Abschied im Herbst

[aZrael]

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Orange. So sahen die Blätter vor seinem Fenster aus. Orangeleuchtend, wenn die Herbstsonne den Ahornbaum vor seinem Fenster entzündete. Einige Strahlen landeten auf seinem Schreibtisch und tauchten ihn in orangenes Licht. Es beschien seine Stiffte und Zettel, seine Bücher und seine Schreibmaschine. Er sah zu ihr hin und seufzte.Das helle und lebendige Herbstlicht, das seinen Schreibtisch beleuchtete, reichte nicht bis zu ihm. Er sahs in seinem großen Ledersessel, der in einer Ecke seines Arbeitszimmer stand, und beobachtete durch das große Panoramafenster den Himmel. Das hatte er schon den ganzen Morgen getan. Doch jetzt gab es etwas anderes für ihn zu tun.
Langsam stand er auf und ging zu seinem Schreibtisch. ER bewegte sich langsam, denn auch er hatte seinen Herbst erreicht, genauso wie die Landschaft vor seinem Fenster und er fühlte langsam die Kälte des Winters näher kommen. Er streckte seine Hand aus und begann die Stiffte, welche auf der Schreibunterlage verteilt lagen, in die Schubfächer zu räumen. Das selbe tat er mit den Zetteln und seinen Büchern. Langsam leerte sich die Schreibplatte. Schließlich stand nur noch seine Schreibmaschine da. Er fuhr sachte, fast zärtlich mit seinen faltigen Fingern über die abgegriffenen Tasten und den zerkratzten Stahlkasten. Sie war genau so ein Fossiel wie er selbst, ein Überlebender einer anderen Zeit. Dann hüllte er sie in das rissige Plastik der Abdeckhaube und räumte auch sie weg. Nun war die Platte leer. Er setzte sich und sah aus dem großen Fenster seines Arbeitszimmers. Doch sein Blick nahm diesmal die goldorange glänzende Pracht der Natur nicht wahr. Seine rechte Hand zitterte leicht, doch auch das bemerkte er nicht. Sein Blick war nach innen gerichtet. Was er sah, war eine weite Ebene im Schnee, an den Rändern von kahlen und dürren Bäumen begrenzt, die sich wie Hände in den Himmel streckten, als ob sie nach etwas greifen wollten. Leise heulend pfiff der Wind über die Ebene, über der sich ein makelloser blauer Himmel spannte. Dann kehrte er langsam wieder in das "Jetzt" zurück. Er stand auf und schob den Stuhl ordentlich an den Tisch. Dann ging er hinüber ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Hier gab es kein orangenes Licht, nur Schatten, die den Raum erfüllten. Mit seiner Hand ergriff er ein gerahmtes Photo, das vor ihm auf dem Tisch stand. Er betrachtet es lange und eine einzelne Träne lief ihm über das Gesicht, wie eine silberne Perle.
"Bald, bald bin ich bei dir........" Dann stellte er das Bild wieder auf den Tisch und lehnte sich zurück. Er schloß die Augen und wartete auf den nun schon nahen Winter.
Und während draußen die letzten Blätter von einem Windstoß weggeweht wurden, kam der Winter leise und sanft zu ihm.
 
P

Petra Koch

Gast
Ich liebe Geschichten, die so geschrieben sind, dass sie mich innerlich berühren, wenn ich sie lese, so wie diese hier. Gruß P.
 



 
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