, diese kann auch gern abhanden sein. Sie verbindet trotzdem unabdinglich beide. Was sich in dualen Beziehungen immer ergibt, ist nicht nur die logisch erklärbar angesiedelte respond. Deswegen empfinde ich Transmittierendes für logisch. Das Aufspelzen (ein wirklich ernsthaft gut gewählter Vergleich) findet Anwendung, ein Aufpelzen fände Anwendung, wenn trotz vieler möglicher Ansätze keine Transkription gelingt. Dir ist es gelungen.
Nicht nur in Strophe eins.
Lieben Gruß, ubertas.
 

mondnein

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Danke für die Wertungen, Tula, Chandrian und Ubertas,
und natürlich ganz besonders für Deinen klugen Verständnis-Einstieg, Ubertas!

Die dritte Strophe wertet die Träger-Schicht auf, als Schrift der Natur, siehe Novalis http://12koerbe.de/phosphoros/novalis.htm
und in der vierten kippt das Verhältnis von unten und oben, von Kanal und Information, geradezu um, wie bei einer hegelschen Gedankenumstülpung,

grusz, hansz
 
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