2042

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Frodomir

Mitglied
2042
battlefield soundtrack

mein vater ist tot
und dieser nie-wieder!-scheiß
raus aus den schulen
ich lerne jetzt tierisch
damit das schwein mich versteht
wenn ich – nein, noch sagen's nicht alle
erst brauchen wir eine stimme
die uns verrät: wer nicht am leben leiden will
darf es nicht lieben
das ist eine philosophie!
nach diesen abgehobenen moralreden
wollen wir im dreck kriechen
um uns zu erden
für diese einsicht
verlieh mir der lehrer eine auszeichnung
die zweite bekam ich
bei der verteidigung unserer hauptstadt
 

Mimi

Mitglied
Lieber Frodomir,

Dein Gedicht wirkt auf mich wie ein Aufschrei, roh und unmittelbar, fast schon wie eine Art Manifest.

Was ich hier "rauslese": Es trägt die Schwere eines (persönlichen) Verlusts („mein vater ist tot“), und zugleich bricht es diese Schwere immer wieder ironisch oder sarkastisch auf („battlefield soundtrack“, „Auszeichnung“).
Dadurch entsteht ein gewisses Spannungsfeld zwischen echter Trauer, Wut und einer fast zynischen Abwehrhaltung.

Rein formal erinnert das Gedicht eher an ein fragmentiertes Sprechen als an ein geschlossenes Gedicht – das passt aber meiner Meinung nach zu dem Thema, weil es mehr anstößt als erklärt.
Auch die fehlende Interpunktion verstärkt den Eindruck von Atemlosigkeit und Dringlichkeit.

Inhaltlich lese ich eine große Skepsis gegenüber Ideologien und/oder Institutionen: Schule, Philosophie, Moralreden erscheinen hier wie etwas Hohles, während das „im dreck kriechen“ ein Bild echter Erfahrung, von Unmittelbarkeit und Erdung liefert.

So zumindest mein Eindruck beim Lesen Deiner Zeilen ... die ich übrigens sehr gerne gelesen und kommentiert habe ...

Gruß
Mimi
 

Frodomir

Mitglied
Liebe Mimi,

herzlichen Dank für deinen Kommentar und deine freundliche Bewertung. Ich freue mich, dass das "Rohe" des Textes beim Leser ankommt, diese Kraft wollte ich erreichen.

Interessant finde ich deine Deutung des ersten Verses. Damit hatte ich beim Schreiben nicht wirklich gerechnet, dass der Leser den Tod des Vaters natürlich auch sehr traurig finden kann. Meine Intention war eher, dies als erlösendes Ereignis zu markieren, welches nun erlaubt, anstatt einer immer wieder nacherzählten Geschichte von "Nie wieder Krieg!" in eine Zukunft zu starten, welche diese Fessel ablegt. Fragmentarisch war es dieses mal auch nicht in größerem Ausmaße gedacht, sondern schon als ein durchaus kohärentes Antikriegsgedicht. Um den Interpretationsspielraum anderer Leser aber nicht einzuschränken, will ich es lieber erstmal nicht zu detailiert erklären.

Ich bedanke mich für deine Beschäftigung mit meinem Text!

Liebe Grüße
Frodomir
 



 
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