Franklyn Francis
Mitglied
24/7
Ich wünschte, ich könnte mich öfter oben auf eine der einsamen Etagen zurückziehen. Einfach nur ausruhen. Zwischen der dreißigsten und fünfunddreißigsten, wo sie umbauen, wo viele Räume leer stehen. Kaum ein Mensch kommt dorthin, ein paar Monteure und Techniker vielleicht.
Am liebsten würde ich natürlich aufs Dach. Doch da mache ich mir nichts vor: das wird für immer ein Traum bleiben.
Es ist Montag, Punkt sechs Uhr. Im Foyer, auf den Fluren, in den Gängen wird es hell. Das Francis Building öffnet seine Pforten.
Eine harte Woche beginnt; wir sind momentan nur zu dritt im Einsatz. Einer von uns ist am Wochenende ausgefallen. Er hat mein Alter. Ich habe ihn stöhnen gehört, er war ganz schön klapprig, kam kaum mehr hoch. Hoffe nichts Ernstes. Es ist ihm nicht zu verübeln. Mein letzter freier Tag liegt auch schon lange zurück.
Vereinzelte Frühaufsteher treten ein. Schlaftrunken, gähnend auf dem Handy schauend. Am schlimmsten wird es zwischen acht und zehn. Hektisch, eng, laut, stickig. Zum Glück haben sie vor zehn Jahren Rauchverbot im gesamten Gebäude erlassen. Auch bei mir baumelt so ein Schild.
Seit der Lockdown beendet ist, hat die Belastung wieder zugenommen. Immer mehr Angestellte kehren vom Homeoffice zurück. Damit muss auch ich erst mal klar kommen. Wir sind schließlich alle ein wenig eingerostet während der Lockdown-Phase.
Wenn es mir zu viel oder zu hektisch wird, stelle ich mich taub, gebe keinen Mucks von mir. Sollen sie doch zusehen, wie sie den Andrang ohne mich bewältigen wollen. Wäre nicht das erste Mal, dass meine Kollegen oder ich streiken. Was sollen sie dagegen tun? Sie sind auf uns angewiesen.
Mensch, ich bin in einem Alter, in dem einige schon an den wohlverdienten Ruhestand denken. Viel hat mir das Leben nicht zu bieten und ich muss auch mal an mich denken. Nicht immer nur an die Arbeit.
Bei einem Kollegen ging es Schlag auf Schlag. Ohne Vorankündigung arbeitsunfähig. Raus, ersetzt durch einen Neuen. Die Erkenntnis, vielleicht nicht mehr viel Zeit zu haben, macht mich nachdenklich, melancholisch. Verdammt noch mal! Jetzt nicht sentimental werden.
Ich will nicht nur meckern. Es gibt auch schöne und lustige Momente in meinem Berufsleben, die ich nicht missen möchte. Die ich genieße, solange es noch geht. Die pralle Blondine aus der Achtzehnten – bin schon aufgeregt, ob sie heute wieder kommt. Dienstzeit neun bis siebzehn Uhr, schickes Kostüm, vermutlich Sekretärin. Ungeniert zieht sie sich vor dem Spiegel die Lippen nach. Wenn sie sich unbeobachtet fühlt, der Höhepunkt: Sie schiebt ihr Umhängeband mit der Firmenkarte zur Seite, prüft ihr Dekolleté, rückt den Busen mehrmals gerade, klimpert mit den Augen.
Süß sind die beiden nur dem Scheine nach Unbekannten, sie sich anscheinend rein zufällig begegnen, sich ganz nahekommen, sobald sie sich alleine fühlen. Doch ich habe sie natürlich durchschaut.
Aufheiternd sind die Kinder, die herumtollen, ihre Zungen ausstrecken und Fratzen ziehen, während ihre Eltern schimpfend danebenstehen.
Ziemlich merkwürdig sind die Typen, die mit Zunge und Fingern versuchen, sich Essensreste aus den Zähnen zu pulen, in der Nase popeln. Oder die, die sich nichts zu sagen haben, obwohl sie sich schon seit Jahren begegnen.
Richtig unangenehm die Kerle, die den Bauch einziehen, den Frauen auf dem Hintern glotzen und ihnen nachgaffen. Die Fettwanste, zu faul, ein paar Stufen zu gehen und so bequem sich fahren lassen, – um den einen oder anderen fahren zu lassen und dann so zu tun, als seien es andere gewesen.
Einfach nur nervig die Leute, die das Spiegelglas betatschen, mit spitzen Gegenständen rundherum Kratzer verursachen, ihre Abfälle zurücklassen.
Manchmal mache ich mir selbst einen Spaß. Lasse sie drücken und drücken, noch fester drücken – und reagiere gar nicht. Oder lasse mal ein rotes, mal ein grünes Licht aufpoppen. Öffne die Türen ganz langsam, nur einen kleinen Spalt breit. Und verschließe sie wieder, wenn sie gerade versuchen, durchzuschlüpfen. Ich würde am liebsten lautstark lachen, wenn ich nur könnte. Den Ärger bekomme nicht ich, sondern die völlig schuldlosen Techniker.
Wenn sie nur ahnten, dass ich mir heimlich Zugang zur Kamera, zum Mikrofon und zum ganzen System verschafft habe. Schönes Tauschmaterial unter den Kollegen – wir haben schließlich alle per se Zugriff über das Intranet.
Das Material außer Haus zu schaffen, stellt kein Problem dar. Ich würde es heimlich einem Techniker zuspielen, wenn er sein Prüfsystem oder Fehlerdiagnosegerät anschließt. Dann ginge es wahrscheinlich viral. Peinlich für die feinen Kerle in Nadelstreifen, mit Schlips und Krawatte, den Damen in Hosenanzügen.
Was sollte mir oder meinen Kollegen schon passieren? Sie pappen vorne ein „Außer Betrieb“-Schild dran und ziehen uns sämtliche Strippen. Nach einer Generalüberholung befördern wir wieder maximal 1020 Kilo oder 13 Personen. Wie eh und je.
24/7.
Ich wünschte, ich könnte mich öfter oben auf eine der einsamen Etagen zurückziehen. Einfach nur ausruhen. Zwischen der dreißigsten und fünfunddreißigsten, wo sie umbauen, wo viele Räume leer stehen. Kaum ein Mensch kommt dorthin, ein paar Monteure und Techniker vielleicht.
Am liebsten würde ich natürlich aufs Dach. Doch da mache ich mir nichts vor: das wird für immer ein Traum bleiben.
Es ist Montag, Punkt sechs Uhr. Im Foyer, auf den Fluren, in den Gängen wird es hell. Das Francis Building öffnet seine Pforten.
Eine harte Woche beginnt; wir sind momentan nur zu dritt im Einsatz. Einer von uns ist am Wochenende ausgefallen. Er hat mein Alter. Ich habe ihn stöhnen gehört, er war ganz schön klapprig, kam kaum mehr hoch. Hoffe nichts Ernstes. Es ist ihm nicht zu verübeln. Mein letzter freier Tag liegt auch schon lange zurück.
Vereinzelte Frühaufsteher treten ein. Schlaftrunken, gähnend auf dem Handy schauend. Am schlimmsten wird es zwischen acht und zehn. Hektisch, eng, laut, stickig. Zum Glück haben sie vor zehn Jahren Rauchverbot im gesamten Gebäude erlassen. Auch bei mir baumelt so ein Schild.
Seit der Lockdown beendet ist, hat die Belastung wieder zugenommen. Immer mehr Angestellte kehren vom Homeoffice zurück. Damit muss auch ich erst mal klar kommen. Wir sind schließlich alle ein wenig eingerostet während der Lockdown-Phase.
Wenn es mir zu viel oder zu hektisch wird, stelle ich mich taub, gebe keinen Mucks von mir. Sollen sie doch zusehen, wie sie den Andrang ohne mich bewältigen wollen. Wäre nicht das erste Mal, dass meine Kollegen oder ich streiken. Was sollen sie dagegen tun? Sie sind auf uns angewiesen.
Mensch, ich bin in einem Alter, in dem einige schon an den wohlverdienten Ruhestand denken. Viel hat mir das Leben nicht zu bieten und ich muss auch mal an mich denken. Nicht immer nur an die Arbeit.
Bei einem Kollegen ging es Schlag auf Schlag. Ohne Vorankündigung arbeitsunfähig. Raus, ersetzt durch einen Neuen. Die Erkenntnis, vielleicht nicht mehr viel Zeit zu haben, macht mich nachdenklich, melancholisch. Verdammt noch mal! Jetzt nicht sentimental werden.
Ich will nicht nur meckern. Es gibt auch schöne und lustige Momente in meinem Berufsleben, die ich nicht missen möchte. Die ich genieße, solange es noch geht. Die pralle Blondine aus der Achtzehnten – bin schon aufgeregt, ob sie heute wieder kommt. Dienstzeit neun bis siebzehn Uhr, schickes Kostüm, vermutlich Sekretärin. Ungeniert zieht sie sich vor dem Spiegel die Lippen nach. Wenn sie sich unbeobachtet fühlt, der Höhepunkt: Sie schiebt ihr Umhängeband mit der Firmenkarte zur Seite, prüft ihr Dekolleté, rückt den Busen mehrmals gerade, klimpert mit den Augen.
Süß sind die beiden nur dem Scheine nach Unbekannten, sie sich anscheinend rein zufällig begegnen, sich ganz nahekommen, sobald sie sich alleine fühlen. Doch ich habe sie natürlich durchschaut.
Aufheiternd sind die Kinder, die herumtollen, ihre Zungen ausstrecken und Fratzen ziehen, während ihre Eltern schimpfend danebenstehen.
Ziemlich merkwürdig sind die Typen, die mit Zunge und Fingern versuchen, sich Essensreste aus den Zähnen zu pulen, in der Nase popeln. Oder die, die sich nichts zu sagen haben, obwohl sie sich schon seit Jahren begegnen.
Richtig unangenehm die Kerle, die den Bauch einziehen, den Frauen auf dem Hintern glotzen und ihnen nachgaffen. Die Fettwanste, zu faul, ein paar Stufen zu gehen und so bequem sich fahren lassen, – um den einen oder anderen fahren zu lassen und dann so zu tun, als seien es andere gewesen.
Einfach nur nervig die Leute, die das Spiegelglas betatschen, mit spitzen Gegenständen rundherum Kratzer verursachen, ihre Abfälle zurücklassen.
Manchmal mache ich mir selbst einen Spaß. Lasse sie drücken und drücken, noch fester drücken – und reagiere gar nicht. Oder lasse mal ein rotes, mal ein grünes Licht aufpoppen. Öffne die Türen ganz langsam, nur einen kleinen Spalt breit. Und verschließe sie wieder, wenn sie gerade versuchen, durchzuschlüpfen. Ich würde am liebsten lautstark lachen, wenn ich nur könnte. Den Ärger bekomme nicht ich, sondern die völlig schuldlosen Techniker.
Wenn sie nur ahnten, dass ich mir heimlich Zugang zur Kamera, zum Mikrofon und zum ganzen System verschafft habe. Schönes Tauschmaterial unter den Kollegen – wir haben schließlich alle per se Zugriff über das Intranet.
Das Material außer Haus zu schaffen, stellt kein Problem dar. Ich würde es heimlich einem Techniker zuspielen, wenn er sein Prüfsystem oder Fehlerdiagnosegerät anschließt. Dann ginge es wahrscheinlich viral. Peinlich für die feinen Kerle in Nadelstreifen, mit Schlips und Krawatte, den Damen in Hosenanzügen.
Was sollte mir oder meinen Kollegen schon passieren? Sie pappen vorne ein „Außer Betrieb“-Schild dran und ziehen uns sämtliche Strippen. Nach einer Generalüberholung befördern wir wieder maximal 1020 Kilo oder 13 Personen. Wie eh und je.
24/7.
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