xavia
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9. Erziehung
»Mit solchen Haaren willst du doch wohl nicht zur Schule?« – Sinas Mutter betrachtet amüsiert die wilde Wuschelmähne ihrer Tochter. »Du hast wohl mit offenem Haar geschlafen und wilde Träume gehabt? – Komm, ich helfe dir schnell.« Sie greift zur Bürste und macht sich daran, dem nicht ganz ernst gemeinten Gejammer ihrer Tochter zum Trotz, deren lange hellblonde Locken zu entwirren.
[ 5]Sina ist nicht nur wehleidig, sondern auch ungeduldig: »Ich bin schon spät dran, soll ich nicht einfach einen Knoten daraus machen?«
[ 5]»Besser nicht. Wenn du damit erst anfängst, kommst du bald gar nicht mehr durch. Glaub' mir: Ich weiß wovon ich rede.« Sinas Mutter hat dieselbe Frisur wie ihre Tochter, allerdings bereits sorgsam gebürstet und mit einem schwarzen Haarreifen gebändigt. Die beiden gleichen einander sehr: Beide sind groß und schlank mit hellem Teint und strahlend blauen Augen. Sinas Mutter ist etwas größer und muskulöser als ihre Tochter, aber wenn man sie nicht nebeneinander sieht, kann man die beiden leicht verwechseln.
[ 5]»Du siehst besonders hübsch aus heute morgen. Triffst du ihn heute wieder, diesen geheimnisvollen ›Alf‹?«
[ 5]Sina freut sich: »Ja, nach der Schule. Wir bekommen zum Wochenende keine Hausaufgaben. Er holt mich ab, wir fahren nach Bad Zwischenahn, segeln. Und heute abend wird es spät, wir wollen noch in die Disco.«
[ 5]»Wann lerne ich ihn denn endlich mal kennen? Kann er nicht morgen zu uns zum Kaffee kommen oder so?«
[ 5]»Mal sehen, ich frag' ihn. Wenn ja, dann ruf' ich dich noch an.« Sina hat ihr Müsli ausgelöffelt, trinkt einen Orangensaft hinterher und versucht, ihre Haare dem Griff der Mutter zu entwinden. »Ich muss jetzt wirklich los, lass gut sein, danke und tschüß!«
[ 5]»Hab' einen schönen Tag, meine Hübsche!«
[ 5]Nachdenklich steht Sinas Mutter am Fenster und sieht zu, wie ihre Tochter ihr Fahrrad durch die Tür im Gartenzaun schiebt, diese sorgfältig wieder schließt und dann davonradelt. Ob es richtig ist, ihrer Tochter so viel Freiraum zu gewähren? Immerhin ist sie erst fünfzehn Jahre alt und nun dieser ›Alf‹. – Sina hat ihn in den höchsten Tönen gepriesen, wie schön, wie lieb, wie klug, wie reich er sei. Älter als sie, aber eben ›ein richtiger Kavalier, nicht so ein Spinner wie die Jungs in der Schule‹. Andererseits, wenn einer sich ›Alf‹ nennt, kann er die Pubertät ja so lange noch nicht hinter sich haben … Wahrscheinlich ein Söhnchen reicher Eltern. Aber das schadet ja nichts, wenn einer Geld hat, im Gegenteil. Als allein erziehende Mutter musste sie oft mit Geldsorgen zurechtkommen und noch öfter mit der Frage nach der richtigen Entscheidung. Wie hatte sie dann die Paare beneidet, die solche Dinge miteinander besprechen konnten. Aus eigener, leidvoller Erfahrung als Tochter weiß sie, dass zu viel Strenge dazu führt, dass man zu Lügen greift. Sina hat es nicht nötig, sie zu belügen. Sie bereden alles miteinander, sind wie Freundinnen. Sie selbst hätte ihrer Mutter wahrscheinlich eine Geschichte über einen Ausflug mit der Familie ihrer Freundin aufgetischt, wenn sie mit ihrem neuen Freund segeln gehen will. Sina kann sich wehren, hat für alle Fälle ein Pfefferspray dabei. Sie versucht, dem Urteil ihrer schönen und klugen Tochter zu vertrauen. Da in einer U18-Disco um Null Uhr Feierabend ist, wird sie sie ja bald wiederhaben.
[ 5]Allerdings hätte sie ein besseres Gefühl, wenn sie ihn persönlich kennen würde, diesen ›Alf‹. Sie überlegt, ob sie vielleicht einmal Mäuschen spielen sollte, sie weiß ja, wo sie die beiden finden würde heute abend.
»Mit solchen Haaren willst du doch wohl nicht zur Schule?« – Sinas Mutter betrachtet amüsiert die wilde Wuschelmähne ihrer Tochter. »Du hast wohl mit offenem Haar geschlafen und wilde Träume gehabt? – Komm, ich helfe dir schnell.« Sie greift zur Bürste und macht sich daran, dem nicht ganz ernst gemeinten Gejammer ihrer Tochter zum Trotz, deren lange hellblonde Locken zu entwirren.
[ 5]Sina ist nicht nur wehleidig, sondern auch ungeduldig: »Ich bin schon spät dran, soll ich nicht einfach einen Knoten daraus machen?«
[ 5]»Besser nicht. Wenn du damit erst anfängst, kommst du bald gar nicht mehr durch. Glaub' mir: Ich weiß wovon ich rede.« Sinas Mutter hat dieselbe Frisur wie ihre Tochter, allerdings bereits sorgsam gebürstet und mit einem schwarzen Haarreifen gebändigt. Die beiden gleichen einander sehr: Beide sind groß und schlank mit hellem Teint und strahlend blauen Augen. Sinas Mutter ist etwas größer und muskulöser als ihre Tochter, aber wenn man sie nicht nebeneinander sieht, kann man die beiden leicht verwechseln.
[ 5]»Du siehst besonders hübsch aus heute morgen. Triffst du ihn heute wieder, diesen geheimnisvollen ›Alf‹?«
[ 5]Sina freut sich: »Ja, nach der Schule. Wir bekommen zum Wochenende keine Hausaufgaben. Er holt mich ab, wir fahren nach Bad Zwischenahn, segeln. Und heute abend wird es spät, wir wollen noch in die Disco.«
[ 5]»Wann lerne ich ihn denn endlich mal kennen? Kann er nicht morgen zu uns zum Kaffee kommen oder so?«
[ 5]»Mal sehen, ich frag' ihn. Wenn ja, dann ruf' ich dich noch an.« Sina hat ihr Müsli ausgelöffelt, trinkt einen Orangensaft hinterher und versucht, ihre Haare dem Griff der Mutter zu entwinden. »Ich muss jetzt wirklich los, lass gut sein, danke und tschüß!«
[ 5]»Hab' einen schönen Tag, meine Hübsche!«
[ 5]Nachdenklich steht Sinas Mutter am Fenster und sieht zu, wie ihre Tochter ihr Fahrrad durch die Tür im Gartenzaun schiebt, diese sorgfältig wieder schließt und dann davonradelt. Ob es richtig ist, ihrer Tochter so viel Freiraum zu gewähren? Immerhin ist sie erst fünfzehn Jahre alt und nun dieser ›Alf‹. – Sina hat ihn in den höchsten Tönen gepriesen, wie schön, wie lieb, wie klug, wie reich er sei. Älter als sie, aber eben ›ein richtiger Kavalier, nicht so ein Spinner wie die Jungs in der Schule‹. Andererseits, wenn einer sich ›Alf‹ nennt, kann er die Pubertät ja so lange noch nicht hinter sich haben … Wahrscheinlich ein Söhnchen reicher Eltern. Aber das schadet ja nichts, wenn einer Geld hat, im Gegenteil. Als allein erziehende Mutter musste sie oft mit Geldsorgen zurechtkommen und noch öfter mit der Frage nach der richtigen Entscheidung. Wie hatte sie dann die Paare beneidet, die solche Dinge miteinander besprechen konnten. Aus eigener, leidvoller Erfahrung als Tochter weiß sie, dass zu viel Strenge dazu führt, dass man zu Lügen greift. Sina hat es nicht nötig, sie zu belügen. Sie bereden alles miteinander, sind wie Freundinnen. Sie selbst hätte ihrer Mutter wahrscheinlich eine Geschichte über einen Ausflug mit der Familie ihrer Freundin aufgetischt, wenn sie mit ihrem neuen Freund segeln gehen will. Sina kann sich wehren, hat für alle Fälle ein Pfefferspray dabei. Sie versucht, dem Urteil ihrer schönen und klugen Tochter zu vertrauen. Da in einer U18-Disco um Null Uhr Feierabend ist, wird sie sie ja bald wiederhaben.
[ 5]Allerdings hätte sie ein besseres Gefühl, wenn sie ihn persönlich kennen würde, diesen ›Alf‹. Sie überlegt, ob sie vielleicht einmal Mäuschen spielen sollte, sie weiß ja, wo sie die beiden finden würde heute abend.