Najitzabeth
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2. Auf Neuen Wegen(1)
So, dat 2. Kapitel:
Auf Neuen Wegen
Lasraf trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Das eigenartige Gefühl, welches ihn jedes Mal beschlich, wenn er zu König Sargem gerufen wurde, machte ihm Kopfschmerzen. Am liebsten würde er diese Einladungen einfach ignorieren, aber er fürchtete sich zu sehr vor der Bestrafung, als dass er es wirklich in Erwägung zog, seinem Herrscher fern zu bleiben. Er stattete nun schon zum achten mal dem König einen Besuch ab. Jeden Monat ein mal, um von den Machenschaften der Aussätzigen zu berichten.
Vor noch nicht ganz einem Jahr hatten sie herausgefunden, dass es mitten in der Stadt einen geheimen Stützpunkt dieser Monster gab. Es war ein Gasthaus. Er selbst war mittlerweile einer der Stammgäste dort. Diese eigenartigen Wesen behandelten ihn, als ob er zur Familie gehörte. So konnte er ungehindert beobachten, was sie hier in der Stadt trieben. Keiner von ihnen vermutete, dass Lasraf ein Spion war.
Das große Tor zum Saal der Tränen öffnete sich. Also hatte der Bote ihn endlich angekündigt. Der riesige Raum, den der König für seine Audienzen bevorzugte, trug seinen Namen wegen der zahllosen Rinnsale, die bei Regen von der Decke herunter tröpfelten. Heute war wieder so ein Tag. Lasraf konnte das Rauschen hören, noch bevor er den König durch den Nebel verhangenen Raum erblickte.
Er trat ein. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Der Geruch von faulendem Wasser würgte ihn. Es widerte ihn an, diesen Raum zu betreten, wie konnte man sich hier nur wohlfühlen?
Er schritt den von Feuchtigkeit zerfressenen Teppich entlang, immer mit dem Blick auf den erhöhten Thron. Alles lag, wie immer, im Dunkeln. Sargem bestand darauf, dass alle Raume abgedunkelt wurden, bevor er sie betrat. Lasraf wusste, dass der König alt war, älter, als irgend ein Mensch je sein würde. Wahrscheinlich hielt er sich deswegen bedeckt. Der König wollte nicht, dass man ihm seine Gebrechlichkeit ansah. Das Einzige, was Lasraf in der bedrückenden Finsternis des Saals erkennen konnte, waren die unzähligen Schläuche, von denen eine grünliche Flüssigkeit in die Venen des Herrschers gepumpt wurde. Er vermutete, dass dies das Geheimnis war, welches den alten Mann noch am Leben hielt. Lasraf kniete nieder und blickte zu Boden. Eine Kakerlake krabbelte an ihm vorüber und verschwand in der Dunkelheit. Er versuchte es zu ignorieren.
„Lasraf, mein treuer Diener!“ Einige Gelenke des Königs knackten, als er zu sprechen begann.
„Majestät“
„Berichtet mir, was Ihr herausgefunden habt.“ Das Gespräch begann jedes Mal mit den selben Worten.
Der Spion räusperte sich: „Die Schwangere hat vor ein paar Tagen ihr Kind bekommen, eure Hoheit.“
Er zögerte einen Moment: „Es ist ein wahres Monstrum!“ Lasraf schauderte bei dem Gedanken an diese Missgeburt. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er mit einem Krug verwässerten Biers in der Stube gesessen hatte, als die Hebamme mit dem Balg herunter gekommen war. Der Vater war überglücklich gewesen und nahm sein Kind mit strahlendem Gesicht entgegen. Lasraf war aufgestanden, um sich das Neugeborenen genauer an zu sehen und ging auf den Vater zu, mit dem Vorwand, ihn zu beglückwünschen. Es war nur ein Wort, aber es fuhr dem Spion durch Mark und Bein!
„Papa!“ Das Kind sprach! Lasraf drehte sich auf dem Absatz um und verließ unauffällig das Lokal, während die anderen Aussätzigen sich um das Neugeborene scharten.
„Was ist mit dem Kind?“ Der König weckte ihn aus seiner Erinnerung.
„Es sprach, das Kind konnte bereits Minuten nach der Geburt sprechen!“, erklärte Lasraf.
Der Herrscher grunzte angewidert und versank für einen Moment in Schweigen.
Als der Alte wieder zu sprechen begann, hoffte der Spion, endlich entlassen zu sein. Er konnte den Gestank kaum noch ertragen.
„Wie lange ist es schon her, seit das letzte mal Aussätzige von außerhalb in die Stadt kamen?“
Der jüngere Mann schnaubte, um den Geruch von Verwesung aus der Nase zu bekommen: „Schon mehr als zwei Monate, Majestät!“
„Gut, das heißt, dass sie bald wieder mit neuer Ware kommen werden!“
Lasraf hatte schon ganz zu Anfang herausgefunden, dass immer wieder Fremde in die Stadt kamen, um mit dem Besitzer des Gasthauses Handel zu treiben. Der König verstummte wieder, um nachzudenken.
„Lasraf, ich habe eine neue Aufgabe für Euch!“
Lasrafs Herz machte einen Sprung! Endlich würde seine Mühe ausgezahlt werden und der König versetzt ihn weit weg von den Aussätzigen!
Der Herrscher sprach weiter und Lasraf lauschte gespannt. Unter diesen Umständen konnte er es auch etwas länger in diesem Saal aushalten.
„Ihr habt genau drei Tage, um Euch die besten Männer aus der Garde zu suchen und alle Aussätzigen, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Stadt befinden, zu vernichten!“
Lasraf blickte erschrocken auf. Er sollte gegen diese Monster kämpfen!
„Aber...“, setzte er an, doch der König unterbrach ihn barsch: „Wenn Ihr es nicht schaffen solltet...,“ Ein paar farblose Augen blitzten in der Finsternis: „Werde ich euch auf dem großen Platz hinrichten lassen, wie einen Aussätzigen!“
Der Spion verstummte augenblicklich. Acht Monate hatte er sie beschatten lassen, nur um sie jetzt aus zu löschen? Lasraf verstand nicht ganz, wieso der König plötzlich kein Interesse mehr an den Machenschaften der Aussätzigen hatte, aber er wusste sehr wohl, dass der Herrscher keine Widerrede duldete. Der Spion stand auf und verließ den Saal der Tränen ohne ein Wort.
So, dat 2. Kapitel:
Auf Neuen Wegen
Lasraf trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Das eigenartige Gefühl, welches ihn jedes Mal beschlich, wenn er zu König Sargem gerufen wurde, machte ihm Kopfschmerzen. Am liebsten würde er diese Einladungen einfach ignorieren, aber er fürchtete sich zu sehr vor der Bestrafung, als dass er es wirklich in Erwägung zog, seinem Herrscher fern zu bleiben. Er stattete nun schon zum achten mal dem König einen Besuch ab. Jeden Monat ein mal, um von den Machenschaften der Aussätzigen zu berichten.
Vor noch nicht ganz einem Jahr hatten sie herausgefunden, dass es mitten in der Stadt einen geheimen Stützpunkt dieser Monster gab. Es war ein Gasthaus. Er selbst war mittlerweile einer der Stammgäste dort. Diese eigenartigen Wesen behandelten ihn, als ob er zur Familie gehörte. So konnte er ungehindert beobachten, was sie hier in der Stadt trieben. Keiner von ihnen vermutete, dass Lasraf ein Spion war.
Das große Tor zum Saal der Tränen öffnete sich. Also hatte der Bote ihn endlich angekündigt. Der riesige Raum, den der König für seine Audienzen bevorzugte, trug seinen Namen wegen der zahllosen Rinnsale, die bei Regen von der Decke herunter tröpfelten. Heute war wieder so ein Tag. Lasraf konnte das Rauschen hören, noch bevor er den König durch den Nebel verhangenen Raum erblickte.
Er trat ein. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Der Geruch von faulendem Wasser würgte ihn. Es widerte ihn an, diesen Raum zu betreten, wie konnte man sich hier nur wohlfühlen?
Er schritt den von Feuchtigkeit zerfressenen Teppich entlang, immer mit dem Blick auf den erhöhten Thron. Alles lag, wie immer, im Dunkeln. Sargem bestand darauf, dass alle Raume abgedunkelt wurden, bevor er sie betrat. Lasraf wusste, dass der König alt war, älter, als irgend ein Mensch je sein würde. Wahrscheinlich hielt er sich deswegen bedeckt. Der König wollte nicht, dass man ihm seine Gebrechlichkeit ansah. Das Einzige, was Lasraf in der bedrückenden Finsternis des Saals erkennen konnte, waren die unzähligen Schläuche, von denen eine grünliche Flüssigkeit in die Venen des Herrschers gepumpt wurde. Er vermutete, dass dies das Geheimnis war, welches den alten Mann noch am Leben hielt. Lasraf kniete nieder und blickte zu Boden. Eine Kakerlake krabbelte an ihm vorüber und verschwand in der Dunkelheit. Er versuchte es zu ignorieren.
„Lasraf, mein treuer Diener!“ Einige Gelenke des Königs knackten, als er zu sprechen begann.
„Majestät“
„Berichtet mir, was Ihr herausgefunden habt.“ Das Gespräch begann jedes Mal mit den selben Worten.
Der Spion räusperte sich: „Die Schwangere hat vor ein paar Tagen ihr Kind bekommen, eure Hoheit.“
Er zögerte einen Moment: „Es ist ein wahres Monstrum!“ Lasraf schauderte bei dem Gedanken an diese Missgeburt. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er mit einem Krug verwässerten Biers in der Stube gesessen hatte, als die Hebamme mit dem Balg herunter gekommen war. Der Vater war überglücklich gewesen und nahm sein Kind mit strahlendem Gesicht entgegen. Lasraf war aufgestanden, um sich das Neugeborenen genauer an zu sehen und ging auf den Vater zu, mit dem Vorwand, ihn zu beglückwünschen. Es war nur ein Wort, aber es fuhr dem Spion durch Mark und Bein!
„Papa!“ Das Kind sprach! Lasraf drehte sich auf dem Absatz um und verließ unauffällig das Lokal, während die anderen Aussätzigen sich um das Neugeborene scharten.
„Was ist mit dem Kind?“ Der König weckte ihn aus seiner Erinnerung.
„Es sprach, das Kind konnte bereits Minuten nach der Geburt sprechen!“, erklärte Lasraf.
Der Herrscher grunzte angewidert und versank für einen Moment in Schweigen.
Als der Alte wieder zu sprechen begann, hoffte der Spion, endlich entlassen zu sein. Er konnte den Gestank kaum noch ertragen.
„Wie lange ist es schon her, seit das letzte mal Aussätzige von außerhalb in die Stadt kamen?“
Der jüngere Mann schnaubte, um den Geruch von Verwesung aus der Nase zu bekommen: „Schon mehr als zwei Monate, Majestät!“
„Gut, das heißt, dass sie bald wieder mit neuer Ware kommen werden!“
Lasraf hatte schon ganz zu Anfang herausgefunden, dass immer wieder Fremde in die Stadt kamen, um mit dem Besitzer des Gasthauses Handel zu treiben. Der König verstummte wieder, um nachzudenken.
„Lasraf, ich habe eine neue Aufgabe für Euch!“
Lasrafs Herz machte einen Sprung! Endlich würde seine Mühe ausgezahlt werden und der König versetzt ihn weit weg von den Aussätzigen!
Der Herrscher sprach weiter und Lasraf lauschte gespannt. Unter diesen Umständen konnte er es auch etwas länger in diesem Saal aushalten.
„Ihr habt genau drei Tage, um Euch die besten Männer aus der Garde zu suchen und alle Aussätzigen, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Stadt befinden, zu vernichten!“
Lasraf blickte erschrocken auf. Er sollte gegen diese Monster kämpfen!
„Aber...“, setzte er an, doch der König unterbrach ihn barsch: „Wenn Ihr es nicht schaffen solltet...,“ Ein paar farblose Augen blitzten in der Finsternis: „Werde ich euch auf dem großen Platz hinrichten lassen, wie einen Aussätzigen!“
Der Spion verstummte augenblicklich. Acht Monate hatte er sie beschatten lassen, nur um sie jetzt aus zu löschen? Lasraf verstand nicht ganz, wieso der König plötzlich kein Interesse mehr an den Machenschaften der Aussätzigen hatte, aber er wusste sehr wohl, dass der Herrscher keine Widerrede duldete. Der Spion stand auf und verließ den Saal der Tränen ohne ein Wort.