Ach, Du dicke Lilly - 4 - Die alte Kiste der Pandora

Tessy

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Ach, Du dicke Lilly - 4 - Die alte Kiste der Pandora

© Tessy

Nachdem ich mich bei Vroni über Katis Verhalten ausgejammert habe, brühe ich mir einen Kaffee auf und widme ich mich wieder Katis Laptop. Inzwischen bin ich ja etwas geübter mit dem Ding und gucke mal, was das da noch so Nettes zu finden ist.

Ich klicke hier und klicke da - und hoppla - plötzlich öffnet sich ein Fenster mit der Meldung: "Willkommen Bienenkönigin83". Bienenkönigin wurde Kati damals auf dem Mühlenbreiter Hof genannt, weil sie sich als Lehrling mit Freude um die Bienenvölker kümmerte. Es folgt eine Auflistung von Chaträumen wie, 'Große Frauen unter sich', 'Große Frau sucht große Liebe' und am Ende der Knopf 'Chatprotokolle'. Na, Ihr könnt Euch denken, dass mich das neugierig macht, oder?

Wer bei mir Hausdurchsuchungen durchführt, bei dem lese ich auch Chatprotokolle und dabei habe ich auch kein schlechtes Gewissen. Und ich traue meinen Augen nicht. Meine Kati ist eine eifrige Chatterin. Mit einigen Herren und mit einer 'Julia84'. Mit Julia hat sie viel geschrieben, das ist wohl ihre Freundin. Neugierig wie ich bin, schaue ich einmal nach.

Vielleicht hätte ich es lieber nicht tun sollen aber meine Neugier war größer und stelle fest, dass die Gespräche über eine rein freundschaftliche Ebene hinaus in eine ganz zarte Zweisamkeit führen. Da ist die Rede von 'Meiner Liebsten' und es werden Bussls und Streicheleinheiten ausgetauscht. Da wird der Schwanz des Drachen oder sein Schnäuzlein 'gebusselt'. Was immer das bedeutet.

Offensichtlich haben sich die beiden auch schon einmal getroffen und sehnen sich danach, sich bald einmal wieder an die Hand nehmen zu können. Und über Katis Ehemann Ferdi erfahre ich, dass Kati immer ein Auge auf ihn haben muss, weil er gerne anderen Frauen hinterher schaut und beide albern herum, dass man ihm eine Lektion erteilen und zu einem artigen Ehemann erziehen sollte. Kati hat dazu ziemlich rigorose Mittel im Kopf. Was ich da so lese, heizt meine Phantasie ganz schön an. Das würde ich auch gerne einmal mit einem Mann machen. Das hätte ich meiner 'Tochter-Vernünftig' nicht zugetraut.

Nun brauche ich erstmal einen Schnaps zum Kaffee. Den hatte ich schon neulich in eine Essigflasche umgefüllt und da ist er gut getarnt vor Katis Argus-Augen. Ich bin immer noch ganz baff. Meine Kati, die mir Vernunft verordnet und mir eintrichtert, sich ordentlich zu benehmen, nichts Anrüchiges zu machen und mich in Sack und Asche zu hüllen, damit man im Dorf nicht über mich redet - diese strenge Frau, hat eine enge Freundin mit der sie reichlich busselt und intime Dinge beredet. Sollte Kati am Ende etwa auch...? Ach, ich will das jetzt nicht zu Ende denken aber ich beginne, Kati in einem anderen Licht zu sehen. Vielleicht tue ich ihr Unrecht? Eigentlich wollte ich es Vroni erzählen, aber ich habe beschlossen, das erst einmal in meinem Herzen einzuschließen.

Irgendwie reizt mich das Thema Chat nun auch ein wenig und ich versuche es jetzt auch einmal. Ich nehme wieder Lilly57. Und auf geht’s. 'Große Frau über 50' klingt gut. Vroni hat mir ja gezeigt, wie es geht. Da gehe ich hin und probiere es nun auch einmal alleine aus.

Es beginnt der übliche Smalltalk - "Hallo Lilly!", "Wie alt bist Du?", "Wo kommst Du her?". Ein wenig beschnuppern hier und ein wenig abchecken dort.

Und dann lese ich plötzlich etwas, was ein 'Sekretär54' geschrieben hat: "Der Maswlowsche Collateralschaden, der entsteht, weil die Maswlosche Bedürfnispyramide um zwei weitere seitlich abgelehnte Komponenten erweitert werden müsste, dem Aufwand zur Sicherung der erreichten Position innerhalb der Pyramide und zur Sicherung der körperlichen Unversehrtheit, wobei deren Aufwand umgekehrt-proportional zur Bedürfnisintensität steht und bei einer Störung innerhalb dieses Konstrukts eine Korrumpierung des Geamtsystems droht, mit einem Collateralschaden auf allen Ebenen der Maswlowschen Pyramide."

Ich habe kein Wort verstanden, aber es hat bei mir 'Wrumms' gemacht. Ich sitze mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen da und starre auf die Worte, die dieser Sekretär54 schreibt. Das war wie ein Leuchtfeuer in meiner mentalen Einöde. Und urplötzlich erwacht in mir ein Jagdinstinkt, wie ich ihn seit 28 Jahren nicht mehr verspürt habe. Diesen Mann will ich! Weg mit Euch anderen Weibern! Jetzt wird die Stute bissig!

Nun will mich auch noch ein Willi55 vollquatschen! Dazu habe ich jetzt keine Zeit - da mach ich auf gemeine Zicke - und weg ist er.

Schnell den Sekretär54 in ein privates Fenster lotsen. Was schreibe ich nur? Bloß nichts Falsches schreiben! Und keinen belanglosen Unsinn! Sonst ist alles schon beim ersten Satz vorbei! Vielleicht Bezug auf das nehmen, was er geschrieben hat. Aber ich habe doch eigentlich gar nichts verstanden? Oh je, was soll ich schreiben. Das ist Stress pur! Ich tippe etwas, dann lösche ich es wieder weg. Wie schreibt man nur das eine Wort? Ich nehme lieber ein anderes Wort, bevor ich mich blamiere.

Könnt ihr Euch vorstellen, dass ich vor Aufregung zittere? Das soll ich doch nicht, hat der Arzt gesagt. Sch... drauf, ich habe jetzt Wichtigeres zu tun! Und dann schicke ich den Satz ab: "Bist Du ein Sekretär?"

Oh nein, kann man etwas noch Blöderes schreiben? Das war's Therese, Du hat es versaut!

Und dann kommt eine freundliche Antwort: "Nein, ich bin einmal der Sekretär gewesen. Aber eigentlich bin ich Seemann. Und Du?" Mein Herz ist sonst wo hin gerutscht. Hurra - ich habe eine zweite Chance bekommen. Aber die vergeige ich jetzt nicht. Seine höfliche Art gefällt mir und so haben wir uns wohl über drei Stunden bis nach Mitternacht unterhalten. Nun werden meine Augen einfach zu müde und ich frage höflich, ob er böse wäre, wenn ich jetzt schlafe gehe.

Von wegen schlafen! Die ganze Nacht ging er mir nicht aus dem Kopf und mir sind wohl erst gegen 4 Uhr morgens die Augen zugefallen. Aber als Kati mich am Samstagmorgen um 8 Uhr per Telefon mit dem Spruch weckt, "Na, bist D' noch am Leben? Hot der Kaffee g'schmeckt?" bin ich sofort wieder hellwach und meine Gedanken kreisen nur noch um Sekretär54. Ich wurde dann auch richtig zickig, als Kati mit mir noch eine Einkaufsliste durchgehen will.

Um 8.30 Uhr bin ich bereits geduscht und habe meinen Laptop eingeschaltet, um zu sehen, ob dieser Mann wohl wieder online ist und - siehe da - der Mann meiner schlaflosen Nacht hatte schon auf mich gewartet. Ihr könnt Ihr Euch sicher vorstellen, dass das selige Elefantenküken vor Freude auf dem Stuhl gehoppelt ist, oder?

Mein Herz macht Freudensprünge und schon beginnen wir wieder miteinander zu schreiben.

Ich vergaß Zeit, Raum und Hunger. Gegen 14 Uhr sitze ich noch immer im Nachthemd am Rechner mit einer Karotte im Mund und einer leeren Tasse Kaffee. Plötzlich höre ich den Schlüssel in der Haustür. Kati kommt! Schnell den Rechner zugeklappt und aufs Sofa.

Kati ist natürlich irritiert. Warum ich noch immer im Nachthemd bin? Ob es mir nicht gut geht? Ich sehe so seltsam aus und gucke so komisch - nicht das ich noch krank werde. Sie macht sich ernsthaft Sorgen!

Natürlich bin ich krank! Wie ein Teenager, der gerade das erste Mal zum Tanzen aufgefordert wurde! Oder wie ein Schulmädchen, das gerade einen Spickzettel mit einer Liebesbotschaft von dem Jungen seiner Träume bekommen hat!

Aber das sage ich Kati natürlich nicht und rede mich heraus, dass ich es heute einmal ganz ruhig angehen will. Und es brennt mir unter den Fingernägeln, weiterzumachen!

Ob ich schon Blutdruck und Zucker gemessen habe? Nein, das mache ich nachher.

Ob sie die Einkäufe schon einmal in den Schrank stellen soll? Das mache ich auch nachher, sage ich ihr, um sie loszuwerden.

Sie spürt, dass irgendetwas vorgeht. Ob ich schon wieder etwas bestellt hätte, fragt sie und ich schüttele mit dem Kopf. Endlich geht Kati wieder, allerdings nicht ohne einmal kurz die leere Kaffeetasse hochzuhalten - nach dem Motto: Ich habe es gesehen! Ihr entgeht eben nichts.

Und nun schnell wieder den Laptop aufgeklappt. Ich habe mich dann entschuldigt, dass Tochter und Enkelin gerade eben kamen und er erzählt mir, dass er auch eine Tochter hat, die ein Restaurant am Wasser betreibt.

Gegen 18.00 Uhr ziehe ich endlich einen Bademantel über und um 20 Uhr machen wir eine halbe Stunde Essenspause, in der ich dann die Einkäufe endlich wegpacke, um dann bis 2 Uhr morgens weiterzumachen.

Wir schrieben über unsere Vergangenheit und Jugend und stellten schnell fest, dass unsere Ansichten zu Musik, Kunst, Theater, Film, Gott, Kirche, Alkohol, Gewalt, Ehrlichkeit, Essen, Trinken, Düfte, Kleidung, Mann und Frau zueinander passten. Dann tasteten wir uns an das Thema Zweisamkeit heran und er erzählte, dass er gerne mit einer Partnerin ein neues Leben aufbauen würde und all das Versäumte nachholen möchte. Mein Kopf drehte sich vor Glück wie eine Waschmaschine im Schleudergang. Ich saß am Rechner und starrte wie ein Teenager mit leuchtenden Augen auf den Bildschirm. Durch meinen Kopf schossen die wildesten Träume aus meiner Backfischzeit.

Dieser Mann im Chat hat die 'Kiste der Pandora' irgendwie vollends geöffnet und alles wie beim Urknall herausgelassen, was dort fast 30 Jahre vergraben war.

Und wisst ihr was? 'Mutter-Vernünftig' ertappt sich selbst als dumme, alte, balzende Schlampe beim hemmungslosen 'Anbaggern' und in der ausgedörrten Steppe meiner Leidenschaft beginnen zarte Pflänzchen aus dem kargen Boden zu keimen.

Mein Handy surrt. Oh je, acht SMS warten - alle von Vroni. Sie macht sich Sorgen - Freitag 4 Stunden im Chat und heute schon wieder. Ich schreibe ihr nur kurz zurück: "Traummann. Hab jetzt koa Zeit. Morgen mehr!" Aber sie gibt nicht auf und fragt: "Bist D' richtig verknallt, wie früher?" und ich antworte mit einem großen "Ja!", worauf sie nur schreibt: "Schnapp ihn Dir und los ihn nit mehr aussikomm!"

Ich fühle mich wunderbar! Es ist herrlich! Es geht mir gut. Meine Hormone sprudeln wie eine Brauseflasche. Das Adrenalin schießt durch meine Adern und Endorphine trampeln durch mein Nervensystem.

Und dann passiert es. Ich gehe eben in die Küche, um mir noch ein Glas Wein zu holen und auf dem Weg zurück zum Laptop bleibe ich stehen.

Wo ist meine Gehhilfe? Wieso ist sie beim Laptop? Wie bin ich eben in die Küche gekommen?
Vorsichtig mache ich einen Schritt und stelle fest, dass es gar nicht mehr so weh tut.

Alle Wehwehchen sind fast wie weggeblasen und meine Knochen quälen mich nicht mehr! Ich stehe vollkommen 'unter Strom' und 30 Jahre fehlender Leidenschaft schießen ohne Vorwarnung direkt in meinen Kopf und lassen alle Sicherungen durchbrennen.

Am nächsten Tag schickt er mir ein Foto von sich, in das ich mich selbstredend sofort verliebe. Graue Haare, Brille, ein freundliches Lächeln - durchaus Tageslicht tauglich. Hach, was für ein toller Mann!

Aber als er fragt, ob ich auch eins hätte, wird mir heiß und kalt. Ich hatte ihm ja meine körperlichen Ausmaße noch nicht im vollen Umfang 'gebeichtet' und auf seine Fragen ausweichend mit Plattitüden geantwortet, wie 'es-sind-wohl-einige-Pfündchen-zu-viel', um nicht mit der Vehemenz einer 120 kg Wuchtbrumme das zarte Pflänzchen unserer traumhaften Beziehung zu zertrampeln.

Was soll ich tun? Soll ich ihm ein ganz normales Foto schicken: 'Elefantenkuh am Seeufer mit Enten' oder eins der 'Selfies'? Lieber 'Dicke-Mutter-vernünftig-und-naja' oder lieber 'Dick-und-sexy'? Dann ist das Visier wenigstens offen. Zieht er dann den Stecker und alles ist vorbei? Oder kommen nun alle Karten auf den Tisch und am anderen Ende des Bildschirms sitzt der Traummann meiner Spät-Single Sehnsüchte zum Anfassen und Träumen? Ich fasse allen Mut zusammen und beschließe 'die Hosen herunterzulassen' und ihm das Foto zu senden, auf dem ich wie die Schwester des Michelin-Männchens aus meinem Body herausquelle.

Ich drücke die Return-Taste. Die Zeit steht still. Ich wage nicht zu atmen und mein Herz klopft bis zum Halse, wie ich es noch nie erlebt habe und ich dachte, gleich bekomme ich einen Herzanfall. Dann kam die Antwort: "Du bist aber eine stattliche Frau. So, wie ich es mir erhofft habe."

Die Gedanken in meinem Kopf schlagen Purzelbäume. Ich bin so aufgeregt, dass ich nun erstmal schnellstens aufs Klo muss. Mein Traummann dachte damals, ich würde nicht mehr antworten und er mich verschreckt hätte.

Von da an war jedes Eis gebrochen. Wir schrieben uns gefühlte 1000 Stunden lang und sprachen miteinander. Wir gestanden uns unsere geheimsten Gefühle, Sehnsüchte, Träume und Phantasien. Wir tauschten Millionen von Küsschen aus und kuschelten uns innig aneinander und ich spürte von Tag zu Tag mehr, wie meine Leidenschaft langsam wieder erblüht. Er fotografiert sehr viel und ich habe ihm gesagt, dass es mit gefallen würde, sein Modell zu sein. Hoffentlich wird das jetzt nicht zu falsch verstanden! Oder hoffentlich doch? Ach, wo ist jetzt das Loch, in das ich nun lieber versinken möchte! Aber es wurde schon richtig verstanden. Er nennt mich Lilly und ich ihn Bärli, weil er einmal sagte, er sei einmal ein richtiger Seebär gewesen. Heute hat er mit Apparaten für Schiffssteuerung zu tun und hilft einer alten Dame mit ihren Schiffen.

Alles wusste ich über ihn und er alles über mich. Dachte ich zumindest.

Und dann kam der Tag der Wahrheit. Wir werden uns bei ihm treffen. Hier in Achenweiler ist es wie bei Big Brother und hätte man ein fremdes Auto bei mir vor der Tür gesehen, hätte wohl nur einen Stunde gedauert, bis es jeder im Dorf und im Krug gewusst hätte: "Host D' gesehen? Do is a Saupreuß bei da dicken Resi, da oalten Schloampen."

Und ich möchte vorher ganz sicher sein, dass ich dann mit Schadenfreude stolz antworten könnte: "Ja, des is mein Mann. Da mi lieb hod und da steht z' mir und respektiert mi und da gehört da dicken Schloampen ganz allein! Und da is dreimal besser, als ihr depperten Buam mit'nander."

Aber nun kommt die Frage aller Fragen - wie sage ich es meinem Kinde? Ich nehme allen Mut zusammen und beginne ganz vorsichtig und suggestiv: "Kati, Du weisst doch, dess i Di lieb hob, oder? Und Du host mi doch a lieb, oder? Und Du möchtest doch a, dess es der Mama guat geht, oder?" Die alte Mon-Cherie Taktik. Wer kann dazu schon 'nein' sagen und fahre dann fort, "Kati, i hob do wen kenneng'lernt, den i gut leiden konn und den will i jetzt gern a'mal besuchen fahr'n."

Der Dampfdruck in Katis Kopf überspringt augenblicklich das Sicherheitsventil und schießt mir nun vehement entgegen: " Wo hast D' den kennengelernt? Im Internet? Und wohlmöglich is des a schlimmer Typ, da Di verg'woaltigt und umbringt und mit am Beil zerstückelt? Und do willst D' hinfahrn? Und wer muss dann wohl Dein' Leichnam identifiziern? Denkst Du a an mi? Wo wohnt da? An da Ostsee? Wos willst denn ausg'rechnet Du do? Da verstehst D' die Leut' doch goar nit! Wos is der? A Seemann? Wohl mit am tätowierten Hula-Madl auf da Brust? Vielleicht sitzt da do im Unterhemd zwischen lauter leere Bierdosen! Die trinken doch oalle! Wos macht da? Wos mit Schiffsnavigation? Putzt wohl bloß des Steuerradl schee sauber! Und hilft einer alten Frau mit ihren Schiffen? Wohl Tretboote anbinden, damit sie nit wegtreiben! A Tochter hat er a? De hod a Restaurant am Wasser? Wohl a Hafenkneipen, mit betrunkene Seeleut' und lauter Flittchen und mei' Mama mitten drin als Matrosenliebchen? Sog amal, bist noch g‘scheit? Entwickelst' Di jetzt wieda zurück zur Schloampen? Lieber Himmel, i hoff' nur, dess des niemand im Ort z' hören kriagt. So, und jetzt werd amol wiader g‘scheit und sei vernünftig. Du bleibst schee z' Hause und damit basta!"

Eigentlich hatte ich auch nichts anderes erwartet und klage Vroni meinen Jammer. Irgendwie hat Kati ja Recht und ich werde vielleicht nur eine Enttäuschung erleben und darum ist es doch besser, wenn ich nicht fahre.

Vroni blickt mich kopfschüttelnd an: "Resi, sog mol, host D‘ sie nit mehr oalle beisamma? Dei' goanzes Leben war a einz'ge Enttäuschung und do kommt es auf oane mehr a nit mehr drauf an. Und vielleicht is des a große Chance in Dein‘ Leben. Und de willst' D' verpossen? Ach, Schmarrn, so blöd kannst selbst Du nit sein. Also los! Aber de oalten Latschen und de Schlabberhosen, die lässt D' doheim. Komm, schaun mer mal im Internet, wos mer do Passendes für Di finden. Und denn schaust, dess Du loskommst, hörst!"

Wir haben denn ein paar schicke Sachen ausgesucht. Dem Postboten sage ich, dass ich zur Kur reisen werde und Kati hat sich dann auch murrend damit abgefunden, dass ich fahren werde. Ich habe ein Wochenend-Ticket genommen und werde an einem Samstag mit dem Zug bis nach Hamburg fahren. Dort holt mich dann mein Bärli ab und wir fahren dann nach Heelsenhavn zum ihm nach Hause, wo wir eine Woche gemeinsam verbringen wollen, um zu sehen wie wir miteinander zurechtkommen.

Kati hat mich morgens zum Bahnhof in Tellsee gefahren und mir noch eine Reihe von Dingen eingeschärft. Ob ich alle Medikamente und Messgeräte dabei habe? Ob alle Adressen stimmen? Ob mein Handy aufgeladen ist? Und sie erwartet meinen Anruf sofort, wenn ich angekommen bin und dann alle 8 Stunden, damit sie weiß, dass alles in Ordnung ist. Sonst geht sie gleich zur Polizei. Zum Abschied nimmt sie mich in den Arm und ich sehe eine Träne bei ihr: "Mama, i wünsch' Di a guate Zeit. Pass auf Di auf. I hob solch a Angst um Di. I hob Di doch lieb! Und pass auf, do oben bei die Ostsee is alles oanders als hier. Und wenn’s a Problem gibt, denn komm i und hole i Di g'schwind heim, ja?"

Beinahe hätte ich meine Gehhilfe im Katis Auto vergessen.
 

onivido

Mitglied
Hallo Tessy,
auch zum zweiten Mal mit Vergnuegen gelesen. Aber dein Plattdeutsch ist bestimmt authentischer, als dein Hinterwoidlisch aus dem extremen Sueden des Landes.
Gruesse///Onivido
 



 
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