17. Die Eiergeschichte

molly

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Die Eiergeschichte

In der Scheune drückte David seine Blumen Michael in die Hand.
„Halt mal!" befahl er. Er lief zu den Eiern, die sauber aufgestapelt in großen Kartons auf dem Boden lagerten. David nahm sich ein Ei. Michael sah, wie er das Ei aufschlug und leer trank. Die Schalen warf er auf den Boden, zu Michael, und schon holte er sich ein zweites Ei. Doch damit floh David blitzschnell aus der Scheune. Eine harte Hand packte Michael am Hemdkragen und drehte ihn zu sich herum. Die Bäuerin gab ihm links und rechts eine an die Ohren. Die Prinzessin würde sagen, sie hätte ihm zwei geknallt! Komisch, dass er daran denken musste.
„Hab ich dich endlich, du Eierdieb! Das war das letzte Mal, dass du hier Eier geholt hast. Das kannst du auch deinem sauberen Freund sagen, der fortgelaufen ist! Ich werde dafür sorgen, dass deine Eltern die Eier bezahlen!" schimpfte sie, gab ihm einen Stoß und er torkelte hinaus.
Michaels Augen und Wangen brannten, er spürte die Tränen im Gesicht und sein Bauch schmerzte vor Wut. Wut auf David, der ihn so einfach im Stich gelassen hatte. Er schleuderte Davids Blumenstrauß weit fort. David wartete auf der Straße. Michael fing an zu laufen, diesmal wollte er ihm die Ohrfeigen heimzahlen. David ahnte wohl, was Michael vor hatte und lief weg. In sicherer Entfernung drehte er sich um und schrie: „Ich sage unserer Lehrerin, was du mit meinen Blumen gemacht hast und ich sage Rudi Bescheid, wenn du was von den Eiern erzählst!" Fast hätte Michael ihn eingeholt, doch nun rannte David weiter.
In seiner Straße traf Michael auf Florian.
„Gab es Krach?" fragte der.
„Und wie!" antwortete Michael. Florian trabte neben ihm her und sie verfolgten David bis zur Querstraße. Er stand schon in seinem Hof, zeigte den beiden eine lange Nase und streckte ihnen die Zunge raus.
"Blöder Affe“, rief Michael, „erzähl nur der Lehrerin die Sache mit den Blumen, und ich verrate ihr die Eiergeschichte!"

Michael machte sich mit Florian auf den Heimweg und berichtete ihm unterwegs von Davids Streich.
"Mist", sagte er und kratzte sich am Kopf und lief nach Hause. Michaels Mutter hatte das Abendbrot gerichtet und drückte ihm die Teller in die Hand. Gemeinsam deckten sie den Tisch und dabei erzählte Michael von seinem Abenteuer.

„Wegen den Eiern brauchst du dich nicht zu sorgen“, tröstete ihn die Mutter.
„Davids Tante, hat eben angerufen. Sie weiß, dass du nicht der Eierdieb bist."
„Wieso denn? Die Eierschalen lagen doch auf meiner Seite!" entgegnete Michael.
„Nun, sie kennt David sehr gut und weiß auch, dass er fürs Leben gern rohe Eier nascht. Sie bittet dich um Verzeihung wegen den Ohrfeigen. Wenn sie David gleich erkannt hätte, wärst du nicht geschlagen worden.“ Michael atmete erleichtert auf, dass sich die Eiergeschichte so schnell aufgeklärt hatte.
Aber seine Mutter sagte: „Ich habe der Bäuerin am Telefon gesagt, dass sie sich bei dir entschuldigen muss. Sie hat dich geschlagen und das macht mich verflixt zornig! Kein Mensch hat das Recht, dich zu schlagen. Selbst wenn du die Eier gemopst hättest. Sie hätte mich anrufen und den Vorfall melden können. Eier kann man ersetzen, doch Schläge nie wieder rückgängig machen."
Die Bäuerin hat sich schon am nächsten Tag bei Michael entschuldigt und ihm eine kleine Linzertorte geschenkt.

Doch da blieb immer noch das Problem mit Rudi. Michael überlegte sich einen Plan. Er wollte Rudis Lehrer aufzusuchen und ihm alles berichten. Doch seine Mutter fand die Idee nicht gut.
„Rudi wird dich sicher nicht in Ruhe lassen, wenn du ihn verpetzt“, meinte sie und gab ihm einen Rat, den er nie und nimmer von ihr erwartet hätte. Seine Mutter, die gegen Gewaltakte jeder Art war, schlug vor, er sollte sich einmal mit aller Kraft auf Rudi stürzen und ihn kräftig boxen. „Laure ihm auf, wenn er allein ist. Er wird so überrascht sein, dass er sich nicht einmal wehrt. Dann lauf schnell weg. Du bist doch nicht so fest wie Rudi und kannst viel schneller rennen“, sagte sie.
„Aber Mama, du bist doch auch dicker als ich und kannst schneller laufen!" erwiderte Michael und erinnerte sie an die Wettläufe, bei denen sie gegen den Vater gewonnen hatte.
Mutter räusperte sich und sagte: „Wenn du schon weißt, dass Rudi stärker ist und vielleicht sogar schneller sein könnte, warum läufst du dann nicht weg, solange noch Zeit dazu ist?"
Michael sagte: „Wenn ich Rudi sehe, werden meine Knie ganz schwach, meine Arme kann ich kaum noch rühren und dass ich um Hilfe rufen könnte, fällt mir erst später wieder ein." Die Mutter nickte. „Vielleicht hat Vater einen besseren Vorschlag!"

Doch das bezweifelte Michael. Er riet ihm einmal, David zu vertrimmen. Michael befolgte seinen Rat und bekam am nächsten Tag doppelt so viele Schläge zurück, von Rudi natürlich.
Da meinte Mutter: „Gut, dann rede einmal mit Rudis Lehrer. Wenn er dir auch nicht helfen kann, werde ich mich einmischen. Darauf kannst du dich verlassen!"
Während Michael sein Abendbrot aß, dachte er an Rudis Lehrer. Er hieß Herr Lenz und Michael hatte ihn im Turnunterricht. In der ersten Turnstunde, die sie bei ihm hatten, trödelten sie. Es dauerte lange, bis sie Turnhose und Turnschuhe angezogen hatten. Als sie endlich in die Halle trabten, schaute Herr Lenz auf die Uhr und meinte:
"Ihr habt zum Umziehen eine halbe Stunde gebraucht. Jetzt können wir leider nicht mehr turnen. Den Rest der Stunde braucht ihr ja wieder, um eure Kleider anzuziehen!"
„Ich war schnell fertig!" warf Peter ein.
„Wenn du so schnell bist, dann hilf deinen Kameraden. Manche können noch nicht so gut ihre Schnürsenkel binden. Zieht euch jetzt ganz schnell um!" Die Kinder beeilten uns sehr. Den Rest der Turnstunde verbrachten sie mit dem Üben von Schnürsenkel binden. Sie trödelten nie wieder, denn der Turnunterricht bei Herr Lenz machte großen Spaß. ‚Herr Lenz wird mir helfen‘, dachte Michael noch beim Einschlafen.

Am nächsten Morgen holte die Prinzessin Michael zur Schule ab und die Mutter begleitete sie. Sie wollte einkaufen und Michael war ihr von Herzen dankbar, dass sie mitging. Natürlich trafen sie David und Rudi. Doch als sie Michael mit der Prinzessin und der Mutter bemerkten, hasteten sie eilends davon. "Siehst du, sie flüchten auch, wenn sie nicht gewinnen können", ermunterte die Mutter ihren Sohn.
Einige Tage ließen die beiden Michael in Ruhe. Dann, an einem Mittwoch, verlangte David Michaels Pausenbrot, dafür würde der ihm einen Apfel schenken. Damit war Michael nicht einverstanden. Nicht, weil er etwas gegen das Tauschen von Vesperbrot hatte, das taten alle ab und zu. Doch heute wollte er sein eigenes essen.
„Du gibst es mir!" zischte David.
„Nein!" schrie Michael und drückte das Brot fest an sich.
„Ich sage nur ein Wort: Rudi! Los, gib mir dein Brot!"
„Alles, alles werde ich jetzt Herrn Lenz erzählen!" brüllte Michel. Schreiend und schimpfend zogen sie in Rudis Klassenzimmer.

David rief: „Stimmt alles nicht, Herr Lenz, der lügt!" Herr Lenz saß hinter seinem Schreibtisch und gebot ihnen, sofort mit dem Lärm aufzuhören.
„Ich habe jetzt Pause und ihr sollt draußen frische Luft schnappen", sagte er und las ruhig in seinem Buch weiter. Michael nahm allen Mut zusammen und erzählte ihm von David und Rudi. Er kam nicht mehr dazu, ihn um Hilfe zu bitten, denn Herr Lenz hatte sich erhoben. Er sah Michael streng an und sagte: „Petzer können wir in der Schule nicht brauchen!"

Michaels Gesicht fühlte sich so an, als hätte Herr Lenz ihm eine geknallt. Er hätte ihn am liebsten angespuckt, denn neben ihm kicherte David. Aber das Lachen verging diesem schnell.
„Auslacher mögen wir hier auch nicht!" grollte Herr Lenz. „Du schreibst eine Seite Strafarbeit, und morgen will ich die sehen!" Dafür hätte Michael ihn am liebsten umarmt. Natürlich sagte er das nicht, sonst hätte Herr Lenz ihm wahrscheinlich auch noch eine Strafarbeit aufgebrummt.

In der nächsten Zeit sah und hörte Michael nichts von Rudi. Auch David zeigte sich friedlich und stritt nicht mit den Kindern. Es sah ganz so aus, als hätte der Lehrer Michael doch geholfen.

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Die nächste Geschichte erzählt von einem besonderen Schultag.
 



 
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