5. Torfing

Amadis

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Die „Stadt“ erwies sich als Ansammlung niedriger, meist hölzerner Hütten und Häuser. Der Ort verdankte seine Bedeutung offenbar nur zwei Tatsachen: Die erste war der bereits erwähnte Markt, der sich auf einem runden, freien Platz in der Ortsmitte befand. Zum Zweiten kreuzte hier die „Straße“, auf der Wedekind und seine Begleiter gekommen waren, eine größere Handelsstraße, die im Bereich der Stadt sogar gepflastert war. Daher gab es hier einige Gasthäuser, meist offenbar üble Spelunken, die sich fast ausschließlich an der großen Handelsstraße entlang aufreihten. Dazwischen boten Händler und Handwerker die unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen feil: Vom Pferd bis zum Wanderstab, vom Hufschmied bis zum Obsthändler.
Auf dem Markt angelangt, trennte sich Vorschel von ihnen und begann, seinen Verkaufsstand aufzubauen – sprich: Er band das Zugtier an einen Pfahl, nahm die Plane vom Karren und pries lautstark seine Früchte an.
Der Markt war eine Attraktion für sich. Da gab es Stände mit fremdartig anmutenden Früchten, seltsamem Gemüse und Backwerk, das wie eine Mischung aus Kuchen und Brot aussah. Die unterschiedlichsten Gerüche mischten sich zu einem Ganzen, wie es Wedekinds Nase noch nie wahrgenommen hatte. Auch die Geräuschkulisse war einzigartig. Einige Händler boten ähnlich wie Vorschel ihre Ware lautstark feil. An anderen Verkaufsständen feilschten Händler mit Kunden, wobei es häufig zu unflätigen Beschimpfungen beiderseits ausartete. Wenn man einmal von den umgebenden Gebäuden und der Kleidung der Menschen absah, fühlte sich Wedekind auf einen orientalischen Basar versetzt.
Er folgte Harbon, der offenbar ein bestimmtes Ziel hatte. Der Zauberer in Gestalt einer alten, buckligen Frau humpelte über den Marktplatz auf ein Haus zu, das offenbar eine Spelunke beherbergte. Gerade als Wedekind diese als ihr scheinbares Ziel identifizierte, öffnete sich die Tür, und ein hoch aufgeschossener, unglaublich dürrer Mann kam heraus. Der Dürre war noch recht jung und wirkte verwahrlost, hatte ein rundes Gesicht, eine spitze Nase und ein leicht fliehendes Kinn. Er blinzelte einen Moment in die helle Sonne, so als sei er an deren Licht nicht mehr gewöhnt. Bevor sich der Mann über seinen weiteren Weg im Klaren war, hatte sich Harbon vor ihm aufgebaut.
„Dachte ich mir doch, dass ich dich hier erwische! Versuch ja nicht abzuhauen, du nichtsnutziger Sohn eines Brelk!“, schnauzte er und bemühte sich, trotz der körperlichen Beeinträchtigungen dem Langen ins Gesicht zu schauen. „Am liebsten würde ich dich in einen Kot fressenden Schmork verwandeln!“ Wedekinds Kenntnisse der heimischen Tierwelt erweiterten sich immer mehr.
Trogat – denn um keinen anderen musste es sich handeln – schaute mit Schreck geweiteten Augen seinen Meister an.
„Aber Meister“, stammelte er. „Es war nur ein Versehen, ddddas schwöre ich beim Holzbein meines armen Vaters!“
„Natürlich war es ein Versehen, du hirnloser Grumf! Wie könntest du so etwas auch absichtlich vollbringen?“ Harbon hob den Stock, um den unglücklichen Trogat zu schlagen, griff sich aber dann mit Schmerz verzerrtem Gesicht nach dem Rücken und stöhnte auf. Er bedachte den eingeschüchterten Zauberlehrling mit einer erneuten Schimpftirade. Um die kleine Gruppe herum hatte sich inzwischen eine Menschentraube gebildet, die amüsiert den Streit verfolgte.
Eine fette, ungepflegt wirkende Frau baute sich vor Harbon auf.
„Bist du das etwa, Harbon?“, fragte sie und lachte hämisch. „Bei dem Lehrmeister muss man sich über den Schüler wahrlich nicht wundern!“
Die Umstehenden stimmten in ihr Gelächter ein. Die Meinung über die Fähigkeiten des Zauberers war offenbar ungeteilt. Harbon wandte den anderen ostentativ den krummen Rücken zu.
Nach einer Weile zerstreute sich die Gruppe und die Menschen gingen wieder ihren Geschäften nach. Nur die fette Frau blieb stehen, sprach noch einige Worte mit Trogat und verschwand dann in der Kaschemme, aus der der Zauberlehrling gerade gekommen war.
„Was hast du mit der fetten Schlampe zu flüstern?“, erkundigte sich Harbon entrüstet und Wedekind fürchtete schon, dass der Streit wieder aufflammen würde.
„Ähm, ja, ...“, zögerte Trogat.“
„Spuck’s aus, du ... du ....“ Offenbar waren Harbon die Schimpfnamen ausgegangen, aber seine Augen funkelten sein Gegenüber zornig an.
„Ich hatte nicht genug Geld, Meister“, gab der Lange kleinlaut zu.
„Aha, und was will sie jetzt von dir?“
„Ich soll einen Zauber wirken, der ihre Gaststätte reinigt.“
Harbon schaute ihn einen Moment lang mit großen Augen an. Dann lachte er kreischend.
„Gaststätte? Sie bezeichnet diesen Haufen schmutziger Bretter wirklich als Gaststätte? Und ausgerechnet du sollst einen Reinigungszauber wirken?“ Er lachte, bis ein Hustenanfall seinen Heiterkeitsausbruch stoppte. „Ist sie sich darüber im Klaren, was dann passieren wird?“, fragte Harbon, als er sich wieder erholt hatte. Trogat vergrub die Hände bis fast zum Ellbogen in den Taschen seiner schmutzigen Hose, zog den Kopf zwischen die schmalen Schultern und antwortete nicht.
Harbon schien sich erst jetzt an Wedekind zu erinnern.
„Hast du das gehört, Wetterschund? Er wird die alte Schachtel wahrscheinlich in ein Fass Bier verwandeln ...“ Er dachte kurz nach. „Was sicher kein schlechter Tausch wäre!“ Wieder lachte er ohrenbetäubend. Wedekind hatte es inzwischen aufgegeben, die Aussprache seines Namens zu korrigieren. Es war ja auch egal, ob irgendeine Traumgestalt ihn ständig falsch aussprach.
Harbon humpelte in Richtung der Kneipentür und Wedekind beschloss, dem Zauberer zu folgen. Im Inneren des Gebäudes, das man eigentlich nur als Bretterverschlag bezeichnen konnte, war es finster. Licht fiel lediglich durch einige Ritzen zwischen den Brettern und durch ein – mit einem schmutzigen Sack verhängtes – Fenster herein. Wahrscheinlich war es auch gut, dass man das Innere der „Gaststätte“ nicht deutlicher sehen konnte. Es roch muffig, eine Mischung aus den Körperausdünstungen der Gäste, der Feuchtigkeit des Bretterbodens und dem Rauch der von der niedrigen Decke baumelnden Öllampen. An einem Tisch in der Ecke links vom Eingang saßen drei Männer. Ansonsten war der Schankraum leer.
Harbon blieb vor der grob gezimmerten Theke stehen.
„He, Arfani“, kreischte er. „Willst du wirklich, dass dieser Komplettidiot für dich einen Zauber wirkt?“
Die fette Frau erschien in einer Türöffnung hinter der Theke, umrundete dieselbe und kam auf das Trio zu. Trogat musste in dem flachen Raum gebückt stehen, sonst hätten seine fettigen Haare die Deckenbretter berührt.
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Möchtegernzauberer!“ Sie musste beim Anblick des Verzauberten erneut lachen. Dann nahm sie Wedekind wahr.
„Und wer bist du, Süßer?“, erkundigte sie sich anzüglich und schmiegte sich mit ihren ausladenden Brüsten an Wedekinds rechten Arm. Sie lächelte ihn an und entblößte dabei eine lückenhafte Reihe bräunlich verfärbter Zähne. Wedekind schluckte und ging auf Abstand. Sie strömte einen undefinierbaren Geruch aus, der wohl eine Mischung aus Bier, Schweiß und was auch sonst immer war.
„Oh, er ist schüchtern“, interpretierte Arfani sein Zurückweichen und versuchte, die entstandene Lücke wieder zu schließen. „Wie ist dein Name, Schöner?“ Ihre Augen klimperten.
„Wedekind“, brachte Wedekind mühsam hervor und schaffte es mit übermenschlicher Anstrengung, den Brechreiz erneut niederzuringen. Brechreiz in einem Traum? Langsam kamen ihm echte Bedenken. Er versuchte wieder Abstand zwischen sich und die Frau zu bringen, stieß aber gegen Harbon, der offenbar nicht bereit war, die Flucht seines neuen Freundes zu unterstützen.
Arfani hielt einen Moment inne und kniff die Augen zusammen.
„Hat Harbon dir den Namen angedreht? Du hast hoffentlich nicht zu viel dafür gezahlt?“ Sie schaute den Zauberer verächtlich an. „Wie wäre es, wenn ich dir einen schönen neuen Namen verkaufe, während wir beide uns ein wenig...“ sie machte eine bedeutungsschwere Pause, die sie für einen erneuten Augenaufschlag nutzte „... vergnügen!“ Ihr Tonfall verbunden mit dem Aroma, das sie ausströmte, und dem Gedanken an das in Aussicht gestellte „Vergnügen“ führte dazu, dass es Wedekind eiskalt den Rücken hinunter lief. Wieder presste sie sich enger an ihn.
„Verzichte“, ächzte Wedekind und trat einen Schritt von der Theke weg, was dazu führte, dass die Frau aus dem Gleichgewicht geriet und erst von Harbons buckliger Gestalt gebremst wurde.
„Beherrsch dich, du Ausbund an Hässlichkeit!“, fauchte der Zauberer und wich vor ihr zurück.
„Schau in den Spiegel!“, forderte Arfani ihn kreischend auf.
Empörung stand ihr im Gesicht.
Wedekind beschloss, dass ihm ein wenig frische Luft nur gut tun konnte und setzte sich in Richtung der Tür in Bewegung.
„Wo willst du denn hin, Süßer?“, rief Arfani ihm hinterher. Wedekind ignorierte die Frau und beschleunigte seine Schritte.
Draußen angekommen, pumpte Wedekind frische Luft in seine Lungen. Die Übelkeit verschwand langsam wieder und er lehnte sich erleichtert an die Wand der Bretterbude, die Arfani als Gaststätte bezeichnete. Von drinnen konnte er hören, wie sich die Gastwirtin und der Zauberer stritten.
„Ein wirklich merkwürdiger Traum“, murmelte Wedekind kopfschüttelnd. „Jetzt bekomme ich auch noch Hunger!“ Die Zweifel an seiner Traum-Hypothese vergrößerten sich.
Er ließ seine Augen über den Marktplatz schweifen. Nicht weit entfernt erkannte er einen Stand, von dem beständig leichter Rauch oder Dampf aufstieg, als würde dort gekocht. Nach den Erfahrungen, die er bisher in seiner Traumwelt gemacht hatte, bezweifelte er zwar, dass sich die hygienischen Verhältnisse dort von denen in Arfanis Spelunke unterschieden, aber ‚Anschauen kostet ja nichts’, sagte er sich selbst.
„Apropos kosten“, fiel es ihm siedend heiß ein. Er hatte keine Ahnung, womit er seine Mahlzeit bezahlen sollte! Wedekind untersuchte die Taschen seiner Jeans und diejenigen der abgewetzten grauen Weste. Was er fand, gab nicht zu großem Enthusiasmus Anlass. Außer seiner Brieftasche – Wedekind konnte sich nicht vorstellen, dass man in Trimandar Euroscheine annahm – fand er nur seine alte Taschenuhr und den Siegelring aus Silber, den er von seinem Vater geerbt hatte.
„Hm“, brummte er. „Vielleicht kann ich mit der Uhr etwas anfangen.“ Er steckte den Ring, den er beim Schachspielen abgenommen und in die Tasche seiner Jeans gesteckt hatte, wieder an den Ringfinger seiner linken Hand.
„Meine Güte“, murmelte er. „Das Schachspiel! Wie lange ist das jetzt her?“ Wedekind hatte keine Ahnung, obwohl es ihm wie Wochen vorkam.
Inzwischen hatte er fast ohne es zu merken den Platz überquert und stand vor der Garküche. Besonders sauber war es wirklich nicht, aber was sollte man in einer solchen Stadt erwarten? Auf einem großen Schwenkgrill lagen Fleischstücke undefinierbarer Herkunft und in einem riesigen Topf, der an einem Dreibein über einem offenen Feuer aufgehängt war, brodelte etwas vor sich hin, was wohl ein Eintopf sein sollte. Hinter dem Tresen, der von einem grob behauenen, fleckigen Brett gebildet wurde, das auf zwei hölzernen Fässern lag, stand ein kleiner, frettchengesichtiger Mann, der Wedekind geschäftstüchtig an schielte.
„Was wünscht Ihr, Herr?“, erkundigte er sich und leckte über seine trockenen Lippen. „Leckeres Bantafleisch direkt vom offenen Grill oder einen schmackhaften Brelk-Eintopf?“
Wedekind warf einen misstrauischen Blick in den großen Topf, der von einem Schwarm kleiner Insekten umkreist wurde. Er fühlte sich an Hexengeschichten erinnert und Worte wie ‚Krötenhirn’ und ‚Spinnenbein’ gingen ihm durch den Kopf. Er kratzte sich am Kinn.
„Wie viel müsste ich zahlen?“, erkundigte er sich. Der kleine Mann allerdings war plötzlich nicht mehr zu sehen. Wedekind runzelte verdutzt die Stirn und bückte sich, um unter dem Tresen hindurch zu schauen. Das schielende Frettchengesicht kniete im Staub des Marktplatzes und hatte die Augen geschlossen. Wedekind war verblüfft.
„Entschuldigung, was tut Ihr da?“, fragte er.
Der Inhaber der Garküche murmelte etwas Unverständliches.
„Ihr müsst natürlich nichts zahlen, hoher Herr. Verzeiht mir, dass ich nicht gleich erkannt habe, wen ich vor mir habe!“ Seine Stimme zitterte, als habe er Angst vor irgendetwas.
Wedekind war die Situation peinlich.
„Ich verstehe nicht, was Ihr meint. Ich bin gerne bereit, für meine Mahlzeit zu zahlen!“
„Das ist außergewöhnlich großzügig, hoher Herr“, beeilte sich der Kleine zu beteuern. „Aber niemand vom Alten Geschlecht zahlt in Trimandar.“ Er wagte es, seine Augen wieder zu öffnen.
Wedekind richtete sich auf.
„Jetzt steht erst einmal auf, diese Form der Unterhaltung ist mir zu unbequem.“ Zögernd kam der Garkocher wieder auf die Füße, hielt aber den Blick gesenkt.
„So“, meinte Wedekind. „Und jetzt erklärt Ihr mir bitte, wie Ihr darauf kommt, dass ich einem ... Alten Geschlecht angehöre!“
„Nun, Herr, Ihr tragt den Siegelring.“ Scheu deutete er auf Wedekinds Erbstück.
„Versucht der Kerl, dich übers Ohr zu hauen, Wanderschrank?“, krächzte es plötzlich hinter ihm. Harbon, auf seinen Stock gestützt, hatte offenbar den Streit mit Arfani beendet. „Dieser Mann gehört zu mir, Krondel! Wenn du ihn betrügst ...“ Er ließ die Konsequenzen offen.
„Was hältst du von mir, Harbon!“, entrüstete sich der Kleine. „Niemand in Trimandar würde einen Angehörigen des Alten Geschlechts betrügen!“
„Was faselst du da, Schielauge?“, fragte Harbon und lachte meckernd. „Hast du zu so früher Stunde schon von Arfanis giftigem Dreckszeug gesoffen?“
„Na, du bist auch nicht eben ein schöner Anblick, Zauberer“, gab Krondel unwirsch zurück. „Wenn du mir nicht glaubst, schau seinen Ring an!“ Ein scheuer Blick traf Wedekinds Ring – zumindest dachte sich Wedekind, dass der Blick in diese Richtung gedacht war. Genau konnte man das bei Krondel nicht sagen.
„Lass sehen, Wederich!“, kommandierte Harbon und Wedekind zeigte ihm gehorsam seine linke Hand. Die bucklige Alte wich einen Schritt zurück, um in Wedekinds Gesicht schauen zu können. „Es ist wahr, bei allen Windteufeln! Da soll mich doch ... warum hast du mir das nicht gesagt?“ Sein Respekt vor dem Alten Geschlecht schien sich in deutlichen Grenzen zu halten.
„Ich hatte keine Ahnung. Das ist nur ein alter Ring, den ich von meinem Vater geerbt habe.“ Wedekinds Magen knurrte vernehmlich.
„Verzeiht mir, Herr, ich vergaß, dass Ihr hungrig seid!“, entschuldigte sich Krondel dienstbeflissen. „Ich suche Euch das beste Stück Grillfleisch heraus, wenn Ihr erlaubt.“ Wedekind nickte.
Einige Sekunden später hielt er ein Fett triefendes Stück Fleisch in der einen und ein Stück groben Brotes in der anderen Hand. Das Fleisch war gut gewürzt, schmeckte wie Schwein, war aber etwas faseriger und das Brot war zwar grob aber erstaunlich schmackhaft. Wedekind sprach beidem herzhaft zu und nickte anerkennend in Richtung des Garkochers.
„Ich freue mich, dass es Euch schmeckt, hoher Herr.“ Krondel verbeugte sich erleichtert.
„Welche Art Fleisch ist das?“, erkundigte sich Wedekind bei Harbon.
„Banta“, gab der Zauberer zurück.
„Und was ist ein ... Banta?“ Wedekind biss herzhaft in sein Fleischstück, das bereits deutlich kleiner geworden war.
„Du weißt auch gar nichts“, brummte der Zauberer kopfschüttelnd. „Du hast doch heute Morgen das Banta gesehen, das Vorschels Karren gezogen hat.“
Wedekind rief sich das Wesen in Erinnerung, das wie eine Mischung aus Esel und Katze ausgesehen hatte. Dann zuckte er die Schultern.
„Hauptsache, es schmeckt“, meinte er. In puncto Essen war er noch nie sonderlich empfindlich gewesen. Im Nu war auch der Rest von Fleisch und Brot verschwunden. Wedekind fühlte sich jetzt viel besser. Dieser Traum war schon etwas Besonderes – wenn es denn einer war! Er musste grinsen und wandte sich an Harbon.
„Ich würde den Mann gerne bezahlen, aber ich habe kein Geld, das hier gültig ist.“
Harbon schaute ihn von der Seite an.
„Bezahlen? Hast du noch alle beieinander?“ Er schaute Krondel an. „Hast du etwa Geld von ihm verlangt, du krummbeiniger Halsabschneider?“, keifte er.
„Natürlich nicht. Er ist vom Alten Geschlecht!“
Harbon wandte sich wieder Wedekind zu.
„Und warum willst du dann zahlen, Schwachkopf?“, erkundigte er sich.
„Das Essen war gut und ich möchte nichts geschenkt haben“, gab Wedekind zurück.
„Papperlapapp! Wenn dieser alte Betrüger schon einmal nichts für seinen Schlangenfraß haben will, dann nimm das gefälligst auch an!“ Damit war für ihn die Sache offenbar erledigt, denn er drehte sich um und würdigte Wedekind keines Blickes mehr. Der wandte sich an Krondel.
„Gibt es hier so etwas wie ein Pfandhaus?“, fragte er.
„Was soll das sein, Herr, ein Pfandhaus?“ Krondel schielte ihn verständnislos an.
„Nun, jemand, bei dem man Dinge versetzen kann. Man bringt ihm Wertgegenstände und bekommt dafür Geld.“
„Ach, Ihr meint einen Tauschhändler. Es gibt einen drüben an der Fernstraße.“ Er machte eine unbestimmte Handbewegung. „Er heißt Flendor.“
„Wie komme ich dahin?“
„Dort drüben, die kleine Straße. Sie führt direkt zur Fernstraße. Dann wendet Ihr Euch nach rechts. Wenn ihr dort nach Flendor fragt, findet Ihr ihn rasch, Herr.“
„Danke und danke auch für das Essen.“ Wedekind nickte Krondel zu und machte sich auf den Weg.
Harbon warf dem Garkocher noch ein paar Worte hin, die Wedekind nicht mehr verstehen konnte und versuchte dann, mit ihm Schritt zu halten.
„Geh nicht so schnell, Wadenbund!“ Ächzend stützte er sich auf seinen Stock. „Verwünschter Trogat!“
„Kommst du mit?“, fragte Wedekind erstaunt.
„Ich kann dich doch nicht alleine gehen lassen! Du kommst nur in Schwierigkeiten ohne mich! Außerdem kenne ich Flendor. Der würde dich nur übervorteilen.“
Wedekind dachte sich seinen Teil, verlangsamte aber den Schritt, um auf Harbon zu warten.
Nachdem sie den Marktplatz verlassen hatten, wurden die Häuser kleiner und schäbiger – wenn das überhaupt noch möglich war. Erst als sie die große, gepflasterte Fernstraße erreichten, änderte sich das wieder. Hier standen sogar einige mehrstöckige Gebäude, deren Statik aber nicht eben Vertrauen erweckte. In einem von ihnen boten auf einem Balkon im ersten Stock spärlich bekleidete „Damen“ so wortreich wie lautstark ihre Dienste an. Wedekind musste grinsen, denn er fühlte sich an einige alte Westernfilme erinnert.
Auf einem Fenstersims saß ein etwa Katzen großes Tier, das wie eine Mischung aus Krokodil und Vogel aussah. Es war mit dem Fuß an eine Stange gekettet und krächzte in kurzen Abständen Mitleid erregend. Wedekind hielt inne und streckte seine Hand nach dem Tier aus.
„Bist du schwachsinnig?“, kreischte Harbon und schlug die Hand zur Seite. „Oder magst du deine Finger nicht?“
„Aber ...“, setzte Wedekind an, doch Harbon unterbrach ihn gleich wieder.
„Nichts aber! Dieser Grumf beißt dir schneller den Finger ab, als du schauen kannst!“
Das Blut wich Wedekind aus dem Gesicht und er schloss sich dem Zauberer hastig an, der bereits weiter ging. Dabei wäre Harbon fast über ein kleines, Ratten ähnliches Tier gestolpert, das sich offenbar an einem Pferdeapfel gütlich tat.
„Diese verdammten Schmorks!“ Er trat nach dem Tier, das daraufhin quiekend das Weite suchte. „Überall findet man dieses Ungeziefer!“
Harbon kannte sich scheinbar auch hier aus, denn er humpelte zielstrebig auf eines der wenigen gemauerten Gebäude zu. Vor der Tür saß auf einer Wolldecke, die auf dem Boden ausgebreitet war, ein einbeiniger Bettler. In dem Hut, der vor ihm aufgestellt war, glitzerte eine Reihe von Münzen. Offenbar war der Mann blind, denn er drehte den Kopf immer dann, wenn er ein Geräusch hörte und blickte ansonsten starr geradeaus.
„Einige Münzen für einen Kriegsveteranen“, krächzte er und reckte den Passanten bittend die Hände entgegen. Harbon hatte nur ein verächtliches „Pah“ für den Alten, während Wedekind es bedauerte, keine Münzen zu haben, die er in den Hut des Bedauernswerten hätte werfen können.
Der Zauberer öffnete die Tür und eine Glocke machte den Ladeninhaber auf die Kundschaft aufmerksam. Wedekind schaute sich im Laden um. Eine Reihe von Regalen beherbergte die unterschiedlichsten Wertgegenstände – von denen einige auf Wedekind ziemlich skurril wirkten. Im hinteren Teil des Raumes gab es eine Art Tresen, hinter dem eine Tür wohl in einen weiteren Raum führte. Wedekind war nicht wenig erstaunt, als durch diese Tür plötzlich der einbeinige, blinde Bettler im Laden auftauchte und gar nicht mehr so hilfsbedürftig wirkte – geschweige denn blind!
„Betrügst du immer noch die Touristen, Flendor?“ Harbon schaute geringschätzig zu ihm auf.
„Du beleidigst mich, Alte!“, erboste sich der Einbeinige und drohte mit seinem Krückstock. „Wer bist du, dass du mit solchen Behauptungen daher kommst?“
Harbon beherrschte sich im letzten Moment, sonst hätte er wieder mit einer Schimpftirade gegen Trogat losgelegt.
„Ich bin’s, Harbon“, gab er sich dann brummig zu erkennen.
Flendor prustete los.
„Sag bloß“, meinte er atemlos, als er sich wieder etwas beruhigt hatte. „du lässt diesen hirnlosen Trogat noch immer mit deinen Zauberbüchern hantieren?“ Wieder begann er zu lachen.
„Was geht’s dich an?“, keifte Harbon zurück.
„Schon gut, schon gut. Womit kann ich dienen, großer Zauberer?“ Eine weitere Lachsalve folgte Flendors Worten.
„Mir gar nicht, sondern ihm!“ Harbon deutete auf Wedekind. „Er möchte etwas tauschen!“, klärte er den Tauschhändler auf.
„Schön für ihn“, meinte Flendor unbeeindruckt. „Kann er auch selbst reden und hat er einen Namen?“ Flendor schaute Wedekind herausfordernd an.
„Er kann und er hat“, meinte der kurz angebunden. Die Art und Weise, wie der Einbeinige sein Geld verdiente, ging ihm ebenso gegen den Strich, wie der Ton, den er anschlug.
Flendor schien die offensichtliche Abneigung, die Wedekind gegen ihn hegte, nicht zu bemerken. Vielleicht war es ihm auch einfach gleichgültig. Möglicherweise beides.
„Hast du mir etwas anzubieten, oder willst du mir nur die Zeit stehlen?“ Sein Blick war stechend und er hatte nichts Bemitleidenswertes mehr.
Wedekind griff in die Tasche seiner Weste und nahm die Taschenuhr heraus. Er hielt sie dem Tauschhändler hin. Flendor besah die Uhr von allen Seiten, hängte sie sich an der Uhrkette um den Hals. Offenbar hatte er noch nie eine Uhr gesehen. Nach einer Weile gab er Wedekind die Uhr zurück.
„Was soll ich mit einer solchen Halskette anfangen?“, fragte er mit einem geringschätzigen Blick.
Wedekind verdrehte die Augen.
„Das ist keine Halskette, sondern eine Taschenuhr“, erklärte er.
„Taschen was?“ Flendor kniff die Augen zusammen und schaute Wedekind fragend an.
„Kennt ihr keine Uhren?“, fragte der ungläubig und schaute zu Harbon hinüber. Der hob die Schultern.
„Was tun ... Uhren?“, fragte Flendor. „Sind es Glücksbringer?“
„Sie zeigen die Zeit an“, erklärte Wedekind.
„Die Zeit?“ Flendors Gesicht war ein einziges Fragezeichen. „Wozu soll das gut sein?“
„Na, dann weißt du immer, wie viel Zeit des Tages verstrichen ist“, versuchte Wedekind zu erläutern.
„Dafür brauchst du eine ... Uhr?“ Flendor schien perplex. „Man erkennt doch die Tageszeit am Stand der Sonne. Wenn sie aufgeht, ist es Morgen, am Mittag steht sie hoch und abends wird es dunkel.“
„Aber ...“, setzte Wedekind an. Wie erklärte man jemandem, der noch nie eine Uhr gesehen hatte, deren Sinn? „Vergiss es. Schau her!“ Er ließ den Deckel der Uhr aufschnappen. Das kleine Spielwerk ließ „Für Elise“ erklingen und durch ein winziges Fenster konnte man das Uhrwerk arbeiten sehen.
Flendor lauschte überrascht und sein Gesicht verklärte sich.
„Ist das ein Zauber, Harbon?“, fragte er, als die Musik endete. Der Zauberer war allerdings ebenso erstaunt wie der Tauschhändler.
„Keiner, den ich kenne“, gab er zu und warf immer wieder misstrauische Blicke auf die Taschenuhr, so als erwarte er, dass ein Geist oder Dämon dem kleinen Gehäuse entspringen würde.
„Was willst du dafür haben?“ Flendors gieriger Blick wurde lauernd.
„Mach mir ein Angebot“, forderte Wedekind ihn auf.
Der Tauschhändler überlegte einen Moment.
„Hundert Goldtaler“, bot er dann an. Wedekind schaute zu Harbon hinüber. Die Alte schüttelte den Kopf und hob drei ihrer knorrigen Finger.
„Vierhundert“, forderte Wedekind, schloss den Deckel und ließ ihn erneut aufschnappen.
„Willst du mich ruinieren?“, ereiferte sich Flendor. „Hundertfünfzig und keinen Taler mehr!“
Wedekind schloss den Deckel der Uhr, steckte sie in die Tasche und wandte sich zur Tür. Flendor brummte einen Fluch.
„Na gut, zweihundert“, presste er durch die Zähne. Es schien ihm regelrechte Schmerzen zu bereiten. Wedekind grinste innerlich, setzte seinen Weg in Richtung der Tür aber fort. Die Erfahrung von einigen hundert Flohmärkten, wo er sowohl ge- als auch verkauft hatte, kam ihm zugute.
„Mein letztes Wort!“, versuchte Flendor ihn aufzuhalten. Wedekind blieb stehen, die Hand bereits am Türknauf. „Zweihundertfünfzig!“ Der Tauschhändler war kurz vor dem Zusammenbruch. Harbon kicherte. „Das ist mein Ruin“, flüsterte Flendor.
Wedekind warf Harbon noch einmal einen kurzen Blick zu. Der Zauberer hob die Schultern und nickte dann. Wedekind drehte sich um.
„Einverstanden!“, sagte er. „Zweihundertfünfzig, ein lederner Geldbeutel und diese Tasche!“ Er deutete auf eine lederne Umhängetasche, die an einem Nagel in der Wand aufgehängt war. Flendor druckste noch eine Weile herum, ergriff aber dann die dargebotene Hand. Er verschwand im Hinterzimmer.
„Würdest du aufpassen, dass er mich nicht übers Ohr haut?“, bat Wedekind den Zauberer.
„Sicher, Wederich.“ Er lachte krächzend. „Du bist ein gewiefter Feilscher!“ Offenbar bereitete es ihm Vergnügen, dass Flendor tief in die Tasche greifen musste.
Der Tauschhändler erschien wieder. In der Hand trug er einen ledernen Beutel, in dem Münzen klingelten.
„Nimm dir die Tasche“, forderte er Wedekind auf und schob den Beutel über den Tresen. Der zählte die Münzen zusammen mit Harbon. Der Zauberer nickte, Wedekind packte sein Geld ein und steckte den Beutel in die Umhängetasche. Er zeigte Flendor noch, wie er die Uhr aufziehen musste und verließ dann zusammen mit Harbon den Laden des Tauschhändlers.
„Das war ein Spaß!“, freute sich der Zauberer. „Da hast du einen Batzen Geld, Wedelmann! Sieh dich vor, dass man dich nicht beraubt!“
Wedekind wollte gerade antworten, als er durch lautes Pferdegetrappel und einige erboste Rufe von der Fernstraße her abgelenkt wurde.
 
So langsam wird Wedekind klar, dass er nicht in einem Traum ist. Ich bin mal gespannt, wie lange es dauert, bis er von seiner Traumthese Abstand nimmt. Schön finde ich auch, dass Sie die Gerüche der Stadt Torfing und ihrer Einwohner aus Wedekinds Blickwinkel beschrieben haben.
Ich bin mal gespannt, was es mit dem "Alten Geschlecht" auf sich hat.

Hier noch ein paar Anmerkungen:
Auf dem Markt angelangt, trennte sich Vorschel von ihnen und begann, seinen Verkaufsstand aufzubauen - sprich: ...
sprich würde ich hier weglassen

Trogat - denn um keinen anderen [strike]musste[/strike] es sich handeln - schaute mit Schreck geweiteten Augen seinen Meister an.
Der Erzähler spricht hier, daher können Sie "musste" streichen.

Satz danach:
mit nur einem "d" schreiben, da wir bereits wissen, dass Trogat stammelt.

... lehnte sich erleichtert an die Wand der Bretterbude(.)
Der Satz hiernach klingt so, als ob Wedekind wieder in der "Gaststätte" ist.

Seine Stimme zitterte, als habe er Angst(.)
Außerdem sind ein paar Sätze zu lang.

Ich hoffe trotzdem, Ihnen geholfen zu haben.

Herzliche Grüße
Drachenprinzessin
 
Ein Nachtrag zu Kapitel 3-5

Hallo Amadis,

ich habe die Kapitel 3-5 (noch einmal) hintereinander weg gelesen, weil ich wissen wollte, wie sich die Einführung von Jolene "anfühlt".
Mich hat die damit verbundene Unterbrechung von Widukinds und Harbons Reise nach Torfing gestört. Am Anfang von Kapitel 5 musste ich sogar überlegen, um wen es ging.
Mein Rat wäre, Jolene früher einzuführen, evtl. zwischen Jules und Harbon.

Herzliche Grüße
Drachenprinzessin
 

FrankK

Mitglied
Hallo Amadis
Der Erbsenzähler, schon wieder.

Erste Auffälligkeit
Dies ist das erste Kapitel ohne Intro.

Zweite Auffälligkeit:
Im ersten Viertel gibt es stark verschachtelte Sätze mit eingeschobenen Erklärungen und mit angehängten Aufzählungen. Dies liest sich etwas steif und trocken.
Exemplarisch dargestellt:
Auf dem Markt angelangt, trennte sich Vorschel von ihnen und begann, seinen Verkaufsstand aufzubauen – sprich: Er band das Zugtier an einen Pfahl, nahm die Plane vom Karren und pries lautstark seine Früchte an.
An Stelle von „– sprich:“ würde ein Punkt genügen, der daraus zwei Sätze macht. Die Aufzählung ließe sich noch etwas durch Umstellung und Überzeichnung auflockern:
„Er band zunächst das Zugtier an einen Pfahl und pries anschließend mit enormer Lautstärke seine Früchte an, während er noch die Plane vom Karren loszurrte.“

Zählen wir mal die Erbsen:
schaute mit [blue]Schreck geweiteten[/blue] Augen seinen Meister an.
Korrektur: „schreckgeweiteten“ (Dudenempfehlung) bzw. „vor Schreck geweiteten“ (DWDS)

Es war nur ein Versehen, [blue]ddddas[/blue] schwöre
Da Du bereits sagtest, er würde stammeln, kannst Du den text normal schreiben. Das „stammeln“ erfolgt im Kopfkino des Lesers.

... griff sich aber dann mit [blue]Schmerz verzerrtem[/blue] Gesicht ...
Korrektur: „schmerzverzerrtem“

Die Zweifel an seiner Traum-Hypothese vergrößerten sich.
Uff. Nach all den verrückten Geschehnissen sollte Wedekind schon längst nicht mehr an einen Traum glauben.

Inzwischen hatte er [blue]fast ohne es zu merken[/blue] den Platz überquert und stand vor der Garküche.
Stolperstelle im Lesefluss. Noch bevor ich am Ende des Satzes die tatsächliche Position Wedekinds eruieren konnte, kam ich ins grübeln:
Hat er den Platz jetzt „fast“ überquert oder hat er es „fast“ nicht gemerkt?

... der Wedekind geschäftstüchtig [blue]an schielte[/blue].
Korrektur: „anschielte“

„Was hältst du von mir, Harbon!“, entrüstete sich der Kleine.
Woran hat der Küchenbetreiber den Zauberer erkannt?
Insgesamt auch in diesem Kapitel wieder wechselnde Darstellung auf der Erzählebene zwischen „der Zauberer“ und „die bucklige Alte“

saß ein etwa [blue]Katzen großes[/blue] Tier
Korrektur: „katzengroßes“

Dabei wäre Harbon fast über ein kleines, [blue]Ratten ähnliches[/blue] Tier gestolpert
Korrektur: „rattenähnliches“

„Betrügst du immer noch die Touristen, Flendor?“
“Touristen” erscheint mir für den Sprachgebrauch in Trimandar unangemessen.

Merkwürdigkeit im Set:
Von drinnen konnte er hören, wie sich die Gastwirtin und der Zauberer stritten.
Der Satz wirkt, als wäre er (Wedekind) wieder „irgendwo drinnen“
Vorschlag:
„Selbst hier konnte er noch hören, wie sich die Gastwirtin und der Zauberer stritten.“


Offenbar hast Du einige Lieblingswörter, die Du in diesem Kapitel besonders gerne verwendet hast:
Der Ort verdankte seine Bedeutung [blue]offenbar[/blue] nur zwei Tatsachen:
...
Daher gab es hier einige Gasthäuser, meist [blue]offenbar[/blue] üble Spelunken ...
...
Er folgte Harbon, der [blue]offenbar[/blue] ein bestimmtes Ziel hatte.
...
... das [blue]offenbar[/blue] eine Spelunke beherbergte.
13mal „offenbar“ in diesem Kapitel.


Unkonkret, mit kleinen Wörtchen wie „könnte, müsste, sollte, würde“ verwässerst Du den Storyverlauf. Klar kann sich Dein Prot entsprechend „unscharf“ artikulieren, auf der Erzählebene solltest Du aber die Szene konkretisieren.
Beispiele:
„Ihr müsst natürlich nichts zahlen, hoher Herr. Verzeiht mir, dass ich nicht gleich erkannt habe, wen ich vor mir habe!“ Seine Stimme zitterte, als habe er Angst vor irgendetwas.
Konkretisiert: „Seine Stimme zitterte angstvoll.“

Offenbar war der Mann blind, denn er drehte den Kopf immer dann, wenn er ein Geräusch hörte und blickte ansonsten starr geradeaus.
Konkretisiert: „Wie ein Blinder drehte der Mann den Kopf immer in Richtung eines Geräusches, blickte ansonsten aber starr geradeaus.“


„Aha, und was will [blue]sie[/blue] jetzt von dir?“
„Ist [blue]sie[/blue] sich darüber im Klaren, was dann passieren wird?“
Großschreibung


Ich „visualisiere“ Geschichten, die ich lese, sehr stark. Ist vielleicht mein persönliches Problem. In Deinem Text, besonders in diesem Kapitel, habe ich das Problem, dass die Bilder verhältnismäßig unscharf sind. Ich habe den Eindruck, dass Du die Szenen eher „erklärst“ als sie uns zu zeigen.


Unterhaltsam ist es bisher auf jeden Fall noch immer, auch wenn dieses Kapitel (für meinen Geschmack) einige Längen aufweist.
- Das festhalten Wedekinds an der Traumtheorie wirkt unglaubhaft
- Die wiederholten Belustigungen auf Harborns Erscheinungsbild


Macht Spaß, wieder einzusteigen.


Viele Grüße aus Westfalen
Frank
 

flammarion

Foren-Redakteur
hallo,

FrankK, in Österreich schreibt man Schmerz verzerrt und andere substantivierte verben wie im obigen text. der autor ist österreicher.

"Aha, und was will sie jetzt von dir" - an dieser stelle hast du großschreibung von "sie" empfohlen. sie wird aber nur als anrede groß geschrieben. die erfolgt hier nicht.
lg
 

FrankK

Mitglied
Hallo flammarion

Ich schätze Deine sonst übliche Aufmerksamkeit sehr, hier ist Dir allerdings etwas "durchgegangen":
Mein Name ist Michael, Jahrgang 1963, ich stamme aus [blue]Mittelhessen[/blue], lebe und arbeite aber seit Anfang Dezember 2006 in der [blue]Schweiz[/blue] (Nähe St. Gallen).
So stehts in seinem Profil.

Keine Ahnung, wie die "Substantivierung" bei den Eidgenossen gehandhabt wird. Während seiner ersten Publikation auf der LeLu vor ein paar Jahren (2008) waren diese Begriffe alle noch anders geschrieben.


"Aha, und was will sie jetzt von dir" - an dieser stelle hast du großschreibung von "sie" empfohlen. sie wird aber nur als anrede groß geschrieben. die erfolgt hier nicht.
Da hast Du natürlich recht, mein Fehler.


Herzliche Grüße aus Westfalen nach Berlin
Frank
 

flammarion

Foren-Redakteur
uppsala,

da hab ich doch vor lauter begeisterung die schweiz nach österreich verlegt . . . wer wird mir das je verzeihen? o, o, o!
bin total zerknirscht.
lg
 

FrankK

Mitglied
Wie wärs mit einem Referendum?
Vielleicht würden sich die deutschsprachigen Schweizer gerne Österreich anschließen.

Stellt sich halt immer noch die Frage, ob die Eidgenossen gemäß deren Rechtschreibung es ähnlich wie die Österreicher halten.


Grüße aus dem (zur Zeit) sonnigen Westfalen
Frank
 

Amadis

Mitglied
Frank, das war's dann! Mit der Äußerung hast Du für alle Zeiten die Einreiseberechtigung für die Schweiz verspielt. Das solltest Du in der Ostschweiz niemals aussprechen :-D.

Leider habe ich nicht viel Zeit, da mein Internetzugang hier nicht wirklich gut ist ...

Grüße
Michael
 



 
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