2. Die Frau

Kapitel 2: Die Frau

Der Laden nahm ein ganzes Gebäude in Anspruch. Es gab kein Aushängeschild, aber anscheinend wussten alle Einwohner auch so, wo er zu finden war. Alexis musterte das flache, unscheinbare Haus unter gerunzelten Augenbrauen, bevor sie eintrat. Sie hoffte, dass der Junge sie nicht belogen hatte.

Drinnen gab es dann keinen Zweifel mehr. Das Geschäft versteckte seine Ware nicht.

Überall hingen Waffen aller Art auf den Wänden. Wohin man den Blick auch wandte, er traf unbedingt auf eine Todesmaschine. Alexis sah Dinge, von denen sie nicht einmal erkannt hätte, dass es Waffen sein sollten. Dabei hatte sie von sich selbst gedacht, sich inzwischen ganz gut mit dieser Technik auszukennen.

Bei ihrem Eintreten war ein schriller Signalton erklungen, der den Besitzer des Ladens auf die mögliche Kundschaft aufmerksam machen sollte. Dennoch ließ er sich Zeit. Alexis konnte in aller Ruhe ein schwarzes Gewehr betrachten, welches ungefähr ihre Größe hatte. Sie fragte sich unwillkürlich, wer denn in der Lage sein sollte, so eine gewaltige Waffe überhaupt zu halten, geschweige denn zu benutzen.

„Guten Tag.“ Sie drehte leicht den Kopf und entdeckte eine große, kräftige Frau neben der nächsten Vitrine stehen. Sie trug bequeme Arbeitskleidung, einen grauen Overall mit einem kleinen Schild an der Brust, das ihren Namen mitteilte: Holly. Ihre roten, gekräuselten Haare hatte sie in zwei Zöpfen zusammengebunden, was ihr ein etwas kindisches Aussehen verlieh. Aber die grauen, wachsamen Augen straften diesen Eindruck Lügen.

„Tag“, kam es von Alexis zurück. „Seid ihr der Besitzer dieses Geschäfts?“ Holly nickte. Ihr Blick schien den Mantel zu durchdringen. Alexis fühlte sich entschieden unwohl.

Blödsinn. Sie ist auch nur ein Mensch.

Entschieden ging Alexis auf Holly zu. Mit einer endgültigen Bewegung legte sie den Revolver auf die Vitrine. „Ich will das hier verkaufen“, sagte sie knapp.

Holly musterte den Revolver kurz, dann glitten ihre Augen wieder über Alexis’ Gestalt. Sie machte keine Anstalten, die Waffe zu berühren.

„Warum?“, fragte sie bloß. Ihre Stimme war unerwartet tief und etwas heiser.

„Meine Gründe gehen nur mich etwas an“, entgegnete Alexis schroff. „Kauft ihr sie mir nun ab oder muss ich in einen anderen Laden gehen?“

Langsam schüttelte Holly den Kopf. „Ich kaufe nicht. Ich verkaufe.“ Alexis setzte dazu an, verärgert etwas zu erwidern, aber die Frau redete unbeirrt weiter. „Ihr solltet diese Waffe nicht verkaufen.“

Nun war es an Alexis, ein „Warum?“ zu äußern.

„Weil ihr sie brauchen könntet“, sagte Holly einfach.

„Ich entscheide selbst, was ich brauche und was nicht!“ Alexis griff wieder nach dem Revolver und in dem Moment streckte auch Holly ihre Hand aus. Ihre Finger schlossen sich um Alexis’ Handgelenk. Erschrocken zuckte Alexis zurück, aber der Griff der Menschenfrau war stark und lockerte sich nicht.

„Was… Lass mich los!“, rief sie wütend und zog mit aller Kraft. Holly wankte nicht einmal.

„Es ist für eine freie Elbe nicht sicher in dieser Stadt“, meinte sie und Alexis erstarrte.

Woher weiß sie es? Woher??

Ruhig redete die Frau weiter. „Es war bis noch vor kurzem ein Dämon in der Stadt.“

Alexis’ Hand lag plötzlich regungslos auf der kalten Vitrine. Vorsichtig ließ Holly sie los und vergrub ihre Hände in ihren Taschen. Abwartend beobachtete sie die Elbe.

Ein Dämon.

Das Wort echote in ihrem Kopf, der plötzlich völlig leer war. Ein Dämon. Hier.

„Wann?“ Ihre Stimme klang seltsam rau.

„Gestern habe ich ihn noch gesehen. Er hat wahrscheinlich heute morgen die Stadt verlassen.“

Er kann noch nicht weit sein.

Ihre Hand schloss sich um den Revolver. Ohne ein weiteres Wort steckte sie ihn ein und wandte sich zum Gehen. Sie spürte Hollys bohrenden Blick im Rücken.

„Ich weiß nicht, welchen Weg er genommen hat“, sagte die Frau und kam damit Alexis’ nächster Frage zuvor. „Aber ihr braucht nur die Stadtwache zu fragen. Er ist auffällig.“

Alexis nickte kurz und verließ den Laden.

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Jeder wusste, wen sie meinte. Sie brauchte nur nach dem Dämon zu fragen und schon wurde ihr der Weg gewiesen. Er habe Eylan durch die westliche Straße verlassen, hieß es. Direkt in den Wald hinein. Er sei allein gewesen.

Alexis ging durch die Stadt. Menschen zogen Elben an Ketten hinter sich her, wie streunende Hunde. Diesmal war es ihr egal.

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