9. Im "Fröhlichen Fahrensmann"

Amadis

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Harbon leerte sein viertes Bier. Eigentlich hätte er zufrieden sein müssen, denn soviel gutes Freibier hatte er lange nicht gehabt. Aber irgendetwas ließ ihn den Spaß an dieser Tatsache verlieren.
Obwohl er es sich nur ungern eingestand, machte er sich Sorgen um Wedekind. Sein neuer Freund war bereits überfällig, und Harbon machte sich Vorwürfe, ihn alleingelassen zu haben, zumal er erheblich mehr über Wedekind und seine Bestimmung wusste, als er dem Antiquar offenbart hatte.
„Dieser Dummkopf hat sich bestimmt in Schwierigkeiten gebracht!“, brummte er vor sich hin. „Und ich Dummkopf bin schuld daran, wenn ihm etwas geschieht.“ Er fluchte leise.
„Noch ein Bier, Meister Harbon?“, erkundigte sich das Schankmädchen. Sie war jung, blond und drall und zu anderer Zeit hätte sich Harbon an ihrem Anblick erfreuen können. Heute Abend aber war er nicht in der richtigen Stimmung dafür. Er reichte dem Mädchen den leeren Krug.
„Sicher, Maratha, gerne.“ Als sie sich entfernte, konnte er sich einen Blick auf ihre Kehrseite doch nicht verkneifen.
Nach dem sechsten Bier allerdings war der Zauberer davon überzeugt, dass etwas schief gegangen war. Der Schankraum des ‚Fahrensmann’ begann sich bereits zu leeren und die Blicke des Wirtes deuteten darauf hin, dass es ihm recht wäre, wenn auch die übrigen Gäste langsam an den Heimweg denken würden. Harbon bestellte noch ein Bier und bezahlte auch gleich, als Maratha es brachte. Er gab dem hübschen Mädchen – von Wedekinds Geld – noch ein stattliches Trinkgeld, was sie ihm mit einem strahlenden Lächeln dankte.
Als Harbon seinen Krug geleert hatte, erhob er sich ächzend, grüßte in Richtung des Wirtes und verließ dann die Gaststätte.
„Sie haben ihn erwischt“, mutmaßte er, als er auf der Straße stand und die kühle Nachtluft inhalierte. Er blieb noch eine Weile stehen, den Blick in Richtung des Gardelagers gerichtet. Dann fasste er einen Entschluss.
„Heute kann ich sowieso nichts mehr für ihn tun“, sagte er zu sich selbst und machte sich auf den Heimweg.
 
Hallo Amadis,

Harbon ahnt also, dass etwas schief gegangen ist. Da ist dir ein netter Einschub gelungen, der (zumindest mir) Harbon noch etwas sympathischer macht.

Ich habe schon öfters gehört, dass man sich hier in der LL dutzt, daher habe ich das "Sie" leise still und heimlich in ein "Du" umgeändert, ich hoffe es ist okay :)
 

Amadis

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:) Ja, das Sie ist doch eher ungewöhnlich. Ich wollte das schon anmerken :) Das ist völlig ok. Danke für Deine Textarbeit!
LG
 

FrankK

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Hallo, Amadis

Ein kurzer Zwischenabschnitt, nur ein kleines Erbschen:

... Harbon machte sich Vorwürfe, ihn [blue]alleingelassen[/blue] zu haben ...
Duden empfiehlt: „allein gelassen“


Harbon, der bislang recht konsequent agierte, erscheint hier etwas zu unschlüssig und – ich möchte fast sagen – Naiv.
Okay, kein Wunder, dass er von seinem eigenen Lehrling verzaubert werden konnte.
Seltsam: Nach dem vierten Bier macht er sich bereits Sorgen um Wedekind, aber erst nach dem sechsten Bier ist er überzeugt, das etwas schiefgegangen war.


Grüße aus Westfalen
Frank
 



 
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