Aber satt ist er noch immer nicht

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Dimpfelmoser

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Aber satt ist er noch immer nicht

Der kleine Mensch betrachtet still das Bild
der kleinen Raupe vor dem großen Spalt,
wo jüngst ein großer Mensch von nebenan
mit Bomben um sich schmiss, und heute kalt
und herzlos seinen Hunger blutig stillt.

Das Raupenbuch wirft er der Freundin zu,
die abends keinen Kuss vom Papa kriegt,
der ihr kein frohes Lied mehr singen kann,
weil er erschossen auf der Straße liegt.
Der große Mann gibt weiter keine Ruh.

Die Freundin sieht den Schmetterling und sehnt
nach Flügeln sich, schön stark in gelb und blau,
um Mama, Schwester und den kleinen Mann
weit weg zu tragen, fort von diesem Grau,
das sich in ihrer Welt so schnell ausdehnt.

Sie will nicht weinen, wirft das Buch durchs Loch
und blickt den Freund dann raupenfingernd an.
Sie fragt ihn, wenn du groß bist, wirst du dann
ihn fressen, diesen grausamen Tyrann,
der nimmersatt in unser leben kroch?
 
Den Bogen schlagen von der kleinen Raupe Nimmersatt zum Kriegsgemetzel ist ein interessanter Sprung. Dazwischen die Kinderseele mit ihrer Trauer. Sehr verdichtet, gefällt mir gut.
Beislgrüße
 

Dimpfelmoser

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Danke Dir für Lesen und Wertung. Vor einigen Tagen erzählten bei einer Konferenz einige ukrainische Bibliothekarinnen von ihrer Arbeit während des Krieges. Dabei wurde auch die Arbeit ukrainischer Kinder- und Jugendbibliotheken vorgestellt. Ein Bild, das dabei zu sehen war, zeigte Kinder und Bibliotheksmitarbeiterinnen, und eben das schöne Buch von Eric Carle bzw. die bekannte Raupe Nimmersatt. Dieses Bild (und die Berichte dieser starken Frauen aus ihrem Berufs-"Alltag") hallen bei mir immer noch nach.
Viele Grüße, Dimpfelmoser
 
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