17. +18. Februar

Wittelsbach

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17. Februar
der Sonntags-Spaziergang

Sonntags, strahlend blauer Himmel, Sonne. Da macht man natürlich einen Sonntags-Spaziergang. Überraschenderweise maulte die Tochter heute nicht. Sonst neigt sie ja schon mal zu Widerworten und vorgeschobenen Mathe-Hausaufgaben. Aber sie weiß auch: ohne Spaziergang keinen Apfelkuchen mit Schokoladen-Schlagsahne!
Dafür maulte der Neffe ungewohnterweise, sonst war er eigentlich immer der erste an der Tür. Wenn er das Wochenende nicht in Straelen bei Schwester und Schwager verbrachte. Dort auf dem Lande geht man natürlich nie spazieren, es gibt dort nicht einmal Fußwege ins Grüne hinaus.
Das kennt der geneigte Leser zur Genüge: man hat einen alten Kumpel in der Rhön wohnen. Aber seine eigene Umgebung muss er jedesmal neu entdecken, wenn Besuch aus der Stadt da ist. Der Ländler an sich fährt Traktor. Punkt.

Dabei gibt es für eine Familie nichts besseres als einen Sonntags-Spaziergang. Man baut die Kalorien schon vorausschauend ab, so dann man mit gutem Gewissen auch das dritte Tortenstück auf den Teller hebeln kann. Auch bei der Sahne muss man nicht fuchsen und den Schuss in den Kaffee kann man ruhig wiederholen oder den Kaffee ganz weglassen.
Man nimmt Vitamin D zu sich, was gut, wie der Name schon sagt, gegen Depressionen wirkt und man bespricht Dinge innerhalb der Familie, die sonst vielleicht unter den Tisch fallen würden. Daher wähle ich immer eine besonders langweilige Route. Die nicht von einer gepflegten Unterhaltung ablenken kann.
Zum Beispiel die Trasse von Essen-Borbeck in die Innenstadt hinein. Der Wanderweg zieht sich schnurgeradeaus auf einem ehemaligen Eisenbahndamm dahin. Man wird höchstens von Hundehaltern vorm Einschlafen bewahrt. Beziehungsweise von deren Hunden, beziehungsweise von deren Hinterlassenschaften.

Auf halber Länge rückte die Tochter damit raus, dass sie für sich und den Studenten keine gemeinsame Zukunft sehen würde. Der Student, der mich neulich zu Alkohol verführt hatte.
Er wäre zwar intellektuell auf gleicher Wellenlänge wie ich zum Beispiel, das hört man doch gerne, -- aber er hätte auch den gleichen Humor wie ich. Und darunter hätte sie schon genug zu leiden.
Ich fand allerdings, sie sollte dem netten jungen Mann eine zweite Chance geben, manchmal würde man sich erst beim zweiten oder dritten Treffen verlieben. Ich persönlich glaube das zwar nicht, aber es gibt genug Hollywood Filme zu diesem Thema.
Da sollte ich ihr mal einen nennen. meinte sie. In welchem Film können sich die beiden Protagonisten anfangs nicht ausstehen und sind dann zum Ende hin das große Liebespaar?
Der Gattin und mir fielen dann leider keine Beispiele ein, dem Neffen schon gar nicht, mit seinen eigenartigen Mangafilmen.
Falls dem geneigten Leser irgendein Film zu diesem Thema einfällt, möge er ihn mir nennen.
Im wirklichen Leben gibt es das eigentlich auch nicht, je länger ich darüber nachdenke. Wenn auf dem ersten Blick keine Sympathie vorhanden ist, dann wird da auch beim zweiten oder dritten Treffen keine Flamme lodern. Gab's da nicht mal einen Top-Ten-Song zu dem Thema?

Dann war es der Neffe, der es nicht eilig hatte, nach Haus zu Torte, Kaffee und Bailey zu kommen. Als Kommunikations-Designer hat er immer einen Fotoapparat bei sich und in dieser ersten Frühlings-Sonne heute fand er viele interessante Motive.
Ständig musste man nach Carl rufen wie nach einem Hund.
Von uns konnte er aber kein anständiges Foto machen, denn er fotografiert nur im Macro-Bereich. Er hat nie einen Baum als solches auf dem Foto, sondern nur ein Stück Rinde. Und davon auch nur die Ecke. Ich habe schon angeregt, dass er mit seinen Fotos eine Menge Geld machen kann. In der Bäckerblume. In der Rätselecke. "Was ist das?"
Irgendwie gibt es heute keine Lesungs-Fortschritte zu vermelden. Die drei Stück Apfeltorte mit 8 Zentimeter Schokoladen-Schlagsahne liegen mir nun schwer im Magen. Da helfen auch die drei Underberg nicht weiter.

Bleibt mir gewogen,
Klaus



18. Februar
der Sänger mit Tapetenrolle

Heute haben wir endlich wieder gefilmt. Den blauen Stoff konnte ich zum Glück gegen einen grünen Stoff umtauschen.
Die Gattin hat den Apparillo bedient. Und sie hatte sogar eine recht brauchbare Idee.
Theoretisch war sie brauchbar, in der Praxis leider nicht.
Immer wenn ich zwei Sätze aus meinem alten Tagebuch auswendig lernte, konnte man den Camcorder ja auf Pause stellen und anhalten.
Sie filmt mich also nur, wenn ich in die Kamera gucke und meinen Text aufsage.
Gute Idee!
Nur leider hat das Huhn die Pausentaste genau verkehrt herum bedient! Nachdem ich 20 DINA-4-Seiten fleißig aufgesagt hatte, haben wir uns den Blockbuster angeschaut.
Man sieht mich ständig nach unten gucken. Mit kleinen ruckartigen Bewegungen.
Es war auch völlig übertrieben, dass sich der dazu gekommene Neffe weg schrie vor Lachen! Und er hätte beim Abendessen nicht den ganzen Film der Tochter pantomimisch vorspielen müssen. Text war ja nicht vorhanden.
So nicht!
Immerhin hatte Neffe Carl dann doch eine Idee. Ich müsste die ganze Zeit in die Kamera gucken. Am besten alles auswendig lernen.
Das hat schon als Sänger in der Band damals nicht geklappt. Oft hatte ich den Songtext auf einer Tapetenrolle vor mir liegen. Entweder rollte die sich vorzeitig auf, oder der Bassist trat seine Bierflasche um, oder es war die falsche Rolle! Oder auf dem Kopf ausgerollt.
Falls mir das Auswendig-lernen zu schwer fallen würde, sollte ich es so machen, wie die ganzen Fernsehleute, Talkmaster, Moderatoren und Wetterfrösche. Die bekämen ihren Text aus der Kamera, in die sie hinein gucken. Manchmal sieht man auch, wie sie sich verzweifelt einer anderen Kamera zuwenden, weil der Text in der ersten versiegt ist.
Da will er sich an der Uni mal kundig machen.
Hört sich teuer an.

Bleibt mir gewogen,
Klaus
 



 
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