A Baumholder Night

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Inu

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Lieber Waldemar und liebe Larissa

Ich danke Euch sehr für die Gedanken, die ihr Euch über meine Geschichte gemacht habt und die freundliche Bewertung :)

Ganz liebe Grüße
Inu
 

Inu

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*





A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland
um 1960.
Momentaufnahme.

Kaiserslautern.
Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Unübersehbar ist ihre Präsenz bei Tag und Nacht.

An die vierhundert Bars gibt es in K’town und der Umgebung.
_

Bedienung für Cafés
auch Anfängerinnen
in amerikanische Garnisonsstadt gesucht
Unterkunft im Haus


so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.

Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Es lockt der Dollar, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.


STARLIGHT BAR

Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.

Um halb zehn Uhr morgens öffnet der Laden. Von da an tost und wummert ohne Ende die Juke-Box.

°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...

- das ist Paul Anka –

I’m all alo-one with nothin’ to do.
I've got everythi-iing
you could think of.
But all I wa-ant
is someone to love
Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss
Someone to ho-old at a moment like this.°°°°


Die STARLIGHT BAR ... nachts schimmert sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf grüngrauem Meer, ist aber bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, doch schäbiger Schuppen.
Da lungern schläfrig die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre. In der PX kaufen es ihnen die Freunde und Lover.

Jung sind diese Mädchen, ihre Kindheit war schlecht, im Heim sind sie aufgewachsen. Vom Leben geschüttelt, haben sie noch nirgends Fuß fassen können. Hier braucht es keine Ausbildung und kein Wissen, hier wird man nicht mehr versagen und nie allein sein.
Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht doch nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.
Die Hoffnung kann schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.

Im Dorf wirbeln die jungen Dinger Staub auf. Die Bauernsöhne sind begeistert, die Landfrauen fuchsteufelswild, wenn die Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd durch die ehrbaren Gassen stöckeln und dann bei Tante Emma den Laden und die Kundschaft durcheinander bringen.

Starlight-Bar. Mit Gepolter erstürmen die ersten Gäste schon vor Mittag den Schuppen. Da werden die schläfrigen Mädchen munter. Sie drehen die Musikbox lauter, knipsen den weiblichen Charme an. Amerikanische Soldaten kommen an ihrem freien Tag früh her und kurieren hier ihr Heimweh mit Whisky und Bier. Durch Alltagsgeplauder, dummchensüß oder gewürzt mit Humor und Ironie, gelingt es den hauseigenen Blondinen, die armen Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Sie selbst ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht gar Champagner?
Die Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit launische Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens zu.

*

Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Wurlitzer tönen:

°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,
a White Chapel, ou Borneo.
C‘est a Hambourg, a Santiago,
a Rotterdam, ou a Frisco...

Hello boy ! You come with me ?
Amigo ! Te quiero mucho !
Liebling ! Komm doch mit mir !

C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,
dans les bastringues a matelots,
que je trimballe encore ma peau,
les bras ouverts à l'infini...
Car moi je suis comme la mer,
j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,
j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca
qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...
C‘est a Hambourg, a Santiago
a White Chapel, ou Borneo...

So long, boy...
Adios, amigo...
Nachher, Schatz...
...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°

***

Eva malt heimlich auf ihrem Zimmer expressionistische Bilder, hat auch sonst den Kopf in den Wolken, ist verrückt nach diesem Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen, vier mal, 5 mal hintereinander, bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:

°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.
She loves the theater, but doesn‘t come late.
She‘d never bother, with people she‘d hate,
THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.

Doesn‘t like crap games, with barons and earls,
won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.
Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.
That‘s why the lady is a tramp.

SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,
life without care.
She‘s broke, but it‘s o‘k.
She hates California, it‘s cold and it‘s damp.
That‘s why the lady is a tramp. °°°°


Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.

Aaron, ein Israeli mit großen Augen, sieht aus wie Kafka auf Fotos und müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja, der Schaumwein! In großen Mengen, für zwei Mark dreißig die Flasche wird er alle paar Tage aus dem Edeka-Laden angeliefert und verwandelt sich augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet den Gast dann hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus spendiert. Vierzig davon verdient die damit Verwöhnte. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.

Die Longdrinks, die Animiermädchen von weniger großzügigen Herren spendiert bekommen, heißen simpel 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit beglückten Dame gutgeschrieben.
Unaufhörlich 'mixt' Max, der Barmann diese Drink-Creationen für die Mädchen: Mixen tut er eigentlich nix. In eine langstielige Cocktailschale gießt er Fanta oder Cola, ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac sprenkelt er dann noch hinein. Als herrliche Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. – Ein bunter Strohhalm dazu ... fertig. Vorsicht! Das Zeug kann durchaus Spuren von Alkohol enthalten.
Solange nicht in Unmengen getrunken, schadet es aber der Leber kaum ...


"Das schmeckt toll", sagen die Mädchen und lassen die skeptisch blickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie alles in Kauf.
Die Girls.
Sogar nachts, im wilden, schweißtreibenden Gewoge der stickigen Räume, gelingt es den meisten, elegant auszusehen.
Sie halten auf sich. Kleiden sich modisch. Gönnen sich Luxus. Täglich Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Es gilt, sie zu erhalten ...
*

Im STARLIGHT wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz. Auch ein Mann auf dem Zimmer, würde für eine, die hier im Haus wohnt, den Rausschmiss bedeuten. Denn - soviel muss gesagt sein - solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Owner, reiche Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt. Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb so alles treiben - das interessiert die Bosse nicht.

„Come, have a drink“, rufen die G.I.s und winken die ausgewählten Bargirls mit Dollarnoten heran. Den deutschen Gästen geht es nicht besser. Auch sie müssen für Gesellschaft zahlen. Jung sind die Frauen und brauchen das Geld!

Jedoch ... viel zu trinken kriegt eine auf Dauer nur, wenn sie den Gast auch richtig gut unterhält. Das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze geworden, geübt im schlüpfrige-Witze-Erzählen und süßen Nonsens-Geplapper. Und für die G.I.s sogar in englischer Sprache.
Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme und Geplauder ausreicht, die Getränke-ordernden Männer bei der Stange zu halten. Peinlich ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit der Restgeldsumme in der Tasche entkommt und zur Konkurrenz in die Bar nebenan eilt, statt die ganze Summe im Starlight zu verprassen.
Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses Bar- Business. Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine große Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja, die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben, wenn sie auf die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen vertrauen. Es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer in ... EINES.

Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner. Der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie heimlich und schnell. Es gibt einen zweiten Ausgang.

*

Das Starlight ist für seine Musik berühmt. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Auch die neuesten .Schlager. Mit vollem Einsatz und stampfendem, bassigem Rythmus.
Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...
Idole: The King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.

Am irrsten ist der Sound von Bill Haley und Elvis.

°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,
five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,
singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.
‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,
we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°



Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Touch Reeperbahn und furioses Menschengewimmel.
Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.

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Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach dem beißenden Aroma von fernen Kartoffelfeuern. Und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und Ähren. Auch hört man Liebeslaute, Lustschreie und das Kichern der Pärchen vom Rand des Kornfelds.


Luzie hält Hof ... in engem Schneiderkostüm und weißer Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie Fähnchen, niemals gibt sie sich billig. Chefsekretärin hätte sie werden können oder Beamtin ... in einem anderen Leben.
Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich oft in sie. Keine bekommt so viele Drinks wie Luzie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands, sagt sie. Luzie ist ganz besonders ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, doch warum? Ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Hier ist sie zu Hause. Auch sie eine, die im Heim aufwuchs. Längst sind die Bars zu ihrer Welt geworden.

*

Uschi errötet, denn da kommt ihr bester Freier von allen.
"Hallo, Mister Right."
Ach ja ... Colonel Hornby, ein Helden-Pilot der Airforce, geht in so einen Schuppen nur dann, wenn er leicht blau ist und wenn Frau und Kinder wieder einmal auf Urlaub in USA sind. Schnell sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ach, ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind seidig und warm ... Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Mann, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - bis hierher, nicht weiter ... spielt dabei das geschämige, aber willige Dummchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Please ... was denken die Leute ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my darling, then ... you come with me."

Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.
Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!
Schnell schwänzelt die Helga heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt sie in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.
"Der hier kommt aus Russland ... echter Krimsekt" - flüstert die Uschi, „Krimisekti .... er ist nicht billig, aber, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... heiß!"

Um dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.
Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.
Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...
Er weiß: sie ist im Ausnehmen der Gäste ganz groß und lügt, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.
Das haben ihm seine Pilotenfreunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, die Süße, als man sie einmal getestet.
Das imponiert ihm. Er denkt: ‚irgendwann krieg ich dich doch noch, du Kleine!‘

***

Der Schuppen platzt inzwischen aus allen Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.
Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.
Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Die Wände wackeln. Und an der Decke drehen sich glitzernd und farbenversprühend die Diskokugeln.

°°°° When the chimes ring five,
six and seven
we’ll be rocking up in seventh heaven.
we’re gonna rock around the clock tonight,
we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.
We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°


Es ist jetzt halb drei.
Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle zuletzt. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.
Hier brummt der Bär, tobt das Leben.

°°°° The warden threw a party in the county jail,
the prison band was there and they began to wail,
the band was jumpin’ and the joint began to swing,
you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.
Let’s rock, everybody, let’s rock,
everybody in the whole cell block
WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°°

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Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight- Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.

***

Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er, Ronnie, lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft. Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.
Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie auch bald schon allein. Locker wie eine Puppe hebt er sie hoch und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.

°°°° On a day like today
we pass the time away
WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.
Now my broken heart aches
with every wave that breaks
over love letters in the sand. °°°°

***
Eva ist schön und Ben, auch so ein Airforce-Typ, eifersüchtig like hell. Schließlich ist Eva 'his girl and they go together'. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Jetzt reicht ihm der Shit.
Eva - wie immer passiv - grinst nur. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit 'idiots' beisammen saß und trank. Wo er sie doch gerade in dem Augenblick um sich haben wollte und nicht bis Lokalschluss warten mochte. Er hat sie herausgezerrt, bei den Schultern gepackt, einmal sogar bei den Haaren, heftig, bis sie schrie. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... wie sein Eigentum. Was für ein Zirkus!
Und so einen liebt sie: "My Captain!"
Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.
Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Sie sehen sich mitleidig an: eine Verrückte.
"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.


Aaron, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.
Diesen Zwist beendet Ben. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell innehalten.
"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Aaron und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!", zischt er leise und drohend.“
Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, energisch, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm nimmt und wegträgt.

***

Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Aufs Klo rennt die Christa, muss grässlich kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.

°°°° You can dance ev’ry dance with the guy
who gives you the eye, let him hold you tight.
You can smile ev’ry smile for the man
who held your hand ‘neath the pale moonlight.
BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME
AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,
SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°

***

Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit Weiberschläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie innig von Liebe labern ... sie werden mit verruchtem Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.
Durch frivoles Geplauder hält man sie schön bei der Stange. Auch dürfen sie sich schon mal ein Küsschen holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber nicht mehr. Der steigende Alkoholpegel der Gäste arbeitet auch FÜR die Frauen. Die Herren der Schöpfung werden immer verlieren. Die Damen bestellen weiter lustig Champagner und den meisten schütten sie weg.
Die armen Möchte-gern-Ficker ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug. Bis die Brieftasche leer ist.

Nachher zählen die Bargirls nebenan in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sei könnnen nur staunen, wie doch alles so leicht läuft und man sogar ... unberührt bleibt.

***

Die Band macht jetzt Pause und die Juke-Box springt ein. Freddy singt vom traurigen Schicksal der Legionäre in Afrika:

°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,
fern, so fern dem Heimatland,
(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.
(so schön, schön war die Zeit.)
Dort wo die Blumen blühn,
dort wo die Täler grün,
dort war ich einmal zuhause.
Wo ich die Liebste fand,
da liegt mein Heimatland,
wie lang bin ich noch allein? °°°°

Ein Mann kracht vom Barstuhl herunter und schläft auf dem Holzboden weiter.

***

Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss konnte es vielleicht bei ihrer Einstellung nicht schnallen, die anderen Mädchen aber schon: Lu ist eine Nutte. Sie trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.
Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...

Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.

***

Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.

Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.

O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.
Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...
"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"

Ach, Jim hasst die Kneipen und das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet auch Germany. Und eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.

***

Manchmal geschieht es aber wirklich für ein Barmädchen und einen Ami- Soldaten ... dass sie zusammenhalten, dass sie zusammen bleiben. Klar ... liebende Frauen sind für das Nachtleben verloren. Andere aber verplempern, verbumsen die Zeit, vergaukeln die Zukunft.

***

Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie aber keinen Pfennig verdient, denn sie arbeitet nicht hier - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint dabei Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.

***

Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Stühlen und Tischen.
The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.
Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.
Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!

Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.
Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.
Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,
fern Fetzen Gelächter, die im Winde verwehen ...

Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.

Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.

***



NACHWORT

Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.
Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten
as ... the music died.

°°°° Take one fresh and tender kiss -

sang einst heiser die Lady -

add one stolen night of bliss..
ONE GIRL, ONE BOY,
SOME GRIEF, SOME JOY...
MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°

Memories.

Should auld acquaintance be forgot
and never brought to mind?

K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte - Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.

For au-au-auld lang syne, my dear,
for au-au-auld lang syne,
we'll take a cup of kindness yet,
for the days of auld longsyne.


Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?
Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.

Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?

Mädchen:
Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.

Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in sehr vielen Betten.
Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, genosst die brausenden Parties und Feten. Genosst die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.

Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.
Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit den American- Heros im Traum-Cadillac,
with the free, fresh wind in your hair.

Was life without care??

Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.

Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...

Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.

*

Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.
Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.

Was bleibt?
Nostalgie.

Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...
Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,
nie ganz vorbei.

Say "farewell" now to lovers,
and to K’town ..."so long."

IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR
FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,
WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET
FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.







http://www.youtube.com/watch?v=eG3afAIi6IQ&mode=related&search=




Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002
überarbeitet 03.06.2005

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Inu

Mitglied
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A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland
um 1960.
Momentaufnahme.

Kaiserslautern.
Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Unübersehbar ist ihre Präsenz bei Tag und Nacht.

An die vierhundert Bars gibt es in K’town und der Umgebung.
_

Bedienung für Cafés
auch Anfängerinnen
in amerikanische Garnisonsstadt gesucht
Unterkunft im Haus


so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.

Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Es lockt der Dollar, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.


STARLIGHT BAR

Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.

Um halb zehn Uhr morgens öffnet der Laden. Von da an tost und wummert ohne Ende die Juke-Box.

°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...

- das ist Paul Anka –

I’m all alo-one with nothin’ to do.
I've got everythi-iing
you could think of.
But all I wa-ant
is someone to love
Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss
Someone to ho-old at a moment like this.°°°°


Die STARLIGHT BAR ... nachts schimmert sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf grüngrauem Meer, ist aber bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, doch schäbiger Schuppen.
Da lungern schläfrig die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre. In der PX kaufen es ihnen die Freunde und Lover.

Jung sind diese Mädchen, ihre Kindheit war schlecht, im Heim sind sie aufgewachsen. Vom Leben geschüttelt, haben sie noch nirgends Fuß fassen können. Hier braucht es keine Ausbildung und kein Wissen, hier wird man nicht mehr versagen und nie allein sein.
Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht doch nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.
Die Hoffnung kann schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.

Im Dorf wirbeln die jungen Dinger Staub auf. Die Bauernsöhne sind begeistert, die Landfrauen fuchsteufelswild, wenn die Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd durch die ehrbaren Gassen stöckeln und dann bei Tante Emma den Laden und die Kundschaft durcheinander bringen.

Starlight-Bar. Mit Gepolter erstürmen die ersten Gäste schon vor Mittag den Schuppen. Da werden die schläfrigen Mädchen munter. Sie drehen die Musikbox lauter, knipsen den weiblichen Charme an. Amerikanische Soldaten kommen an ihrem freien Tag früh her und kurieren hier ihr Heimweh mit Whisky und Bier. Durch Alltagsgeplauder, dummchensüß oder gewürzt mit Humor und Ironie, gelingt es den hauseigenen Blondinen, die armen Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Sie selbst ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht gar Champagner?
Die Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit launische Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens zu.

*

Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Wurlitzer tönen:

°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,
a White Chapel, ou Borneo.
C‘est a Hambourg, a Santiago,
a Rotterdam, ou a Frisco...

Hello boy ! You come with me ?
Amigo ! Te quiero mucho !
Liebling ! Komm doch mit mir !

C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,
dans les bastringues a matelots,
que je trimballe encore ma peau,
les bras ouverts à l'infini...
Car moi je suis comme la mer,
j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,
j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca
qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...
C‘est a Hambourg, a Santiago
a White Chapel, ou Borneo...

So long, boy...
Adios, amigo...
Nachher, Schatz...
...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°

***

Eva malt heimlich auf ihrem Zimmer expressionistische Bilder, hat auch sonst den Kopf in den Wolken, ist verrückt nach diesem Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen, vier mal, fünf mal hintereinander, bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:

°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.
She loves the theater, but doesn‘t come late.
She‘d never bother, with people she‘d hate,
THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.

Doesn‘t like crap games, with barons and earls,
won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.
Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.
That‘s why the lady is a tramp.

SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,
life without care.
She‘s broke, but it‘s o‘k.
She hates California, it‘s cold and it‘s damp.
That‘s why the lady is a tramp. °°°°


Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.

Aaron, ein Israeli mit großen Augen, sieht aus wie Kafka auf Fotos und müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja ... Schaumwein! In großen Mengen, für zwei Mark dreißig die Flasche wird er alle paar Tage aus dem Edeka-Laden angeliefert und verwandelt sich augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet den Gast dann hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus spendiert. Vierzig davon verdient die damit Verwöhnte. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.

Die Longdrinks, die Animiermädchen von weniger großzügigen Herren spendiert bekommen, heißen simpel 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit beglückten Dame gutgeschrieben.
Unaufhörlich 'mixt' Max, der Barmann diese Drink-Creationen für die Mädchen: Mixen tut er eigentlich nix. In eine langstielige Cocktailschale gießt er Fanta oder Cola, ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac sprenkelt er dann noch hinein. Als herrliche Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. – Ein bunter Strohhalm dazu ... fertig. Vorsicht! Das Zeug kann durchaus Spuren von Alkohol enthalten.
Solange nicht in Unmengen getrunken, schadet es aber der Leber kaum ...


"Das schmeckt toll", sagen die Mädchen und lassen die skeptisch blickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie alles in Kauf.

Die Girls.
Sogar nachts, im wilden, schweißtreibenden Gewoge in den stickigen Räumen, gelingt es den meisten, elegant zu wirken.
Sie halten auf sich. Kleiden sich modisch. Gönnen sich Luxus. Täglicher Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Es gilt, sie zu erhalten ...
*

Im STARLIGHT wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz. Auch würde ein Mann auf dem Zimmer für eine, die hier im Haus wohnt, den Rausschmiss bedeuten. Denn - soviel muss gesagt sein - solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Owner, reiche Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt. Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb so treiben - das interessiert die Bosse nicht.

„Come, have a drink“, rufen die G.I.s und winken die ausgewählten Bargirls mit Dollarnoten heran. Den deutschen Gästen geht es nicht besser. Auch sie müssen für Gesellschaft zahlen. Die Frauen sind jung und brauchen das Geld!

Aber ... viel zu trinken kriegt eine auf Dauer nur, wenn sie den Gast auch richtig gut unterhält. Das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze geworden, geübt im schlüpfrige-Witze-Erzählen und süßen Nonsens-Geplapper. Und das für die G.I.s sogar in englischer Sprache.
Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme und Geplauder ausreichen, die Getränke-ordernden Männer bei der Stange zu halten. Peinlich ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit der Restgeldsumme in der Tasche entkommt und zur Konkurrenz in die Bar nebenan eilt, statt die ganze Summe im Starlight zu verprassen.
Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses Bar- Business. Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine große Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja, die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben, wenn sie auf die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen vertrauen. Es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer in ... EINES.

Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner. Der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie heimlich und schnell. Es gibt einen zweiten Ausgang.

*

Das Starlight ist für seine Musik berühmt. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Auch die neuesten Tanzschlager. Mit vollem, stampfendem, bassigem Rythmus.
Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...
Idole: The King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.

Am irrsten ist der Sound von Bill Haley und Elvis.

°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,
five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,
singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.
‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,
we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°



Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Touch Reeperbahn und furioses Menschengewimmel.
Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.

Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach dem beißenden Aroma von fernen Kartoffelfeuern. Und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und Ähren. Auch hört man Liebeslaute, Lustschreie und das Kichern der Pärchen vom Rand des Kornfelds.


Luzie hält Hof ... in engem Schneiderkostüm und weißer Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie Fähnchen, niemals gibt sie sich billig. Chefsekretärin hätte sie werden können oder Beamtin ... in einem anderen Leben.
Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich oft in sie. Keine bekommt so viele Drinks wie Luzie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands, sagt sie. Luzie ist ganz besonders ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, doch warum? Ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Hier ist sie zu Hause. Auch sie eine, die im Heim aufwuchs. Längst sind die Bars zu ihrer Welt, zu ihrer Bühne geworden.

*

Uschi errötet, denn da kommt ihr bester Freier von allen.
"Hallo, Mister Right."
Colonel Hornby, ein Helden-Pilot der Airforce, geht in so einen Schuppen nur dann, wenn er blau ist und wenn Frau und Kinder auf Heimaturlaub in USA sind. Rasch sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt den Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ach, ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind seidig und warm ... Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Mann, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - bis hierher, nicht weiter ... spielt dabei das geschämige, aber willige Dummchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Please ... was denken die Leute ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my darling, then ... you come with me."

Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.
Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!
Schnell schwänzelt die Helga heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt sie in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.
"Der hier kommt aus Russland ... echter Krimsekt" - flüstert die Uschi, „Krimisekti .... er ist nicht billig, aber, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... heiß!"

Um dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.
Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.
Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...
Er weiß: sie ist im Ausnehmen der Gäste ganz groß und lügt, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.
Das haben ihm seine Pilotenfreunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, die Süße, als man sie einmal getestet.
Das imponiert ihm. Er denkt: ‚irgendwann krieg ich dich doch noch, du Kleine!‘

***

Der Schuppen platzt inzwischen aus allen Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.
Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.
Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Die Wände wackeln. Und an der Decke drehen sich glitzernd und farbenversprühend die Diskokugeln.

°°°° When the chimes ring five,
six and seven
we’ll be rocking up in seventh heaven.
we’re gonna rock around the clock tonight,
we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.
We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°


Es ist jetzt halb drei.
Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle zuletzt. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.
Hier brummt der Bär, tobt das Leben.

°°°° The warden threw a party in the county jail,
the prison band was there and they began to wail,
the band was jumpin’ and the joint began to swing,
you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.
Let’s rock, everybody, let’s rock,
everybody in the whole cell block
WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°°

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Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight- Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.

***

Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er, Ronnie, lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft. Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.
Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie auch bald schon allein. Locker wie eine Puppe hebt er sie hoch und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.

°°°° On a day like today
we pass the time away
WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.
Now my broken heart aches
with every wave that breaks
over love letters in the sand. °°°°

***
Eva ist schön und Ben, auch so ein Airforce-Typ, eifersüchtig like hell. Schließlich ist Eva 'his girl and they go together'. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Jetzt reicht ihm der Shit.
Eva - wie immer passiv - grinst nur. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit 'idiots' beisammen saß und trank. Wo er sie doch gerade in dem Augenblick um sich haben wollte und nicht bis Lokalschluss warten mochte. Er hat sie herausgezerrt, bei den Schultern gepackt, einmal sogar bei den Haaren, heftig, bis sie schrie. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... wie sein Eigentum. Was für ein Zirkus!
Und so einen liebt sie: "My Captain!"
Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.
Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Sie sehen sich mitleidig an: eine Verrückte.
"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.


Aaron, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.
Diesen Zwist beendet Ben. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell innehalten.
"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Aaron und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!", zischt er leise und drohend.“
Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, energisch, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm nimmt und wegträgt.

***

Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Aufs Klo rennt die Christa, muss grässlich kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.

°°°° You can dance ev’ry dance with the guy
who gives you the eye, let him hold you tight.
You can smile ev’ry smile for the man
who held your hand ‘neath the pale moonlight.
BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME
AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,
SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°

***

Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit Weiberschläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie innig von Liebe labern ... sie werden mit verruchtem Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.
Durch frivoles Geplauder hält man sie schön bei der Stange. Auch dürfen sie sich schon mal ein Küsschen holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber nicht mehr. Der steigende Alkoholpegel der Gäste arbeitet auch FÜR die Frauen. Die Herren der Schöpfung werden immer verlieren. Die Damen bestellen weiter lustig Champagner und den meisten schütten sie weg.
Die armen Möchte-gern-Ficker ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug. Bis die Brieftasche leer ist.

Nachher zählen die Bargirls nebenan in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sei könnnen nur staunen, wie doch alles so leicht läuft und man sogar ... unberührt bleibt.

***

Die Band macht jetzt Pause und die Juke-Box springt ein. Freddy singt vom traurigen Schicksal der Legionäre in Afrika:

°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,
fern, so fern dem Heimatland,
(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.
(so schön, schön war die Zeit.)
Dort wo die Blumen blühn,
dort wo die Täler grün,
dort war ich einmal zuhause.
Wo ich die Liebste fand,
da liegt mein Heimatland,
wie lang bin ich noch allein? °°°°

Ein Mann kracht vom Barstuhl herunter und schläft auf dem Holzboden weiter.

***

Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss konnte es vielleicht bei ihrer Einstellung nicht schnallen, die anderen Mädchen aber schon: Lu ist eine Nutte. Sie trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.
Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...

Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.

***

Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.

Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.

O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.
Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...
"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"

Ach, Jim hasst die Kneipen und das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet auch Germany. Und eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.

***

Manchmal geschieht es aber wirklich für ein Barmädchen und einen Ami- Soldaten ... dass sie zusammenhalten, dass sie zusammen bleiben. Klar ... liebende Frauen sind für das Nachtleben verloren. Andere aber verplempern, verbumsen die Zeit, vergaukeln die Zukunft.

***

Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie aber keinen Pfennig verdient, denn sie arbeitet nicht hier - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint dabei Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.

***

Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Stühlen und Tischen.
The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.
Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.
Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!

Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.
Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.
Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,
fern Fetzen Gelächter, die im Winde verwehen ...

Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.

Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.

***



NACHWORT

Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.
Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten
as ... the music died.

°°°° Take one fresh and tender kiss -

sang einst heiser die Lady -

add one stolen night of bliss..
ONE GIRL, ONE BOY,
SOME GRIEF, SOME JOY...
MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°

Memories.

Should auld acquaintance be forgot
and never brought to mind?

K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte - Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.

For au-au-auld lang syne, my dear,
for au-au-auld lang syne,
we'll take a cup of kindness yet,
for the days of auld longsyne.


Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?
Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.

Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?

Mädchen:
Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.

Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in sehr vielen Betten.
Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, genosst die brausenden Parties und Feten. Genosst die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.

Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.
Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit den American- Heros im Traum-Cadillac,
with the free, fresh wind in your hair.

Was life without care??

Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.

Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...

Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.

*

Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.
Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.

Was bleibt?
Nostalgie.

Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...
Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,
nie ganz vorbei.

Say "farewell" now to lovers,
and to K’town ..."so long."

IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR
FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,
WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET
FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.







http://www.youtube.com/watch?v=eG3afAIi6IQ&mode=related&search=




Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002
überarbeitet 03.06.2005

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A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland
um 1960.
Momentaufnahme.

Kaiserslautern.
Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Auffällig ist ihre Präsenz bei Tag und Nacht.

An die vierhundert Bars gibt es in K’town und der Umgebung.
_

Bedienung für Cafés
auch Anfängerinnen
in amerikanische Garnisonsstadt gesucht
Unterkunft im Haus


so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.

Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Es lockt der Dollar, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.


STARLIGHT BAR

Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.

Um halb zehn Uhr morgens öffnet der Laden. Von da an tost und wummert ohne Ende die Juke-Box.

°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...

- das ist Paul Anka –

I’m all alo-one with nothin’ to do.
I've got everythi-iing
you could think of.
But all I wa-ant
is someone to love
Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss
Someone to ho-old at a moment like this.°°°°


Die STARLIGHT BAR ... nachts schimmert sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf grüngrauem Meer, ist jedoch bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, aber schäbiger Schuppen.
Da lungern schläfrig die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre. In der PX kaufen es ihnen die Freunde und Lover.

Jung sind diese Mädchen, ihre Kindheit war schlecht, im Heim sind sie aufgewachsen. Vom Leben geschüttelt, haben sie noch nirgends Fuß fassen können. Hier braucht es keine Ausbildung und kein Wissen, hier werden sie nicht mehr versagen und nie allein sein.
Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.
Und die Hoffnung kann schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.

Im Dorf wirbeln die jungen Dinger viel Staub auf. Die Bauernsöhne sind begeistert, die Landfrauen fuchsteufelswild, wenn diese Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd auf ihren Stöckelschuhen in die ehrbaren Gassen einfallen und dann bei Tante Emma den Laden und die Kundschaft durcheinander bringen.

Starlight-Bar. Amerikanische Soldaten kommen an freien Tagen früh her und kurieren hier ihr Heimweh mit Whisky und Bier. Polternd erstürmen sie schon vor Mittag den Schuppen. Da werden die schläfrigen Mädchen munter. Man dreht die Musikbox lauter, knipst den weiblichen Charme an. Durch Alltagsgeplauder, dummchensüß oder mit Humor und Ironie gepfeffert, gelingt es den hauseigenen Blondinen, die Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Die Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit launische Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens zu und ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht gar Champagner.

*

Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Wurlitzer tönen:

°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,
a White Chapel, ou Borneo.
C‘est a Hambourg, a Santiago,
a Rotterdam, ou a Frisco...

Hello boy ! You come with me ?
Amigo ! Te quiero mucho !
Liebling ! Komm doch mit mir !

C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,
dans les bastringues a matelots,
que je trimballe encore ma peau,
les bras ouverts à l'infini...
Car moi je suis comme la mer,
j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,
j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca
qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...
C‘est a Hambourg, a Santiago
a White Chapel, ou Borneo...

So long, boy...
Adios, amigo...
Nachher, Schatz...
...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°


***

Eva malt heimlich auf ihrem Zimmer expressionistische Bilder, hat auch sonst den Kopf in den Wolken, ist verrückt nach diesem Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen, vier mal, fünf mal hintereinander, bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:

°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.
She loves the theater, but doesn‘t come late.
She‘d never bother, with people she‘d hate,
THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.

Doesn‘t like crap games, with barons and earls,
won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.
Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.
That‘s why the lady is a tramp.

SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,
life without care.
She‘s broke, but it‘s o‘k.
She hates California, it‘s cold and it‘s damp.
That‘s why the lady is a tramp. °°°°



Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.

Aaron, ein Israeli mit großen Augen, müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja ... Schaumwein! In großen Mengen, für zwei Mark dreißig die Flasche, wird er alle paar Tage aus dem Edeka-Laden angeliefert und verwandelt sich augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet dann den Gast hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus spendiert. Vierzig davon verdient die Kleine. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.

Die Longdrinks, die weniger großzügige Herren den Barmädchen spendieren, heißen simpel 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit beglückten Dame gutgeschrieben.
Unaufhörlich 'mixt' Max, der Barmann diese Drink-Creationen für die Mädchen: Mixen tut er eigentlich nix. In eine langstielige Cocktailschale gießt er Fanta oder Cola, ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac sprenkelt er dann noch hinein. Als herrliche Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. – Ein bunter Strohhalm dazu ... fertig. Vorsicht! Das Zeug kann durchaus Spuren von Alkohol enthalten.
Solange nicht in Unmengen getrunken, schadet es aber der Leber kaum ...


"Das schmeckt toll", sagen die Mädchen und lassen die skeptisch blickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie alles in Kauf.

Die Girls.
Sogar nachts, im wilden, schweißtreibenden Gewoge in den stickigen Räumen, gelingt es den meisten, elegant zu wirken.
Sie halten auf sich. Kleiden sich modisch. Gönnen sich Luxus. Täglicher Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Es gilt, sie zu erhalten ...
*

Im STARLIGHT wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz. Auch würde ein Mann auf dem Zimmer für eine, die hier im Haus wohnt, den Rausschmiss bedeuten. Denn - soviel muss gesagt sein - solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Owner, reiche Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt. Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb so treiben - das interessiert die Bosse nicht.

„Come, have a drink“, rufen die G.I.s und winken die ausgewählten Bargirls mit Dollarnoten heran. Den deutschen Gästen geht es nicht besser. Auch sie müssen für Gesellschaft zahlen. Die Frauen sind jung und brauchen das Geld!

Aber ... viel zu trinken kriegt eine auf Dauer nur, wenn sie den Gast auch richtig gut unterhält. Das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze geworden, geübt im schlüpfrige-Witze-Erzählen und süßen Nonsens-Geplapper. Und das für die G.I.s sogar in englischer Sprache.
Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme und Geplauder ausreichen, die Getränke-ordernden Männer bei der Stange zu halten. Peinlich ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit der Restgeldsumme in der Tasche entkommt und zur Konkurrenz in die Bar nebenan eilt, statt die ganze Summe im Starlight zu verprassen.
Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses Bar- Business. Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine große Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja, die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben, wenn sie auf die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen vertrauen. Es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer in ... EINES.

Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner. Der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie heimlich und schnell. Es gibt einen zweiten Ausgang.

*

Das Starlight ist für seine Musik berühmt. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Auch die neuesten Tanzschlager. Mit vollem, stampfendem, bassigem Rythmus.
Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...
Idole: The King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.

Am irrsten ist der Sound von Bill Haley und Elvis.

°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,
five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,
singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.
‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,
we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°



Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Touch Reeperbahn und furioses Menschengewimmel.
Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.

Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach dem beißenden Aroma von fernen Kartoffelfeuern. Und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und Ähren. Auch hört man Liebeslaute, Lustschreie und das Kichern der Pärchen vom Rand des Kornfelds.


Luzie hält Hof ... in engem Schneiderkostüm und weißer Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie Fähnchen, niemals gibt sie sich billig. Chefsekretärin hätte sie werden können oder Beamtin ... in einem anderen Leben.
Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich oft in sie. Keine bekommt so viele Drinks wie Luzie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands, sagt sie. Luzie ist ganz besonders ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, doch warum? Ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Hier ist sie zu Hause. Auch sie eine, die im Heim aufwuchs. Längst sind die Bars zu ihrer Welt, zu ihrer Bühne geworden.

*

Uschi errötet, denn da kommt ihr bester Freier von allen.
"Hallo, Mister Right."
Colonel Hornby, ein Helden-Pilot der Airforce, geht in so einen Schuppen nur dann, wenn er blau ist und wenn Frau und Kinder auf Heimaturlaub in USA sind. Rasch sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt den Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ach, ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind seidig und warm ... Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Mann, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - bis hierher, nicht weiter ... spielt dabei das geschämige, aber willige Dummchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Please ... was denken die Leute ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my darling, then ... you come with me."

Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.
Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!
Schnell schwänzelt die Helga heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt sie in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.
"Der hier kommt aus Russland ... echter Krimsekt" - flüstert die Uschi, „Krimisekti .... er ist nicht billig, aber, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... heiß!"

Um dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.
Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.
Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...
Er weiß: sie ist im Ausnehmen der Gäste ganz groß und lügt, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.
Das haben ihm seine Pilotenfreunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, die Süße, als man sie einmal getestet.
Das imponiert ihm. Er denkt: ‚irgendwann krieg ich dich doch noch, du Kleine!‘

***

Der Schuppen platzt inzwischen aus allen Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.
Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.
Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Die Wände wackeln. Und an der Decke drehen sich glitzernd und farbenversprühend die Diskokugeln.

°°°° When the chimes ring five,
six and seven
we’ll be rocking up in seventh heaven.
we’re gonna rock around the clock tonight,
we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.
We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°


Es ist jetzt halb drei.
Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle zuletzt. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.
Hier brummt der Bär, tobt das Leben.

°°°° The warden threw a party in the county jail,
the prison band was there and they began to wail,
the band was jumpin’ and the joint began to swing,
you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.
Let’s rock, everybody, let’s rock,
everybody in the whole cell block
WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°°

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Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight- Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.

***

Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er, Ronnie, lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft. Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.
Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie auch bald schon allein. Locker wie eine Puppe hebt er sie hoch und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.

°°°° On a day like today
we pass the time away
WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.
Now my broken heart aches
with every wave that breaks
over love letters in the sand. °°°°

***
Eva ist schön und Ben, auch so ein Airforce-Typ, eifersüchtig like hell. Schließlich ist Eva 'his girl and they go together'. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Jetzt reicht ihm der Shit.
Eva - wie immer passiv - grinst nur. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit 'idiots' beisammen saß und trank. Wo er sie doch gerade in dem Augenblick um sich haben wollte und nicht bis Lokalschluss warten mochte. Er hat sie herausgezerrt, bei den Schultern gepackt, einmal sogar bei den Haaren, heftig, bis sie schrie. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... wie sein Eigentum. Was für ein Zirkus!
Und so einen liebt sie: "My Captain!"
Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.
Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Sie sehen sich mitleidig an: eine Verrückte.
"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.


Aaron, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.
Diesen Zwist beendet Ben. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell innehalten.
"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Aaron und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!", zischt er leise und drohend.“
Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, energisch, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm nimmt und wegträgt.

***

Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Aufs Klo rennt die Christa, muss grässlich kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.

°°°° You can dance ev’ry dance with the guy
who gives you the eye, let him hold you tight.
You can smile ev’ry smile for the man
who held your hand ‘neath the pale moonlight.
BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME
AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,
SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°

***

Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit Weiberschläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie innig von Liebe labern ... sie werden mit verruchtem Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.
Durch frivoles Geplauder hält man sie schön bei der Stange. Auch dürfen sie sich schon mal ein Küsschen holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber nicht mehr. Der steigende Alkoholpegel der Gäste arbeitet auch FÜR die Frauen. Die Herren der Schöpfung werden immer verlieren. Die Damen bestellen weiter lustig Champagner und den meisten schütten sie weg.
Die armen Möchte-gern-Ficker ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug. Bis die Brieftasche leer ist.

Nachher zählen die Bargirls nebenan in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sei könnnen nur staunen, wie doch alles so leicht läuft und man sogar ... unberührt bleibt.

***

Die Band macht jetzt Pause und die Juke-Box springt ein. Freddy singt vom traurigen Schicksal der Legionäre in Afrika:

°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,
fern, so fern dem Heimatland,
(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.
(so schön, schön war die Zeit.)
Dort wo die Blumen blühn,
dort wo die Täler grün,
dort war ich einmal zuhause.
Wo ich die Liebste fand,
da liegt mein Heimatland,
wie lang bin ich noch allein? °°°°

Ein Mann kracht vom Barstuhl herunter und schläft auf dem Holzboden weiter.

***

Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss konnte es vielleicht bei ihrer Einstellung nicht schnallen, die anderen Mädchen aber schon: Lu ist eine Nutte. Sie trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.
Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...

Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.

***

Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.

Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.

O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.
Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...
"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"

Ach, Jim hasst die Kneipen und das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet auch Germany. Und eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.

***

Manchmal geschieht es aber wirklich für ein Barmädchen und einen Ami- Soldaten ... dass sie zusammenhalten, dass sie zusammen bleiben. Klar ... liebende Frauen sind für das Nachtleben verloren. Andere aber verplempern, verbumsen die Zeit, vergaukeln die Zukunft.

***

Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie aber keinen Pfennig verdient, denn sie arbeitet nicht hier - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint dabei Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.

***

Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Stühlen und Tischen.
The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.
Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.
Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!

Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.
Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.
Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,
fern Fetzen Gelächter, die im Winde verwehen ...

Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.

Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.

***



NACHWORT

Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.
Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten
as ... the music died.

°°°° Take one fresh and tender kiss -

sang einst heiser die Lady -

add one stolen night of bliss..
ONE GIRL, ONE BOY,
SOME GRIEF, SOME JOY...
MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°

Memories.

Should auld acquaintance be forgot
and never brought to mind?

K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte - Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.

For au-au-auld lang syne, my dear,
for au-au-auld lang syne,
we'll take a cup of kindness yet,
for the days of auld longsyne.


Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?
Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.

Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?

Mädchen:
Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.

Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in sehr vielen Betten.
Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, genosst die brausenden Parties und Feten. Genosst die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.

Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.
Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit den American- Heros im Traum-Cadillac,
with the free, fresh wind in your hair.

Was life without care??

Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.

Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...

Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.

*

Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.
Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.

Was bleibt?
Nostalgie.

Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...
Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,
nie ganz vorbei.

Say "farewell" now to lovers,
and to K’town ..."so long."

IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR
FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,
WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET
FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.







http://www.youtube.com/watch?v=eG3afAIi6IQ&mode=related&search=




Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002
überarbeitet 03.06.2005

*
 

Inu

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*





A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland
um 1960.
Momentaufnahme.

Kaiserslautern.
Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Auffällig ist ihre Präsenz bei Tag und Nacht.

An die vierhundert Bars gibt es in K’town und der Umgebung.
_

Bedienung für Cafés
auch Anfängerinnen
in amerikanische Garnisonsstadt gesucht
Unterkunft im Haus


so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.

Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Es lockt der Dollar, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.


STARLIGHT BAR

Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.

Um halb zehn Uhr morgens öffnet der Laden. Von da an tost und wummert ohne Ende die Juke-Box.

°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...

- das ist Paul Anka –

I’m all alo-one with nothin’ to do.
I've got everythi-iing
you could think of.
But all I wa-ant
is someone to love
Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss
Someone to ho-old at a moment like this.°°°°


Die STARLIGHT BAR ... nachts schimmert sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf grüngrauem Meer, ist jedoch bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, aber schäbiger Schuppen.
Da lungern schläfrig die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre. In der PX kaufen es ihnen die Freunde und Lover.

Jung sind diese Mädchen, ihre Kindheit war schlecht, im Heim sind sie aufgewachsen. Vom Leben geschüttelt, haben sie noch nirgends Fuß fassen können. Hier braucht es keine Ausbildung und kein Wissen, hier werden sie nicht mehr versagen und nie allein sein.
Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.
Und die Hoffnung kann schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.

Im Dorf wirbeln die jungen Dinger viel Staub auf. Die Bauernsöhne sind begeistert, die Landfrauen fuchsteufelswild, wenn diese Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd auf ihren Stöckelschuhen in die ehrbaren Gassen einfallen und dann bei Tante Emma den Laden und die Kundschaft durcheinander bringen.

Starlight-Bar. Amerikanische Soldaten kommen an freien Tagen früh her und kurieren hier ihr Heimweh mit Whisky und Bier. Polternd erstürmen sie schon vor Mittag den Schuppen. Da werden die schläfrigen Mädchen munter. Man dreht die Musikbox lauter, knipst den weiblichen Charme an. Durch Alltagsgeplauder, dummchensüß oder mit Humor und Ironie gepfeffert, gelingt es den hauseigenen Blondinen, die Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Die Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit launische Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens zu und ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht gar Champagner.

*

Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Wurlitzer tönen:

°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,
a White Chapel, ou Borneo.
C‘est a Hambourg, a Santiago,
a Rotterdam, ou a Frisco...

Hello boy ! You come with me ?
Amigo ! Te quiero mucho !
Liebling ! Komm doch mit mir !

C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,
dans les bastringues a matelots,
que je trimballe encore ma peau,
les bras ouverts à l'infini...
Car moi je suis comme la mer,
j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,
j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca
qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...
C‘est a Hambourg, a Santiago
a White Chapel, ou Borneo...

So long, boy...
Adios, amigo...
Nachher, Schatz...
...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°


***

Eva malt heimlich auf ihrem Zimmer expressionistische Bilder, hat auch sonst den Kopf in den Wolken, ist verrückt nach diesem Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen, vier mal, fünf mal hintereinander, bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:

°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.
She loves the theater, but doesn‘t come late.
She‘d never bother, with people she‘d hate,
THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.

Doesn‘t like crap games, with barons and earls,
won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.
Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.
That‘s why the lady is a tramp.

SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,
life without care.
She‘s broke, but it‘s o‘k.
She hates California, it‘s cold and it‘s damp.
That‘s why the lady is a tramp. °°°°



Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.

Aaron, ein Israeli mit großen Augen, müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja ... Schaumwein! In großen Mengen, für zwei Mark dreißig die Flasche, wird er alle paar Tage aus dem Edeka-Laden angeliefert und verwandelt sich augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet dann den Gast hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus spendiert. Vierzig davon verdient die Kleine. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.

Die Longdrinks, die weniger großzügige Herren den Barmädchen spendieren, heißen simpel 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit beglückten Dame gutgeschrieben.
Unaufhörlich 'mixt' Max, der Barmann diese Drink-Creationen für die Mädchen: Mixen tut er eigentlich nix, sondern in eine langstielige Cocktailschale gießt er Fanta oder Cola, sprenkelt dann noch ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac hinein. Als herrliche Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. – Ein bunter Strohhalm dazu ... fertig. Vorsicht! Das Zeug kann durchaus Spuren von Alkohol enthalten.
Solange nicht in Unmengen getrunken, schadet es aber der Leber kaum ...


"Das schmeckt toll", sagen die Mädchen und lassen die skeptisch blickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie alles in Kauf.

Die Girls.
Sogar nachts, in der wilden, schweißtreibenden Atmosphäre der stickigen Räume, gelingt es den meisten, elegant zu wirken.
Sie halten auf sich. Kleiden sich modisch. Gönnen sich Luxus. Täglicher Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Es gilt, sie zu erhalten ...
*

Im STARLIGHT wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz. Auch würde ein Mann auf dem Zimmer für eine, die hier im Haus wohnt, augenblicklich den Rausschmiss bedeuten. Denn - soviel muss gesagt sein - solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Betreiber, reiche Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt. Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb treiben interessiert die Bosse nicht.

„Come, have a drink“, rufen die G.I.s und winken die erwählten Bargirls mit Dollarnoten heran. Den deutschen Gästen geht es nicht besser. Auch sie müssen für simple Gesellschaft teuer berappen. Na ja ... die Frauen sind jung und brauchen das Geld!

Aber ... viel zu trinken kriegt eine auf Dauer nur, wenn sie den Gast auch richtig gut unterhält. Das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze geworden, geübt im schlüpfrige-Witze-Erzählen und niedlichen Nonsens-Geplapper. Und das für die G.I.s sogar auf Englisch.
Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme allein ausreicht, die Getränke-ordernden Männer bei der Stange zu halten. Peinlich ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit der Restgeldsumme in der Tasche entkommt und zur Konkurrenz in die Bar nebenan eilt, wo man im Starlight doch so sehr auf ihn gezählt hat.
Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses Bar- Business ohnehin. Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine große Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja, die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben, wenn sie auf die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen vertrauen. Es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer in das EINE.

Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner. Denn der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie schnell. Es gibt einen Hinterausgang.

*

Im Starlight gibt es die beste Musik. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Und die Tanzschlager der Welt.
Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...
Idole: Elvis, the King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.

Irr ist auch der Sound von Bill Haley.

°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,
five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,
singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.
‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,
we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°



Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Touch Reeperbahn und furioses Menschengewimmel.
Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.

Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach den Kartoffelfeuern der Bauern und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und Ähren. Auch hört man Liebeslaute und das Kichern der Pärchen vom Rand des Kornfelds.


Luzie hält Hof ... in engem Schneiderkostüm und weißer Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie Fähnchen, niemals gibt sie sich billig. Chefsekretärin hätte sie werden können oder Beamtin ... in einem anderen Leben.
Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich oft in Luzie. Keine bekommt so viele Drinks wie sie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands, sagt sie. Luzie ist ganz besonders ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, doch warum? Ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Hier ist sie zu Hause. Auch sie eine, die im Heim aufwuchs. Längst sind die Bars zu ihrer Bühne geworden. Hier spielt sie sich selbst.

*

Uschi errötet, denn da kommt ihr bester Freier von allen.
"Hallo, Mister Right."
Colonel Hornby, ein Helden-Pilot der Airforce, geht in so einen Schuppen nur dann, wenn er blau ist und wenn Frau und Kinder auf Heimaturlaub in USA sind. Rasch sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt den Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ach, ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind seidig und warm ... Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Mann, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - bis hierher, nicht weiter ... spielt dabei das geschämige, aber willige Dummchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Please ... was denken die Leute ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my darling, then ... you come with me."

Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.
Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!
Schnell schwänzelt die Helga heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt sie in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.
"Der hier kommt aus Russland ... echter Krimsekt" - flüstert die Uschi, „Krimisekti .... er kostet schon was, aber, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... heiß!"

Um dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.
Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.
Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...
Er weiß: im Ausnehmen der Gäste ist sie ganz groß, auch lügt sie, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.
Das haben ihm seine Pilotenfreunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, als man sie einmal getestet.
Das imponiert ihm. Er denkt: ‚irgendwann krieg ich dich doch noch, Mädchen!‘

***

Der Schuppen platzt inzwischen aus allen Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.
Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.
Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Die Wände wackeln. Und an der Decke drehen sich glitzernd und farbenversprühend die Diskokugeln.

°°°° When the chimes ring five,
six and seven
we’ll be rocking up in seventh heaven.
we’re gonna rock around the clock tonight,
we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.
We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°


Es ist jetzt halb drei.
Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle zuletzt. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.
Hier brummt der Bär, tobt das Leben.

°°°° The warden threw a party in the county jail,
the prison band was there and they began to wail,
the band was jumpin’ and the joint began to swing,
you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.
Let’s rock, everybody, let’s rock,
everybody in the whole cell block
WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°°

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Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight- Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.

***

Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er, Ronnie, lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft. Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.
Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie auch bald schon allein. Locker wie eine Puppe hebt er sie hoch und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.

°°°° On a day like today
we pass the time away
WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.
Now my broken heart aches
with every wave that breaks
over love letters in the sand. °°°°

***
Eva ist schön und Ben, auch so ein Airforce-Typ, eifersüchtig like hell. Schließlich ist Eva 'his girl and they go together'. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Jetzt reicht ihm der Shit.
Eva - wie immer passiv - grinst nur. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit 'idiots' beisammen saß und trank. Wo er sie doch gerade in dem Augenblick um sich haben wollte und nicht bis Lokalschluss warten mochte. Er hat sie herausgezerrt, bei den Schultern gepackt, einmal sogar bei den Haaren, heftig, bis sie schrie. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... wie sein Eigentum. Was für ein Zirkus!
Und so einen liebt sie: "My Captain!"
Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.
Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Sie sehen sich mitleidig an: eine Verrückte.
"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.


Aaron, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.
Diesen Zwist beendet Ben. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell innehalten.
"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Aaron und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!", zischt er leise und drohend.“
Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, energisch, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm nimmt und wegträgt.

***

Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Aufs Klo rennt die Christa, muss grässlich kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.

°°°° You can dance ev’ry dance with the guy
who gives you the eye, let him hold you tight.
You can smile ev’ry smile for the man
who held your hand ‘neath the pale moonlight.
BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME
AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,
SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°

***

Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit Weiberschläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie innig von Liebe labern ... sie werden mit verruchtem Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.
Durch frivoles Geplauder hält man sie schön bei der Stange. Auch dürfen sie sich schon mal ein Küsschen holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber nicht mehr. Der steigende Alkoholpegel der Gäste arbeitet auch FÜR die Frauen. Die Herren der Schöpfung werden immer verlieren. Die Damen bestellen weiter lustig Champagner und den meisten schütten sie weg.
Die armen Möchte-gern-Ficker ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug. Bis die Brieftasche leer ist.

Nachher zählen die Bargirls nebenan in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sei könnnen nur staunen, wie doch alles so leicht läuft und man sogar ... unberührt bleibt.

***

Die Band macht jetzt Pause und die Juke-Box springt ein. Freddy singt vom traurigen Schicksal der Legionäre in Afrika:

°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,
fern, so fern dem Heimatland,
(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.
(so schön, schön war die Zeit.)
Dort wo die Blumen blühn,
dort wo die Täler grün,
dort war ich einmal zuhause.
Wo ich die Liebste fand,
da liegt mein Heimatland,
wie lang bin ich noch allein? °°°°

Ein Mann kracht vom Barstuhl herunter und schläft auf dem Holzboden weiter.

***

Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss konnte es vielleicht bei ihrer Einstellung nicht schnallen, die anderen Mädchen aber schon: Lu ist eine Nutte. Sie trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.
Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...

Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.

***

Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.

Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.

O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.
Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...
"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"

Ach, Jim hasst die Kneipen und das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet auch Germany. Und eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.

***

Manchmal geschieht es aber wirklich für ein Barmädchen und einen Ami- Soldaten ... dass sie zusammenhalten, dass sie zusammen bleiben. Klar ... liebende Frauen sind für das Nachtleben verloren. Andere aber verplempern, verbumsen die Zeit, vergaukeln die Zukunft.

***

Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie aber keinen Pfennig verdient, denn sie arbeitet nicht hier - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint dabei Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.

***

Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Stühlen und Tischen.
The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.
Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.
Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!

Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.
Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.
Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,
fern Fetzen Gelächter, die im Winde verwehen ...

Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.

Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.

***



NACHWORT

Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.
Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten
as ... the music died.

°°°° Take one fresh and tender kiss -

sang einst heiser die Lady -

add one stolen night of bliss..
ONE GIRL, ONE BOY,
SOME GRIEF, SOME JOY...
MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°

Memories.

Should auld acquaintance be forgot
and never brought to mind?

K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte - Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.

For au-au-auld lang syne, my dear,
for au-au-auld lang syne,
we'll take a cup of kindness yet,
for the days of auld longsyne.


Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?
Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.

Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?

Mädchen:
Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.

Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in sehr vielen Betten.
Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, genosst die brausenden Parties und Feten. Genosst die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.

Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.
Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit den American- Heros im Traum-Cadillac,
with the free, fresh wind in your hair.

Was life without care??

Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.

Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...

Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.

*

Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.
Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.

Was bleibt?
Nostalgie.

Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...
Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,
nie ganz vorbei.

Say "farewell" now to lovers,
and to K’town ..."so long."

IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR
FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,
WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET
FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.







http://www.youtube.com/watch?v=eG3afAIi6IQ&mode=related&search=




Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002
überarbeitet 03.06.2005

*
 

Inu

Mitglied
*





A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland
um 1960.
Momentaufnahme.

Kaiserslautern.
Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Auffällig ist ihre Präsenz bei Tag und Nacht.

An die vierhundert Bars gibt es in K’town und der Umgebung.
_

Bedienung für Cafés
auch Anfängerinnen
in amerikanische Garnisonsstadt gesucht
Unterkunft im Haus


so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.

Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Es lockt der Dollar, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.


STARLIGHT BAR

Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.

Um halb zehn Uhr morgens öffnet der Laden. Von da an tost und wummert ohne Ende die Juke-Box.

°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...

- das ist Paul Anka –

I’m all alo-one with nothin’ to do.
I've got everythi-iing
you could think of.
But all I wa-ant
is someone to love
Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss
Someone to ho-old at a moment like this.°°°°


Die STARLIGHT BAR ... nachts schimmert sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf grüngrauem Meer, ist jedoch bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, aber schäbiger Schuppen.
Da lungern schläfrig die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre. In der PX kaufen es ihnen die Freunde und Lover.

Jung sind diese Mädchen, ihre Kindheit war schlecht, im Heim sind sie aufgewachsen. Vom Leben geschüttelt, haben sie noch nirgends Fuß fassen können. Hier braucht es keine Ausbildung und kein Wissen, hier werden sie nicht mehr versagen und nie allein sein.
Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.
Und die Hoffnung kann schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.

Im Dorf wirbeln die jungen Dinger viel Staub auf. Die Bauernsöhne sind begeistert, die Landfrauen fuchsteufelswild, wenn diese Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd auf ihren Stöckelschuhen in die ehrbaren Gassen einfallen und dann bei Tante Emma den Laden und die Kundschaft durcheinander bringen.

Starlight-Bar. Amerikanische Soldaten kommen an freien Tagen früh her und kurieren hier ihr Heimweh mit Whisky und Bier. Polternd erstürmen sie schon vor Mittag den Schuppen. Da werden die schläfrigen Mädchen munter. Man dreht die Musikbox lauter, knipst den weiblichen Charme an. Durch Alltagsgeplauder, dummchensüß oder mit Humor und Ironie gepfeffert, gelingt es den hauseigenen Blondinen, die Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Die Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit launische Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens zu und ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht gar Champagner.

*

Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Wurlitzer tönen:

°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,
a White Chapel, ou Borneo.
C‘est a Hambourg, a Santiago,
a Rotterdam, ou a Frisco...

Hello boy ! You come with me ?
Amigo ! Te quiero mucho !
Liebling ! Komm doch mit mir !

C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,
dans les bastringues a matelots,
que je trimballe encore ma peau,
les bras ouverts à l'infini...
Car moi je suis comme la mer,
j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,
j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca
qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...
C‘est a Hambourg, a Santiago
a White Chapel, ou Borneo...

So long, boy...
Adios, amigo...
Nachher, Schatz...
...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°


***

Eva malt heimlich auf ihrem Zimmer expressionistische Bilder, hat auch sonst den Kopf in den Wolken, ist verrückt nach diesem Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen, vier mal, fünf mal hintereinander, bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:

°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.
She loves the theater, but doesn‘t come late.
She‘d never bother, with people she‘d hate,
THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.

Doesn‘t like crap games, with barons and earls,
won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.
Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.
That‘s why the lady is a tramp.

SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,
life without care.
She‘s broke, but it‘s o‘k.
She hates California, it‘s cold and it‘s damp.
That‘s why the lady is a tramp. °°°°



Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.

Aaron, ein Israeli mit großen Augen, müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja ... Schaumwein! In großen Mengen, für zwei Mark dreißig die Flasche, wird er alle paar Tage aus dem Edeka-Laden angeliefert und verwandelt sich augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet dann den Gast hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus spendiert. Vierzig davon verdient die Kleine. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.

Die Longdrinks, die weniger großzügige Herren den Barmädchen spendieren, heißen simpel 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit beglückten Dame gutgeschrieben.
Unaufhörlich 'mixt' Max, der Barmann diese Drink-Creationen für die Mädchen: Mixen tut er eigentlich nix, sondern in eine langstielige Cocktailschale gießt er Fanta oder Cola, sprenkelt dann noch ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac hinein. Als herrliche Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. – Ein bunter Strohhalm dazu ... fertig. Vorsicht! Das Zeug kann durchaus Spuren von Alkohol enthalten.
Solange nicht in Unmengen getrunken, schadet es aber der Leber kaum ...


"Das schmeckt toll", sagen die Mädchen und lassen die skeptisch blickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie alles in Kauf.

Die Girls.
Sogar nachts, in der wilden, schweißtreibenden Atmosphäre der stickigen Räume, gelingt es den meisten, elegant zu wirken.
Sie halten auf sich. Kleiden sich modisch. Gönnen sich Luxus. Täglicher Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Es gilt, sie zu erhalten ...
*

Im STARLIGHT wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz. Auch würde ein Mann auf dem Zimmer für eine, die hier im Haus wohnt, augenblicklich den Rausschmiss bedeuten. Denn - soviel muss gesagt sein - solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Betreiber, reiche Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt. Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb treiben interessiert die Bosse nicht.

„Come, have a drink“, rufen die G.I.s und winken die erwählten Bargirls mit Dollarnoten heran. Den deutschen Gästen geht es nicht besser. Auch sie müssen für simple Gesellschaft teuer berappen. Na ja ... die Frauen sind jung und brauchen das Geld!

Aber ... viel zu trinken kriegt eine auf Dauer nur, wenn sie den Gast auch richtig gut unterhält. Das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze geworden, geübt im schlüpfrige-Witze-Erzählen und niedlichen Nonsens-Geplapper. Und das für die G.I.s sogar auf Englisch.
Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme allein ausreicht, die Getränke-ordernden Männer bei der Stange zu halten. Peinlich ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit der Restgeldsumme in der Tasche entkommt und zur Konkurrenz in die Bar nebenan eilt, wo man im Starlight doch so sehr auf ihn gezählt hat.
Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses Bar- Business ohnehin. Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine große Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja, die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben, wenn sie auf die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen vertrauen. Es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer in das EINE.

Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner. Denn der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie schnell. Es gibt einen Hinterausgang.

*

Im Starlight gibt es die beste Musik. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Und die Tanzschlager der Welt.
Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...
Idole: Elvis, the King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.

Irr ist auch der Sound von Bill Haley.

°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,
five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,
singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.
‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,
we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°



Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Touch Reeperbahn und furioses Menschengewimmel.
Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.

Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach den Kartoffelfeuern der Bauern und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und Ähren. Auch hört man Liebeslaute und das Kichern der Pärchen vom Rand des Kornfelds.


Luzie hält Hof ... in engem Schneiderkostüm und weißer Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie Fähnchen, niemals gibt sie sich billig. Chefsekretärin hätte sie werden können oder Beamtin ... in einem anderen Leben.
Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich oft in Luzie. Keine bekommt so viele Drinks wie sie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands, sagt sie. Luzie ist ganz besonders ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, doch warum? Ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Hier ist sie zu Hause. Auch sie eine, die im Heim aufwuchs. Längst sind die Bars zu ihrer Bühne geworden. Hier spielt sie sich selbst.

*

Uschi errötet, denn da kommt ihr bester Freier von allen.
"Hallo, Mister Right."
Colonel Hornby, der Helden-Pilot der Airforce, geht in so einen Schuppen nur dann, wenn er blau ist und wenn Frau und Kinder auf Heimaturlaub in USA sind. Wow ... rasch sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt den Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind seidig und warm ... Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Colonel, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - bis hierher, nicht weiter ... spielt dabei das geschämige, aber willige Dummchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Please ... was denken die Leute ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my darling, then ... you come with me."

Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.
Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!
Schnell schwänzelt die Helga heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt sie in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.
"Der hier kommt aus Russland ... echter Krimsekt" - flüstert die Uschi, „Krimisekti .... er kostet schon was, aber, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... heiß!"

Um dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.
Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.
Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...
Er weiß: im Ausnehmen der Gäste ist sie ganz groß, auch lügt sie, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.
Das haben ihm seine Pilotenfreunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, als man sie einmal getestet.
Das imponiert ihm. Er denkt: ‚irgendwann krieg ich dich doch noch, Mädchen!‘

***

Der Schuppen platzt jetzt aus den Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.
Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.
Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Es wackeln die Wände. Und an der Decke drehen sich, Farben versprühend, die glitzernden Diskokugeln.

°°°° When the chimes ring five,
six and seven
we’ll be rocking up in seventh heaven.
we’re gonna rock around the clock tonight,
we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.
We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°



Es ist jetzt halb drei.
Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.
Hier brummt der Bär, tobt das Leben.

°°°° The warden threw a party in the county jail,
the prison band was there and they began to wail,
the band was jumpin’ and the joint began to swing,
you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.
Let’s rock, everybody, let’s rock,
everybody in the whole cell block
WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°° {



Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight - Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.

***

Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft. Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.
Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie dann bald auch allein. Hebt sie auf wie eine Puppe und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.

°°°° On a day like today
we pass the time away
WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.
Now my broken heart aches
with every wave that breaks
over love letters in the sand. °°°°


***
Eva ist schön und Ben - auch so ein windschnittiger Airforce-Typ - ist eifersüchtig like hell. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Er meint es ernst. Jetzt reicht ihm der Shit.
Eva grinst nur. Passiv zu sein, ist immer gut. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit Leuten beisammen saß und trank. Wo er sie doch 'als his girl' ansah. Und 'his girl' brauchte nicht mit 'Idioten' zu saufen. Er hat sie bei den Schultern gepackt, bei den Haaren, heftig. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... Evi, sein Eigentum.
Und so einen liebt sie: "My Captain!"
Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.
Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Was für ein Zirkus! Sie sehen sich kopfschüttelnd an: eine Verrückte.
"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.


Aaron, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.
Diesen Zwist beendet Ben. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell klein beigeben.
"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Aaron und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!" Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, energisch, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm hebt und mitnimmt.

***

Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Sie rennt aufs Klo kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.

°°°° You can dance ev’ry dance with the guy
who gives you the eye, let him hold you tight.
You can smile ev’ry smile for the man
who held your hand ‘neath the pale moonlight.
BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME
AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,
SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°


***

Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit Schläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie brünstig von Liebe labern ... sie werden mit Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.
Durch frivoles Gehaben hält man sie schön bei der Stange. Sie dürfen sie sich schon mal ein Küsschen vom fest verschlossenen Mund holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber mehr nicht. Der stetig ansteigende Alkoholpegel der Freier arbeitet gegen sie. Die Herren der Schöpfung werden verlieren. Die Damen aber bestellen weiter lustig Champagner und schütten ihn weg.
Die armen Möchte-gern-Ficker ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug. Bis die Brieftasche leer ist.

Nachher zählen die Bargirls nebenan in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sei könnnen nur staunen, weil doch alles so leicht läuft und man sogar bei der ganzen Sache ... ziemlich unberührt bleibt.

***

Die Band macht jetzt Pause und Juke-Box-Songs springen ein. Freddy singt vom traurigen Schicksal der Afrika-Legionäre

°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,
fern, so fern dem Heimatland,
(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.
(so schön, schön war die Zeit.)
Dort wo die Blumen blühn,
dort wo die Täler grün,
dort war ich einmal zuhause.
Wo ich die Liebste fand,
da liegt mein Heimatland,
wie lang bin ich noch allein? °°°°


Ein Mann kracht vom Barstuhl herunter und schläft auf dem Holzboden weiter.

***

Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss hat es anscheinend bei ihrer Einstellung nicht geschnallt, die anderen Mädchen aber schon: Lu ist eine Nutte. Sie trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.
Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...

Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.

***

Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.

Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.

O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.
Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...
"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"

Ach, Jim hasst die Kneipen, er hasst das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet Germany. Eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.

***

Manchmal geschieht es wirklich, dass ein Barmädchen und ein Ami- Soldat zusammenkommen und zusammenbleiben, in Treue und Ehe vereint. Diese Frauen sind für das Nachtleben verloren. Andere aber verplempern, vergaukeln, verbumsen die Zeit, verlieren die Zukunft. Verlieren die Seele?

***

Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie aber keinen Pfennig verdient, denn sie gehört hier nicht dazu - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint dabei Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.

***

Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Stühlen und Tischen.
The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.
Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.
Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!

Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.
Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.
Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,
fern Fetzen Gelächter, die im Wind verwehen ...

Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.

Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.

***



NACHWORT

Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.
Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten
as ... the music died.

°°°° Take one fresh and tender kiss -

sang einst heiser die Lady -

add one stolen night of bliss..
ONE GIRL, ONE BOY,
SOME GRIEF, SOME JOY...
MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°


Memories.

Should auld acquaintance be forgot
and never brought to mind?


K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte - Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.

For au-au-auld lang syne, my dear,
for au-au-auld lang syne,
we'll take a cup of kindness yet,
for the days of auld longsyne.



Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?
Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.

Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?

Mädchen:
Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.

Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in sehr vielen Betten.
Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, genosset die brausenden Parties und Feten. Genosset die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.

Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.
Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit American- Heros im Traum-Cadillac,
with the free, fresh wind in your hair.

Was life without care??

Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.

Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...

Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.

*

Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.
Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.

Was bleibt?
Nostalgie.

Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...
Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,
nie ganz vorbei.

Say "farewell" now to lovers,
and to K’town ..."so long."

IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR
FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,
WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET
FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.







http://www.youtube.com/watch?v=eG3afAIi6IQ&mode=related&search=




Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002
überarbeitet 03.06.2005

*
 

Inu

Mitglied
*





A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland
um 1960.
Momentaufnahme.

Kaiserslautern.
Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Auffällig ist ihre Präsenz bei Tag und Nacht.

An die vierhundert Bars gibt es in K’town und der Umgebung.
_

Bedienung für Cafés
auch Anfängerinnen
in amerikanische Garnisonsstadt gesucht
Unterkunft im Haus


so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.

Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Es lockt der Dollar, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.


STARLIGHT BAR

Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.

Um halb zehn Uhr morgens öffnet der Laden. Von da an tost und wummert ohne Ende die Juke-Box.

°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...

- das ist Paul Anka –

I’m all alo-one with nothin’ to do.
I've got everythi-iing
you could think of.
But all I wa-ant
is someone to love
Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss
Someone to ho-old at a moment like this.°°°°


Die Starlight Bar ... nachts schimmert sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf graugrünem Meer, ist jedoch bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, aber schäbiger Schuppen.
Da lungern schläfrig die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre. In der PX kaufen es ihnen die Freunde und Lover.

Jung sind diese Mädchen, ihre Kindheit war schlecht, im Heim sind sie aufgewachsen. Vom Leben geschüttelt, haben sie noch nirgends Fuß fassen können. Hier braucht es keine Ausbildung und kein Wissen, hier werden sie nicht mehr versagen und nie allein sein.
Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.
Und die Hoffnung kann schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.

Im Dorf wirbeln die jungen Dinger viel Staub auf. Die Bauernsöhne kriegen rote Ohren, die Landfrauen werden fuchsteufelswild, wenn diese Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd auf ihren Stöckelschuhen in die ehrbaren Gassen einfallen und dann bei Tante Emma den Laden und die Kundschaft durcheinander bringen.

Starlight-Bar. Amerikanische Soldaten kommen an freien Tagen früh her und kurieren hier ihr Heimweh mit Whisky und Bier. Polternd erstürmen sie schon vor Mittag den Schuppen. Da werden die schläfrigen Mädchen munter. Sie drehen die Musikbox lauter, knipsen den weiblichen Charme an. Durch Alltagsgeplauder, dummchensüß oder mit Humor und Ironie gepfeffert, gelingt es den hauseigenen Blondinen, die Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Diese Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit launische Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens zu und ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht gar Champagner.

*

Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Wurlitzer tönen:

°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,
a White Chapel, ou Borneo.
C‘est a Hambourg, a Santiago,
a Rotterdam, ou a Frisco...

Hello boy ! You come with me ?
Amigo ! Te quiero mucho !
Liebling ! Komm doch mit mir !

C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,
dans les bastringues a matelots,
que je trimballe encore ma peau,
les bras ouverts à l'infini...
Car moi je suis comme la mer,
j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,
j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca
qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...
C‘est a Hambourg, a Santiago
a White Chapel, ou Borneo...

So long, boy...
Adios, amigo...
Nachher, Schatz...
...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°


***

Eva malt heimlich auf ihrem Zimmer expressionistische Bilder, hat auch sonst den Kopf in den Wolken, ist verrückt nach Edith`s Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen - vier mal, fünf mal hintereinander - bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:

°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.
She loves the theater, but doesn‘t come late.
She‘d never bother, with people she‘d hate,
THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.

Doesn‘t like crap games, with barons and earls,
won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.
Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.
That‘s why the lady is a tramp.

SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,
life without care.
She‘s broke, but it‘s o‘k.
She hates California, it‘s cold and it‘s damp.
That‘s why the lady is a tramp. °°°°



Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.

Aaron, ein Israeli mit großen Augen, müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja ... Schaumwein! In großen Mengen, für zwei Mark dreißig die Flasche, wird er alle paar Tage aus dem Edeka-Laden angeliefert und verwandelt sich augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet dann den Gast hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus spendiert. Vierzig davon verdient die Kleine. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.

Die Longdrinks, die weniger großzügige Herren den Barmädchen spendieren, heißen simpel 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit beglückten Dame gutgeschrieben.
Unaufhörlich 'mixt' Max, der Barmann diese Drink-Creationen für die Mädchen: Mixen tut er eigentlich nix, sondern er gießt Fanta oder Cola in eine langstielige Cocktailschale, sprenkelt ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac hinein. Dazu als herrliche Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. – Noch ein bunter Strohhalm ... fertig. Vorsicht! Das Zeug kann durchaus Spuren von Alkohol enthalten.
Solange nicht in Unmengen getrunken, schadet es aber der Leber kaum ...


"Das schmeckt toll", sagen die Mädchen und lassen die skeptisch dreinblickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie alles in Kauf.

Die Girls.
Sogar nachts, in der wilden, schweißtreibenden Atmosphäre der stickigen Räume, gelingt es den meisten, elegant zu wirken.
Sie halten auf sich. Kleiden sich modisch. Gönnen sich Luxus. Täglicher Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Es gilt, sie zu erhalten ...
*

Im Starlight wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz. Auch würde ein Mann auf dem Zimmer für eine, die hier im Haus wohnt, augenblicklich den Rausschmiss bedeuten. Denn - soviel muss gesagt sein - solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Betreiber, reiche Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt. Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb treiben interessiert die Bosse nicht.

„Come, have a drink“, rufen die G.I.s und winken die erwählten Bargirls mit Dollarnoten heran. Den deutschen Gästen geht es nicht besser. Auch sie müssen für simple Gesellschaft teuer berappen. Na ja ... die Frauen sind jung und brauchen das Geld!

Aber ... viel zu trinken kriegt eine auf Dauer nur, wenn sie den Gast auch gut unterhält. Das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Das ist verdammt schwer. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze geworden, geübt im schlüpfrige-Witze-Erzählen und niedlichen Nonsens-Geplapper. Und das für die G.I.s sogar auf Englisch.
Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme allein ausreicht, die Getränke-ordernden Männer bei der Stange zu halten. Peinlich ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit der Restgeldsumme in der Tasche entkommt und zur Konkurrenz in die Bar nebenan eilt, wo man im Starlight doch so sehr auf ihn gezählt hat.
Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses Bar- Business ohnehin. Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine große Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja, die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben, wenn sie auf die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen vertrauen. Es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer in das EINE.

Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner. Denn der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie schnell zum Hinterausgang hinaus.

*

Im Starlight gibt es die beste Musik. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Und die Tanzschlager der Welt.
Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...
Idole: Elvis, the King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.

Irr ist auch der Sound von Bill Haley.

°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,
five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,
singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.
‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,
we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°



Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Touch Reeperbahn und furioses Menschengewimmel.
Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.

Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach den Kartoffelfeuern der Bauern und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und Ähren. Auch hört man Liebeslaute und das Kichern der Pärchen vom Rand des Kornfelds.


Luzie hält Hof ... in engem Schneiderkostüm und weißer Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie Fähnchen, niemals gibt sie sich billig. Chefsekretärin hätte sie werden können oder Beamtin ... in einem anderen Leben.
Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich oft in Luzie. Keine bekommt so viele Drinks wie sie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands, sagt sie. Luzie ist ganz besonders ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, doch warum? Ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Hier ist sie zu Hause. Auch sie eine, die im Heim aufwuchs. Längst sind die Bars zu ihrer Bühne geworden. Hier spielt sie sich selbst.

*

Uschi errötet, denn da kommt ihr bester Freier von allen.
"Hallo, Mister Right."
Colonel Hornby, der Helden-Pilot der Airforce, geht in so einen Schuppen nur dann, wenn er blau ist und wenn Frau und Kinder auf Heimaturlaub in USA sind. Wow ... rasch sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt den Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind seidig und warm ... Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Colonel, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - bis hierher, nicht weiter ... spielt dabei das geschämige, aber willige Dummchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Please ... was denken die Leute ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my darling, then ... you come with me."

Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.
Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!
Schnell schwänzelt die Helga heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt sie in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.
"Der hier kommt aus Russland ... echter Krimsekt" - flüstert die Uschi, „Krimisekti .... er kostet schon was, aber, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... heiß!"

Um dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.
Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.
Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...
Er weiß: im Ausnehmen der Gäste ist sie ganz groß, auch lügt sie, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.
Das haben ihm seine Pilotenfreunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, als man sie einmal getestet.
Das imponiert ihm. Er denkt: ‚irgendwann krieg ich dich doch noch, Mädchen!‘

***

Der Schuppen platzt jetzt aus den Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.
Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.
Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Es wackeln die Wände. Und an der Decke drehen sich, Farben versprühend, die glitzernden Diskokugeln.

°°°° When the chimes ring five,
six and seven
we’ll be rocking up in seventh heaven.
we’re gonna rock around the clock tonight,
we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.
We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°



Es ist jetzt halb drei.
Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.
Hier brummt der Bär, tobt das Leben.

°°°° The warden threw a party in the county jail,
the prison band was there and they began to wail,
the band was jumpin’ and the joint began to swing,
you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.
Let’s rock, everybody, let’s rock,
everybody in the whole cell block
WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°°



Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight - Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.

***

Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft. Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.
Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie dann bald auch allein. Hebt sie auf wie eine Puppe und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.

°°°° On a day like today
we pass the time away
WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.
Now my broken heart aches
with every wave that breaks
over love letters in the sand. °°°°


***
Eva ist schön und Ben - auch so ein windschnittiger Airforce-Typ - ist eifersüchtig like hell. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Er meint es ernst. Jetzt reicht ihm der Shit.
Eva grinst nur. Passiv zu sein, ist immer gut. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit Leuten beisammen saß und trank. Wo er sie doch 'als his girl' ansah. Und 'his girl' brauchte nicht mit 'Idioten' zu saufen. Er hat sie bei den Schultern gepackt, bei den Haaren, heftig. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... Evi, sein Eigentum.
Und so einen liebt sie: "My Captain!"
Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.
Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Was für ein Zirkus! Sie sehen sich kopfschüttelnd an: eine Verrückte.
"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.

Aaron, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.
Diesen Zwist beendet Ben. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell einhalten.
"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Aaron und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!" Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, stark, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm hebt und mitnimmt.

***

Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Sie rennt aufs Klo kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.

°°°° You can dance ev’ry dance with the guy
who gives you the eye, let him hold you tight.
You can smile ev’ry smile for the man
who held your hand ‘neath the pale moonlight.
BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME
AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,
SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°


***

Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit Schläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie brünstig von Liebe labern ... sie werden mit Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.
Durch frivoles Gehaben hält man sie schön bei der Stange. Sie dürfen sie sich schon mal ein Küsschen vom fest verschlossenen Mund holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber mehr nicht. Der stetig ansteigende Alkoholpegel der Freier arbeitet gegen sie. Die Herren der Schöpfung werden verlieren. Die Damen aber bestellen weiter lustig Champagner und schütten ihn weg.
Die armen Möchte-gern-Ficker ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug. Bis die Brieftasche leer ist.

Nachher zählen die Bargirls hinten in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sie staunen, weil doch alles so leicht läuft und man sogar bei der ganzen Sache ... ziemlich unberührt bleibt.

***

Die Band macht jetzt Pause. Freddy beklagt in der Juke-Box das traurige Schicksal der Legionäre

°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,
fern, so fern dem Heimatland,
(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.
(so schön, schön war die Zeit.)
Dort wo die Blumen blühn,
dort wo die Täler grün,
dort war ich einmal zuhause.
Wo ich die Liebste fand,
da liegt mein Heimatland,
wie lang bin ich noch allein? °°°°


Ein Mann kracht vom Barstuhl und schläft auf dem Holzboden weiter.

***

Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss hat es anscheinend bei ihrer Einstellung nicht geschnallt, die anderen Mädchen aber schon: Sie ist eine Nutte, trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.
Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...

Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.

***

Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.

Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.

O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.
Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...
"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"

Ach, Jim hasst die Kneipen, er hasst das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet Germany. Eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.

***


Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie keinen Pfennig verdient, denn sie gehört hier nicht dazu - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint aber Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.

***

Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Stühlen und Tischen.
The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.
Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.
Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!

Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.
Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.
Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,
fern Fetzen Gelächter, die im Wind verwehen ...

Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.

Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.

***



NACHWORT

Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.
Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten
as ... the music died.

°°°° Take one fresh and tender kiss -

sang einst heiser die Lady -

add one stolen night of bliss..
ONE GIRL, ONE BOY,
SOME GRIEF, SOME JOY...
MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°


Memories.

Should auld acquaintance be forgot
and never brought to mind?


K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte. Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.

For au-au-auld lang syne, my dear,
for au-au-auld lang syne,
we'll take a cup of kindness yet,
for the days of auld longsyne.



Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?
Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.

Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?

Mädchen:
Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.

Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in zahllosen Betten.
Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, ihr liebtet die brausenden Parties und Feten. Liebtet die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.

Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.
Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit American- Heros im Traum-Cadillac,
with the free, fresh wind in your hair.

Was life without care??

Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.

Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...

Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.

*

Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.
Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.

Was bleibt?
Nostalgie.

Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...
Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,
nie ganz vorbei.

Say "farewell" now to lovers,
and to K’town ..."so long."

IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR
FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,
WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET
FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.







http://www.youtube.com/watch?v=eG3afAIi6IQ&mode=related&search=




Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002
überarbeitet 03.06.2005

*
 

Inu

Mitglied
*





A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland
um 1960.
Momentaufnahme.

Kaiserslautern.
Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Auffällig ist ihre Präsenz bei Tag und Nacht.

An die vierhundert Bars gibt es in K’town und der Umgebung.
_

Bedienung für Cafés
auch Anfängerinnen
in amerikanische Garnisonsstadt gesucht
Unterkunft im Haus


so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.

Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Es lockt der Dollar, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.


STARLIGHT BAR

Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.

Um halb zehn Uhr morgens öffnet der Laden. Von da an tost und wummert ohne Ende die Juke-Box.

°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...

- das ist Paul Anka –

I’m all alo-one with nothin’ to do.
I've got everythi-iing
you could think of.
But all I wa-ant
is someone to love
Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss
Someone to ho-old at a moment like this.°°°°


Die Starlight Bar ... nachts schimmert sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf graugrünem Meer, ist jedoch bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, aber schäbiger Schuppen.
Da lungern schläfrig die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre. In der PX kaufen es ihnen die Freunde und Lover.

Jung sind diese Mädchen, ihre Kindheit war schlecht, im Heim sind sie aufgewachsen. Vom Leben geschüttelt, haben sie noch nirgends Fuß fassen können. Hier braucht es keine Ausbildung und kein Wissen, hier werden sie nicht mehr versagen und nie allein sein.
Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.
Und die Hoffnung kann schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.

Im Dorf wirbeln die jungen Dinger viel Staub auf. Die Bauernsöhne kriegen rote Ohren, die Landfrauen werden fuchsteufelswild, wenn diese Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd auf ihren Stöckelschuhen in die ehrbaren Gassen einfallen und dann bei Tante Emma den Laden und die Kundschaft durcheinander bringen.

Starlight-Bar. Amerikanische Soldaten kommen an freien Tagen früh her und kurieren hier ihr Heimweh mit Whisky und Bier. Polternd erstürmen sie schon vor Mittag den Schuppen. Da werden die schläfrigen Mädchen munter. Sie drehen die Musikbox lauter, knipsen den weiblichen Charme an. Durch Alltagsgeplauder, dummchensüß oder mit Humor und Ironie gepfeffert, gelingt es den hauseigenen Blondinen, die Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Diese Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit launische Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens zu und ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht gar Champagner.

*

Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Wurlitzer tönen:

°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,
a White Chapel, ou Borneo.
C‘est a Hambourg, a Santiago,
a Rotterdam, ou a Frisco...

Hello boy ! You come with me ?
Amigo ! Te quiero mucho !
Liebling ! Komm doch mit mir !

C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,
dans les bastringues a matelots,
que je trimballe encore ma peau,
les bras ouverts à l'infini...
Car moi je suis comme la mer,
j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,
j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca
qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...
C‘est a Hambourg, a Santiago
a White Chapel, ou Borneo...

So long, boy...
Adios, amigo...
Nachher, Schatz...
...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°


***

Eva malt heimlich auf ihrem Zimmer expressionistische Bilder, hat auch sonst den Kopf in den Wolken, ist verrückt nach Edith`s Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen - vier mal, fünf mal hintereinander - bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:

°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.
She loves the theater, but doesn‘t come late.
She‘d never bother, with people she‘d hate,
THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.

Doesn‘t like crap games, with barons and earls,
won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.
Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.
That‘s why the lady is a tramp.

SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,
life without care.
She‘s broke, but it‘s o‘k.
She hates California, it‘s cold and it‘s damp.
That‘s why the lady is a tramp. °°°°



Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.

Aaron, ein Israeli mit großen Augen, müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja ... Schaumwein! In großen Mengen, für zwei Mark dreißig die Flasche, wird er alle paar Tage aus dem Edeka-Laden angeliefert und verwandelt sich augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet dann den Gast hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus spendiert. Vierzig davon verdient die Kleine. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.

Die Longdrinks, die weniger großzügige Herren den Barmädchen spendieren, heißen simpel 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit beglückten Dame gutgeschrieben.
Unaufhörlich 'mixt' Max, der Barmann diese Drink-Creationen für die Mädchen: Mixen tut er eigentlich nix, sondern er gießt Fanta oder Cola in eine langstielige Cocktailschale, sprenkelt ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac hinein. Dazu als herrliche Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. – Noch ein bunter Strohhalm ... fertig. Vorsicht! Das Zeug kann durchaus Spuren von Alkohol enthalten.
Solange nicht in Unmengen getrunken, schadet es aber der Leber kaum ...


"Das schmeckt toll", sagen die Mädchen und lassen die skeptisch dreinblickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie alles in Kauf.

Die Girls.
Sogar nachts, in der wilden, schweißtreibenden Atmosphäre der stickigen Räume, gelingt es den meisten, elegant zu wirken.
Sie halten auf sich. Kleiden sich modisch. Gönnen sich Luxus. Täglicher Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Es gilt, sie zu erhalten ...
*

Im Starlight wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz. Auch würde ein Mann auf dem Zimmer für eine, die hier im Haus wohnt, augenblicklich den Rausschmiss bedeuten. Denn - soviel muss gesagt sein - solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Betreiber, reiche Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt. Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb treiben interessiert die Bosse nicht.

„Come, have a drink“, rufen die G.I.s und winken die erwählten Bargirls mit Dollarnoten heran. Den deutschen Gästen geht es nicht besser. Auch sie müssen für simple Gesellschaft teuer berappen. Na ja ... die Frauen sind jung und brauchen das Geld!

Aber ... viel zu trinken kriegt eine auf Dauer nur, wenn sie den Gast auch gut unterhält. Das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Das ist verdammt schwer. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze geworden, geübt im schlüpfrige-Witze-Erzählen und niedlichen Nonsens-Geplapper. Und das für die G.I.s sogar auf Englisch.
Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme allein ausreicht, die Getränke-ordernden Männer bei der Stange zu halten. Peinlich ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit der Restgeldsumme in der Tasche entkommt und zur Konkurrenz in die Bar nebenan eilt, wo man im Starlight doch so sehr auf ihn gezählt hat.
Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses Bar- Business ohnehin. Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine große Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja, die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben, wenn sie auf die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen vertrauen. Es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer in das EINE.

Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner. Denn der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie schnell zum Hinterausgang hinaus.

*

Im Starlight gibt es die beste Musik. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Und die Tanzschlager der Welt.
Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...
Idole: Elvis, the King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.

Irr ist auch der Sound von Bill Haley.

°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,
five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,
singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.
‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,
we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°



Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Touch Reeperbahn und furioses Menschengewimmel.
Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.

Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach den Kartoffelfeuern der Bauern und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und Ähren. Auch hört man Liebeslaute und das Kichern der Pärchen vom Rand des Kornfelds.


Luzie hält Hof ... in engem Schneiderkostüm und weißer Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie Fähnchen, niemals gibt sie sich billig. Chefsekretärin hätte sie werden können oder Beamtin ... in einem anderen Leben.
Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich oft in Luzie. Keine bekommt so viele Drinks wie sie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands, sagt sie. Luzie ist ganz besonders ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, doch warum? Ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Hier ist sie zu Hause. Auch sie eine, die im Heim aufwuchs. Längst sind die Bars zu ihrer Bühne geworden. Hier spielt sie sich selbst.

*

Uschi errötet, denn da kommt ihr bester Freier von allen.
"Hallo, Mister Right."
Colonel Hornby, der Helden-Pilot der Airforce, geht in so einen Schuppen nur dann, wenn er blau ist und wenn Frau und Kinder auf Heimaturlaub in USA sind. Wow ... rasch sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt den Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind seidig und warm ... Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Colonel, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - bis hierher, nicht weiter ... spielt dabei das geschämige, aber willige Dummchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Please ... was denken die Leute ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my darling, then ... you come with me."

Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.
Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!
Schnell schwänzelt die Helga heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt sie in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.
"Der hier kommt aus Russland ... echter Krimsekt" - flüstert die Uschi, „Krimisekti .... er kostet schon was, aber, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... heiß!"

Um dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.
Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.
Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...
Er weiß: im Ausnehmen der Gäste ist sie ganz groß, auch lügt sie, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.
Das haben ihm seine Pilotenfreunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, als man sie einmal getestet.
Das imponiert ihm. Er denkt: ‚irgendwann krieg ich dich doch noch, Mädchen!‘

***

Der Schuppen platzt jetzt aus den Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.
Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.
Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Es wackeln die Wände. Und an der Decke drehen sich, Farben versprühend, die glitzernden Diskokugeln.

°°°° When the chimes ring five,
six and seven
we’ll be rocking up in seventh heaven.
we’re gonna rock around the clock tonight,
we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.
We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°



Es ist jetzt halb drei.
Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.
Hier brummt der Bär, tobt das Leben.

°°°° The warden threw a party in the county jail,
the prison band was there and they began to wail,
the band was jumpin’ and the joint began to swing,
you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.
Let’s rock, everybody, let’s rock,
everybody in the whole cell block
WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°°



Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight - Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.

***

Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft. Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.
Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie dann bald auch allein. Hebt sie auf wie eine Puppe und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.

°°°° On a day like today
we pass the time away
WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.
Now my broken heart aches
with every wave that breaks
over love letters in the sand. °°°°


***
Eva ist schön und Ben - auch so ein windschnittiger Airforce-Typ - ist eifersüchtig like hell. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Er meint es ernst. Jetzt reicht ihm der Shit.
Eva grinst nur. Passiv zu sein, ist immer gut. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit Leuten beisammen saß und trank. Wo er sie doch 'als his girl' ansah. Und 'his girl' brauchte nicht mit 'Idioten' zu saufen. Er hat sie bei den Schultern gepackt, bei den Haaren, heftig. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... Evi, sein Eigentum.
Und so einen liebt sie: "My Captain!"
Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.
Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Was für ein Zirkus! Sie sehen sich kopfschüttelnd an: eine Verrückte.
"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.

Aaron, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.
Diesen Zwist beendet Ben. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell einhalten.
"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Aaron und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!" Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, stark, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm hebt und mitnimmt.

***

Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Sie rennt aufs Klo kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.

°°°° You can dance ev’ry dance with the guy
who gives you the eye, let him hold you tight.
You can smile ev’ry smile for the man
who held your hand ‘neath the pale moonlight.
BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME
AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,
SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°


***

Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit Schläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie brünstig von Liebe labern ... sie werden mit Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.
Durch frivoles Gehaben hält man sie schön bei der Stange. Sie dürfen sie sich schon mal ein Küsschen vom fest verschlossenen Mund holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber mehr nicht. Der stetig ansteigende Alkoholpegel der Freier arbeitet gegen sie. Die Herren der Schöpfung werden verlieren. Die Damen aber bestellen weiter lustig Champagner und schütten ihn weg.
Die armen Möchte-gern-Ficker ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug. Bis die Brieftasche leer ist.

Nachher zählen die Bargirls hinten in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sie staunen, weil doch alles so leicht läuft und man sogar bei der ganzen Sache ... ziemlich unberührt bleibt.

***

Die Band macht jetzt Pause. Freddy beklagt in der Juke-Box das traurige Schicksal der Legionäre

°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,
fern, so fern dem Heimatland,
(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.
(so schön, schön war die Zeit.)
Dort wo die Blumen blühn,
dort wo die Täler grün,
dort war ich einmal zuhause.
Wo ich die Liebste fand,
da liegt mein Heimatland,
wie lang bin ich noch allein? °°°°


Ein Mann kracht vom Barstuhl und schläft auf dem Holzboden weiter.

***

Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss hat es anscheinend bei ihrer Einstellung nicht geschnallt, die anderen Mädchen aber schon: Sie ist eine Nutte, trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.
Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...

Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.

***

Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.

Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.

O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.
Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...
"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"

Ach, Jim hasst die Kneipen, er hasst das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet Germany. Eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.

***


Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie keinen Pfennig verdient, denn sie gehört hier nicht dazu - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint aber Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.

***

Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Stühlen und Tischen.
The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.
Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.
Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!

Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.
Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.
Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,
fern Fetzen Gelächter, die im Wind verwehen ...

Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.

Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.

***



NACHWORT

Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.
Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten
as ... the music died.

°°°° Take one fresh and tender kiss -

sang einst heiser die Lady -

add one stolen night of bliss..
ONE GIRL, ONE BOY,
SOME GRIEF, SOME JOY...
MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°


Memories.

Should auld acquaintance be forgot
and never brought to mind?


K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte. Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.

For au-au-auld lang syne, my dear,
for au-au-auld lang syne,
we'll take a cup of kindness yet,
for the days of auld longsyne.



Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?
Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.

Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?

Mädchen:
Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.

Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in zahllosen Betten.
Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, ihr liebtet die brausenden Parties und Feten. Liebtet die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.

Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.
Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit American- Heros im Traum-Cadillac,
with the free, fresh wind in your hair.

Was life without care??

Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.

Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...

Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.

*

Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.
Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.

Was bleibt?
Nostalgie.

Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...
Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,
nie ganz vorbei.

Say "farewell" now to lovers,
and to K’town ..."so long."

IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR
FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,
WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET
FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.





Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002
überarbeitet 03.06.2005

*
 

Inu

Mitglied
*





A BAUMHOLDER NIGHT



Leben der amerikanischen Soldaten in Deutschland
um 1960.
Momentaufnahme.

Kaiserslautern.
Eine gewaltige Streitmacht haben die USA in der Pfalz stationiert. Uniformierte Soldaten der Army und Airforce prägen das Bild in den Straßen. Auffällig ist ihre Präsenz bei Tag und Nacht.

An die vierhundert Bars gibt es in K’town und der Umgebung.
_

Bedienung für Cafés
auch Anfängerinnen
in amerikanische Garnisonsstadt gesucht
Unterkunft im Haus


so werben Zeitungsannoncen in allen deutschen Regionen.

Es melden sich massenhaft Frauen, auch aus Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, der Schweiz. Es lockt der Dollar, es locken leichte, vermutlich lässige Tage und eine Arbeit, von der manche glauben, dass sie gar keine ist.


STARLIGHT BAR

Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes, inmitten von Feldern und Wiesen, steht seit Zeiten eine geräumige Scheune. Sie hat eine neue Bestimmung bekommen - ein kleiner Umbau und schon ist sie zur G.I.- Bar mutiert.

Um halb zehn Uhr morgens öffnet der Laden. Von da an tost und wummert ohne Ende die Juke-Box.

°°°° I’M JUST A LONELY BOY, LONELY AND BLUE...

- das ist Paul Anka –

I’m all alo-one with nothin’ to do.
I've got everythi-iing
you could think of.
But all I wa-ant
is someone to love
Someone, yes, someone to lo-ove, someone to ki-iss
Someone to ho-old at a moment like this.°°°°


Die Starlight Bar ... nachts schimmert sie aus der Ferne wie ein bunt beleuchtetes Passagierschiff auf graugrünem Meer, ist jedoch bei Sonnenlicht betrachtet, ein zwar sauber geschrubbter, aber schäbiger Schuppen.
Da lungern schläfrig die Frauen vom Frühdienst herum, trinken Kaffee, pinseln sich Lack auf die Nägel. Nach ‚Intimate‘ duften die Girls, dem begehrten Parfüm jener Jahre. In der PX kaufen es ihnen die Freunde und Lover.
Jung sind diese Mädchen. Ihre Kindheit war schlecht. Im Heim aufgewachsen, vom Leben geschüttelt, haben sie noch nirgends Fuß fassen können. Hier braucht es keine Schulung und kein Wissen, hier werden sie nicht mehr versagen und nie allein sein.

Auch leuchtet die Zukunft in rosigen Farben, denn über den großen Teich ist es von K’town bis ins Land ihrer Sehnsucht nur noch ein Luftsprung. New York – San Francisco – Los Angeles International Airport.
Und die Hoffnung kann schnell für die Träumerinnen zur Wirklichkeit werden. Ein junger Sergeant, ein Major ... gute Männer gibt es genug unter den US. Soldaten. Und wenn einer verliebt ist, dann bietet er ... eventuell sogar Heirat.

Im Dorf wirbeln die jungen Dinger viel Staub auf. Die Bauernsöhne kriegen rote Ohren, die Landfrauen werden fuchsteufelswild, wenn diese Früchtchen zu dritt, zu viert, aufgedonnert und munter plappernd auf ihren Stöckelschuhen in die ehrbaren Gassen einfallen und dann bei Tante Emma den Laden und die Kundschaft durcheinander bringen.

Starlight-Bar. Amerikanische Soldaten kommen an freien Tagen früh her und kurieren hier ihr Heimweh mit Whisky und Bier. Polternd erstürmen sie schon vor Mittag den Schuppen. Da werden die schläfrigen Mädchen munter. Sie drehen die Musikbox lauter, knipsen den weiblichen Charme an. Durch Alltagsgeplauder, dummchensüß oder mit Humor und Ironie gepfeffert, gelingt es den hauseigenen Blondinen, die Jimmys und Johns den Kasernenalltag für eine Weile vergessen zu lassen. Diese Girls haben ein Pflaster für jeden Kummer und gegen die Einsamkeit launische Worte. Trösten sie? Immerhin ... sie hören den Männern wenigstens zu und ergattern so ganz nebenbei ihre ersten Drinks. Vielleicht gar Champagner.

*

Auch französisches Flair gibt es hier. Très chic sind die Chansons der Piaf, die aus der Wurlitzer tönen:

°°°° C‘EST A HAMBOURG, a Santiago,
a White Chapel, ou Borneo.
C‘est a Hambourg, a Santiago,
a Rotterdam, ou a Frisco...

Hello boy ! You come with me ?
Amigo ! Te quiero mucho !
Liebling ! Komm doch mit mir !

C‘est a Hambourg, au ciel de pluie,
dans les bastringues a matelots,
que je trimballe encore ma peau,
les bras ouverts à l'infini...
Car moi je suis comme la mer,
j‘ai l‘coeur trop grand pour un seul gars,
j‘ai l‘coeur trop grand et c‘est pour ca
qu‘ j‘ai pris l‘amour sur toute la terre...
C‘est a Hambourg, a Santiago
a White Chapel, ou Borneo...

So long, boy...
Adios, amigo...
Nachher, Schatz...
...Au r‘voir, p‘tite gueule ! °°°°


***

Eva malt heimlich auf ihrem Zimmer expressionistische Bilder, hat auch sonst den Kopf in den Wolken, ist verrückt nach Edith`s Chanson und lässt es in der Music-Box so lange laufen - vier mal, fünf mal hintereinander - bis die Kolleginnen unisono "aufhören" brüllen. Dann drückt sie ihren zweitliebsten Song:

°°°° She gets too hungry, for dinner at eight.
She loves the theater, but doesn‘t come late.
She‘d never bother, with people she‘d hate,
THAT'S WHY THE LADY IS A TRAMP.

Doesn‘t like crap games, with barons and earls,
won‘t go to Harlem, in ermine and pearls.
Won‘t dish the dirt, with the rest of those girls.
That‘s why the lady is a tramp.

SHE LOVES THE FREE, FRESH WIND IN HER HAIR,
life without care.
She‘s broke, but it‘s o‘k.
She hates California, it‘s cold and it‘s damp.
That‘s why the lady is a tramp. °°°°



Zwölf Uhr Mittags. High Noon. Noch lauter dröhnt jetzt die Jukebox.

Aaron, ein Israeli mit großen Augen, müht sich hinter dem Tresen um die diversen Getränke. Ach ja ... Schaumwein! In großen Mengen, für zwei Mark dreißig die Flasche, wird er alle paar Tage aus dem Edeka-Laden angeliefert und verwandelt sich augenblicklich in edlen Champagner. Die Flasche kostet dann den Gast hundert Märkchen, wenn er sie seiner Lieblingsmaus spendiert. Vierzig davon verdient die Kleine. Das ist ziemlich viel Geld in den frühen neunzehnhundertsechziger Jahren.

Die Longdrinks, die weniger großzügige Herren den Barmädchen spendieren, heißen simpel 'Cognac-Cola' oder 'Tom Collins'. Beinahe sieben Mark blecht der Gast für ein Glas des labbrigen Liquids. Zwei Mark sechzig werden der damit beglückten Dame gutgeschrieben.
Unaufhörlich 'mixt' Max, der Barmann diese Drink-Creationen für die Mädchen: Mixen tut er eigentlich nix, sondern er gießt Fanta oder Cola in eine langstielige Cocktailschale, sprenkelt ein bis zwei Spritzer wahlweise Whisky/ Wodka/ Cognac hinein. Dazu als herrliche Krönung - vom Zahnstocher durchpiekst - das obligatorische, ausgelaugte, blassrosa Dosenkirschlein. – Noch ein bunter Strohhalm ... fertig. Vorsicht! Das Zeug kann durchaus Spuren von Alkohol enthalten.
Solange nicht in Unmengen getrunken, schadet es aber der Leber kaum ...


"Das schmeckt toll", sagen die Mädchen und lassen die skeptisch dreinblickenden US. Boys nicht von ihrem Wundergesöff kosten. Die zahlen dennoch und meckern selten. Für ‘nice company’ nehmen sie alles in Kauf.

Die Girls.
Sogar nachts, in der wilden, schweißtreibenden Atmosphäre der stickigen Räume, gelingt es den meisten, elegant zu wirken.
Sie halten auf sich. Kleiden sich modisch. Gönnen sich Luxus. Täglicher Besuch beim Friseur. Teures Make-up. Kostbarer Duft. Sie zelebrieren die Schönheit. Es gilt, sie zu erhalten ...
*

Im Starlight wird selten begrabscht und niemals gevögelt - eisernes Gesetz. Auch würde ein Mann auf dem Zimmer für eine, die hier im Haus wohnt, augenblicklich den Rausschmiss bedeuten. Denn - soviel muss gesagt sein - solche Etablissements sind keine Bordelle. Die Betreiber, reiche Herrscher im Zwielicht-Imperium, korrekte Geschäftsleute allesamt, sind darauf bedacht, dass ihre weiße Weste auch weiß bleibt. Was die quirligen Weibchen jedoch in ihrer Freizeit und außerhalb treiben interessiert die Bosse nicht.

„Come, have a drink“, rufen die G.I.s und winken die erwählten Bargirls mit Dollarnoten heran. Den deutschen Gästen geht es nicht besser. Auch sie müssen für simple Gesellschaft teuer berappen. Na ja ... die Frauen sind jung und brauchen das Geld!

Aber ... viel zu trinken kriegt eine auf Dauer nur, wenn sie den Gast auch gut unterhält. Das muss hier züchtig geschehen. Ohne Körpereinsatz sozusagen. Das ist verdammt schwer. Im verbalen Aufheizen der Männerwelt ist manches Animierwesen einsame Spitze geworden, geübt im schlüpfrige-Witze-Erzählen und niedlichen Nonsens-Geplapper. Und das für die G.I.s sogar auf Englisch.
Doch nie kann ein Mädchen sicher sein, dass ihr Charme allein ausreicht, die Getränke-ordernden Männer bei der Stange zu halten. Peinlich ist es, wenn der umgurrte Besucher plötzlich die Rechnung verlangt, mit der Restgeldsumme in der Tasche entkommt und zur Konkurrenz in die Bar nebenan eilt, wo man im Starlight doch so sehr auf ihn gezählt hat.
Ein merkwürdiges Phänomen ist dieses Bar- Business ohnehin. Auf Abzocke angelegt, scheint es doch eine große Anziehungskraft auf die Männerwelt auszuüben. Ja, die Typen müssen tatsächlich an Wunder glauben, wenn sie auf die Willigkeit der mit ihnen zechenden Weibchen vertrauen. Es münden die Gedanken auch der geduldigsten Freier zuletzt doch immer in das EINE.

Was bleibt den Mädchen da übrig? Sie versprechen ... versprechen. Sie lügen und ordern Champagner. Denn der bringt die Kohle. Am Ende verschwinden sie schnell zum Hinterausgang hinaus.

*

Im Starlight gibt es die beste Musik. Gegen Mitternacht kommt eine Big Band aus der Heidelberger Gegend herüber. Die spielt für die Amis und Freunde. Jazz. Blues. Und die Tanzschlager der Welt.
Beliebt sind : Rock n‘Roll, Cha- Cha, Limbo, la Bamba ...
Idole: Elvis, the King, Trini Lopez, the Platters, Pat Boone, Sarah Vaughan.

Irr ist auch der Sound von Bill Haley.

°°°° ONE, TWO, THREE O’CLOCK FOUR O‘CLOCK, ROCK,
five, six, seven o’clock, eight o’clock, rock’,
singt ein Sternchen mit heiserer Stimme.
‚Nine, ten, eleven o’clock, twelve o’clock, rock,
we’re gonna rock, rock‚ round the clock tonight.‘ °°°°



Atmosphäre: teils Nashville, teils tiefe Provinz, dazu ein Touch Reeperbahn und furioses Menschengewimmel.
Guitar, Drums, Brass rütteln und stöhnen, hämmern den Beat in die Hirne hinein bis zum Umfallen. Die Luft ist zum Schneiden.

Doch tritt man hinaus vor die Tür in die Nacht, dann riecht es nach Pferden, nach den Kartoffelfeuern der Bauern und der Wind, der aus dem Pfälzer Wald her weht, ist frisch, dass die Lungen sich weiten. Raschelnd fährt er über Äcker und Ähren. Auch hört man Liebeslaute und das Kichern der Pärchen vom Rand des Kornfelds.


Luzie hält Hof ... in engem Schneiderkostüm und weißer Bluse aus Brüsseler Spitze. Niemals trägt sie Fähnchen, niemals gibt sie sich billig. Chefsekretärin hätte sie werden können oder Beamtin ... in einem anderen Leben.
Ami-Soldaten, auch deutsche Gäste, verlieben sich oft in Luzie. Keine bekommt so viele Drinks wie sie. Sie lügt nicht, verspricht nichts, hält nichts von unmoralischen Angeboten und One-Night-Stands, sagt sie. Luzie ist ganz besonders ... seriös. O, sie hätte schon oft heiraten können, doch warum? Ein paar Jährchen will sie das hier noch machen. Hier ist sie zu Hause. Auch sie eine, die im Heim aufwuchs. Längst sind die Bars zu ihrer Bühne geworden. Hier spielt sie sich selbst.

*

Uschi errötet, denn da kommt ihr bester Freier von allen.
"Hallo, Mister Right."
Colonel Hornby, der Helden-Pilot der Airforce, geht in so einen Schuppen nur dann, wenn er blau ist und wenn Frau und Kinder auf Heimaturlaub in USA sind. Wow ... rasch sitzt man am Ecktisch. Der Colonel trinkt den Bourbon wie Wasser und Uschi trinkt Sekt. Ihre Schenkel, die schwarzbestrumpften, sind seidig und warm ... Seine Hand lässt er kriechen. Nach dem Nest sucht der Colonel, dem freundlichen Schlupfloch. Uschi nimmt immer wieder die vorwitzige Pranke und zieht sie, lieb lächelnd, zurück auf ihr Knie - bis hierher, nicht weiter ... spielt dabei das geschämige, aber willige Dummchen, verspricht ihm den Himmel auf Erden ... doch nicht jetzt ! Doch nicht hier! Please ... was denken die Leute ... später, wenn der Laden dann dicht macht, my darling, then ... you come with me."

Er weiß, dass sie flunkert – sie hält ihn schon nächtelang hin – gibt ihm aber mit schmiegsamem Blick zu verstehen, wie sehr sie ihn mag. Da bestellt er noch eine Flasche - die zweite bereits - vom sündteuren, grottenschlechten ‘Champagner’. Uschi kippt ihn geübt aus dem Glas in den silbrigen Kühler, immer dann, wenn ihr Verliebter gerade nicht hinsieht.
Die Flasche ist schon wieder leer! O my God, das kann nur schwarze Magie sein!
Schnell schwänzelt die Helga heran, räumt den Sektkübel ab. Das uralte Spiel! Einen anderen Kühler bringt sie in Windeseile, mit frischen Eiswürfeln gefüllt. In ihm prangt, von blütenweißer Servietten-Halskrause edel umschmeichelt, die dritte Flasche des obskuren Gesöffs.
"Der hier kommt aus Russland ... echter Krimsekt" - flüstert die Uschi, „Krimisekti .... er kostet schon was, aber, o Connel, my Connel, ich mag ihn, er macht mich ganz ... heiß!"

Um dreihundert DM erhöht Helga beflissen die Rechnung.
Dem Freier ist dieser bescheuerte Vorgang schon lange vertraut. Er grinst und schweigt beim dreisten Manöver der Mädchen.
Aber die Uschi ... die Uschi ... verdammt ... es zieht ihn immer wieder hier her ...
Er weiß: im Ausnehmen der Gäste ist sie ganz groß, auch lügt sie, dass die Balken sich biegen. Doch sie hat ihren Stolz. Für schnöden Mammon verkauft sie sich nicht, ganz gleich, was einer ihr bietet.
Das haben ihm seine Pilotenfreunde berichtet - standhaft sei sie geblieben, als man sie einmal getestet.
Das imponiert ihm. Er denkt: ‚irgendwann krieg ich dich doch noch, Mädchen!‘

***

Der Schuppen platzt jetzt aus den Nähten. Es riecht nach Tabak, Haarspray und alt-verschüttetem Bier.
Im Rythmus des Rock tost die Band, bebt die Bühne.
Die Menge pulsiert wie verrückt auf dem Dance-Floor. Es wackeln die Wände. Und an der Decke drehen sich, Farben versprühend, die glitzernden Diskokugeln.

°°°° When the chimes ring five,
six and seven
we’ll be rocking up in seventh heaven.
we’re gonna rock around the clock tonight,
we’re gonna rock, rock, rock, till broad daylight.
We’re gonna rock around the clock tonight. °°°°



Es ist jetzt halb drei.
Flaneure der Nacht, fein gekleidete Spießer - auf der Suche ... wonach? Und Ami-Soldaten ... hier landen sie alle. Da kommt man sogar bis von K’town herüber, weil die anderen, auch viel edlere Bars, um diese Stunde schon dicht sind.
Hier brummt der Bär, tobt das Leben.

°°°° The warden threw a party in the county jail,
the prison band was there and they began to wail,
the band was jumpin’ and the joint began to swing,
you should’ve heard them knocked out jailbirds sing.
Let’s rock, everybody, let’s rock,
everybody in the whole cell block
WAS DANCING TO THE JAILHOUSE ROCK. °°°°



Auftritt Pascha, der Lude, lächelnd, nobel im Cashmere mit seinem Gefolge und ‘schaut mal’. Auch tänzelt herein der glatte King Coolidge, gleich drei Midnight - Babys am Arm, Duzfreund des Big Boss, Zuhälter ... und König auch er.

***

Das blonde Gift Candy hält beim Tanzen sein Köpfchen eng an die Brust eines turmhohen Schwarzen gepresst. Sie ist müd, ihr ist schlecht, ihr Lipstick macht Flecken auf seinem seidenen Hemd. Er lacht laut über etwas, was ein farbiges Nymphchen vom anderen Ende des Dance-Floors ihm zuruft. Dabei funkelt im Weiß seines Raubtiergebisses ein goldener Eckzahn, brilliantbesetzt.
Candy spürt ... der unstete Blick des Mannes sucht schon die frischere Frau für die Nacht. Er lässt sie dann bald auch allein. Hebt sie auf wie eine Puppe und setzt sie wieder dorthin, wo sie herkam ... auf einen Stuhl an der Bar.

°°°° On a day like today
we pass the time away
WRITING LOVE LETTERS IN THE SAND.
Now my broken heart aches
with every wave that breaks
over love letters in the sand. °°°°


***
Eva ist schön und Ben - auch so ein windschnittiger Airforce-Typ - ist eifersüchtig like hell. Heute wird er sie herausholen aus diesem Laden. Endgültig. Er meint es ernst. Jetzt reicht ihm der Shit.
Eva grinst nur. Passiv zu sein, ist immer gut. Einige Male hat er sie bereits aus der Bar gezerrt. Wenn sie mit Leuten beisammen saß und trank. Wo er sie doch 'als his girl' ansah. Und 'his girl' brauchte nicht mit 'Idioten' zu saufen. Er hat sie bei den Schultern gepackt, bei den Haaren, heftig. Hat sie auf die Straße befördert, vor allen Leuten, ins Auto bugsiert ... Evi, sein Eigentum.
Und so einen liebt sie: "My Captain!"
Sie träumt davon, endlich seiner sperrigen Seele ein Stück näher zu kommen. Und dass er ihr ein bisschen mehr Wärme schenke.
Die Kolleginnen kennen das Theater bereits bis zur Neige. Was für ein Zirkus! Sie sehen sich kopfschüttelnd an: eine Verrückte.
"She comes with me", sagt also Ben. Packt sich die Eva. Ausgerechnet heute, am Zahltag der Soldaten, wo immer besonders viel läuft. Und 'closing-time' ist noch weit.

Aaron, der Geschäftsführer, protestiert lauthals: "Nichts da. Hier bleibt sie!" Es gäbe einen Arbeitsvertrag, behauptet er plötzlich.
Diesen Zwist beendet Ben. Ein paar größere Scheine, von ihm angewidert auf die Theke geschmissen, lassen den Wütenden schnell einhalten.
"Ihr seid beide meschugge. Schluss. Aus. Ende!", ruft Aaron und rafft sich die Knete. "Du bist gefeuert, Nutte, dein Krempel fliegt heut' noch auf die Straße!" Die Bekloppte grinst nur, als Ben, der amerikanische Pilot, groß, stark, ganz in Uniform und Lametta ... sie einfach auf den Arm hebt und mitnimmt.

***

Christa hat wie immer eine weiße Rose am Ausschnitt. An einem Ecktisch hockt sie mit ihrem scheuen, viel zu jungen Verehrer, trinkt Schaumwein und raucht die letzte Reno-Menthol aus der Packung. Reno-Menthol sind gut für die Bronchien! Diese aber war eine zuviel nach all den Sudelgetränken, die man ihr heute spendiert hat. Sie rennt aufs Klo kotzen. Dann fühlt sie sich besser. Vor dem Spiegel frisches Make up aufgelegt, Leuchtrot für die Lippen ... und so. Nun ist sie wieder wie neu. Schnell raus zu dem Gast, bevor der davonläuft. Denn er ist niedlich, der Kleine. Zum Vernaschen süß. Wenn ihr einer gefällt, gibt es für Christa kein Halten.

°°°° You can dance ev’ry dance with the guy
who gives you the eye, let him hold you tight.
You can smile ev’ry smile for the man
who held your hand ‘neath the pale moonlight.
BUT DON’T FORGET, WHO’S TAKING YOU HOME
AND IN WHOSE ARMS YOU’RE GONNA BE,
SO DARLING DANCE THE LAST DANCE WITH ME. °°°°


***

Nebenan in halbverborgenen Nischen blüht üppig der Nepp. Immer die gleichen Wünsche haben die angetrunkenen Freier und diese bedienen die Schlämpchen mit Schläue. Man hält sich die Typen geschickt und trickreich vom Leib ... lässt sie brünstig von Liebe labern ... sie werden mit Augenaufschlag auf später vertröstet. Und später ist nie.
Durch frivoles Gehaben hält man sie schön bei der Stange. Sie dürfen sie sich schon mal ein Küsschen vom fest verschlossenen Mund holen oder kurz nach einer Brust tasten. Aber mehr nicht. Der stetig ansteigende Alkoholpegel der Freier arbeitet gegen sie. Die Herren der Schöpfung werden verlieren. Die Damen aber bestellen weiter lustig Champagner und schütten ihn weg.
Die armen Möchte-gern-Ficker ... ach, sie bekommen wenig fürs Geld - nicht das, was sie wollen - aber zu trinken genug. Bis die Brieftasche leer ist.

Nachher zählen die Bargirls hinten in der Küche andächtig ihre D-Mark und Dollars. Sie staunen, weil doch alles so leicht läuft und man sogar bei der ganzen Sache ... ziemlich unberührt bleibt.

***

Die Band macht jetzt Pause. Freddy beklagt in der Juke-Box das traurige Schicksal der Legionäre

°°°° BRENNEND HEIßER WÜSTENSAND,
fern, so fern dem Heimatland,
(so SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT!!)
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
ALLES LIEGT SO WEIT, SO WEIT.
(so schön, schön war die Zeit.)
Dort wo die Blumen blühn,
dort wo die Täler grün,
dort war ich einmal zuhause.
Wo ich die Liebste fand,
da liegt mein Heimatland,
wie lang bin ich noch allein? °°°°


Ein Mann kracht vom Barstuhl und schläft auf dem Holzboden weiter.

***

Lu ist neu hier im Starlight. Der Boss hat es anscheinend bei ihrer Einstellung nicht geschnallt, die anderen Mädchen aber schon: Sie ist eine Nutte, trägt ein knallrotes Kleid und wedelt wie wild mit dem Knackarsch, wenn sie den Gästen das Bier bringt, wogt wie ein Vamp hin und her, scharwenzelt herum vor den Blicken der grinsenden Machos.
Die steht nicht auf Drinks, nein ... Lu hat ihre eigenen Arbeitsmethoden ...

Der alte Sergeant on pay-day - a little bit tipsy like always - hat eine Menge Dollars in der Tasche und ... einen gigantischen Schwängel steif in der Hose. Letzteren grabscht sich die Lu durch den Stoff ... wow ... sie tut höllisch begeistert und zieht den sich zierenden Soldier unterm Keckern der Meute hinaus in die Nacht.

***

Irgendwann tönt aus der Jukebox die Weise, die ist anders als alles, was man sonst hier hört ... zum Weinen schön. Jemand hat die Melodie wohl aus Versehen gedrückt, noch kennt sie kaum einer ... sie heißt: PETITE FLEUR.

Traurig lauscht Jimmy, achtzehn Jahre alt, G.I aus Kentucky, der da inmitten der vielen mit seinem Glas Bier an der Bar steht.

O, es hat ihn erwischt, er ist bis zum Wahnsinn verliebt in die Barfrau Elfriede aus Graz.
Warum flirtet sie ständig und schäkert mit jedem hergelaufenen Blödmann? Er liebt sie doch so ...
"Geh", sagt sie, "geh Tschapperl, es wird nichts mit uns ... schau ... es war halt für eine Nacht nur! Nimm‘s doch nicht so tragisch!"

Ach, Jim hasst die Kneipen, er hasst das besoffene Treiben. Er fürchtet den Kasernenhofdrill. Er fürchtet Germany. Eine Träne rollt ihm pathetisch ins Bierglas.

***


Doris ist extra von Bad Dürkheim gekommen. Sie sieht aus wie 'ne Nutte, ist aber keine, denn sie macht es umsonst. Taucht spät in der Nacht auf, lungert herum in schummrigen Ecken. Jetzt liegt sie in jemandes Armen, knutscht, sippt die Drinks, die er maulend spendiert - an denen sie keinen Pfennig verdient, denn sie gehört hier nicht dazu - Doris brabbelt betrunken vom Ficken, meint aber Liebe und träumt von dem Typen, der in der Frühe neben ihr aufwacht und sie dann trotzdem noch gern hat.

***

Im hinteren Raum bricht auf einmal Krawall los. Dort schmeißen sie schon mit Stühlen und Tischen.
The allnightly fight! Die Stammgäste sind es gewöhnt und grinsen nur müde.
Das Gefecht ist gerade lustig im Gang, da rückt im grauenden Morgen, sechs Mann hoch, M.P. an ... Military Police. Man nimmt die lädierten Streithähne - in Handschellen gefesselt - gleich mit.
Dann ein harscher Befehl: "It is closing time." Halb fünf. Schluss der Vorstellung. Ende!

Alles eilt zu den Autos. Fahruntüchtige Zecher werden aufgesammelt von ihren Freunden oder von den Barmädchen in herbeitelefonierte Taxen verfrachtet.
Noch Rufe, Gedränge, ein Hupkonzert.
Bremsen kreischen, aufheulen Motoren,
fern Fetzen Gelächter, die im Wind verwehen ...

Wie ein Spuk sind sie fort, die Amischlitten, die Straßenkreuzer, die offenen Sportscars mit den Fräuleins der Nacht.

Vogelgezwitscher steigt aus dem Wald auf und aus den Wiesen der Nebel.

***



NACHWORT

Dann kam Vietnam und zerbrach den leichtlebigen Zauber.
Der Krieg kostete Ben, Evas Airforce-Piloten, das Leben und mit ihm fünfundfünfzigtausend amerikanischen Soldaten
as ... the music died.

°°°° Take one fresh and tender kiss -

sang einst heiser die Lady -

add one stolen night of bliss..
ONE GIRL, ONE BOY,
SOME GRIEF, SOME JOY...
MEMORIES ARE MADE OF THIS. °°°°


Memories.

Should auld acquaintance be forgot
and never brought to mind?


K’town. Unvergesslich die Silvesternächte in den Bars im Kreis der Freunde und Freier. Unter Luftschlangengedöhns und Böllergeknalle floss drinnen Champagner - der echte. Man sang, tanzte verrückt bis zum Morgen. In all dem Remmi Demmi und Menschendunst, liebte, umarmte man ... die ganze Welt.

For au-au-auld lang syne, my dear,
for au-au-auld lang syne,
we'll take a cup of kindness yet,
for the days of auld longsyne.



Ob sie schön war die Zeit bei soviel Rotlicht und Nepp?
Doch es war IHRE Zeit, IHRE Music, der Sound einer Ära.

Und die Mädchen von damals ... so simpel, so süß?

Mädchen:
Ihr lebtet dem Heute unschuldig wie spielende Kinder. Für ernst-hehres Streben waren eure Gedanken viel zu leicht und zu kraus.

Ihr lebtet die sonnigen Tage, die Nächte in zahllosen Betten.
Ihr giertet nach Leben in all seinen Farben, ihr liebtet die brausenden Parties und Feten. Liebtet die freien Tage unter Bäumen an romantischen Badeseen in vertrauter Kolleginnenrunde, umringt und umsorgt von braungebrannten Verehrern.

Jedes Restaurant, das berühmt war, jede Spielbank im Umkreis war euer Zuhause - dorthin ging man mit ‚besseren‘ Gästen und war auf einmal seriös, eine ... Dame.
Dann die Fahrten durchs sommersattgrüne Land bei offenem Verdeck mit American- Heros im Traum-Cadillac,
with the free, fresh wind in your hair.

Was life without care??

Schön war es, früh in der Dämmerung mit den Nachteulen-Freiern in lustiger Clique durch den Wald, nah beim Starlight, zu laufen, wenn der Wind die verräucherten Lungen, die zugenebelten Köpfe mit frischer Brise erquickte, wenn im Erwachen des Morgens in Wiesen und Auen die Vögel zu singen begannen.

Ach, ihr liebtet die Tage, ihr liebtet die Nächte noch mehr, die immer wieder neue Erlebnisse, neue Zuneigung brachten, auch wenn die Ekstase kurz währte und ‚Glück‘ meistens nur Illusion war ...

Ihr lebtet die Liebe durch Höhen und Tiefen. Ihr liebtet wirklich und oft. Ihr träufeltet Herzblut in all eure großen und kleinen Affären und gabt das Sehnen nie auf.

*

Längst seid ihr Matronen, all ihr Schönen der Fifties, ihr gierigen, bösen, ihr zärtlich-verträumten, durchtriebenen Flittchen. Iris, Helga, Kim, Karin, Marina, Christiane ... euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück.
Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond Westvirginias, ob am Strand von New England ... Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff ... wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter ... ein jeder für sich, auf eigenem Kurs.

Was bleibt?
Nostalgie.

Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals ...
Vergangenheit jetzt ... verwischt sind die Spuren,
nie ganz vorbei.

Say "farewell" now to lovers,
and to K’town ..."so long."

IT IS FOR AULD LANG SYNE, MY DEAR
FOR AU-AU-AULD LANG SYNE,
WE'LL TAKE A CUP OF KINDNESS YET
FOR THE DAYS OF ROSE AND WINE.





Copyright Irmgard Schöndorf Welch, Oktober 2002
überarbeitet 03.06.2005

*
 

Ofterdingen

Mitglied
Hallo Inu,

Vielleicht sollte ich hier nicht posten, ohne alle Kommentare gelesen zu haben. Ich habe die meisten nicht gelesen und poste trotzdem, weil ich schätze, dass die betreffenden Kommentare weniger lohnend sind als dein Text. Under Milk Wood also ist dein stilistisches Vorbild? Stört mich nicht. Du hast genug Eigenes. Ich fand deinen Text so stark als historisches Sittengemälde der 60-er-Jahre, dass ich mich - ich bitte um Verzeihung! - ernsthaft fragte, in wie vielen Betten du wohl herumgehüpft sein musst, bis du so viel wusstest.

So, und jetzt hör schon auf, mich so beleidigt anzustarren! Dies ist keine moralische Kritik, sondern eine literarische, und die ist enthusiastisch.

LG,

Ofterdingen
 
D

Dominik Klama

Gast
Im Reportage- bzw. Film-Stil aufgemachtes Stimmungsbild vom Nachtleben in der Nähe eines US-Militärstützpunktes in Deutschland in der Zeit um 1960. Die Hits jener Zeit wehen vorüber mit ihren Songtexten. Dazu tanzt eine ganze Reihe von Mädchen durch die zum „Starlight Club“ aufgemotzte Scheune von Baumholder. Sie sind gekommen, ihren Spaß zu haben und zugleich möglichst auch noch das ganz große Glück zu finden. Vornehmlich, indem die holde Weiblichkeit die jungen Männer aus Übersee sexuell aufheizt, neppt und aktionsunfähig macht mit auf „edel“ umdeklarierten Alkoholika, dabei (im Allgemeinen wenigstens) auf die eigene Wohlanständigkeit aber schon achtet. Was nicht besagt, dass die Cocktails, die man selber trinkt, nicht vornehmlich aus Softdrinks bestehen oder heimlich in die Sektkühler geleert werden dürfen. Atmosphärisch dicht, stilistisch gekonnt, allerdings insgesamt wohl etwas zu harmlos, zu nostalgisch verklärend, zu sehr im Einklang mit den Bildern, die wir alle längst im Kopf haben vom „Fraternisieren“ deutscher Mädchen mit den „Besatzern“.

> „Im alten Bauernland, im Herzen der Pfalz“

Einigermaßen kühne Aussage. Baumholder und sein Truppenübungsplatz können zwar dem „Nordpfälzer Bergland“ zugerechnet werden, liegen aber eigentlich gar nicht in der Pfalz. Falls ich mich nicht total verhaue, tun sie das weder heute, noch taten sie es zwischen den Tagen Napoleons und denen Fritz Walters, als es ein Land (oder Bezirk) „Pfalz“ gab, welches zu Bayern gehörte. Länger davor, in den Jahrhunderten vor 1800, hatte es eine erstaunliche Vielzahl von Pfälzer Herrscherlinien und Kleinstterritorien gegeben, die wie Flecken irgendwo zwischen Koblenz und Landau herum lagen. So ein gutes Stück des Hunsrücks umfassten, der mittlerweile aber eindeutig eher zum Rheinland als zur Pfalz gerechnet wird. Damals mag der Standpunkt dieser Bar in „Pfalz-Zweibrücken“ gewesen sein, wenn er nicht in Birkenfeld (oder gar Oldenburg) war. Das „Herz der Pfalz“ (klingt einfach gut, dieses: das Herz) wäre auf der Landkarte aber doch irgendwo zwischen Kaiserslautern und Neustadt zu suchen. Da liegt der im Text erwähnte „Pfälzer Wald“, was faktisch eine Kiefernwüstenei eher ist als „Herz der Pfalz“. Vom Kiefernwald her könnte theoretisch auch mal der Nachtwind nach Baumholder wehen, dann wäre es ein Südostwind, eine einigermaßen seltene Wetterlage in dieser Gegend.

Beim Lesen der „Baumholder Night“ fielen mir zwei eigene Geschichten ein, die ich hier vor geraumer Zeit eingestellt habe. 1. In „Die Flasche“ geht es um eine kurze erotische Begegnung zwischen einem Deutschen und einem amerikanischen Soldaten. Zeit: etwa Ende der achtziger Jahre. 2. In „Ahoj, junger Freud“ geht es zu einem guten Teil um Prager Homosexuellenlokale kurz vor der Mitte der neunziger Jahre, als sich dort junge Tschechen (die meisten etwas unter zwanzig Jahren, einige auch darüber), manche davon „Stricher“, die meisten jedoch Amateure, und viele ebenfalls mit dem Wunsch, den „Mann ihres Lebens“ zu treffen, versammelten, welcher ihnen in Gestalt westeuropäischer und amerikanischer Touristen entgegen trat und sie mit dem „goldenen“ Westen und dem ersehnten EU-Niveau bekannt machte. Beiden Geschichten liegen eigene Lebenserinnerungen zu Grunde, die ich literarisch umgeformt habe.

Wegen der Ruckhaftigkeit, mit der er es in Geschichte 1 zum sexuellen Vollzug kommt und dem unverhohlenen Sextourismus-Charakter von Geschichte 2, mag man geneigt sein anzunehmen, beide Geschichten hätten mit dem, was hier erzählt wurde, nicht viel zu tun. Doch sollte man bedenken, dass unter schwulen Männern Sex eben oft schneller und bedenkenloser sich ereignet als bei heterosexuellen Paarungen. Und dass er sich damals in der „Pfalz“ ja auch ereignet hat, oft ebenfalls ziemlich leichtfertig, das verschweigt Inu auch nicht. Und: Als ich seinerzeit das „Material“ von Geschichte 2 erlebt habe, ist mir schon da, beim Sekttrinken und Lachen und Tanzen und Fingerausstrecken in diesen Prager nächtlichen Kneipenrunden schon der Gedanke gekommen: „Ja, so etwa muss es gewesen sein, als der Krieg endlich aus war, es wieder Essen und Feiern und Lebenslust gab - und diese ausländischen Männer, die sich so bereitwillig ausnehmen ließen und so spendabel waren.“ Das war damals gar nicht so ausbeuterisch und plump und machtniveauverschieden, wie man sich „Sextourismus“ eigentlich vorstellt, sondern für alle Beteiligten auch ziemlich amüsant, abenteuerlich, erotisch prickelnd, freundschaftlich und „fantastisch außerhalb der normalen Welt“.

Ich dachte: In Deutschland hat es so etwas nicht mehr gegeben seit den unmittelbaren Jahren nach dem zweiten Weltkrieg – und dort eigentlich auch nur für die Frauen, nicht für die Männer. Inu belehrte mich, dass es das noch in den sechziger Jahren sogar in Deutschland gegeben hat, dieses „Versöhnen“ von erster und zweiter Welt, diese Grauzone aus Ausbeutung und williger Freude daran, sich ausbeuten zu lassen.

> „Euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück. Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond West Virginias, ob am Strand von New England. Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff. Wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter. Ein jeder für sich, auf eigenem Kurs. Was bleibt? Nostalgie. Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals. Vergangenheit jetzt.“

Genau. Das erleben auch die Figuren in beiden Geschichten von mir. Sie merken, dass sie offenbar „auf eigenem Kurs“ sind, wo man sich nur nachts mal kurz begegnen kann wie Schiffe auf dem Ozean, wo es eine Möglichkeit, den Kurs gemeinsam fortzusetzen, aber tatsächlich nie gab. Später fragt man sich: Wie der wohl heute aussieht? Wie der wohl mittlerweile lebt? Ob der noch manchmal an mich denkt, wie ich manchmal an ihn? (Wahrscheinlich nicht.) Und obwohl man nicht mehr stolz auf das sein kann, was man in so einer „Starlight Bar“ angestellt hat, als man noch jung und dumm war, kriegt man den Gedanken nicht mehr weg, dass es auf eine Art ja „magische Nächte“ waren.

Aber wenn ich dazu sage, in „Ahoj, junger Freund“ reist ein deutscher Mittdreißiger nach Prag, um mit neunzehn- oder siebzehnjährigen Tschechen anzubändeln, die mal arbeits- und obdachlos, dann wieder so etwas wie kleine Verkäuferlehrlinge oder Studenten sind, die sich einen Spaß draus machen, das Angenehme mit den Nützlichen zu verbinden, nämlich ist es natürlich der ältere und vermögendere Mann, der ihre Rechnungen zahlt, dann merkt man, wie man im Mund einen ganz anderen Geschmack bei dieser Vorstellung bekommt, als man ihn bei dem süffigen Text von Inu noch hatte. Einen schaleren und bittereren.

Ich drehe das jetzt einfach mal um. Meiner Ansicht nach ist das nur eine Sichtweise, eine augenzwinkernde, lächelnd verklärende, die Inu hier hat. Die andere Sichtweise würde andeuten, dass die Männer auch damals „nur das Eine“ wollten und die Frauen ja vielleicht sogar dasselbe, wir uns das bei diesem Fall mit der Schlagermilde von Sternennacht und Liebeswort aber versüßen können. Tatsächlich sind auch damals schon die angeheiterten Männer, die sich frei ihrer militärischen Zwangsjacke fühlten, ebenso eiskalt (zum Teil) hereingelegt worden als die Deppen, die sie, die „Amis“, und später dann auch „die reichen Deutschen“ bei mir tatsächlich waren. So manches von den von weit herbeigeströmten Mädchen – wie zu einer Goldgrube, wie nach Hollywood – ist nicht weniger schamlos ausgenützt worden in seiner jugendlichen Naivität wie die Jungen meiner Geschichte. Weil ich das aber glaube, ist mir Inus Geschichte „zu viel rosa Brille“. Ist sie mir auch zu viel: was in allen Filmszenen schon war, die wir von dieser Art Nachtleben je gesehen habe.

Ich zitiere das gleich noch einmal. Es fasst den Text so schön zusammen. Und es ist ja nicht falsch. Bloß ist es halt auch so ähnlich wie diese Songtexte, so ähnlich wie die Filme, in denen diese Songs heute angespielt werden:

> „Euer Lachen klang hell und mancher G.I. denkt noch gern daran zurück. Freunde und Lover, wo immer ihr jetzt seid, ob unterm Mond West Virginias, ob am Strand von New England. Dennis, Burt, Earl, Jim, Jeff. Wie Schiffe im Nebel seid ihr einander begegnet und musstet dann weiter. Ein jeder für sich, auf eigenem Kurs. Was bleibt? Nostalgie. Memories, Music, Magic der Nächte, high Feelings von einstmals. Vergangenheit jetzt.“
 



 
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