Abend im Schlosspark

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hermannknehr

Mitglied
Letztes Licht liegt auf den Fluren
dieser Parke, die dich rufen,
und vorbei an den Figuren
gehst du über breite Stufen

zu den Teichen, die opak
vor dir liegen wie Gesichter,
so als spiegelten sie Lichter
aus dem abgeschlossnen Tag.

Und du fühlst die Größe um dich her,
diese Prunksucht von vergangnen Tagen,
da sich Könige mit einem Heer

von Bediensteten und schönen Damen
hier ergingen, was wir nur erahnen
an dem Lächeln, das die Bilder tragen.
 
O

orlando

Gast
Klingt nach Stefan George, jedoch nicht epigonenhaft. Vielmehr so, als griffst du dessen Symbole als gestaltete Erinnerungen auf: Einmal an die Zeit besonders kunstvoller Gedichte (die königliche Zeit der Lyrik), andererseis an eine insgesamt überlebte Historie.
Zunächst störte ich mich am Plural deines Parks, aber es gibt sie tatsächlich die Parke. :)
Insgesamt zeigt dein Gedicht einen sehr schönen Klang. Die Form des (variierten) Sonetts ist für den Inhalt deines Gedicht gleichsam vorprogrammiert, passt also super.
Auch ich bleibe mit einem Lächeln zurück.

orlando
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Orlando,
vielen Dank für Deine schönen Worte. Eigentlich hatte ich einen massiven Protest von allen Gralshütern des Sonetts erwartet und mich innerlich schon auf eine Verteidigungsrede eingestellt, aber der ist ja nun ausgeblieben. Das Gedicht will einfach nur schön sein und dabei etwas nostalgisch an die Hochblüte der neuzeitlichen Lyrik (die ich mal so um 1900 ansiedele) erinnern, mehr nicht.
Ich danke Dir für Dein Verständnis und Dein Lächeln. :)
Hermann
 

Herr H.

Mitglied
Eine sensibel erspürte und geschilderte Szenerie, die sich beim Lesen wunderbar nachempfinden lässt. Nach meiner Wahrnehmung hat allerdings vom lyrischen Muster her eher Rilke als George Pate gestanden.
Ein klein wenig stören mich bei den Dreizeilern die Reime "her-Heer" sowie "Damen-erahnen". Vielleicht lässt sich da noch etwas verbessern. Davon abgesehen ein wirklich wuunder-schönes Gedicht.

LG von
Herrn H.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Her H.,
Du hast es natürlich sofort erkannt: Rilke hat Pate gestanden bei dem Gedicht und ich schäme mich auch ein bisschen für diese mangelhafte Kopie. Aber was solls. Es sollte ein stimmungsvolles Gedicht werden, entstanden aus einem persönlichen Erlebnis heraus. Und das ist es, glaube ich, trotz aller Mängel auch geworden.
Vielen Dank für Deine positive Beurteilung.
LG
Hermann
 
O

orlando

Gast
Na, na, na,
formal ist das vielleicht ein wenig rilkisch, inhaltlich jedoch reinster Geoge. Siehe Algabal und / oder die Bücher der Hirten- und Preisgedichte der Sagen und Sänger und der hängenden Gärten.
Eines seiner berühmtesten Gedichte heißt "Komm in den totgesagten Park."
Ich finde es übrigens nicht besonders dienlich, wenn permanent Aussagen im Forum kursieren, denen es an Wahrheitsgehalt mangelt.
orlando
 
O

orlando

Gast
Kleiner Nachtrag: Rilke hat sich bekanntlich gern einmal bei George "bedient", was allerdings seinerzeit nicht ganz unüblich war. Und es auch heute nicht ist. Qualitativ konnte er seinem Vorbild allerdings niemals das Wasser reichen; darüber sind sich 90 % aller Literaturwissenschaftler einig.

Im Grunde kommt es bei unseren eigenen Versuchen darauf an, mit der Zeit einen eigenen Stil zu entwickeln, also nicht wie Heine, George oder Rilke zu schreiben, sondern wie Hermann Knehr.
 

hermannknehr

Mitglied
O.k., o.k. Du hast natürlich recht. Obwohl ich beim Schreiben des Gedichtes tatsächlich Rilke im Kopf hatte, hat natürlich George (besonders der frühe, so bis zum siebenten Ring) die Dichtersprache um 1900 geprägt. Und das Gedicht "Komm in den totgesagten Park und schau" aus dem Jahr der Seele ist natürlich genau dieser Stil. Also nichts für ungut. Aber vielleicht sollten wir all diese Vergleiche lassen. Ich maße mir nicht an, irgend jemanden nachzueifern. Belassen wir es doch bei einem Lächeln. Das hat mir sehr gefallen.:)
LG
Hermann
 



 
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