15 (Kriminalnovelle) - 1. Frank

xavia

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1. Frank

Mit diesen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« – Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer, wo sie schon eine ganze Weile vor dem Spiegel zugebracht hat. Traurig blickt sie auf eine zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Sie hätte der Elbenkönigin Galadriel aus dem ›Herrn der Ringe‹ Konkurrenz machen können, aber das sieht sie nicht. Sie sieht nur ein blasses trauriges Mädchen, flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint. Aber manchmal kommt es ihr so vor, als könne vor den Augen ihrer Mutter nur das Anklang finden, was genau deren Vorstellungen, ja sogar deren Aussehen entspricht: Ihre Mutter hat rote, kinnlange Haare und trägt gerne kräftige Farben. – Hat man mit fünfzehn nicht langsam ein Recht auf eine eigene Meinung? Aber vielleicht liegt sie ja ganz falsch mit ihrer eigenen Meinung, vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, tatsächlich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro. Er legt Wert darauf, früh dort zu sein, hat es inzwischen zum Dienststellenleiter gebracht und ist den anderen ein Vorbild.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als sie selbst. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel. Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule, haben beide in der ersten Stunde Unterricht. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Dann erklimmt sie die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie Ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Mit samtenen braunen Augen hält er ihren Blick fest. Es dauert nur einen Moment, fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit und ihr Herz schlägt wie wild. Er lächelt sie kurz an und geht an ihr vorbei. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, guckt ihm verwirrt hinterher: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle? Er ist der Eine! Ihre Mutter hat ihr und Paula oft davon erzählt, wie es ist, wenn man Ihm begegnet. Sie haben versucht, es sich vorzustellen, sind wirklich kühn gewesen in ihren Träumen, aber dieses bricht alle Rekorde. So etwas kann man sich nicht vorstellen, das muss man erleben!
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehengeblieben ist und die Ankommenden rechts und links an ihr vorbeiströmten, den Klassenräumen entgegen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen, um sich hier nicht öffentlich zum Narren zu machen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die Er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich und berichtet ihrer Freundin, was passiert ist. Sandra ist eine zuverlässige und bodenständige Person, die man nicht so leicht erschüttern kann. Sie erwartet keine großen Überraschungen vom Leben und mag keine Abenteuer. Vor einem Jahr hat sie Sabrina erzählt, dass sie Tiermedizin studieren und bis dahin keinen festen Freund haben will, der sie von ihren Plänen ablenkt. Bis heute hat sich daran nichts geändert, während Sabrinas eher unspezifische Berufswünsche mindestens monatlich wechseln, falls sie überhaupt welche hat und ihre Träume von Partnerschaft sich bislang auf Ian Tracey, den Huckleberry Finn aus der Fernsehserie, gerichtet haben.
[ 5]»Na, das ist ja ein schöner Schlamassel, in den du da geraten bist«, ist Sandras Reaktion.
[ 5]Sabrina hört sie schon nicht mehr, denn sie hat den verträumt dreinblickenden Jungen, der so gar nicht wie Ian Tracey aussieht, bereits auf dem Schulhof entdeckt, wo er in einer Gruppe Gleichaltriger steht, die den Neuen offenbar schon aufgenommen haben. Besonders eine, Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, perfektem Make-up und einem gigantischen Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen. »D-d-da drüben, das ist Er, bei Jasmin, guck jetzt bloß nicht hin«, haucht sie und die Knie werden ihr weich.
[ 5]Nach einer angemessenen Pause verschafft sich Sandra einen ersten Eindruck und stellt sachlich fest: »Ja, der ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.«

[ 5]Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an Ihn, träumt von Ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte, aber selbst für so etwas hat sie keinen Raum in ihrem Kopf. Im Grunde ist da nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat. Sandra merkt, dass sie ihrer Freundin in diesem Zustand nicht helfen kann und schlägt nur ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …

[ 5]Es ist nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von Ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie Ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Und er schaut sie an. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Da ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie
geschickt mit ihren Stöckelschuhen und ihm bleibt nichts anderes übrig, als mit dem freien Arm nach ihr zu greifen, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften an seinem Arm mit ihm davon.
[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Ihm steht die Welt offen, er kann jede haben, warum sollte er sich für sie interessieren? – Sie beschließt, sich damit zufrieden zu geben, dass er überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das ihretwegen gebremst hat und nun lautstark protestiert gegen ihren Verstoß. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück.

[ 5]Die ›Wirklichkeit‹: Jasmin ist mit Frank losgezogen. Sie hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in Ihn hineingeschlagen und wird ihn nicht freiwillig wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein: Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet. Jedes Mal, wenn er sie angesehen hat, kann sie stundenlang davon zehren und beinahe glücklich sein. Manchmal hat sie sogar das Gefühl, dass wieder etwas wie ›Normalität‹ bei ihr eintritt. Dann übernimmt ihr Verstand die Regie und sie sagt sich, dass alles gut und richtig ist so, wie es eben ist: Jasmin ist perfekt, sie ist alles, was Sabrina gerne wäre und sie findet es angemessen, dass dieses Mädchen seine Freundin ist. Sie sieht die beiden auf dem Schulhof, erfreut sich an dem Anblick. Dann fragt sie sich, wie sie überhaupt so leiden konnte.
[ 5]Aber sobald er ihr begegnet, sie ansieht, womöglich sogar anlächelt, sind alle vernünftigen Gedanken dahin und der Aufruhr in ihrem Inneren ist mit unverminderter Heftigkeit wieder da.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Das ist leichter gesagt als getan. Warten, worauf? Sie ist nicht eifersüchtig auf Jasmin. Eifersucht würde ja Besitzdenken voraussetzen und Konkurrenz. Mit jemandem wie Jasmin kann sie aber nicht konkurrieren, das ist mal klar. Und wenn sie ihn schon nicht haben kann, so sagt sie sich, soll ihn wenigstens die Schönste von allen haben. Also kann sie unmöglich auf etwas warten. Sie versucht, das Geschenk zu würdigen, auf demselben Planeten zu leben wie Er, mehr noch: in dieselbe Schule zu gehen! Wenn sie selbst ein Junge wäre, wäre sie auch froh, wenn jemand wie Jasmin sie mögen würde. Und es sieht so aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich wirklich verliebt.

[ 5]Irgendwann – waren es Wochen, Monate, Jahre? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für Ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 

jon

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Mit diesen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« – Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.
Am Anfang fehlen die Anführungsstriche, am Ende die Ausführungsstriche.
Du benutzt oft diese Gedankenstriche im Zusammenhang mit der wörtlichen Rede (im neuen Prolog auch) – ich empfinde sie als störend, kann auch nicht erkennen, ob sie einen besonderen Sinn haben sollen.

Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer, wo sie schon eine ganze Weile vor dem Spiegel zugebracht hat. Traurig blickt sie auf eine zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Sie hätte der Elbenkönigin Galadriel aus dem ›Herrn der Ringe‹ Konkurrenz machen können, aber das sieht sie nicht. Sie sieht nur ein blasses trauriges Mädchen, flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint. Aber manchmal kommt es ihr so vor, als könne vor den Augen ihrer Mutter nur das Anklang finden, was genau deren Vorstellungen, ja sogar deren Aussehen entspricht: Ihre Mutter hat rote, kinnlange Haare und trägt gerne kräftige Farben. – Hat man mit fünfzehn nicht langsam ein Recht auf eine eigene Meinung? Aber vielleicht liegt sie ja ganz falsch mit ihrer eigenen Meinung, vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, tatsächlich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro. Er legt Wert darauf, früh dort zu sein, hat es inzwischen zum Dienststellenleiter gebracht und ist den anderen ein Vorbild.
Meine erste Reaktion bei diesem Absatz war gewesen: Eine Fünfzehnjährige lässt sich noch so gängeln? Und: Eine Mutter gängelt ihre Fünfzehnjährige noch so? Nicht sehr glaubhaft. Ich habe diese Idee dann beim Weiterlesen aber für recht reizvoll gehalten, denn sie macht Sabrina zu einem nicht ganz üblichen „frechen, Selbstbewusstsein spielenden Teenager“.

Dann die Spiegel-Szene: Typische Anfänger-Konstruktion und das nehme ich auch nicht zurück.
Punkt eins dazu: Die Bedeutung des Äußeren wird oft überschätzt. Es gibt ganz sicher Elemente, die wichtig für die Handlung sind – welche, hängt vom Text und Erzählstil ab.
Punkt zwei, und das ist der wichtigere: Der Spiegeltrick ist heikel; so umgesetzt erkennt, man ihn sofort als Vehikel zum Transprortieren der Beschreibung. Um nicht zu sehr in den Text einzugreifen und angesichts der Tatsache, dass Sabrina offenbar eine grüblerische Person ist, würde ich sie wirklich wahrnehmen lassen, was sie sieht:
Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint.

Das Unterstrichene ist ein massiver Bruch des verwendeten Point of View: Wenn Sabrina das nicht so sieht, dann gehört es nicht dorthin.

Dass da steht, dass der Vater schon weg ist, ist okay, ich verstehe aber nicht, wozu das mit dem Vorbild da ist und wem er ein Vorbild ist. Seinen Untergebenen? Die sind in diesem Text irrelevant.

Die Brot/Apfel-Stelle gefällt mir, sie untermalt schön dieses Fremdheitsgefühl, das Teenager oft mit sich rumschleppen.

Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule, [strike]haben beide in der ersten Stunde Unterricht[/strike]. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Dann erklimmt sie die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
Das Gestrichene ist überflüssig.
Auch das zeichnet schön das Einzelgänger-Gefühl. Allerdings ist zu überlegen, ob es nötig ist, das so sehr zu betonen, da es zum einen durchaus eine Freundin gibt, Sabrina so allein also gar nicht ist, und sich diese Unsicherheit zweitens später auch nicht auf ihre „Beziehung“ mit Frank auswirkt (das scheint doch nach Frank Entscheidung für Sabrina recht reibungslos zu verlaufen).

Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie [red][strike]Ihn[/strike]ihn[/red], der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Mit samtenen braunen Augen hält er ihren … der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle? [strike]Er ist der Eine! Ihre Mutter hat ihr und Paula oft davon erzählt, wie es ist, wenn man Ihm begegnet. Sie haben versucht, es sich vorzustellen, sind wirklich kühn gewesen in ihren Träumen, aber dieses bricht alle Rekorde. So etwas kann man sich nicht vorstellen, das muss man erleben![/strike]
Das Gestrichene empfand ich als störend. Ist entbehrlich, denke ich.


Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich und berichtet ihrer Freundin, was passiert ist. [strike]Sandra ist eine zuverlässige und bodenständige Person, die man nicht so leicht erschüttern kann. Sie erwartet keine großen Überraschungen vom Leben und mag keine Abenteuer. Vor einem Jahr hat sie Sabrina erzählt, dass sie Tiermedizin studieren und bis dahin keinen festen Freund haben will, der sie von ihren Plänen ablenkt. Bis heute hat sich daran nichts geändert, während Sabrinas eher unspezifische Berufswünsche mindestens monatlich wechseln, falls sie überhaupt welche hat und ihre Träume von Partnerschaft sich bislang auf Ian Tracey, den Huckleberry Finn aus der Fernsehserie, gerichtet haben.[/strike]
Das hat alles nichts mit der Story zu tun.

»Na, das ist ja ein schöner Schlamassel, in den du da geraten bist«, ist Sandras Reaktion.
Wieso Schlamassel?

… Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen. »D-d-da drüben, das ist [red][strike]Er[/strike]er[/red], bei Jasmin, guck jetzt bloß nicht hin«, haucht sie und die Knie werden ihr weich.
Was dann kommt, ist mir ein wenig ausufernd, hat in der Ausführlichkeit mit der Story wenig zu tun. Man merkt hier, dass du „drauflos geschrieben“ hast – du bist in diese Szene(n) eingetaucht, ohne dabei schon den Rest der Konstruktion voll erfasst zu haben.

Die ›Wirklichkeit‹: Jasmin ist mit Frank losgezogen …
Hier verstehe ich weder den Hinweis mit der Wirklichkeit (zumal mit den Stricheln), noch warum du das alles so deutlich vom fließenden Text abtrennst. Auch hier wieder das Gefühl, dass es zu ausufernd ist; diese starke Zuspitzung des Liebeskummers trägt nicht zum Verstehen der kommenden Ereignisse bei – die würden bei kürzerem Leiden auch so passieren können. Und: Warum die Zeitspanne so offen lassen?
 

xavia

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1. Frank

»Mit diesen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.«
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint. Aber manchmal kommt es ihr so vor, als könne vor den Augen ihrer Mutter nur das Anklang finden, was genau deren Vorstellungen, ja sogar deren Aussehen entspricht: Ihre Mutter hat rote, kinnlange Haare und trägt gerne kräftige Farben. – Hat man mit fünfzehn nicht langsam ein Recht auf eine eigene Meinung? Aber vielleicht liegt sie ja ganz falsch mit ihrer eigenen Meinung, vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, tatsächlich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als sie selbst. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel. Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Dann erklimmt sie die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Mit samtenen braunen Augen hält er ihren Blick fest. Es dauert nur einen Moment, fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit und ihr Herz schlägt wie wild. Er lächelt sie kurz an und geht an ihr vorbei. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, guckt ihm verwirrt hinterher: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle?
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehengeblieben ist und die Ankommenden rechts und links an ihr vorbeiströmten, den Klassenräumen entgegen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen, um sich hier nicht öffentlich zum Narren zu machen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die Er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich und versucht, ihrer Freundin zu berichten, was passiert ist. Da entdeckt sie auch schon den verträumt dreinblickenden Jungen, der mit einer Gruppe Gleichaltriger am anderen Ende des Schulhofes steht. Sie haben den Neuen offenbar schon aufgenommen. Besonders eine, Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, perfektem Make-up und einem gigantischen Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen. »D-d-da drüben, das ist er, bei Jasmin, guck jetzt bloß nicht hin«, haucht sie und die Knie werden ihr weich.
[ 5]Nach einer angemessenen Pause verschafft sich Sandra einen ersten Eindruck und stellt sachlich fest: »Ja, der ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.«

[ 5]Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an ihn, träumt von ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte, aber selbst für so etwas hat sie keinen Raum in ihrem Kopf. Im Grunde ist da nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat. Sandra merkt, dass sie ihrer Freundin in diesem Zustand nicht helfen kann und schlägt nur ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …

[ 5]Es ist nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Und er schaut sie an. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Da ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie
geschickt mit ihren Stöckelschuhen und ihm bleibt nichts anderes übrig, als mit dem freien Arm nach ihr zu greifen, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften mit ihm davon.
[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Ihm steht die Welt offen, er kann jede haben, warum sollte er sich für sie interessieren? – Sie beschließt, sich damit zufrieden zu geben, dass er überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das ihretwegen gebremst hat und nun lautstark protestiert gegen ihren Verstoß. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück. – Die Wirklichkeit: Jasmin ist mit Frank losgezogen. Die hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in Ihn hineingeschlagen und wird ihn nicht freiwillig wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein: Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet. Jedes Mal, wenn er sie angesehen hat, kann sie stundenlang davon zehren und beinahe glücklich sein. Manchmal hat sie sogar das Gefühl, dass wieder etwas wie ›Normalität‹ bei ihr eintritt. Dann übernimmt ihr Verstand die Regie und sie sagt sich, dass alles gut und richtig ist so, wie es eben ist: Jasmin ist perfekt, sie ist alles, was Sabrina gerne wäre und sie findet es angemessen, dass dieses Mädchen seine Freundin ist. Sie sieht die beiden auf dem Schulhof, erfreut sich an dem Anblick. Dann fragt sie sich, wie sie überhaupt so leiden konnte.
[ 5]Aber sobald er ihr begegnet, sie ansieht, womöglich sogar anlächelt, sind alle vernünftigen Gedanken dahin und der Aufruhr in ihrem Inneren ist mit unverminderter Heftigkeit wieder da.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Das ist leichter gesagt als getan. Warten, worauf? Sie ist nicht eifersüchtig auf Jasmin. Eifersucht würde ja Besitzdenken voraussetzen und Konkurrenz. Mit jemandem wie Jasmin kann sie aber nicht konkurrieren, das ist mal klar. Und wenn sie ihn schon nicht haben kann, so sagt sie sich, soll ihn wenigstens die Schönste von allen haben. Also kann sie unmöglich auf etwas warten. Sie versucht, das Geschenk zu würdigen, auf demselben Planeten zu leben wie Er, mehr noch: in dieselbe Schule zu gehen! Wenn sie selbst ein Junge wäre, wäre sie auch froh, wenn jemand wie Jasmin sie mögen würde. Und es sieht so aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich wirklich verliebt.

[ 5]Irgendwann – waren es Wochen, Monate, Jahre? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 

xavia

Mitglied
Liebe Jon, vielen Dank für deine hilfreichen Anmerkungen. Die einfacheren Dinge habe ich umgesetzt, der Liebeskummer braucht noch etwas Zeit ;)

Ich habe die Vorbildfunktion des Vaters gestrichen. Für mich passte sie in das Bild der Perfektion, dem Sabrina nachzueifern versucht, aber da dieser Aspekt schon in ihrer Beziehung zur Mutter und zur Schwester angesprochen wird, ist es wohl nicht notwendig, das hier zu erwähnen. Als Einzelgängerin sehe ich Sabrina eigentlich nicht, eher als eine, die meint, nicht gut genug zu sein, so lange sie nicht ist wie die Mutter, die Schwester, der Vater, oder wer auch immer Anforderungen an sie stellt. Insofern ist sie weit davon entfernt, so etwas wie Pubertät zu wagen oder gar an Selbstbewusstsein zu denken.

„Er ist der Eine! ...“ habe ich auch gestrichen. Es geht auch ohne. Ich fand es romantisch, Liebe auf den ersten Blick, wollte deutlich machen, dass sie so etwas noch nicht erlebt hat und für einmalig hält.

Auch die Beschreibung Sandras habe ich gestrichen. Dann ist allerdings der „Schlamassel“ nicht mehr verständlich, da hatte Sandra aus ihrer Perspektive die Situation bewertet. Ja, Sandra ist unwichtig, selbst ihr Berufswunsch kann später auch erstmalig erwähnt werden.

Die ›Wirklichkeit‹ hatte ich so herausgestellt, weil Sabrina sich in eine unwirkliche, eine Traum-Welt versetzt fühlt, in der nichts mehr so ist wie sie es gewohnt ist. Aus demselben Grund habe ich die Zeitspanne offen gelassen und möchte das auch gerne beibehalten: Sabrina hat kein Zeitempfinden mehr und ich schreibe ja aus ihrer Sicht. Für uns ist es doch egal, wie lange es genau war.

Was den Liebeskummer angeht, muss ich noch drüber nachdenken, wie ich den am besten kürzen kann. Es ist nicht so, dass ich mich hineingesteigert habe, jedenfalls nichts ursprünglich. In der ersten Version der Geschichte ging es hier sehr viel schneller und wurde von meinen ersten TestleserInnen als zu hastig empfunden. Sie wollten sich erst hineinfühlen in die Situation, bevor sie sich verändert. Vielleicht bin ich da über das Ziel hinausgeschossen. Ich werde versuchen, das zu straffen.
 

xavia

Mitglied
1. Frank

»Mit diesen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.«
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint. Aber manchmal kommt es ihr so vor, als könne vor den Augen ihrer Mutter nur das Anklang finden, was genau deren Vorstellungen, ja sogar deren Aussehen entspricht: Ihre Mutter hat rote, kinnlange Haare und trägt gerne kräftige Farben. – Hat man mit fünfzehn nicht langsam ein Recht auf eine eigene Meinung? Aber vielleicht liegt sie ja ganz falsch mit ihrer eigenen Meinung, vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, tatsächlich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als sie selbst. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel. Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Dann erklimmt sie die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Mit samtenen braunen Augen hält er ihren Blick fest. Es dauert nur einen Moment, fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit und ihr Herz schlägt wie wild. Er lächelt sie kurz an und geht an ihr vorbei. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, guckt ihm verwirrt hinterher: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle?
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehengeblieben ist und die Ankommenden rechts und links an ihr vorbeiströmten, den Klassenräumen entgegen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen, um sich hier nicht öffentlich zum Narren zu machen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die Er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich und versucht, ihrer Freundin zu berichten, was passiert ist. Da entdeckt sie auch schon den verträumt dreinblickenden Jungen, der mit einer Gruppe Gleichaltriger am anderen Ende des Schulhofes steht. Sie haben den Neuen offenbar schon aufgenommen. Besonders eine, Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, perfektem Make-up und einem gigantischen Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen. »D-d-da drüben, das ist er, bei Jasmin, guck jetzt bloß nicht hin«, haucht sie und die Knie werden ihr weich.
[ 5]Nach einer angemessenen Pause verschafft sich Sandra einen ersten Eindruck und stellt sachlich fest: »Ja, der ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.«

[ 5]Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an ihn, träumt von ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte, aber selbst für so etwas hat sie keinen Raum in ihrem Kopf. Im Grunde ist da nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat. Sandra merkt, dass sie ihrer Freundin in diesem Zustand nicht helfen kann und schlägt nur ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …

[ 5]Es ist nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Und er schaut sie an. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Da ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie geschickt mit ihren Stöckelschuhen und ihm bleibt nichts anderes übrig, als mit dem freien Arm nach ihr zu greifen, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften mit ihm davon.
[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Ihm steht die Welt offen, er kann jede haben, warum sollte er sich für sie interessieren? – Sie beschließt, sich damit zufrieden zu geben, dass er überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das ihretwegen gebremst hat und nun lautstark protestiert gegen ihren Verstoß. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück. – Die Wirklichkeit: Jasmin ist mit Frank losgezogen. Die hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in Ihn hineingeschlagen und wird ihn nicht freiwillig wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein: Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet. Jedes Mal, wenn er sie angesehen hat, kann sie stundenlang davon zehren und beinahe glücklich sein. Manchmal hat sie sogar das Gefühl, dass wieder etwas wie ›Normalität‹ bei ihr eintritt. Dann übernimmt ihr Verstand die Regie und sie sagt sich, dass alles gut und richtig ist so, wie es eben ist: Jasmin ist perfekt, sie ist alles, was Sabrina gerne wäre und sie findet es angemessen, dass dieses Mädchen seine Freundin ist. Sie sieht die beiden auf dem Schulhof, erfreut sich an dem Anblick. Dann fragt sie sich, wie sie überhaupt so leiden konnte.
[ 5]Aber sobald er ihr begegnet, sie ansieht, womöglich sogar anlächelt, sind alle vernünftigen Gedanken dahin und der Aufruhr in ihrem Inneren ist mit unverminderter Heftigkeit wieder da.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Das ist leichter gesagt als getan. Warten, worauf? Sie ist nicht eifersüchtig auf Jasmin. Eifersucht würde ja Besitzdenken voraussetzen und Konkurrenz. Mit jemandem wie Jasmin kann sie aber nicht konkurrieren, das ist mal klar. Und wenn sie ihn schon nicht haben kann, so sagt sie sich, soll ihn wenigstens die Schönste von allen haben. Also kann sie unmöglich auf etwas warten. Sie versucht, das Geschenk zu würdigen, auf demselben Planeten zu leben wie Er, mehr noch: in dieselbe Schule zu gehen! Wenn sie selbst ein Junge wäre, wäre sie auch froh, wenn jemand wie Jasmin sie mögen würde. Und es sieht so aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich wirklich verliebt.

[ 5]Irgendwann – waren es Wochen, Monate, Jahre? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 

jon

Mitglied
Teammitglied
„In der ersten Version der Geschichte ging es hier sehr viel schneller und wurde von meinen ersten TestleserInnen als zu hastig empfunden. “
Vermutlich wirst du immer unterschiedliche Meinungen bekommen, wenn die "Leser-Szene" wechselt. Du kannst z. B. die Fans der ausführlichen Liebesszenen bedienen, dann müsste aber wahrscheinlich hinten der Drive etwas verringert werden und jede Figur ähnlich ausführliche Szenen bekommen. Ich argwöhne da aber das Risiko, dass die Story dann zu breitgetreten wirkt.
 

xavia

Mitglied
1. Frank

»Mit diesen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.«
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint. Aber manchmal kommt es ihr so vor, als könne vor den Augen ihrer Mutter nur das Anklang finden, was genau deren Vorstellungen, ja sogar deren Aussehen entspricht: Ihre Mutter hat rote, kinnlange Haare und trägt gerne kräftige Farben. – Hat man mit fünfzehn nicht langsam ein Recht auf eine eigene Meinung? Aber vielleicht liegt sie ja ganz falsch mit ihrer eigenen Meinung, vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, tatsächlich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als sie selbst. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel. Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Dann erklimmt sie die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Mit samtenen braunen Augen hält er ihren Blick fest. Es dauert nur einen Moment, fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit und ihr Herz schlägt wie wild. Er lächelt sie kurz an und geht an ihr vorbei. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, guckt ihm verwirrt hinterher: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle?
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehengeblieben ist und die Ankommenden rechts und links an ihr vorbeiströmten, den Klassenräumen entgegen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen, um sich hier nicht öffentlich zum Narren zu machen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich und versucht, ihrer Freundin zu berichten, was passiert ist. Da entdeckt sie auch schon den verträumt dreinblickenden Jungen, der mit einer Gruppe Gleichaltriger am anderen Ende des Schulhofes steht. Sie haben den Neuen offenbar schon aufgenommen. Besonders eine, Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, perfektem Make-up und einem gigantischen Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen. »D-d-da drüben, das ist er, bei Jasmin, guck jetzt bloß nicht hin«, haucht sie und die Knie werden ihr weich.
[ 5]Nach einer angemessenen Pause verschafft sich Sandra einen ersten Eindruck und stellt sachlich fest: »Ja, der ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.«

[ 5]Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an ihn, träumt von ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte, aber selbst für so etwas hat sie keinen Raum in ihrem Kopf. Im Grunde ist da nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat. Sandra merkt, dass sie ihrer Freundin in diesem Zustand nicht helfen kann und schlägt nur ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …

[ 5]Es ist nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Da ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie geschickt mit ihren Stöckelschuhen und er greift mit dem freien Arm nach ihr, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften mit ihm davon.
[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Sie beschließt, sich damit zufrieden zu geben, dass er überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das ihretwegen gebremst worden ist. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter und protestiert lautstark gegen ihren Verstoß. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück. – Die Wirklichkeit: Frank ist mit Jasmin losgezogen. Die hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in Ihn hineingeschlagen und wird ihn freiwillig nicht wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein. So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. – Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Das ist leichter gesagt als getan: Warten, worauf? Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. Wenn sie selbst ein Junge wäre, wäre sie auch froh, wenn jemand wie Jasmin sie mögen würde. Und es sieht so aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich tatsächlich verliebt.
[ 5]Irgendwann – waren es Wochen, Monate, Jahre? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 

xavia

Mitglied
1. Frank

»Mit diesen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.«
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint. Aber manchmal kommt es ihr so vor, als könne vor den Augen ihrer Mutter nur das Anklang finden, was genau deren Vorstellungen, ja sogar deren Aussehen entspricht: Ihre Mutter hat rote, kinnlange Haare und trägt gerne kräftige Farben. – Hat man mit fünfzehn nicht langsam ein Recht auf eine eigene Meinung? Aber vielleicht liegt sie ja ganz falsch mit ihrer eigenen Meinung, vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, tatsächlich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als sie selbst. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel. Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Dann erklimmt sie die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Mit samtenen braunen Augen hält er ihren Blick fest. Es dauert nur einen Moment, fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit und ihr Herz schlägt wie wild. Er lächelt sie kurz an und geht an ihr vorbei. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, guckt ihm verwirrt hinterher: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle?
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehengeblieben ist und die Ankommenden rechts und links an ihr vorbeiströmten, den Klassenräumen entgegen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen, um sich hier nicht öffentlich zum Narren zu machen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich und versucht, ihrer Freundin zu berichten, was passiert ist. Da entdeckt sie auch schon den verträumt dreinblickenden Jungen, der mit einer Gruppe Gleichaltriger am anderen Ende des Schulhofes steht. Sie haben den Neuen offenbar schon aufgenommen. Besonders eine, Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, perfektem Make-up und einem gigantischen Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen. »D-d-da drüben, das ist er, bei Jasmin, guck jetzt bloß nicht hin«, haucht sie und die Knie werden ihr weich.
[ 5]Nach einer angemessenen Pause verschafft sich Sandra einen ersten Eindruck und stellt sachlich fest: »Ja, der ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.«

[ 5]Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an ihn, träumt von ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte, aber selbst für so etwas hat sie keinen Raum in ihrem Kopf. Im Grunde ist da nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat. Sandra merkt, dass sie ihrer Freundin in diesem Zustand nicht helfen kann und schlägt nur ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …
[ 5]Es ist nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Da ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie geschickt mit ihren Stöckelschuhen und er greift mit dem freien Arm nach ihr, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften mit ihm davon.

[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Sie beschließt, sich damit zufrieden zu geben, dass er überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das ihretwegen gebremst worden ist. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter und protestiert lautstark gegen ihren Verstoß. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück. – Die Wirklichkeit: Frank ist mit Jasmin losgezogen. Die hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in Ihn hineingeschlagen und wird ihn freiwillig nicht wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein. So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. – Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Das ist leichter gesagt als getan: Warten, worauf? Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. Wenn sie selbst ein Junge wäre, wäre sie auch froh, wenn jemand wie Jasmin sie mögen würde. Und es sieht so aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich tatsächlich verliebt.

[ 5]Irgendwann – waren es Wochen, Monate, Jahre? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 

xavia

Mitglied
Liebe Jon, ich habe den Liebeskummer ein wenig gekürzt und die gar so theatralischen Sätze weggelassen.
Du kannst z. B. die Fans der ausführlichen Liebesszenen bedienen, dann müsste aber wahrscheinlich hinten der Drive etwas verringert werden und jede Figur ähnlich ausführliche Szenen bekommen. Ich argwöhne da aber das Risiko, dass die Story dann zu breitgetreten wirkt.
Die anderen Mädchen erleben ja nicht dasselbe wie Sabrina. Bei Petra ist es Protest gegen ihr Elternhaus und die Chance, ihre Weiblichkeit auszuprobieren, nicht die ganz große Liebe. Sina mag glauben, dass dieser alte Mann „die Liebe ihres Lebens“ ist, aber im Grunde vermisst sie nur einen Vater und ist von ihm beeindruckt.
 

Choricillo

Mitglied
Kommentare zum ersten Kapitel "Frank"

Hallo xavia!

Ich habe das erste Kapitel schon vor einiger Zeit gelesen und mir dazu Notizen gemacht. Leider finde ich sie nicht mehr, aber ich denke ich komme auch ohne aus ;). Jedenfalls vermide ich es so Dinge anzusprechen, die jon bereits erwaehnt hat.

Mit diesen Haaren gehst du mir nicht zur Schule (...)
Sabrina hat nur diese Haare. Sagt man das wirklich so? Sorry, mein Alltagsdeutsch ist etwas eingerostet.

Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht.
Das klingt, als ob Sabrina einen ganz speziellen Menschen sieht. Es stellt sich aber heraus, dass es jemand ist, den sie nicht einmal kennt. Besser waere es hier gleich die Beschreibung einzubringen oder zumindest einzuleiten.

Mit samtenen braunen Augen (...)
Vielleicht bin ich zu pragmatisch, aber wie koennen Augen "samten" sein? Selbst bei einem "samtenen Blick" habe ich Probleme, mir das vorzustellen, aber wuerde es noch durchgehen lassen

Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle?
Der Gedankenstrich ist nicht noetig.

Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehengeblieben ist und die Ankommenden rechts und links an ihr vorbeiströmten, den Klassenräumen entgegen.
Ich weiss ncht, obs falsch ist, aber die Struktur dieses Satzes wirkt seltsam auf mich. Vorschlag: "(...)die Ankommenden rechts und links an ihr vorbei den Klassenräumen strömten."

Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist!
Hier waere eine Betonung (Er, Er, ER ...)dann gut! Man weiss jetzt, dass Sabrina diesem umwerfend tollen Typen begegnet und er nun eine ganz besondere Bedeutung fuer sie hat!

Generell noch...
- Es sollte etwas besser hervorgehoben werden, dass der Traumbusrche Frank heisst. Man erfaehrt es zwar durch Jasmins Ausruf, laeuft aber Gefahr, uberlesen zu werden. Vorschlag: Nach Jasmins Aussage Sabrina "ueber den Namen denken lassen".

- Der Teil, wo der Tag der ersten Begegnung endet und die Zeit danach ereignislos vergeht, sollte durch einen Absatz besser gekennzeichnet werden (sprich, nach "Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein." kaeme dann ein Absatz.)

- Welche Relevanz hat die SAche mit den Reitstunden? Wird das irgendwann wichtig? Im Moment wirkt das uberfluessig.

So, genug fuer heute. Hoffe, dir etwas geholfen zu haben!

Gruss
Choricillo
 

xavia

Mitglied
Hallo Choricillo,

»Mit diesen Haaren gehst du mir nicht zur Schule« ist tatsächlich ein Spruch, den ich von meiner Mutter oft gehört habe. Mütter können manchmal unlogisch sein. Ich finde es ganz passend, dass Sabrina logisch gesehen keine Chance hat, es ihr recht zu machen. Das kennzeichnet ja ihre Situation auch im weiteren.

Als sie aufblickt, sieht sie ihn,
Das klingt, als ob Sabrina einen ganz speziellen Menschen sieht. Es stellt sich aber heraus, dass es jemand ist, den sie nicht einmal kennt. Besser waere es hier gleich die Beschreibung einzubringen oder zumindest einzuleiten.
Genau so soll es klingen: Als ob Sabrina einen ganz speziellen Menschen sieht. Hast du das schon mal erlebt? In dem Moment denkt man doch nicht über seine Merkmale nach, sondern ist von der Wirkung, die dieser Mensch auf einen hat, überwältigt.

Über die »samtenen Augen« werde ich nachdenken. Ja, Blick ist wohl treffender. Es geht mir um die Weichheit in dem Blick. Braune Augen können ja auch ziemlich stechend blicken.

Der Gedankenstrich ist nicht noetig.
Ich trenne mich nur schwer von ihm, ich mag Gedankenstriche! Warum findest du ihn unnötig? Es ist ja ein Wechsel in der Sicht: Erst die Bewertung seines Aussehens aus der Sicht Anderer, dann wieder ihre eigene Hingerissenheit.

Die strömenden Ankommenden werde ich umformulieren.

Die Betonung (Er, Er, ER ...) hatte ich zuerst durchgängig gemacht, die hat Jon mir gestrichen und ich sehe es ein, dass das nicht der richtige Weg war, ihm Bedeutung zu verleihen. Deswegen versuche ich es, durch Worte und nicht durch die Schreibweise auszudrücken, was Sabrina empfindet.

- Der Teil, wo der Tag der ersten Begegnung endet und die Zeit danach ereignislos vergeht, sollte durch einen Absatz besser gekennzeichnet werden (sprich, nach "Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein." kaeme dann ein Absatz.)
Ein Absatz kennzeichnet doch einen Wechsel. Nachdem das Elend in ihr Bewusstsein gedrungen ist, gibt es aber keinen Wechsel, sondern sie leidet daraufhin. Und wenn sie genug gelitten hat, kommt wieder ein Absatz :)

- Welche Relevanz hat die SAche mit den Reitstunden? Wird das irgendwann wichtig? Im Moment wirkt das uberfluessig.
In diesem Moment haben die keine Relevanz, wir erfahren nur, dass Sandra sie haben möchte. Später bekommt sie sie aber und das ist dann wichtig. Es könnte auch etwas anderes sein als Reitstunden, aber ich fand, die leisten genau das, was ich brauchte.

Ich hatte eine neue Version von Frank schon fertig, werde sie aber noch mal durchsehen, bevor ich sie hochlade. Vielen Dank für deine Anmerkungen, die kamen gerade noch rechtzeitig :)

Liebe Grüße Xavia
 

xavia

Mitglied
1. Frank

»Mit solchen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.«
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint. Vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, ja wirklich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als Sabrina. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel. Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Sie erklimmt die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Sein samtener Blick aus tiefgründigen braunen Augen hält den ihren fest. Es dauert nur einen Moment, fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit und ihr Herz schlägt wie wild. Er lächelt sie kurz an und geht an ihr vorbei. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, folgt ihm mit ihren Blicken: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle?
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehengeblieben ist: Ein Hindernis mitten im Strom der übrigen Menschen, die zu den Klassenräumen laufen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich, traut sich aber nicht, ihrer Freundin berichten, was passiert ist. Möglichst unauffällig beobachtet sie den verträumt dreinblickenden Jungen, der mit einer Gruppe Gleichaltriger am anderen Ende des Schulhofes steht. Sie haben den Neuen offenbar schon aufgenommen. Besonders eine, Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, perfektem Make-up und einem gigantischen Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen.
[ 5]»Ja, der Neue ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.« stellt Sandra fest, die ihrem Blick gefolgt ist.
[ 5]Schnell wendet Sabrina sich ab, denn sie merkt, dass sie rot wird. »Will ich ja gar nicht«, behauptet sie.
[ 5]Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an ihn, träumt von ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte. Sabrina versucht, die Freundin zu beschwichtigen, behauptet, Jasmin und er seien doch das perfekte Paar. Sie hat keinen Platz in ihrem Kopf, über Pläne nachzudenken. Da ist nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat. Sandra merkt, dass sie ihrer Freundin in diesem Zustand nicht helfen kann und schlägt nur ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …
[ 5]Es ist nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Als er sie fast erreicht hat ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie geschickt mit ihren Stöckelschuhen und er greift mit dem freien Arm nach ihr, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften mit ihm davon.
[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Sie will sich damit zufrieden zu geben, dass Frank, ihre große Liebe, überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das ihretwegen gebremst worden ist. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter und protestiert lautstark gegen ihren Verstoß. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück. – Die Wirklichkeit: Frank ist mit Jasmin losgezogen. Die hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in ihn hineingeschlagen und wird ihn freiwillig nicht wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein. So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. – Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Warten, worauf? Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. Wenn sie selbst ein Junge wäre, wäre sie auch froh, wenn jemand wie Jasmin sie mögen würde. Und es sieht so aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich tatsächlich verliebt.

[ 5]Irgendwann – waren es Wochen, Monate? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 

xavia

Mitglied
1. Frank

»Mit solchen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.«
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie versucht, es ihrer Mutter recht zu machen, weiß sie doch, dass diese es gut mir ihr meint. Vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, ja wirklich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als Sabrina. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel. Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Sie erklimmt die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Sein samtener Blick aus tiefgründigen braunen Augen hält den ihren fest. Es dauert nur einen Moment, fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit und ihr Herz schlägt wie wild. Er lächelt sie kurz an und geht an ihr vorbei. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, folgt ihm mit ihren Blicken: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können. – Aber was spielt das für eine Rolle?
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehengeblieben ist: Ein Hindernis mitten im Strom der übrigen Menschen, die zu den Klassenräumen laufen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich, traut sich aber nicht, ihrer Freundin berichten, was passiert ist. Möglichst unauffällig beobachtet sie den verträumt dreinblickenden Jungen, der mit einer Gruppe Gleichaltriger am anderen Ende des Schulhofes steht. Sie haben den Neuen offenbar schon aufgenommen. Besonders eine, Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, perfektem Make-up und einem gigantischen Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen.
[ 5]»Ja, der Neue ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.« stellt Sandra fest, die ihrem Blick gefolgt ist.
[ 5]Schnell wendet Sabrina sich ab, denn sie merkt, dass sie rot wird. »Will ich ja gar nicht«, behauptet sie.
[ 5]Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an ihn, träumt von ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte. Sabrina versucht, die Freundin zu beschwichtigen, behauptet, Jasmin und er seien doch das perfekte Paar. Sie hat keinen Platz in ihrem Kopf, über Pläne nachzudenken. Da ist nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat. Sandra merkt, dass sie ihrer Freundin in diesem Zustand nicht helfen kann und schlägt nur ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …
[ 5]Es ist nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Als er sie fast erreicht hat ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie geschickt mit ihren Stöckelschuhen und er greift mit dem freien Arm nach ihr, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften mit ihm davon.
[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Sie will sich damit zufrieden zu geben, dass Frank, ihre große Liebe, überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das ihretwegen gebremst worden ist. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter und protestiert lautstark gegen ihren Verstoß. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück. – Die Wirklichkeit: Frank ist mit Jasmin losgezogen. Die hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in ihn hineingeschlagen und wird ihn freiwillig nicht wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein. So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. – Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Warten, worauf? Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. Wenn sie selbst ein Junge wäre, wäre sie auch froh, wenn jemand wie Jasmin sie mögen würde. Und es sieht so aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich tatsächlich verliebt.

[ 5]Irgendwann – waren es Wochen, Monate? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 

FrankK

Mitglied
Hallo, Xavia
Nach meiner Zählung führst Du den Leser in sechs Szenen durch Sabrinas Schultag, an dem sie „ihren Frank“ bemerkt.

Erzählperspektive:
Konstant „personal auktorial“, Bezugsperson hier Sabrina, interagierend mit ihrer Mutter und ihrer Freundin Sandra.

Figuren:
Überschaubare Anzahl.
  • Sabrinas Mutter – nicht näher beschrieben. Der Vater erfährt keinerlei Erwähnung.
  • Sabrinas Schwester Paula – nur kurz erwähnt, kleiner, altkluger Gastauftritt.
  • Sabrina – 15 Jahre, silberblonde Haare, hellblaue Augen, zurückhaltend, scheu und schüchtern, fühlt sich in der Familie deplatziert.
  • Sandra – Sabrinas Freundin, nicht näher beschrieben, erscheint in ihrem Verhalten und Auftreten aber deutlich selbstsicherer als Sabrina und überredet diese dann auch noch ...
  • Frank – Sabrinas Schwarm, ihr Traum von einem Typen.
  • Jasmin – Sabrinas Nebenbuhlerin in der Gunst um Frank

Sprache:
Durchgängig in Ordnung.

Spannungsbogen:
In diesem frühen Teil der Geschichte um Sabrina noch eher flach und unaufgeregt, wenn man von den geschilderten „Leiden“ Sabrinas absieht.

Szenendetails:
+ Szene 1: Zu Hause
„Mit solchen Haaren gehst du ...“
Wer kennt das nicht, wer erinnert sich nicht an seine Jugendzeit – Mütter, halt.
Haare und Garderobe, ein leidiges Problem. Und die jüngere Schwester. Für einen (richtigen) Roman wäre hier eine gute Gelegenheit für ein erstes, kleines Scharmützel.
Erste Eindrücke über Sabrinas zurückhaltende Art.
Sprung zur nächsten Szene.

+ Szene 2: Schulweg und erste Begegnung
Am Eingang zu ihrer Schule bekommt man fast den Eindruck, Sabrina litte unter Minderwertigkeitsgefühlen.
Im Flur kommt es zur ersten Begegnung mit Frank

+ Szene 3: Lösung aus der Starre
Wie ein hypnotisiertes Kaninchen verharrt Sabrina, ihre Freundin Sandra „weckt“ sie wieder auf.

+ Szene 4: Einsame Verwirrung
Sabrina ist von Frank derart eingenommen, dass sie „Fast“ nichts mehr auf die Reihe bekommt, der Schultag geht an ihr vorbei.

+ Szene 5: Konkurrenz übernimmt
Jasmin erscheint und schnappt ihr Frank faktisch unmittelbar vor der Nase weg. In ihrer Verwirrung erleidet Sabrina fast einen Verkehrsunfall.
(Der Unfall hätte auch eine eigenständige Szene werden können – so knapp geschildert mochte ich ihn aber dann doch nicht separat aufführen)

+Szene 6: Ablenkungsmanöver & überraschendes Ende
Sandra versucht Sabrina abzulenken, indem sie Vorschläge bezüglich Reitstunden unterbreitet. Schließlich – nach einigen Wochen – kommt es doch noch einmal zu einem Kontakt mit Frank. Am Fahrradständer wartet er auf sie.

Allgemeines:
Dieses Kapitel spielt mit den Erinnerungen und Erfahrungen der Leser. Die Jugendzeit wird wieder heraufbeschworen, was Dir über weite Strecken gut gelingt, auch wenn manches etwas hätte vertieft werden können.

Erbsenzählerei:
... und beißt herzhaft in ihren Apfel. [blue](Zeilenwechsel)[/blue]Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
Ein Zeilenwechsel wäre angemessen, da sich hier die „View“ ändert, die Kamera zeigt zunächst die in den Apfel beißende Schwester, dann zeigt sie in den Kopf Sabrinas.

Sie erklimmt die breite Steintreppe, die [blue]zu dem[/blue] hohen Tor des imposanten ...
Könnte man vereinfachter durch ein „zum“ ausdrücken.

Sein samtener Blick aus tiefgründigen braunen Augen hält den ihren fest. Es dauert nur einen Moment, fühlt sich aber an wie eine Ewigkeit und ihr Herz schlägt wie wild.
Klingt – im Vergleich zum restlichen Text – etwas „schwülstig“ und klemmt zwischen „festhalten“ und „nur einen Moment“. Auch würde es sich anbieten, die „gefühlte Ewigkeit“ ebenfalls in der Satzstruktur darzustellen.
Der Blick seiner unergründlichen, braunen Augen hält den ihren nur für einen kurzen Moment fest, aber es fühlt sich für sie wie eine Ewigkeit an und ihr Herz schlägt wie wild.

Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus: [blue]Damit hätte auch Sabrinas Vater einen Hund spazierenführen können.[/blue] – Aber was spielt das für eine Rolle?
Das mit dem „Hund spazieren führen“ verstehe ich nicht so ganz. In den unterschiedlichsten Situationen tragen die Hundehalter ganz unterschiedliche Klamotten um mit ihren Vierbeinern spazieren zu gehen. Gummistiefel – Lackpumps: alles ist möglich.
Einfach den markierten Satz streichen. Er verwirrt, würde Sabrina wirklich in dem Moment an ihren Vater denken?

Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang [blue]stehengeblieben[/blue] ist:
Duden behauptet hartnäckig: „stehen geblieben“

traut sich aber nicht, ihrer Freundin [red]zu[/red] berichten, was passiert ist.
Ein Wörtchen fehlt.

... Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, [blue]perfektem[/blue] Make-up ...
Zu „schrill“ und „sexy“ passt für mich das perfekte Make-up nicht – es sei denn, Du setzt es in Bezug zu schrill und sexy, dann könnte es ein „grelles“ Make-up sein.

Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat. [blue](Zeilenwechsel)[/blue]Sandra merkt, dass sie ihrer Freundin in
Ein Zeilenwechsel wäre angebracht, da hier die „View“ von Sabrina auf Sandra wechselt.
(„Sandra merkt ...“ – hier könnte man sagen, du hättest haarscharf die Erzählperspektive verletzt)

... beim Verlassen des Schulgebäudes heute [blue]mittag[/blue] nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie ...
Duden behauptet hartnäckig: „Mittag“

Sie will sich damit zufrieden [red]zu[/red] geben, dass Frank, ihre große Liebe ...
Deplatziertes Wörtchen.

Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, [blue]das ihretwegen gebremst worden ist.[/blue] Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter und [blue]protestiert[/blue] lautstark [blue]gegen ihren Verstoß[/blue]. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück. – Die Wirklichkeit: Frank ist mit Jasmin losgezogen.
Uff, dies liest sich völlig konfus, viel zu gemäßigt (protestiert) und protokolliert (Verstoß).
Sabrina ist in Gedanken, sie wirkt nach außen hin träge, sollte sich in der Satzkonstruktion ebenfalls widerspiegeln.
Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das mit quietschenden Reifen vor ihr zu halten kommt. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter, schimpft und flucht lautstark. Das holt sie in die Wirklichkeit zurück, eine Wirklichkeit, in der ihr Frank mit Jasmin losgezogen ist.

Wenn sie selbst ein Junge [blue]wäre, wäre[/blue] sie auch froh, wenn jemand wie Jasmin sie mögen würde.
Klingt ein wenig ungeschickt, mir fällt aber im Moment nichts besseres ein, um es geschickter aufzudröseln.

Grüßend
Frank
 

xavia

Mitglied
1. Frank

»Mit solchen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.«
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie weiß ja, dass ihre Mutter es gut meint. Vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, ja wirklich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als Sabrina. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel.
[ 5]Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Sie erklimmt die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Sein samtener Blick aus tiefgründigen braunen Augen hält den ihren fest. Die Zeit scheint stillzustehen. Ihr Herz schlägt wie wild, sie schnappt nach Luft. Er hat sie kurz angelächelt und schon ist er vorbei, noch bevor sie sein Lächeln erwidern konnte. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, folgt ihm mit ihren Blicken: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus. So kleidet sich auch ihr Vater. – Aber was spielt das für eine Rolle?
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehen geblieben ist: Ein Hindernis mitten im Strom der übrigen Menschen, die zu den Klassenräumen laufen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich, traut sich aber nicht, ihrer Freundin zu berichten, was passiert ist. Möglichst unauffällig beobachtet sie den verträumt dreinblickenden Jungen, der mit einer Gruppe Gleichaltriger am anderen Ende des Schulhofes steht. Sie haben den Neuen offenbar schon aufgenommen. Besonders eine, Jasmin, eine ziemlich schrille Person mit reichen Eltern, sexy Klamotten, perfektem Make-up und einem gigantischen Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen.
[ 5]»Ja, der Neue ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.« stellt Sandra fest, die ihrem Blick gefolgt ist.
[ 5]Schnell wendet Sabrina sich ab, denn sie merkt, dass sie rot wird. »Will ich ja gar nicht«, behauptet sie.

Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an ihn, träumt von ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte. Sabrina versucht, die Freundin zu beschwichtigen, behauptet, Jasmin und er seien doch das perfekte Paar. Sie hat keinen Platz in ihrem Kopf, über Pläne nachzudenken. Da ist nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat.
[ 5]Sandra schlägt ihrer Freundin ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute Mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …
[ 5]Es ist aber nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Als er sie fast erreicht hat – noch immer sieht er sie an –, ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie geschickt mit ihren Stöckelschuhen und er greift mit dem freien Arm nach ihr, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften mit ihm davon.
[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Sie will sich damit zufrieden geben, dass Frank, ihre große Liebe, überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das mit quietschenden Reifen vor ihr zum Stehen kommt. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter, flucht und schimpft und droht mit der Faust. Erschrocken rettet sie sich auf den Bürgersteig und eilt davon, ohne ihn weiter zu beachten. Als er weg ist, fällt es ihr wieder ein: Frank ist mit Jasmin losgezogen! Die hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in ihn hineingeschlagen und wird ihn freiwillig nicht wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein.

So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. – Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Warten, worauf? Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. Sie kann ihn gut verstehen: Alle beneiden ihn um so eine Freundin. Und es sieht aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich tatsächlich verliebt.

Irgendwann – waren es Wochen, Monate? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 

xavia

Mitglied
Hallo Frank,

hier habe ich einiges geändert und viele deiner wertvollen Anregungen aufgenommen.
Auf ein Scharmützel zwischen den Schwestern habe ich aber verzichtet, Sabrina ist ja in der Minderheit gegen Schwester und Mutter und wird es deswegen nicht darauf anlegen.
Ihre Gedanken zu Franks Kleidung: Ihr Vater ist der erste Mann in ihrem Leben, wenn sie dessen Kleidungsstil wiedererkennt, wird sie schon an ihn denken. Den Hundespaziergang habe ich rausgenommen. Das ist wohl eine Sache der Perspektive: Wenngleich man als Hundebesitzer wohl das Gefühl hat, mit jeder Form von Kleidung den kleinen Hausgenossen ausführen zu können sieht es für mich hundelose Person doch so aus, als gäbe es da eine gewisse Übereinkunft, wie man sich kleidet: Praktisch und wetterfest.
Schrill finde ich Jasmin wegen ihrer Stöckelschuhe in der Schule, aber nicht grell oder gewöhnlich, daher das »perfekte« Make-up. Ich suche noch nach einem besseren Wort anstelle von schrill.
Auch die »Fast-Unfall-Szene« habe ich mit Hilfe deiner Anregungen überarbeitet.

Dankend und grüßend
Xavia.
 

xavia

Mitglied
1. Frank

»Mit solchen Haaren gehst du mir nicht zur Schule, du siehst ja aus wie eine Vogelscheuche!« Sabrinas Mutter empört sich über den Anblick ihrer Tochter, die gerade zum Frühstück hereinkommt. »Und zieh' dir lieber den roten Pulli an, damit siehst du nicht so blass aus.«
[ 5]Betreten geht Sabrina wieder nach oben in ihr Zimmer. Sie schaut in den Spiegel und betrachtet ihre zarte Gestalt mit langen, welligen, silberblonden Haaren und hellblauen Augen. Der blaue Pulli betont ihre helle Haut und die Farbe ihrer Augen. Eigentlich findet sie das recht passend, aber sie flicht ihre Haare zu einem Zopf und zieht den roten Pulli an. Sie weiß ja, dass ihre Mutter es gut meint. Vielleicht stehen ihr die hellen Farben, die sie so mag, ja wirklich nicht. Nachdenklich geht sie wieder hinunter und setzt sich zu Mutter und Schwester an den Frühstückstisch. Ihr Vater ist schon auf dem Weg ins Büro.
[ 5]Als sie, immer noch verunsichert und nachdenklich, auf ihrem Brot herumkaut, ermuntert ihre Mutter sie: »Vollkornbrot macht Wangen rot« und so versucht sie tapfer, es hinunterzuwürgen, obwohl sie lieber das ›ungesunde‹ helle Brot isst.
[ 5]Ihre jüngere Schwester ist von ganz anderer Natur: Paula ähnelt der Mutter, ist robuster und fröhlicher als Sabrina. Jetzt gibt sie eine weitere Lebensweisheit zum Besten: »An apple a day keeps the doctor away« und beißt herzhaft in ihren Apfel.
[ 5]Manchmal fragt Sabrina sich, ob sie im Krankenhaus verwechselt und in die falsche Familie gebracht worden ist.
[ 5]Die Schwestern radeln gemeinsam zur Schule. Am Fahrradständer trennen sich ihre Wege, Paula rennt zum Schulgebäude und Sabrina folgt ihr langsam. Sie erklimmt die breite Steintreppe, die zu dem hohen Tor des imposanten Altbaus hinaufführt. Sabrina fühlt sich klein angesichts dieses mächtigen Gebäudes.
[ 5]Als sie den breiten Flur mit dem schwarz-weißen Fliesenmuster am Boden betritt, beschleunigt sie ihre Schritte. Der Physikraum liegt im ersten Stock, sie will zum Treppenhaus am Ende des Flurs. Als sie aufblickt, sieht sie ihn, der entgegen dem Strom der Schülerinnen und Schüler in Richtung Ausgang geht. Sein samtener Blick aus tiefgründigen braunen Augen hält den ihren fest. Die Zeit scheint stillzustehen. Ihr Herz schlägt wie wild, sie schnappt nach Luft. Er hat sie kurz angelächelt und schon ist er vorbei, noch bevor sie sein Lächeln erwidern konnte. Ihr ist, als hätte er auf den Grund ihrer Seele geschaut, an eine Stelle, die sie selbst noch nicht kannte. Sie hat ihn noch nie gesehen, folgt ihm mit ihren Blicken: Hoch gewachsen, eher mager, wahrscheinlich etwas älter als sie selbst. Sein dunkles, glattes Haar trägt er länger als die anderen in seinem Alter. Um sie anzusehen, hat er es mit einer kurzen Kopfbewegung aus der Stirn geworfen. Blue Jeans und eine braune Wildlederjacke weisen ihn nicht gerade als einen Kenner der aktuellen Mode aus. So kleidet sich auch ihr Vater. – Aber was spielt das für eine Rolle?
[ 5]»Hey, was ist, bist du einem Geist begegnet?«, reißt eine Stimme sie aus ihrer Trance und ein Arm legt sich um ihre Schulter. Es ist Sandra, ihre Freundin.
[ 5]Erst jetzt wird ihr klar, dass sie mitten im Gang stehen geblieben ist: Ein Hindernis mitten im Strom der übrigen Menschen, die zu den Klassenräumen laufen. Eilig bemüht sie sich, ihre Fassung zurückzugewinnen. Mit einem tiefen Atemzug inhaliert sie nicht nur den üblichen Schul-Muff, sondern auch die Luft, die er ausgeatmet haben muss, als er hier vorbeigegangen ist! Es kommt ihr vor, als könne sie ihn noch riechen, als hätte sie Superkräfte wie die Leute in den Vampirfilmen, nachdem sie gebissen worden sind. Sandra geleitet sie sicher in den Physikraum, wo sie die erste Stunde haben würden, fragt nicht weiter.
[ 5]Erst in der großen Pause ist Sabrina wieder einigermaßen bei sich, traut sich aber nicht, ihrer Freundin zu berichten, was passiert ist. Möglichst unauffällig beobachtet sie den verträumt dreinblickenden Jungen, der mit einer Gruppe Gleichaltriger am anderen Ende des Schulhofes steht. Sie haben den Neuen offenbar schon aufgenommen. Besonders eine, Jasmin, Kind reicher Eltern, verwöhnt, mit sexy Klamotten, perfektem Make-up und gigantischem Selbstwertgefühl, scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Anscheinend wenig beeindruckt von ihrem hellen Gelächter blickt er zu Sabrina herüber, der sofort wieder sämtliche Lebensfunktionen zu versagen drohen.
[ 5]»Ja, der Neue ist heiß. Aber da musst du dich beeilen, wenn du Jasmin noch zuvorkommen willst.« stellt Sandra fest, die ihrem Blick gefolgt ist.
[ 5]Schnell wendet Sabrina sich ab, denn sie merkt, dass sie rot wird. »Will ich ja gar nicht«, behauptet sie.

Die Schulstunden schleichen dahin, Sabrina kann sich nicht konzentrieren. Sie denkt an ihn, träumt von ihm. In einer der Pausen schlägt Sandra vor, einen Plan zu schmieden, wie sie dem Angebeteten näherkommen könnte. Sabrina versucht, die Freundin zu beschwichtigen, behauptet, Jasmin und er seien doch das perfekte Paar. Sie hat keinen Platz in ihrem Kopf, über Pläne nachzudenken. Da ist nur noch ein großer Hohlraum, in den das ganze Universum hineinpasst, aber kein einziger klarer Gedanke. Dafür spürt sie ihr Herz umso mehr: Es hat sich noch nie so lebendig angefühlt, scheint ein Eigenleben zu führen und findet nicht mehr genug Platz in ihrem Brustkorb. Ihr gesamtes Innenleben scheint zu vibrieren. Und immer wieder ist da sein Bild, dieses edle Gesicht, die schmale Nase, der lächelnde, wohlgeformte Mund und diese Augen! Dieser Blick, der sie um den Verstand gebracht hat.
[ 5]Sandra schlägt ihrer Freundin ganz beiläufig vor, dass diese sich beim Verlassen des Schulgebäudes heute Mittag nicht allzu sehr beeilen sollte, man wisse ja nie, was da noch an Begegnungen möglich sei …
[ 5]Es ist aber nicht der Rat der Freundin, der sie daran hindert, mittags sofort wie gewohnt den Heimweg anzutreten, sondern die Tatsache, dass sie sich damit von ihm entfernen würde. Es scheint ihr, als müsse sie sich durch eine zähe Masse kämpfen, um den Fahrradständer oder gar das Schultor zu erreichen. Schließlich gelingt es ihr doch und sie will sich gerade auf's Rad schwingen, als sie ihn von Weitem über den Hof gehen sieht. Kommt er auf sie zu? Die Erde hört auf, sich zu drehen, der Aufruhr in Sabrinas Innenleben steigert sich noch. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und versinkt in seinem Blick, selbst auf diese Entfernung.
[ 5]Als er sie fast erreicht hat – noch immer sieht er sie an –, ertönt hinter ihm eine helle Stimme: »Aaah, das ist ja wunderbar, dass ich dich hier treffe, Frank! Die anderen sind schon vorgegangen, ich hab' dich gesucht. Wir wollen Eis essen gehen.« Jasmin hakt sich bei ihm ein, lenkt ihn sanft aber bestimmt in Richtung Schultor und plaudert munter auf ihn ein. Dann stolpert sie geschickt mit ihren Stöckelschuhen und er greift mit dem freien Arm nach ihr, damit sie nicht hinfällt. Er nimmt ihre Schultasche und sie stöckelt mit wiegenden Hüften mit ihm davon.
[ 5]Resigniert denkt Sabrina, dass ein Junge wie er halt nicht für ein Mädchen wie sie erschaffen worden ist. Sie will sich damit zufrieden geben, dass Frank, ihre große Liebe, überhaupt existiert und dass sie ihm begegnen durfte, dass er sie sogar bemerkt hat. Schon dadurch fühlt sie sich unendlich bereichert. Verträumt tritt sie den Heimweg an. – Plötzlich: Lautes Hupen! Sie springt vom Rad und steht vor einem großen schwarzen Auto, das mit quietschenden Reifen vor ihr zum Stehen kommt. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter, flucht und schimpft und droht mit der Faust. Erschrocken rettet sie sich auf den Bürgersteig und eilt davon, ohne ihn weiter zu beachten. Als er weg ist, fällt es ihr wieder ein: Frank ist mit Jasmin losgezogen! Die hat sich offensichtlich in ihren schönen Kopf gesetzt, ihn für sich zu behalten, hat ihre perfekt manikürten Krallen in ihn hineingeschlagen und wird ihn freiwillig nicht wieder loslassen. Erst jetzt dringt das ganze Elend ihrer Situation in ihr Bewusstsein.

So leidet sie still und widerstandslos, tagelang, wochenlang, lebt nur für die kurzen Momente, in denen er sie ansieht. – Sieht er traurig aus oder bildet sie sich das nur ein? Eine gewisse Tragik liegt immer in seinem Blick, das ist einer der vielen Gründe, warum sie ihn so anziehend findet.
[ 5]Sandras Kommentar: »Abwarten. Jasmin mag die Abwechslung.«
[ 5]Warten, worauf? Gegen Jasmin hat sie nicht den Hauch einer Chance. Sie kann ihn gut verstehen: Alle beneiden ihn um so eine Freundin. Und es sieht aus, als hätte die sonst so flatterhafte Jasmin sich tatsächlich verliebt.

Irgendwann – waren es Wochen, Monate? – schlägt Sandra, scheinbar ohne weitere Einleitung, vor, gemeinsam Reitstunden zu nehmen. Sabrina kann es nicht fassen, dass sie ihr mit einem so profanen Vorschlag kommt, ihr, die sie verliebt ist! Sandra meint, der Kontakt mit einem Pferd würde ihr gut tun, außerdem wolle sie selbst es gerne lernen und hätte mehr Lust, zu zweit dorthin zu gehen. Sie hat schon eine Reitschule ausfindig gemacht und ihre Eltern davon überzeugt, dass sich die Investition für eine künftige Tierärztin lohnen würde.
[ 5]Sabrina kann sich nicht dafür erwärmen. Sie kann sich für gar nichts mehr begeistern außer für ihn. So lebt sie die meiste Zeit quasi ›auf Autopilot‹, bis eines Tages eine unverhoffte Änderung eintritt: Nicht nur, dass sich die Clique um Frank und Jasmin auf dem Pausenhof geteilt hat und die beiden in verschiedenen Gruppen stehen, nein: Als die Schule aus ist, sieht es so aus, als warte Frank am Fahrradständer nicht auf Jasmin, sondern auf sie, Sabrina!
 



 
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