4512

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Jens Rohrer

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4512

Ich kann mich noch erinnern, wie ich mir 1985 die Zukunft vorstellte. Das war ja auch einfach, Robert Zemeckis lieferte ja mit "Zurück in die Zukunft" die Vorlage.
Fliegende Autos und Skateboards würde es dann geben, megafunktionelle Kleidung und Wohnungen, die alles alleine machen. Aber der gute Zemeckis ist halt kein Nostradamus. Das in den Filmen beschriebene Zeitalter ist nun so gut wie erreicht, aber fliegende Autos habe ich noch keine gesehen. Man könnte ja bei Audi in der Technischen Entwicklung nachfragen, aber ich bin mir sicher, das fliegende Autos noch nicht einmal in Planung sind. Und mein Badezimmer muss ich immer noch selber putzen. Das einzige, was sich grundlegend geändert hat, ist die Kommunikation. Was wohl Captain Kirk Darsteller William Shatner denkt, wenn er sein Smartphone ansieht?
Vor ein paar Tagen erlebte ich jedenfalls eine analoge Kommunikation. Ich schlenderte nichts ahnend durch die Innenstadt, als mich ein altes Hutzelmännchen am Ärmel zog und mir ins Ohr zischelte: „Psst. Ich habe eine Zeitmaschine.“ Nun nimmt man alte Hutzelmännchen selten ernst. Schon gar nicht, wenn sie etwas von Zeitmaschinen zischeln. Man ist da eher geneigt, den Mann am Arm zu nehmen, und ihn zurück zur Psychiatrie zu führen. Aber irgendwie flößte mir das Hutzelmännchen ein gewisses Vertrauen ein. Vielleicht, weil mich seine wirr in alle Richtungen stehende Haarpracht an Doc Brown aus „Zurück in die Zukunft“ erinnerte. Also hörte ich dem Männchen weiter zu. „Ich habe in meinem Keller ein Wurmloch. Damit kann man ins Jahr 4512 reisen.“ „Und wo haben sie dieses Wurmloch her? Vom Flohmarkt?“, antwortete ich in ironischem Ton. Ich tue mich wie gesagt schwer, Zeitreise-Hutzelmännchen ernst zu nehmen. „Ich habe es hinter einem Schrank entdeckt, als ich den Keller entrümpelt habe.“,er ließ sich nicht von mir beirren und blieb ernst. „Hab erst ein paar Sachen rein geworfen und bin dann selbst rein. Aber um die Zukunft richtig zu erforschen, bin ich zu alt. Also siehst du dich für mich da mal um.“ „Und wo käme ich dann raus?“, fragte ich. „Im Jahr 4512. In der Gerolfingerstraße.“ Ich hatte an dem Tag nichts besseres zu tun, als ging ich mit zu dem Alten, stieg in dieses wabernde, pulsierende Ding und fand mich sofort am Eingang zum Zoo wieder. Oder vielmehr was einmal der Tiergarten gewesen war. Jetzt befand sich dort eine Wohnblocksiedlung, die sich um ein Bassin gruppierte, in dem ein Alligator lag und sich nicht bewegte. Ich beschloss, mich in Richtung Innenstadt zu wenden und mich dort umzusehen. Das erste Auto, das mich auf dem Weg dorthin passierte, löste in mir bereits eine Enttäuschung aus. Es fuhr zwar nicht mehr auf Rädern, doch es schwebte nur knapp über dem Asphalt und folgte dem vorgegebenem Straßenverlauf. Das war weit davon entfernt, wie ich mir den Straßenverkehr in der Zukunft vorstellte. Da flogen die Fahrzeuge am Himmel zwischen schwebenden Begrenzungslichtern. Völlig perplex war ich dann, als ich die Ringstraße erreichte. Die Schwebeautos stauten sich sogar hintereinander, statt übereinander weg zufliegen. Also sprach ich einen Passanten darauf an. „Ja ja, die können auch fliegen, aber das ist bei uns verboten. Die Leute haben sich über das Surren vor ihren Fenstern beschwert. Und da viel mehr Menschen in oberen Stockwerken als im Erdgeschoss wohnen, sind sie damit durchgekommen.“ Kopfschüttelnd passierte ich das mittelalterliche Stadttor, das komplett in Plexiglas eingefasst war. Wohl, um der Verwitterung Einhalt zu gebieten. Das hatte man beim Münster wohl irgendwann aufgegeben. Denn an der Stelle, an der sich das Gotteshaus befunden hatte, stand jetzt ein Parkhaus. Aufgrund der, theoretischen, Flugfähigkeit der Autos hatte man Auffahrten und überhaupt den ganzen Beton weggelassen. Es ragten einfach mit einander verbundene Stahlträger in die Höhe, an die man mit seinem Fahrzeug andockte, wie ich beobachtete. Die beleuchtete, etwa 20 Meter hohe Konstruktion sah durchaus interessant aus. Hätte auch ein riesiges Kunstprojekt sein können. Die Fußgängerzone war baulich indes beinahe unverändert. Nur die Auslagen hatte sich geändert. Modehäuser boten jetzt Raumanzüge an, und Reisebüros boten nun Reisen zu Mond, Mars und Saturn feil. Und auch eine Buchhandlung gab es. Man las also auch in der Zukunft noch Bücher. Auch die Passanten in der Fußgängerzone bewegten sich immer noch so fort, wie es der Name verlangte. Ein Blick den weiteren Verlauf der Einkaufsmeile entlang zeigte mir, das es auch dort nicht allzu viel neues zu sehen gab, also bog ich rechts ab. Eine weitere Kirche widerlegte dann sogleich meine Theorie, das man Religion abgeschafft und alle Kirchen abgerissen hatte. Die Idee hatte sich mir aufgrund des verschwundenen Münsters aufgedrängt. Ich beschloss, den Verbleib der Kirche in der Tourist Info im alten Rathaus zu erfragen, falls es diese noch gab. Doch an dessen Stelle empfing mich ein Betonquader. Eine Schiefertafel am Eingang informierte mich, dass das Gebäude 2987 von dem Architekten Hattori Terramoto erbaut worden war und immer noch Dienst als Rathaus tat. Und im Erdgeschoss befand sich immer noch die Tourist Info. Ich wandte mich also an die Dame hinter dem Schalter. „Hallo, ich beschäftige mich mit Geschichte und hätte da ein paar Fragen. Warum hat man zum Beispiel das Münster abgerissen?“ „Das war Mitte des 21. Jahrhunderts. Nachdem die Atomkraftwerke vom Netz gingen, war man überall auf der Suche nach neuen Energiequellen. Unter dem Münster wurde Erdwärme festgestellt, woraufhin man danach bohrte. Leider schaffte man dadurch eine Verbindung zwischen einer Lehm- und einer Wasserschicht, woraufhin der Untergrund instabil wurde, das Münster immer mehr absackte und schließlich abgerissen werden musste.“ „Aha, und das alte Rathaus, das genau hier stand.“ „Hier hatte man beschlossen, den Rathausplatz architektonisch homogener zu gestalten. Die moderne Architektur des Rathauses und des Sparkassengebäudes passten ja überhaupt nicht zum alten Rathaus. Also hat man dieses abgerissen und ein neues gebaut, das dem ästhetischen Gesamteindruck des Platzes mehr entsprach.“ „Soso. Und wer ist denn jetzt Bürgermeister?“ „Der OB heißt Fatih Ünel.“ „CSU nehme ich an.“ entgegnete ich. „Was denn sonst.“, antwortete die Informationskraft. Als ich kopfschüttelnd auf den homogenisierten Rathausplatz trat, schwante mir schon schlimmes. Das Stadttheater stand erfreulicherweise noch und wurde den Aushängen nach auch noch als selbiges genutzt. Mittlerweile hatte ich von der Zukunft aber trotzdem ein wenig die Nase voll und ich beschloss, die Heimreise anzutreten. Ich ging dann zum Taxistand vor einem Hotel. Schließlich war ich noch nie mit einem fliegenden Auto gefahren. So wurde ich wieder zu meinem Wurmloch hinter einer Hecke in der Gerolfingerstraße geschwebt, sprang in selbiges und erwachte in meinem Bett. War das alles nur ein Traum gewesen, oder hatte ich das wirklich erlebt? Für einen Traum war das erlebte eigentlich zu realistisch gewesen. Egal, das glaubt mir sowieso kein Mensch. Oder doch?
 

sonah

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Hallo Jens,

es gibt noch ein paar Kleinigkeiten zu bearbeiten. Vor allem würde ich Absätze einfügen. Gerade am Bildschirm liest sich das besser.

Dann sind noch ein paar Flüchtigkeitsfehler drin:

Ich hatte an dem Tag nichts besseres zu tun, als ging ich mit zu dem Alten
Nur die Auslagen hatte sich geändert.
Eine weitere Kirche widerlegte dann sogleich meine Theorie, das man Religion abgeschafft und alle Kirchen abgerissen hatte
aber ich bin mir sicher, das fliegende Autos noch nicht einmal in Planung sind
Zum Text insgesamt: Ich habe den Anfang mit sehr viel Interesse und einem Schmunzeln gelesen, aber dann fehlte mir insgesamt und gegen Ende noch etwas der Knaller. Das mit den Autos, die direkt über dem Boden fahren mussten, fand ich ganz witzig. Der Text war dann aber insgesamt etwas langatmig. Also, der Anfang hat mir gut gefallen, der Rest eher mittelmäßig.

LG

sonah
 



 
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