Abschied im November

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AliasI

Mitglied
Die Sonne scheint novemberfahl
Herbstwind weht über Gleise
die Bäume um uns sind fast kahl
geh nicht, sag' ich ganz leise

Nach Kälte schmeckt der letzte Kuss
ein Zug dröhnt in der Ferne
dein Gehen ist für dich ein Muss
was siehst du nur für Sterne ...

Dein Zug nimmt Kurs auf Süd-Südwest
und lässt mich nun im Kalten
du hängst in deinen Träumen fest
ich kann dich hier nicht halten

Um mich herum die Zeit steht still
hat jeden Glanz verloren
und was ich dir noch sagen will -
im steten Wind erfroren
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Hallo Aliasl,

ich finde dein Gedicht recht schön, auch wenn es ein bisschen traurig ist. Gerade der letzte Vers in der letzten Strophe erzielt eine starke Wirkung, das hast du gut gemacht!

Nicht so ins Bild passt für mich der dritte Vers in Strophe 2:

dein Gehen ist für dich ein Muss
Das Muss passt meiner Meinung nach nicht zur Wortwahl im übrigen Gedicht und wirkt ein bisschen dem Reim geschuldet. Vielleicht gibt es noch eine bessere Lösung?

Liebe Grüße
Frodomir
 
Hallo Aliasi,

ich finde dein Gedicht auch sehr schön. Ich stolpere aber über V2 S1.

Die Sonne scheint novemberfahl
Herbstwind weht über Gleise
die Bäume um uns sind fast kahl
geh nicht, sag' ich ganz leise
So wie ich es lese, ist alles übrige wie auch das Gedicht im Ganzen im Jambus, aber der Vers, der mit „Herbstwind" beginnt, im Trochaeus.

LG SilberneDelfine
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Hallo SilberneDelfine,

ich erlaube mir, mich einzumischen, um den Trochäus hier zu verteidigen. Meiner Meinung nach unterstützt dieser nämlich das Bild und gibt dem Wind eine ihm eigene Kraft, die sich über das übrige Geschehen erhebt. Das macht das Gedicht in meinen Augen spannender und wenn man es glattschleifen würde, würde der Text einer Besonderheit beraubt, was ich schade fände.

Liebe Grüße
Frodomir
 

Tula

Mitglied
Moin
Ich würde den Herbstwind ebenfalls so stehen lassen. Man könnte sogar weitere kleine metrische Brüche an geeigneten Stellen einsetzen, das passt mMn insgesamt zum Inhalt.
Beim Abschluss allerdings würde ich es persönlich so besser finden:

und was ich dir noch sagen will,
ist längst im Wind erfroren.


LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Hallo Tula,

wenn ich mich erneut einmischen darf: Deine Variante des Gedichtendes klingt flüssiger, gewiss, aber im Original fehlt ja das Hilfsverb, sodass das Erfrieren auch noch in der Form zum Ausdruck kommt. Ich persönlich finde das stilistisch spannender. Möge die Autorin entscheiden.

Liebe Grüße
Frodomir
 
Hallo SilberneDelfine,

ich erlaube mir, mich einzumischen, um den Trochäus hier zu verteidigen. Meiner Meinung nach unterstützt dieser nämlich das Bild und gibt dem Wind eine ihm eigene Kraft, die sich über das übrige Geschehen erhebt. Das macht das Gedicht in meinen Augen spannender und wenn man es glattschleifen würde, würde der Text einer Besonderheit beraubt, was ich schade fände.

Liebe Grüße
Frodomir
Lieber Frodomir,

erst einmal schön, dass du wieder da bist :) und danke für die Antwort.

Gut, wenn das „erlaubt" ist - aber immerhin, ich habe es gemerkt :). Das Spannende an Gedichten ist, dass man auch beim Lesen immer noch etwas dazu lernen kann.

LG SilberneDelfine
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Liebe SilberneDefline,

erst einmal schön, dass du wieder da bist :)
Vielen Dank, auch schön, dich wiederzutreffen :)

Ja, das war gut, dass du das bemerkt hast, denn mir ist es nicht aufgefallen und so hast du mich auf eine Nuance an diesem Text hingewiesen, welcher mein Lesevergnügen noch erhöht hat.

Aber was heißt auch schon "erlaubt"? Ein interessanteres Kriterium wäre meiner nach eher Wirksamkeit: unterstützt die Form den Inhalt oder konterkariert ihn sogar auf eine interessante Art und Weise? Die perfekte metrische Struktur wäre demnach oft eine, die es sich nicht zu erstreben lohnt, denke ich.

Liebe Grüße
Frodomir
 

AliasI

Mitglied
Ich muss lachen, ich habe keine Ahnung vom Gedichteschreiben, sei es von Jamben oder von Oden. Es war bei mir nur so ein Gefühl. Aber danke schön für die Diskussionen. ;-)
 
G

Gelöschtes Mitglied 23629

Gast
Ja, sehr schön, Aliasl.
Erinnert mich stark an ein ähnliches Gedicht, das ich mir vor längerer Zeit aus einem anderen Forum herauskopierte: Es nannte sich

Abschied am Fluss

Novembergrau verfärbt den Fluss,
liegt bleiern auf den Deichen.
Nach Rauch schmeckt unser letzter Kuss.
Gibst du mir noch ein Zeichen?

Dein Schiff nimmt Kurs auf Nord-Nordwest,
fährt ohne mich nach Norden.
Ich halt an meinen Träumen fest
von schneeumkränzten Fjorden.

Am Deich: Die Zeit steht quälend still,
hat jeden Takt verloren.
Ich weiß nicht, ob ich warten will -
mein Herz ist fast erfroren.


Dass ein Kuss nach Rauch schmeckt, gefällt mir besser als nach Kälte. Wäre Kälte nicht geschmacklos?

Gruß, Charlotte R.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Hallo Charlotte,

was du eingestelllt hast, ist ein sehr schönes Gedicht. Da würde ich glatt 5 Sterne geben und mich mit Lob überschlagen wollen. Interessant aber, zu wissen, wo unsere Dichter Schöpferkraft hernehmen.

Lieben Gruß, Hanna
 
G

Gelöschtes Mitglied 23629

Gast
Ja, Hanna, inzwischen habe ich auch erfahren, dass "Abschied am Fluss" noch viel älter ist als ich dachte und schon 2013 hier in der Leselupe stand.
Aber Plagiieren ist ja heute nur noch ein Kavaliersdelikt. Deswegen kann man trotzdem in höchste politische
Ämter kommen.

Liebe Grüße, Charlotte R.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Charlotte, das ist nicht in Ordnung. Plagiat ist so ziemlich das Schlimmste, was ein Autor begehen kann. Weißt du, ob der ursprünliche Autor darüber informiert ist? Deine Anspielung auf Giffey und Co. hat natürlich auch Ursache, und die Giffey ist noch immer Bürgermeisterin von Berlin. Wenn ich die Frau piepsen höre, dann steigt mein Adrenalinspiegel, die hat so was Heimtückisches an sich. Und sie ist ja nicht der erste Plagiatsfall in diesem besten Deutschland aller Zeiten.

Liebe Grüße, Hanna
 
G

Gelöschtes Mitglied 23629

Gast
Hallo Hanna,

die Autorin von „Abschied am Fluss“ ist zwischenzeitlich über meine Bekannte im anderen Forum informiert worden, daher auch die Information, dass das Gedicht auch schon in der LL stand. Aber da sie augenblicklich nicht mehr schreibt oder überhaupt angemeldet ist - weder hier noch im anderen Forum – ist ihr die Angelegenheit wohl egal. Was sollte man denn auch tun?
Ich fand’s nur ausgesprochen dreist, gerade weil mir der „Abschied am Fluss“ so gut gefallen hatte.

Schade, dass Aliasl sich noch nicht dazu gemeldet hat. Ob sie’s wohl noch tun wird?

Liebe Grüße, Charlotte R.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Ach, Charlotte, wenn keiner was sagt, dann geht das durch und wird vergessen. Und Aliasl wird sich nicht selber melden und Stellung beziehen.
Naja, es ist doof, wenn man bei so einer Sache erwischt wird. Aber ich möchte gar nicht wissen, wie viele Autoren das ganz ähnlich machen, vielleicht nicht so stark, aber die Entschuldigung ist, dass man aus den Vorgängern lernen soll. Wogegen ich übrigens gar nichts habe, aber das neue Werk muss dann aber
so selbstständig sein, dass man es auch als eigenes ausgeben kann. Mir geht es jedenfalls so, wenn ich fremde Gedichte lese, dann bleibt irgendwas bei mir hängen, und was mir gefällt, das eigne ich mir an, zum Beispiel Stilistisches (nicht Wörter u.a.), sondern das, was man als die Musik des Gedichts bezeichnet usw. Mir liegt zum Beispiel Brecht sehr, und manchmal erwische ich mich, dass ich genau denselben Sprachgestus habe wie er, ohne dass ich natürlich seine Qualität erreiche. Es wird sehr schnell von Plagiat gesprochen, aber bei dem Gedicht Aliasl war es sehr offensichtlich, das konnte ja keiner übersehen, der das Original kennt. Lass sein, bringt nichts.

Lieben Gruß, Hanna
 
G

Gelöschtes Mitglied 23629

Gast
Und Aliasl wird sich nicht selber melden und Stellung beziehen.
Natürlich nicht. Sie hat ihr Gedicht übrigens schon im November 2013 in mehreren Foren veröffenlicht, wie wir jetzt herausgefunden haben. Der "Abschied am Fluss" soll hier in der LL aber schon im Februar 2013 erschienen sein, war also definitiv zuerst da.
Aber du hast Recht - wenn's niemanden stört ...
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Gottchen, wenn ich erst meine Epigonen hätte, die meine Gedichte verfälschen ...
Aber dieses Glück hat nicht jeder. Sieh es einfach als einen Glücksfall für die ursprüngliche Verfasserin an. Immerhin war ihr Gedicht so gut, dass sie eine Nachfolgerin fand, die ihr Gedicht würdig fand, darin herumzupanschen.

Nimm's heiter. Lieben Gruß, Hanna
 



 
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