42. Eine Begegnung und schlechte Nachrichten

Amadis

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Sie ritten in den beginnenden Tag hinein und kamen gut voran. Zu so früher Stunde war auf der Handelsstraße noch niemand unterwegs. Erst, als es bereits dämmerte, trafen sie den ersten Bauern, der mit einem Bantakarren unterwegs war. Der Mann hielt an, als er die Krills herannahen sag, blickte ihnen entgegen und folgte ihnen noch eine Weile mit den Augen. Dann schüttelte er leicht den Kopf und setzte seinen Weg fort.
So war es kein Wunder, dass sie die Kreuzung, wo die westliche Handelsstraße auf die Nord-Süd-Route traf, die dem breiten Strom Grold folgte, erreichten, bevor noch die Sonne den Zenit erklommen hatte. Mickel schaute mit großen Augen auf den breiten Fluss und hatte sichtlich Spaß daran, Schuhe und Strümpfe auszuziehen, und im seichten Wasser am Flussufer umher zu gehen, während Loran und Markam die Reittiere trinken ließen.
Sie legten eine Rast ein, lagen im saftig sprießenden Gras am Ufer, und aßen kaltes Bratenfleisch, Brot und getrocknete Früchte.
„Wir sollten uns hier nicht zu lange aufhalten“, warnte der Zauberer und schaute misstrauisch in Richtung der Straße, wo zu dieser Tageszeit einiges Volk unterwegs waren. Bantakarren, Wagenzüge mit Waren aus dem Norden, die in Richtung Mor'Klatt oder noch weiter nach Süden unterwegs waren, aber auch einzelne Reiter und einige Menschen, die zu Fuß unterwegs waren. Markam behielt die Straße im Auge und achtete genau darauf, ob irgend jemand besonderes Interesse an ihm und seinen Freunden zeigte. Bisher war ihm niemand aufgefallen, aber nach dem Vorfall der vergangenen Nacht waren sein Misstrauen geweckt und seine Sinne geschärft.
„Du hast recht“, pflichtete ihm Ariste bei. Die Seherin erhob sich und begann, das übrige Essen wieder in den dafür bestimmten Lederbeutel zu verstauen. An einem kleinen Bach in der Nähe füllten sie ihre Trinkschläuche und kurze Zeit später waren sie wieder unterwegs.
Nach einer Weile hielt Markam sein Krill an und deutete nach vorn.
„Dort ist die Furtbrücke.“
Eine große, offenbar aus Holz errichtete Konstruktion überspannte den breiten Fluss.
„Furtbrücke?“ Loran schaute den Zauberer fragend an.
„Vor Zeiten gab es hier eine Furt durch den Strom, die von den Reisenden genutzt wurde. Als dann immer mehr größere Schiffe den Fluss befuhren, war das Wasser nicht mehr tief genug, und man grub eine tiefere Fahrrinne. Da man aber auch weiter den Fluss überqueren wollte, erbaute man die Furtbrücke.“
Je näher die vier Reisenden der Brücke kamen, umso deutlicher wurde, dass es sich um ein mächtiges Bauwerk handelte. Vier Pfeiler aus massiven, dicken Baumstämmen gefertigt trugen die Konstruktion. Die Brücke war so angelegt, dass in der Mitte genügend Raum blieb, dass auch größere Wasserfahrzeuge das Bauwerk unterqueren konnten.
„Die Brücke ist gewaltig!“, staunte Loran begeistert.
„Naja.“ Mickel grinste frech. „Ihr müsstet mal unsere Öresundbrücke sehen. Dagegen ist das hier Spielzeug.“
Loran schaute ihn mit großen Augen an.
„Wie kann das möglich sein?“
„Jaaaa, Technik!“ Mickels Grinsen wurde breiter. „Das können unsere Leute besser als ihr.“
„Davon musst du mir erzählen“, meinte Loran.
„Klaro, mach ich. Aber dafür kann bei uns niemand zaubern.“
Loran lachte.
„Ja, nirgendwo ist alles gut.“
Markams Fluch unterbrach die lockere Unterhaltung.
„Was ist?“, erkundigte sich Ariste.
Der Zauberer deutete auf die Brücke.
„Gardesoldaten! Sie kontrollieren die Reisenden, die die Brücke überqueren wollen.“
„Müssen wir denn über dir Brücke?“ Ariste schaute den Zauberer besorgt an.
„Wir nicht. Aber Harbon kommt mit seiner Gruppe vom anderen Ufer des Grold, und die Brücke ist weit und breit die einzige Möglichkeit, den Fluss trockenen Fußes zu überqueren.“
Loran stieß einen Fluch aus.
„Das ist nicht ganz richtig!“
Beim Klang der Stimme fuhr Markam herum. Sie hatten während ihrer Unterhaltung die Umgebung außer acht gelassen und nicht bemerkt, dass nicht weit entfernt ein schmächtiger, älterer Mann stehen geblieben war.
„Verzeiht, ich wollte nicht lauschen, aber ich konnte Eure Worte nicht überhören.“
Markam verfluchte sich innerlich für seine Unvorsichtigkeit, machte aber gute Miene zum bösen Spiel.
„Es war ja auch kein Geheimnis, was wir besprochen haben“, versuchte er lächelnd abzuschwächen.
Der Mann grinste verschmitzt.
„Nun, dann ist es ja kein Problem. Aber keine Sorge: Mir gefällt es auch nicht, dass diese Gardisten hier alles und jeden kontrollieren.“ Er schaute in die Runde. „Was aber Eure Bemerkung bezüglich des Übergangs betrifft, so ist diese nicht ganz richtig. Einige Meilen flussabwärts gibt es eine Fähre, auf der man den Grold überqueren kann. Wenn ihr hinüber wollt, kann ich euch gerne führen. Es liegt ohnehin auf meinem Weg.“
Loran schaute Markam an, und in seinem Blick lag die unausgesprochene Aufforderung, dem Fremden nicht zu trauen. Markam nickte ihm kurz zu und wandte sich dann an den fremden Reisenden.
„Und mit wem haben wir die Ehre, wenn ich fragen darf?“
„Mein Name ist Elran aus Granwald. Ich bin reisender Barde.“ Er deutete mit dem Daumen auf das Musikinstrument, das er auf dem Rücken trug, und das Markam jetzt erst bemerkte.
„Ich bin Markam, das ist mein Schwiegersohn Loran, mein Enkel Mickel und seine Lehrerin Ariste. Wir sind Händler aus Trondis und waren in den Westlanden, um Waren einzukaufen. Nun sind wir auf dem Rückweg zur Küste.“
Er lächelte verbindlich. Sie hatten sich darauf verständigt, möglichst nahe an der Wahrheit zu bleiben um es vor allem Mickel nicht zu schwer zu machen. Wie leicht hätte der Junge sich verplappern können, wenn sie sich andere Namen zugelegt hätten.
„Na, das ist ja eine lange Reise für einen so jungen Mann. Und er hat auch schon einen Namen, obwohl er sicher noch nicht alt genug für die Namensweihe ist.“ Elran lächelte Mickel freundlich an. „Aber im Süden hat man es mit den Traditionen ja schon immer etwas … lockerer gehandhabt.“
Markam lachte.
„Ja, ich denke, er wird froh sein, wenn er wieder in seiner gewohnten Umgebung ist. Vielen Dank für Euer Angebot, uns den Weg zur Fähre zu zeigen. Es ist aber nicht so, dass wir den Fluss überqueren möchten. Wir treffen uns in Mor'Klatt mit Freunden, die aus dem Osten kommen. Sie ...“ Er zögerte kurz, als müsse er überlegen, ob er dem Fremden die Information würde anvertrauen können. „... sie führen einige Waren mit sich, die … naja … von Gardisten gerne beschlagnahmt werden.“ Er zwinkerte dem Barden verschwörerisch zu.
„Nun, dann dürfte es schwierig sein, den Gardisten auszuweichen, wenn eure Freunde nichts von den Kontrollen auf der Brücke wissen. Ihr könnt ja keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen.“
Elran schaute Markam direkt in die Augen, und in diesem Moment war sich der Zauberer sicher, dass der Barde ihnen die Geschichte, sie seien Händler auf Geschäftsreise, nicht abgenommen hatte, dass er im Gegenteil sehr genau wusste, mit wem er es zu tun hatte.
Markam sah aus den Augenwinkeln, wie Loran sich straffte. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass sich seine Hand dem Schwertgriff näherte und seine Augen den Barden fixierten.
Elran blieb völlig ruhig und schaute weiterhin in die Augen des Zauberers.
„Es gibt keinen Grund, nach dem Schwert zu greifen, junger Mann.“ Obwohl er Loran ansprach, schaute er weiter Markam in die Augen.
„Wer bist du?“ Die Stimme des Zauberers war schneidend.
„Ich sagte schon, dass ich Elran heiße, aus Granwald stamme und Barde von Profession bin, Herr Zauberer. Soll ich ein Lied darbieten, um den Beweis anzutreten?“
Loran zog das Schwert halb heraus, aber Markam bedeutete ihm, sich zurückzuhalten.
„Nun, ich vermute, in dir steckt mehr als ein Barde ...“
„Ich bin ein einfacher Mann, sonst nichts.“ Er lächelte, aber seine Augen waren hart. Markam wusste, dass man diesen Mann nicht so einfach einschüchtern konnte.
„Lassen wir die Maskerade“, sagte er brüsk. „Du weißt, wer wir sind, also wäre es nur fair, wenn du deine Karten ebenfalls auf den Tisch legen würdest.“
Er schaute den schmächtigen Mann herausfordernd an.
„Fair? Wer sagt, das Leben sei fair?“ Er lachte leise. „Aber du hast recht und ich möchte das Ende des Tages noch in einem Stück erleben.“ Bei diesen Worten schaute er Loran an. „Farnon hat mich geschickt euch hier abzupassen und zu ihm du bringen.“
Loran schnaufte überrascht und ungläubig.
„Und woher sollen wir wissen, dass du die Wahrheit sagst, Barde?“ Das letzte Wort spie er dem schmächtigen Mann regelrecht entgegen.
Elran griff in die Tasche seines Umhangs und brachte einen kleinen Gegenstand zum Vorschein, den er Markam reichte. Der Zauberer nahm ihn entgegen und betrachtete ihn. Dann nickte er und gab ihn zurück.
„Ich denke, er sagt die Wahrheit“, meinte er dann.
„Was war das?“, erkundigte sich Ariste, die näher getreten war.
„Eine oragische Gemme“, erklärte Markam.
„Und was ist eine ora … Dingsbums?“ Mickel schaute den Zauberer fragend an.
Loran grinste.
„Oragische Gemmen dienen seit vielen Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden Zauberern dazu, sich auszuweisen. Jeder Zauberer oder Magier hat ein eigenes Siegel oder Symbol, das man auf seinen Gemmen sehen kann. Wenn sich jemand eine solche Gemme widerrechtlich aneignet, verbrennt das Schmuckstück nach kurzer Zeit zu Asche. Nur der Zauberer oder Magier, dem die Gemme gehört, kann diese mit einem Zauberspruch so verändern, dass eine bestimmte Person sie mit sich tragen kann. Würde ich jetzt zum Beispiel die Gemme an mich nehmen, würde sie nach kurzer Zeit verbrennen, da sie von dem Zauberer nur für Elran vorgesehen war.“
„Aha“, machte Mickel. „Das ist ein cooler Ausweis.“ Er grinste.
Markam nickte.
„Die Gemme trägt das Siegel von Farnon“, bestätigte er.
Loran streckte dem Barden die Hand entgegen.
„Nichts für ungut, Elran, aber wir haben auf unserer Reise Vorsicht gelernt.“
Der Barde ergriff die dargebotene Hand.
„Dafür habe ich Verständnis. Immerhin haben wir es mit einigermaßen mächtigen Feinden zu tun.“
„Einigermaßen ...“, murmelte Ariste.
Markam schaute in die Runde.
„Ich schlage vor, ich versuche gleich, mit Harbon Kontakt aufzunehmen, damit er nicht den Gardisten auf der Brücke in die Arme läuft. Wenn alles einigermaßen nach Plan verlaufen ist, sollte er inzwischen die Höhle wieder verlassen haben.“ Er schaute Elran an. „Kannst du mir beschreiben, wo genau die Fähre zu finden ist?“
Der Barde nickte
„Sicher. Etwa fünf Meilen von der Brücke aus flussabwärts macht der Grold einen Bogen nach Osten, bevor er sich dann wieder nach Süden wendet.“
„Das S von Groldfels“, bestätigte Markam.
„Genau.“ Elran fuhr fort. „Groldfels ist ein gutes Stichwort, denn kurz bevor der Fluss zwischen den Zinnen von Groldfels hindurch führt, befindet sich die Fähre. Der Fährmann heißt Roltar, wird aber von allen nur Groldinger genannt. Er ist in Ordnung, auch wenn er ein brummiger alter Miesepeter ist.“
„Ich denke, ich weiß ziemlich genau, wo das ist und auch Harbon kennt sich in der Gegend gut genug aus, um es zu finden. Wartet bitte einen Moment.“
Er zog sich in eine kleine Baumgruppe zurück, die nicht weit vom Ufer entfernt wuchs. Dort setzte er sich auf den Boden und schloss die Augen. Kurze Zeit später stand er wieder auf. Auf seinem Gesicht spiegelte sich einerseits Erleichterung, aber auch Schrecken und Trauer. Ariste sah ihm sofort an, dass etwas nicht stimmte.
„Was ist passiert?“, fragte sie knapp.
„Zunächst einmal sind Harbon und seine Gruppe der großen Treppe wieder entronnen. Sie befinden sich auf dem Weg in Richtung Mor'Klatt. Er wird sie zur Fähre führen. Es gibt aber auch schlimme … sehr schlimme Nachrichten.“ Er hielt inne. Als er sich wieder gefasst hatte, fuhr er fort. „Einer der Vier wurde in den Höhlen von einem Cyrrt getötet, ein anderer Gefährte ist ebenfalls tot.“
Ariste wurde blass und Loran stieß einen Fluch aus. Nach einer Weile schaute die Seherin Markam an. In ihren Augen standen Tränen.
„Was wird nun?“, fragte sie mit brüchiger Stimme. „Die Prophezeiung sagt, dass nur die Vier in ihrer Gesamtheit das Buch der vier Siegel öffnen und damit ihre Macht entfalten können.“
Markam schüttelte langsam den Kopf.
„Ehrlich gesagt weiß ich es nicht.“ Er hob den Kopf und reckte entschlossen das Kinn vor. „Aber bei allem Schrecken und aller Trauer müssen wir weiter. Wir müssen nach Renkar. Nur dort gibt es Rat.“
Ariste nickte schwach.
„Du hast recht. Lasst uns aufbrechen.“
 

flammarion

Foren-Redakteur
und

weiteres gemecker: . . . als er die Krills herannahen sag - sah.
. . . Umgebung außer acht - Acht.
Wenn ihr hinüber . . . euch führen - Ihr, Euch
. . . Gardisten auszuweichen, wenn eure Freunde - Eure
. . . euch hier abzupassen und zu ihm du bringen - Euch, ab zu passen, zu.
ganz lieb grüßt
 

Amadis

Mitglied
Hm, die Euch und Eure sind imho an dieser Stelle richtig in Kleinschreibung, da jeweils die Gruppe gemeint ist. Groß wird es doch nur geschrieben, wenn eine einzelne Person angesprochen wird.

Danke!
LG
 
So war es kein Wunder, dass sie die Kreuzung, wo die westliche Handelsstraße auf die Nord-Süd-Route traf, die dem breiten Strom (des) Grold folgte, erreichten, bevor noch die Sonne den Zenit erklommen hatte.
Die Seherin erhob sich und begann, das übrige Essen wieder in den dafür bestimmten Lederbeutel zu verstauen. An einem kleinen Bach in der Nähe füllten sie ihre Trinkschläuche und kurze Zeit später waren sie wieder unterwegs.
Nach einer Weile hielt Markam sein Krill an und deutete nach vorn.
Auch hier würde ich einen „leeren“ Absatz setzen.

Eine große, offenbar aus Holz errichtete Konstruktion überspannte den breiten Fluss.
Da hier der allwissende Erzähler „spricht“, muss er wissen, ob die Brücke aus Holz ist.

Vier Pfeiler aus massiven, dicken Baumstämmen gefertigt trugen die Konstruktion.
Die Brücke ist also doch aus Holz, wieso steht dann oben offenbar?

„Oragische Gemmen dienen seit vielen Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden Zauberern dazu, sich auszuweisen.
Auch hier gilt: Jahrtausende schließen Jahrhunderte mit ein ;)
 



 
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