2 Miragliano

Asgar

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2
Miragliano​

Bogar hatte ihnen erzählt, Miragliano hätte jahrzehntelang gegen die Skaven aus den Zombiesümpfen angekämpft, bis sie die Stadt schließlich in einer gewaltigen Belagerung eingenommen und zerstört hatten. Als sie schließlich in Sichtweite der Stadt kamen, konnten sie das wahre Ausmaß des vereinten Zornes der Skaven sehen.
Die Stadt war beinahe bis auf die Grundmauern geschleift. Von der einst gewaltigen und viel gerühmten Stadtmauer standen nur noch einige erbärmliche Überreste, auch die meisten Gebäude waren nur noch Schuttberge, nur einige größere Gebäude standen noch, wenn auch als Ruinen. Die charakteristischen schiefen Türme von Miragliano, wie auch die Stadtmauer von dem berühmten Künstler Leonardo da Miragliano entworfen, waren größtenteils eingestürzt, doch überraschenderweise hatten einige von ihnen doch die Zeit überdauert.
Das Osttor, durch das die Söldnertruppe die Stadt betrat, war noch größtenteils intakt, so dass sie kaum Probleme hatten, voranzukommen. Die Straßen, die Mauern, die Schutthaufen ringsum, einfach alles war entweder Pechschwarz oder dunkelgrau. Verbrannt von tobenden Feuern und den giftgrünen Warpblitzen der Skavenkanonen.
Nachdem sie durch die kläglichen Überreste der Stadt gewandert waren, vorbei an den Ruinen einstmals prunkvoller Palazzi und Gildenhäuser, über kleine Brücken über die berühmten Kanäle der Stadt, in denen man früher eine Bootsfahrt unternehmen konnte, die jetzt jedoch mit stinkender Drecksbrühe angefüllt waren, gab Georg den Befehl, ein Lager in den Überresten einer Sigmarkirche zu errichten.
„Nennt mich abergläubisch, aber hier fühle ich mich wesentlich sicherer als im Rest dieser verfluchten Geisterstadt.“, sagte er, als er mit Lyranna und Bogar den Söldnern beim aufbauen des Lagers zusah, „Wie lang habt ihr vor, hier zu verweilen?“
„Nicht länger als nötig. Sobald diese verfluchte Drecksratte zurück ist, werden wir uns nach einem Boot umsehen und weiter in die Sümpfe ziehen. Wenn dieser kleine Bastard Recht hat, kommen wir von dort aus ungesehen direkt nach Skavenblight.“, antwortete Bogar, ohne seinen Blick von den emsig arbeitenden Söldnern abzuwenden.
„Ich hoffe euch ist bewusst, dass es bis jetzt noch niemandem gelungen ist, die Sümpfe zu betreten und auch lebendig wieder zu verlassen. Dieser Ort ist verflucht, das solltet ihr wissen. Auch ich habe zwar schon von euch gehört, Bogar Eisenfaust, doch ein guter Kämpfer zu sein, wird dort nicht reichen.
Wenn ich ehrlich bin, frage ich mich so langsam, warum jemand freiwillig nach Skavenblight gehen würde, falls es denn überhaupt existiert.“, sagte der Söldnerhaupt mit besorgtem Blick.
Lyranna hatte einen guten Grund, Bogar zu begleiten.
Sie hatte ihn in einer kleinen Stadt in den Grenzgrafschaften getroffen, wo er Skrigg aus einem Zirkus freigekauft hatte. Bogar hatte damals Leute gesucht, die ihm halfen nach Skavenblight zu gelangen. Lyranna wusste nur, dass er irgendwas suchte, ein streng geheimer Auftrag der Kirche, wie er gesagt hatte. Scheinbar irgendein altes Artefakt, das von den Skaven gestohlen worden war. Balthasar hatten sie auf einem Bauernhof gefunden, der scheinbar kurz vorher von Orks angegriffen worden war. In der Scheune hatte er auf einem Heuballen gesessen und auf seiner Flöte gespielt.
Um ihn herum hatten zwei dutzend tote, wie vor Schmerz zusammen gekrümmte Orks gelegen. Warum er mit ihnen gekommen war, wusste niemand genau. Lyranna für ihren Teil hatte dem mysteriösen Bogar sofort zugestimmt, als er nach Leuten für eine „Expedition“ in die Zombiesümpfe gesucht hatte. Zu verlieren hatte die heimatlose Lyranna nichts, diese Reise jedoch war eine Gelegenheit, etwas über das Schicksal ihres Bruders Jonathan zu erfahren. Er hatte sich einer Tileaner Söldnertruppe angeschlossen, die nach den Skaven gesucht hatten, welche Miragliano zerstört hatten.
Sie hatte nie wieder etwas von ihm oder den Söldnern gehört, nachdem diese in die Sümpfe gezogen waren. Lyranna war ziellos durch die Lande gezogen und hatte sich mit der Jagd durchgeschlagen, bis sie Bogar getroffen hatte. Viel wusste sie nicht über ihn, er hatte zwar ein selbstbewusstes Auftreten, aber mit seinen Kameraden redete er nicht sonderlich viel. Sie wusste nur, dass er früher einmal ein Ritter des Imperiums gewesen war und unter anderem an Kämpfen gegen die Chaos-Barabaren im Norden teilgenommen hatte. Er hatte jedoch sowohl seine Waffen und Rüstungen, als auch seinen Namen abgelegt und nannte sich nun Bogar Eisenfaust.
Was der Grund dafür war, hatte sie noch nicht in Erfahrung bringen können. Den Namen Eisenfaust trug er jedoch, weil er niemals mit einer richtigen Waffe, sondern nur mit eisernen, mit Stacheln besetzten Handschuhen kämpfte.
„SIE SIND HIIIIEEER! SIE SIND HIIIER!!“
Skriggs panisches Kreischen lies Lyranna aus ihren Gedanken aufschrecken.
„JA- ja! Sie sind hier! Skaven! Viele – viele! Die verstecken sich! Zwischen den Ruinen!“
Bogar wurde ernst und blickte auf den Rattenmensch herab, der nervös hin und her huschte.
„Gut. Aber wehe du machst wieder irgendeinen Fehler, du Abschaum. Das nächste Mal werde ich dich töten.“
„Ja – ja, überaus edelmütiger Herr! Ich werde euch nicht enttäuschen – täuschen!“, antwortete Skrigg heuchlerisch.
Georg wandte sich ihnen wieder zu:
„Nun gut, ich werde euch einige Männer mitgeben, versucht diese Plagen aus ihren Löchern zu treiben, wir werden hier warten, um sie zu erledigen.“

Lyranna, Bogar, Skrigg und eine Hand voll Söldner der Blauen Wölfe bewegten sich vorsichtig zwischen den Ruinen hindurch. Balthasar hatte lieber im Lager bleiben wollen. Die Skaven waren im Normalfall feige, jedoch hinterhältig und erfinderisch. Wenn sie nicht aufpassten, würden sie den Ratten in die Falle tappen.
Sie kamen gerade hinter einer noch halbwegs intakten, jedoch auch pechschwarzen Hausmauer hervor, als im Westen ein Knall ertönte. Im selben Moment durchschlug ein grünliches Geschoss die Brustplatte eines der Söldner, sodass dieser nach hinten geschleudert wurde und reglos liegen blieb.
“VERDAMMT! Alle Mann in Deckung!“, schrie Bogar und die Truppe warf sich wieder hinter die Wand.
Der Soldat, der getroffen wurde, hustet ein paar Mal gequält und erbrach dann grün leuchteten Schleim, bevor er endgültig starb.
„Jezzails! Die Schießen mit Warpstein - Warpstein!
Ich brauch’ neuen Warpstein…“, rief Skrigg aufgeregt und fing sich sogleich einen vernichtenden Blick von Bogar ein.
„Diese feigen kleinen Bastarde…
Skrigg, sieh nach wo der Schütze sitzt!“
Der Rattenmensch kletterte geschickt die mauer empor und lugte über den Rand, als eine weitere Kugel dicht neben seinem Kopf in die Wand einschlug und als heulender Querschläger davonjagte.
Mit einem lauten Kreischen ließ er sich fallen und zitterte am ganzen Leib.
“S-sie sind im W-westen, -Westen! Auf dem T-turm!“
Das waren etwa Dreihundert Meter.
Sie hatten zwar zwei Musketenschützen dabei, doch Bogar glaubte nicht, dass sie auf diese Entfernung würden treffen können, sie hatten im Gegensatz zu ihrem Gegner keine Zeit, sich richtig zu positionieren.
Lyranna stand entschlossen auf und suchte einen besonderen Pfeil aus ihrem Köcher. Sie entzündete die kleine Zündschnur, die seitlich am Schaft des Pfeils befestigt war mit einem Schwefelholz, spannte ihn auf die Sehne und feuerte den Pfeil in einem hohen Bogen über die Mauer hinweg.
Sie zählte langsam
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Mit einem enormen Krachen explodierte der Pfeil in dem Schiefen Turm, der daraufhin erbebte und schließlich zusammenbrach.
„Sehr gut!“ bemerkte Bogar und lächelte ihr zu.
Lyranna nickte nur verlegen und sah nach oben.
Auf der Mauer hockte ein Skaven mit braunem Fell und fauchte sie an, bevor er herunter sprang und sie mit seinem rostigen Kurzschwert angreifen wollte.
Bogar sprang vor und stieß Lyranna zur Seite, mit seiner Mit einem schweren Eisenhandschuh gerüsteten Faust verpasste er der übergroßen Ratte einen gewaltigen Schlag gegen den Kopf, sodass man das Genick brechen hören konnte.
„Macht euch Kampfbereit!“, schrie Bogar, als weitere Skaven über die Mauer geklettert kamen.

Lyranna war wieder im provisorischen Lager der Söldner und wusch sich das Gesicht an einem Wasserfass. Die Skaven in Miragliano waren zahlreich, aber schlecht organisiert gewesen. Nur von den Heckenschützen war eine echte Gefahr ausgegangen, als die Jäger diese allerdings ausgeschaltet hatten, hatten die Söldner sich frei durch die Ruinenstadt bewegen können. Die übrigen Skaven hatten sie gejagt und getötet, nur wenige überlebten und flohen in die Sümpfe.
Dorthin würde auch die kleine Gruppe bald weiterreisen.
Hauptmann Georg hatte nie wirklich danach gefragt, doch Lyranna bemerkte auch so, dass er unbedingt wissen wollte, was es denn wert war, dafür durch die Zombiesümpfe zu ziehen. Lyranna hatte Bogar ein Mal gefragt, doch dieser hatte nur geantwortet, dass es sich um ein mächtiges Artefakt handeln würde, das nicht in den Klauen der Skaven bleiben durfte.
Wahrscheinlich steckte wesentlich mehr dahinter, doch Bogar war stur wie ein Esel. Je mehr man versuchte, Informationen aus ihm herauszukitzeln, desto dickköpfiger wurde er und ignorierte einen vollkommen.
Bogar hatte während des Streifzugs durch das zerstörte Miragliano eine alte, jedoch noch brauchbare Gondel gefunden. Vor einigen Jahren wahren vielleicht verliebte Pärchen durch die sicherlich prachtvoll verzierten Kanäle von Miragliano gefahren, doch nun würden sie Bogar und seiner Gruppe dazu dienen, diese verfluchten Sümpfe zu überqueren.
Und schließlich, um bis ins Herz von Skavenblight vorzudringen.
Sie verabschiedeten von Georg und seinen Blauen Wölfen, Lyranna hatte sich schon fast daran gewöhnt, die raue Truppe ständig um sich zu haben. Obwohl sie kaum einen beim Namen nennen könnte, vermisste sie die Söldner jetzt schon. Schließlich hatten sie gemeinsam so manchen Ork und Banditen in die Flucht geschlagen. Lyranna bedauerte es sehr, dass sie ihnen nicht auf ihrem Weg durch die Sümpfe halfen, aber andererseits war es wohl auch so gut wie unmöglich, mit einer solchen Truppe, ja schon fast einer kleinen Armee, unbeschadet durch den Sumpf zu kommen.
Und für Georg zählten sowieso andere Dinge, wer mochte wissen, welcher Auftrag die Söldner in diese gottverlassene Gegend geführt hatte.
 



 
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