7. Kapitel

Brandiff

Mitglied
Einige Wochen später


Die Contessa Desdemona Mariposa de la Luna da Silva war an diesem Morgen schon früh auf den Beinen. Nach langem Überlegen hatte sich Des dazu entschlossen ihre wahre Identität preis zu geben. Sie wollte hier sesshaft werden und das ging letztendlich nicht auf die Dauer außschließlich im Gewand der Zigeunerin, auch wenn sie dieses weiterhin vorzog. Gestern hatte sie sich von Francis die Genehmigung geholt diverse Anschaffungen zu tätigen und einige Umbauarbeiten an ihrem Anwesen durchführen zu lassen. Er hatte die Liste, welche sie ihm vorgelegt hatte, ohne sie genauer zu studieren abgesegnet. Nun gut, dachte sie sich, soll er sich hinterher nur nicht beschweren.

Jetzt hatte sie viel zu erledigen. Nicht nur der äußere Schein mußte gewahrt sein. Als Contessa mußte sie einen gewissen Lebensstil vorweisen. So gab sie den Auftrag einen Pferdestall zu errichten, der Platz bot für mindestens 6 Tiere. Bei einem ansässigen Händler orderte sie ein halbes Dutzend Pferde, zwei Araber, zwei Lipizaner, einen Sardo und einen Andalusier. Vermutlich würde Francis beim Anblick der Rechnung erstmal wieder rumeckern, aber das war ihr egal.

Für ihre Arbeit als Sheriff hatte sie sich etwas besonders einfallen lassen. Noch immer mangelte es an Personal. Zwar standen ihr im Falle einer Verhaftung die Stadtwachen zur Verfügung, doch ihre Nachforschungen und alles andere mußte sie allein bewerkstilligen. So beschloss sie ein Tunnelsystem anzulegen, das sich quer durch die Stadt erstrecken sollte, bis hinter die Stadtmauern. So würde sie im Bedarfsfall schnell und ungesehen von einem Ort zum anderen gelangen können. Ob Francis allerdings begeistert wäre, das einer der Tunnel seinen Ausgang auf seinem Anwesen hat, wußte sie nicht. Aber wie immer war ihr das egal. Sie wollte es so und damit basta!!

Wichtig für das Vorhaben war jedoch die Auswahl der Leute. Wenn ihr Vorhaben Erfolg haben sollte, mußte das Wissen über die Gänge geheim bleiben.
Der Baumeister beschwerte sich zwar darüber, das sie darauf bestand die Arbeiter für den Auftrag persönlich auszuwählen, aber die richtige Summe brachte ihn schnell zum Schweigen. Hin und wieder konnte es ganz nützlich sein, über ein gewisses Kapital zu verfügen. Für die Kosten der Baumaßnahmen würde jedoch die Stadt aufkommen. Die Auftragsbestätigungen und Rechnungen ließ sie daher direkt ins Rathaus zu Francis Händen schicken.

Noch am selben Abend trafen die Beiden wiedermal am Ratskeller zum gemeinsamen Ausklang des Tages aufeinander.
Francis machte einen gutgelaunten Eindruck. Selten hatte sie ihn so erlebt. Ja man konnte sagen er wirkte beinahe euphorisch, trotz der hohen Rechnungen die sie ihm zukommen ließ.
“Guten Abend Des”, strahlte er ihr, den Bierkrug in der einen und ein Stück Braten in der anderen entgegen. “Hallo, na so gute Laune heute? Ist was passiert? Wohlmöglich ein Regenbogen aufgetaucht und du hast an seinem Ende einen Topf Gold gefunden?” Francis lachte. “Nein, aber man wird doch einfach mal sich freuen dürfen. Oder Luna?”

“Luna?” Desdemona war gerade im Begriff sich zu setzen und blickte sich suchend um. Hatte sie wen übersehen? Francis saß doch allein am Tisch. “Von wem sprichst du?” “Na von dir, oder siehst du sonst noch Jemanden hier?” “Ehm ich heiße aber nicht Luna, sondern Desdemona.” Seit dem Verschwinden ihres Vater benutzte sie den Namen Mariposa nicht mehr. Er war einzig und allein ihm vorbehalten. “Hm, ich finde der Name Luna passt viel besser zu dir. Luna, der Mond. Verbündeter der Meere.” Francis nahm einen großen Schluck Bier und sah sie schmunzelnd an. Des hingen war ganz verwirrt. Was wollte er damit sagen?

“Weißt du Luna, manchmal bist du ziemlich merkwürdig.” “Merkwürdig? Ich? Das mußt du gerade sagen. Wer von uns Beiden hat denn Probleme damit jeglichen Wassers aus dem Wege zu gehen?” Francis hob abwiegelnd die Hand. “Fangen wir nicht wieder mit dem Thema an. Aber du. Irgendetwas geht dir doch durch den Kopf. Ein Mann vielleicht?” Er hob beide Augenbrauen und warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Des fühlte sich ertappt. Er hatte recht. Und wie er recht hatte. Seit ihrer Ankunft in Port Patriam ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Tag und Nacht mußte sie an ihn denken. Sollte man ihr das so deutlich anmerken?

Er nahm noch ein Stück vom Braten, schob ihr die Platte rüber während der Kellner ihren Kelch mit Wein servierte. “Nun, wenn du glaubst verliebt zu sein, solltest du zunächst deine Gefühle prüfen. Dir sicher sein, das dem auch so ist.” Sie sah ihn verwundert an. Was sollte das Geschwafel schon wieder? Natürlich war sie verliebt. Wer sollte das besser wissen als sie? Dennoch war das Ganze deswegen nicht einfacher. “Außerdem solltest du feststellen, ob das Objekt deiner Begierde deine Gefühle überhaupt erwiedert.”

Des nippte am Wein. Den Teller mit dem Braten schob sie weit von sich. Ihr war der Appetit inzwischen vergangen. Gott!! Er hatte gut reden. Merkte er denn nicht, das er ihr Objekt der Begierde war? Aber wie sollte sie ihm das sagen? Seit ihrem Gespräch mit dem Drachen suchte sie einen Weg mit Francis über sein Problem zu reden. Bei jeder ihrer Begegnungen wollte sie es angehen. Doch entweder wars der falsche Zeitpunkt für ein Gespräch oder ihr fehlte einfach der Mut. Am Ende ärgerte sie sich stets darüber, sonst war sie nicht so feige. Ihm nun auch noch ihre Gefühle zu gestehen. Was wenn er sie nicht erwiederte? Sie ihn dadurch auch als guten Freund verliere? Nein, das könnte sie nicht ertragen.

An diesem Abend zog sie sich früh zurück. Seine Worte hatten sie vollkommen verwirrt. In ihrem Zimmer im schwarzen Elch angekommen, nahm sie ihre Tarotkarten heraus und breitete sie vor sich aus. Eine Zeitlang starrte sie auf die Bilder, dann wischte sie diese mit einer wütenden Handbewegung vom Tisch. Die Karten halfen ihr nicht weiter. Wie auch? Wie sollte sie ihre Bedeutung verstehen, wenn sie sich selbst nicht im Klaren war?

In der selben Nacht saß Des nachdenklich in ihrem Zimmers. Wie erwartet hatte sie Francis am Abend beim Ratskeller angetroffen, der Verlauf des Abends verlief jedoch anders als erwartet. Trotz ihrer, doch recht teuren Aufträge war er gut gelaunt, ja fast euphorisch. Er hatte sie ohne mit der Wimper zu zucken genehmigt. Zwar war sie froh sich nicht auf eine ewig lange Debatte einlassen zu müßen, wenn sie allerdings den Rest des Abends Revue passieren ließ, wäre ihr fast noch lieber gewesen. Damit hätte sie umgehen können.
Wieso nannte er sie plötzlich Luna? Was meinte er damit, das ihm der Name für sie gefiehl? Luna, der Mond der Verbünde des Meeres...was wollte er damit sagen? War ihm bewußt wie sehr er ihr Gefühlsleben damit durcheinander brachte?

Und erst recht sein Geschwafel von wegen, wenn sie glaubte verliebt zu sein, sollte sie überprüfen ob dem so sei. Mama Mia!! Das brauchte sie nicht zu prüfen, sie war sich dessen bewußt...zumindest wußte sie das ihre Gefühle sehr stark waren. Aber woher sollte sie wissen, ob es dem Ziel ihrer Wünsche genauso ging?

Das Ganze war schon schwer genug für sie. Seit ihrem Gespräch mit dem Drachen suchte sie einen Weg mit Francis über sein Problem zu reden. Bei jeder ihrer Begegnungen wollte sie es angehen. Doch entweder wars der falsche Zeitpunkt für ein Gespräch oder ihr fehlte einfach der Mut. Am Ende ärgerte sie sich stets darüber, sonst war sie nicht so feige.

Desdemona zog ihre Tarotkarten hervor und breitete die Karten vor sich us. Eine Zeitlang starrte sie auf die Bilder, dann wischte sie diese mit einer wütenden Handbewegung vom Tisch. Die Karten halfen ihr nicht weiter. Wie auch? Wie sollte sie ihre Bedeutung verstehen, wenn sie sich selbst nicht im klaren war?

Sie schlenderte hinüber zum Fenster. Die Nacht war sternenklar, die Sichel des Mondes leuchtete hell am Himmel. Luna...der Mond...schon waren ihre Gedanken wieder beim Abend. In der Ferne konnte sie Licht in einem der Fenster im Rathaus ausmachen. Noch Jemand der in dieser Nacht nicht schlafen so wie sie? Seufzend machte sie sich fürs Bett fertig, hinein in eine unruhige, schlaflose Nacht.

In besagter Nacht war es Francis nicht möglich zu schlafen. Seine Gedanken schweiften unaufhörlich um die Probleme, die es derzeit gab und Lösungen waren kaum in Sicht. Zumindest nicht was das Thema Black Angle betraf. Der Rest der Stadt entwickelte sich ausgezeichnet, was von der Tatsache herrührte, dass Port Patriam nun mal die einzige Hafenstadt im Norden war. Im Moment, jedenfalls.

Francis nahm sich das schwarze, mit einem Schloss versehene Buch vor, das mit einem Totenkopf und einer Seeschlange verzieht war. Er stellte seine Kerze auf dem Schreibtisch am Fenster ab, das sein Licht und Schatten auf den Brunnen warf, öffnete das Schloss und entsiegelte das Buch. Dann begann er neugierig und skeptisch zugleich die erste Seite einer atemberaubenden Geschichte zu lesen, die man kaum glauben konnte.

Seite 1: Bericht von Mathews Dusk

Meine Männer und ich strandeten auf dieser gottverlassenen Insel mit nur einem Beiboot und kaum Nahrung, um die nächsten 5 Tage zu überstehen. Die Insel war umhüllt von dauerhaften, undurchdringlichen Nebel, wie wir feststellen mussten und es gab keinen Tag an dem man seine Hand vor Augen erkennen konnte.

Wir machten uns auf, die Insel zu erkunden. Wir waren Seeräuber. Schurken alle Mann. Und gestrandet, weil man unser Schiff versenkte. Die verdammten Hunde haben mir eine Falle gestellt und fast ¾ meiner Männer bei der Seeschlacht getötet, Gott weiß ich sollte es nicht tun aber dafür verfluche ich diese Bastarde!!! Sollen sie auf ewig beim Teufel der 7 Meere schmoren!!!

Wo war ich…. Wir durchsuchten diesen schleichenden Tod Palme für Palme, Stein für Stein nach Nahrung und brauchbaren Materialien ab. Wir fanden eine Wasserquelle und Bananen. Pfui deibel nichts als Wasser und Bananen!! Das hält kein Seeman aus. Meine Männer wollten schon meutern, als wir Zeuge einer ungewöhnlichen Begegnung wurden.

Auf der Rückseite der Insel hatten wir einen Platz am Wasserfall gefunden, an dem im Kreis Steine vor einer Götze aufgestellt waren. Wir glauben, es muss die Gottheit des Leibhaftigen sein, es lagen überall Knochen und Innereien blutig auf den Steinen rum, als habe jemand hier gespeist oder weiß der Teufel was gefeiert.

Eines Abends sahen wir das Feuer am Himmel und wurden von diesem unheilvollen Ort magisch angezogen. Unsere Neugier trieb uns trotz besseren Wissens an diesen Ort, wo wir diesen weißen Mann mit Runenstab, langen grauen Haaren und massenweise Knochen vorfanden. Der Alte tanzte unaufhörlich um diese Götze rum, trank unentwegt Schnaps und rauchte, was das Zeug hielt.

Meine Männer waren schon dabei das ganze Zeug zu klauen, das so unbeaufsichtigt rumlag, als mit einem Mal die Augen der Götze lebendig wurden!! Beim Klabautermann, die Augen sahen aus wie das glühende Feuer der Hölle und starrten diesen verrückten alten Kerl an!

Wir hielten uns diskret im Hintergrund, als das Wunder geschah. Plötzlich sahen wir dieses Schiff mit schwarzen Segeln aus den Klippen emporsteigen. Es war über und über mit Algen und Muscheln bedeckt, es schien als würde das Schiff direkt vom Meeresboden auferstehen. Dann sahen wir seine schwarze Flagge und wussten es wurde aus der Hölle geschickt um uns zu holen.

Einer meiner Männer geriet in Panik! Er stürmte los und erschlug in wilder Angst diesen alten Kerl, bis dieser blutüberströmt vor unseren Füßen lag. Die bösen Augen der Kreatur hatten uns erfasst. Die Götze schoss mit seinem Feueratem auf unsere Körper und entflammte teile meiner Besatzung, als dieses dämonische Erdbeben einsetzte und begann die Insel in die Tiefe zu reißen!

Uns blieb nur die Flucht auf dieses verlassene Schiff. Wir nutzten diese Chance so gut wir konnten, nahmen das Schiff in Besitz, warfen den knöchigen Steuermann über Board, der das Schiff führte und segelten los so schnell wir konnten. Doch viel Freude hatten wir nicht an unserem Leben, denn plötzlich bemerkten wir das innere Feuer, das uns zu verzehren drohte. Irgendetwas hatte von uns Besitz ergriffen und brandmarkte uns mit schwarzen Flecken auf den Schultern.

Doch es gab kein Zurück mehr, das Schiff hielt uns unweigerlich auf seinen Kurs. Wir waren Gefangene einer grauenhaften Kreatur und der Tod schien uns wie eine Erlösung …

Hier endete das erste Kapitel. Francis kniff die Augen zusammen und sah aus dem Fenster. Irgendwo im in der Taverne brannte noch Licht. Doch die Gedanken kreisten im Moment bei dem eben gelesenen, die Information manifestierte sich und prägte sich wie die Glut in sein Gedächnis.

In der Nacht darauf...

Fast lautlos öffnete er die Zellentür, spähte in den Gang. Niemand zu sehen. Von weiter hinten konnte er die Stimmen der Wachen hören, sie lachten, spielen Karten. In wenigen Minuten würden sie ihre nächste Runde drehen. Jetzt oder nie dachte er bei sich. Was für ein Schussel dieser Wachmann vorhin doch war!! Er hatte nicht bemerkt, das etwas die Tür blockiert hatte beim abschließen nach dem Abendbrot. Nicht viel, aber es reichte aus daß das Schloss nicht richtig einrastete. Ihm war es sofort aufgefallen, doch noch mußte er warten. Jetzt war seine Zeit gekommen!!

So schnell er konnte lief er den Gang entlang Richtung Ausgang. Sie durften ihn nicht sehen, nicht erwischen. Nochmal würde er keine Gelegenheit zur Flucht bekommen.

Alles verlief reibungslos, niemanden war seine Flucht aufgefallen, noch nicht. Vor dem Gebäude blickte er die Straße entlang. Alles war menschenleer. Kein Wunder um die Zeit. Die braven Bürger der Stadt schliefen längst tief und fest. Nur einigen Nachtschwärmer und Seemänner auf dem Rückweg zu ihren Schiffen oder Behausungen aus der Taverne und dem Ratskeller könnte er begegnen. Und natürlich den Wachen, die ihre Runden drehten zur Sicherung der Stadt. Ihnen mußte er aus dem Weg gehen. Eilends, immer auf der Hut denen nicht direkt in die Arme zu laufen, lief er weiter. Plötzlich da eine Gestalt!! Wie aus dem Nichts war dieser Seemann aufgetaucht. Unsanft war er mit ihm zusammengestoßen, strauchelte. „Hey, pass doch auf!!“ Noch im Abfangen drehte er sich um.. Junger Bursche, Schneuzer die Mütze tief ins Gesicht gezogen, hob drohend seine Fäuste. Ein anderes Mal hätte er dem Hämpfling eine Lehre erteilt sich mit ihm anlegen zu wollen, aber nicht heute. So schnell er konnte lief er weiter. Er hatte noch eine Rechnung zu begleichen. Sein Komplize war geflohen, hatte ihn allein zurückgelassen. Niemand versuchte ihm zu befreien, im Stich gelassen von seinen eigenen Bruder. Er aber hatte dicht gehalten, ihn nicht verraten. Dafür war er ihm was schuldig!!

Da der Gauklermarkt!! Gleich wäre er in Sicherheit. Nochmals hielt er an, drückte sich in den Schatten einer Schaubude. Niemand zu sehen. So schnell ihn seine Füße trugen, rannte er zu einem der Schaustellerwagen und verschwand.Wenige Augenblicke später erleutchtete das Licht einer Kerze dessen Fenster.

Langsam löste sich eine Gestalt aus dem Schatten der umstehenden Häuser. Seemannskleidung, Schnurrbart, die Mütze tief ins Gesicht gezogen in Richtung des Wagen blickend hob sie den Kopf. Grüne Augen leuchteten auf und ein Lächeln erschien auf dem Gesicht. Leise, eine Zigeunerweise pfeifend verschwand sie wieder in der Dunkelheit der Nacht.

Sie wußte nun, was sie wissen wollte. Am kommenden Morgen erstürmte die Stadtwache den Wagen des Feuerspukers und seines Bruders. Man fand dort Diebesgut aus vergangenen Diebstählen, auch die aus dem Lager. Beide konnten ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.
 



 
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