Aale

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Asbest

Mitglied
Hier geht es zur überarbeiteten Version.


„Aale, überall Aale!“ fluchte er und versuchte noch zu entkommen. Doch als er merkte, dass in den Schacht, über den er sich zu retten versuchte, nun auch von oben die länglichen, glitschigen Fische eindrangen, wurde ihm bewusst, dass es nun mit ihm vorbei sein sollte.

So stand er auf der kalten und nassen Eisenleiter, unter ihm die grünlich-gräuliche Masse, die stetig anstieg, über ihm der Himmel – und eine Art Wasserfall aus Aalen.

Bald hatten die Aale seine Füße erreicht, er spürte schon deren kalte, glitschige Körper an der Haut.
War dies nun das Ende?
Würde er nun in Aalen ersticken?



Wäre ihm es nicht gleichgültig gewesen, hätte er vermutlich versucht, sich nach oben zu kämpfen, doch für ihn schien es nicht das höchste Ziel zu sein, dem grauenhaften Tod zu entkommen. Daher stand er nur da und hielt die kalte Leiter fest umklammert.
Er hatte ja nichts zu verlieren.
Er stellte sich ein letztes Mal vor, die Leiter sei eine der vielen Personen gewesen, die er einst gewünscht hatte, so fest zu umklammern, so wie er nun die Leiter hielt.
Keine einzige sollte es gewesen sein. Nur eine kalte, gräulich glänzende, an einigen Stellen rostende Leiter in einem tiefen Schacht einer Industriehalle.
Und doch fühlte sich die Umarmung für ihn an, als hätte er gerade das Mädchen umarmt, das er in jungen Jahren geliebt hatte und nicht einmal freundschaftlich umarmen durfte.

Als er immer tiefer versank in der lebendigen Masse aus tausenden Aalen, dachte er nun, er könnte nicht nur umarmen, sondern auch küssen. So schloss er seine Augen, obwohl er ohnehin nichts mehr sehen konnte, weil er mittlerweile zur Gänze von Aalen bedeckt war, und stellte sich das wunderschöne Gesicht der zierlichen jungen Frau vor, die er wohl noch immer liebte, obwohl ihre letzte Begegnung wohl schon mehr als ein Jahrzehnt vergangen war und keinesfalls als ein schönes Ereignis in Erinnerung blieb.
Ein süßes, rundes Gesicht, das ihn strahlend anlächelnde, mit schönen blauen Augen und kurzem blonden Haar sah ihn nun an und wartete, leidenschaftlich von ihm geküsst zu werden. Sie trug eine weiße Kappe und eine von ihr selbst gebastelte Perlenkette. Und obwohl sie lächelte, wirkte sie etwas traurig.

Als er sie nun küsste, schien sich ihre Stimmung zu bessern. Beide schienen so glücklich zu sein wie noch nie zuvor.
Doch plötzlich schmeckte er anstatt des süßen Geschmacks, den ihre Lippen sicherlich hatten, nur mehr Fisch.
Anstatt der zarten, roten Lippen berührte sein Mund nur mehr eine glitschige Substanz.
Ihre wunderschöne helle, fast schneeweiße Haut war von einer Sekunde auf die andere grün und stank entsetzlich nach Fisch.
Als er auch noch in ihre Augen sah und nur mehr zwei winzige Fischaugen wahrnahm, wurde ihm wieder die bittere Realität bewusst.

Er küsste gerade einen Aal, während er die Leiter, seine einzige Rettungsmöglichkeit, fest umarmt hielt, anstatt sich daran hochzuziehen.
Das Kribbeln im ganzen Körper, das er für das angenehme Gefühl hielt, das Liebe bereiten kann, verwandelte sich zurück in einen elektrischen Schlag, verursacht durch einen Zitteraal.

Und als ihm die Sinne schwanden, weil er anstatt Luft nur mehr dreckiges Wasser und Aale atmete, stand sie ein letztes Mal vor ihm und lächelte ihn traurig an.
 
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Gelöschtes Mitglied 22242

Gast
Hallo Asbest,
ich mag die Idee und den Aufbau der Story. Auch das Ende finde ich gelungen.

Sprachlich fand ich einige Formulierungen sehr umständlich, was für mich das Leseerlebnis etwas eingeschränkt hat.

Beispiele:


Bald hatten die Aale seine Füße erreicht, er spürte schon deren kalte, glitschige Körper an der Haut.
…das schon deren könnte man m.E. einfach weglassen. Reine Füllmasse ohne Mehrwert für den Text.

Ich würde auch die ganzen „schien“ und „als würde“ Formulierungen in definitive Aussagen umwandeln. Du beschreibst ja an anderer Stelle sehr genau was der Protagonist fühlt. Deshalb kann, find ich, audiese Distanz gebenden Formulierungen verzichtet werden.

Als er sie nun küsste, schien sich ihre Stimmung zu bessern. Beide schienen so glücklich zu sein wie noch nie zuvor.
Hier zum Beispiel hätte mir folgendes mehr Spaß gemacht zu lesen:

„Als er sie küsste, besserte sich ihre Stimmung. Nach einer Weile waren beide so glücklich wie nie zuvor.“

… das „nach einer Weile“ würde den Sprung von besser Stimmung im ersten Satz zu dem glücklicher als je zuvor im zweiten, etwas abmildern. Diesen Sprung finde ich inhaltlich etwas unlogisch in deinem Text.

Ich hoffe meine Kommentare bringen die ein bisschen weiter.

Viele Grüße und einen guten Start in der Leselupe,

Tommy
 

Asbest

Mitglied
Leicht überarbeitete Version:



„Aale, überall Aale!“, fluchte er und versuchte noch zu entkommen. Doch als er merkte, dass in den Schacht, über den er sich zu retten versuchte, nun auch von oben die länglichen, glitschigen Fische eindrangen, wurde ihm bewusst, dass es nun bald mit ihm vorbei war.

So stand er auf der kalten und nassen Eisenleiter, unter ihm die grünlich-gräuliche Masse, die stetig anstieg, über ihm der Himmel – und eine Art Wasserfall aus Aalen.

Bald hatten die Aale seine Füße erreicht, er konnte ihre kalten, glitschigen Körper an der Haut spüren.
War dies nun das Ende?
Würde er nun in Aalen ersticken?

Wäre ihm es nicht gleichgültig gewesen, hätte er vermutlich versucht, sich nach oben zu kämpfen, doch für ihn schien es nicht das höchste Ziel zu sein, dem grauenhaften Tod zu entkommen. Daher stand er nur da und hielt die kalte Leiter fest umklammert.
Er hatte ja nichts zu verlieren.
Er stellte sich ein letztes Mal vor, die Leiter sei eine der vielen Personen gewesen, die er einst gewünscht hatte, so fest zu umklammern, so wie er nun die Leiter hielt.
Keine einzige sollte es gewesen sein. Nur eine kalte, gräulich glänzende, an einigen Stellen rostige Leiter in einem tiefen Schacht neben einer Industriehalle.
Und doch fühlte sich die Umarmung für ihn an, als hätte er gerade das Mädchen umarmt, das er in jungen Jahren geliebt hatte und nicht einmal freundschaftlich umarmen durfte.

Als er immer tiefer versank in der lebendigen Masse aus tausenden Aalen, dachte er, nun könne er nicht nur umarmen, sondern auch küssen. So schloss er seine Augen, obwohl er ohnehin nichts mehr sah, weil die Aale ihn mittlerweile zur Gänze bedeckten, und stellte sich das wunderschöne Gesicht der zierlichen jungen Frau vor, die er wohl noch immer liebte, obwohl ihre letzte Begegnung nun schon sicher mehr als ein Jahrzehnt vergangen war und keinesfalls als ein schönes Ereignis in Erinnerung blieb.
Ein süßes, rundes Gesicht, das ihn strahlend anlächelnde, mit schönen blauen Augen und kurzem blonden Haar sah ihn nun an und wartete, leidenschaftlich von ihm geküsst zu werden. Sie trug eine weiße Kappe und eine von ihr selbst gebastelte Perlenkette. Und obwohl sie lächelte, konnte man ihr eine gewisse Traurigkeit ansehen.

Als er sie nun küsste, schien sich ihre Stimmung zu bessern. Nach einer Weile wirkten beide so glücklich wie nie zuvor.
Doch plötzlich schmeckte er anstatt des süßen Geschmacks, den ihre Lippen sicherlich hatten, nur mehr Fisch.
Anstatt der zarten, roten Lippen berührte sein Mund nur mehr eine glitschige Substanz.
Ihre wunderschöne helle, fast schneeweiße Haut war von einer Sekunde auf die andere grün und stank entsetzlich nach Fisch.
Als er auch noch in ihre Augen sah und nur mehr zwei winzige Fischaugen erblickte, wurde er sich wieder der bitteren Realität bewusst.

Er küsste gerade einen Aal, während er die Leiter, seine einzige Rettungsmöglichkeit, fest umarmt hielt, anstatt sich daran hochzuziehen.
Das Kribbeln im ganzen Körper, das er für das angenehme Gefühl hielt, das Liebe bereiten kann, verwandelte sich zurück in einen elektrischen Schlag, verursacht durch einen Zitteraal.

Und als ihm die Sinne schwanden, weil er anstatt Luft nur mehr dreckiges Wasser und Aale atmete, stand sie ein letztes Mal vor ihm und lächelte ihn traurig an.
 
G

Gelöschtes Mitglied 23262

Gast
Lieber Asbest, das ist der `Blechtrommel`-Alptraum meiner Jugend. Hast du den Film gesehen? Bis ins hohe Erwachsenenalter konnte und wollte ich keine Aale essen.
Tolle Geschichte, herrlich verrückt.
Darf ich auch noch etwas klugscheißern? `Nur` und `nun` sind ganz gemeine, flutschige Aale, die sich so gerne in unsere Schreibsprache mischen. Einfach mal weglassen, testweise und sehen, was passiert ;o)
Liebe Grüße
Judith
 
Hallo Asbest,

hm, jetzt, nachdem ich mir einige Stellen aus deinem Text zum Zitieren herausgesucht hatte, stelle ich fest, dass du eine neue Version innerhalb der Kommentare eingestellt hast. Wieso hat du den oberen Thread nicht einfach aktualisiert, frage ich mich als neuer User hier. So ist es doch vorgesehen, oder nicht? So mache ich es jedenfalls.

Ich lasse mal die alten Stellen drin. Vielleicht kannst du damit ja etwas anfangen. Mit meinen Hinweisen zum Anfang des Textes:

„Aale, überall Aale!“ (KOMMA) fluchte er und versuchte noch zu entkommen. Doch als er merkte, dass in den Schacht, über den er sich zu retten versuchte, nun auch von oben die länglichen, glitschigen Fische eindrangen, wurde ihm bewusst, dass es nun mit ihm vorbei sein sollte.
So stand er auf der kalten und nassen Eisenleiter, unter ihm die grünlich-gräuliche Masse, die stetig anstieg, über ihm der Himmel – und eine Art Wasserfall aus Aalen.
Bald hatten die Aale seine Füße erreicht, er spürte schon deren kalte, glitschige Körper an der Haut.
War dies nun das Ende?
Würde er nun in Aalen ersticken?
versuchte, versuchen --> doppelt sich
vorbei sein, Ende --> dto.
glitschigen Fische, glitschige Körper --> dto.

Ohnehin würde ich den "Versuch" sowieso weglassen, lieber von dem Scheitern schreiben.
Bei "Versuch" weiß ich als Leser doch sofort, dass er nicht klappt ;-)

Generell könntest du diese spannende Stelle auch sprachlich/stilistisch spannender darstellen (kurze, knackige Sätze). Der lange, verschachtelte Satz hält nur auf, drosselt das Tempo, das du durchaus drin hast, doch nur.
Dabei solltest du auch so "ungenaue", relativierende Worte streichen: vorbei sein SOLLTE, EINE ART Wasserfall, BALD, SCHON

Vorschlag:
"Aale, überall Aale!", fluchte er und umklammerte die nasskalte Eisenleiter fester. Der Schacht oben, sein einziger Fluchtweg – versperrt. Die länglichen, glitschigen Fische drangen von überall ein. Unter ihm stieg die grünlich-graue Masse an. Ein Wasserfall aus Aalen. Er spürte schlüpfrig glatte Körper an der Haut. Jetzt ist es vorbei.

Schönen Tag und
LG, Franklyn
 

Asbest

Mitglied
Lieber Asbest, das ist der `Blechtrommel`-Alptraum meiner Jugend. Hast du den Film gesehen? Bis ins hohe Erwachsenenalter konnte und wollte ich keine Aale essen.
Tolle Geschichte, herrlich verrückt.
Darf ich auch noch etwas klugscheißern? `Nur` und `nun` sind ganz gemeine, flutschige Aale, die sich so gerne in unsere Schreibsprache mischen. Einfach mal weglassen, testweise und sehen, was passiert ;o)
Liebe Grüße
Judith
Ja, diesen Film hab ich (leider) gesehen. Übrigens hat dieser Film (bzw das Buch) auch bei meinen Großeltern und meiner Mutter für eine Abneigung gegen Aale gesorgt.

Was die Vorschläge angeht: Ja, die inflationäre Verwendung des Wortes "nun" werde ich in Zukunft überdenken. Dies ist mir bis jetzt nie wirklich aufgefallen.

Hallo Asbest,

hm, jetzt, nachdem ich mir einige Stellen aus deinem Text zum Zitieren herausgesucht hatte, stelle ich fest, dass du eine neue Version innerhalb der Kommentare eingestellt hast. Wieso hat du den oberen Thread nicht einfach aktualisiert, frage ich mich als neuer User hier. So ist es doch vorgesehen, oder nicht? So mache ich es jedenfalls.

Ich lasse mal die alten Stellen drin. Vielleicht kannst du damit ja etwas anfangen. Mit meinen Hinweisen zum Anfang des Textes:


versuchte, versuchen --> doppelt sich
vorbei sein, Ende --> dto.
glitschigen Fische, glitschige Körper --> dto.

Ohnehin würde ich den "Versuch" sowieso weglassen, lieber von dem Scheitern schreiben.
Bei "Versuch" weiß ich als Leser doch sofort, dass er nicht klappt ;-)

Generell könntest du diese spannende Stelle auch sprachlich/stilistisch spannender darstellen (kurze, knackige Sätze). Der lange, verschachtelte Satz hält nur auf, drosselt das Tempo, das du durchaus drin hast, doch nur.
Dabei solltest du auch so "ungenaue", relativierende Worte streichen: vorbei sein SOLLTE, EINE ART Wasserfall, BALD, SCHON

Vorschlag:
"Aale, überall Aale!", fluchte er und umklammerte die nasskalte Eisenleiter fester. Der Schacht oben, sein einziger Fluchtweg – versperrt. Die länglichen, glitschigen Fische drangen von überall ein. Unter ihm stieg die grünlich-graue Masse an. Ein Wasserfall aus Aalen. Er spürte schlüpfrig glatte Körper an der Haut. Jetzt ist es vorbei.

Schönen Tag und
LG, Franklyn
Dein Vorschlag gefällt mir sehr gut.
Danke für die Verbesserungsvorschläge. Die etwas überarbeitete Version habe ich als Kommentar veröffentlicht, weil ich mit diesem Forum noch nicht so vertraut bin und nicht wusste, dass ich den Text bearbeiten kann.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe die überarbeitete Version oben verlinkt, damit man sie direkt aufrufen kann.

Beim nächsten Mal schaffst du sicher die Bearbeitung. :)

Mir gefällt der Text nach wie vor sehr gut.

Gruß DS
 



 
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