Achtzeiler (gelöscht)

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich kann nicht bei Dir sein - ich wäre ich nicht mehr:
In ferne Sphären willst Du mich entführen,
in fremden Räumen hinter fremden Türen
zög's mir die Füsse weg. Ach, gib mich her!

Drum schweige weiter, höre nicht mein Flehen.
Schliess Deine Augen, lass mich nicht entrücken.
Und wollte das mich auch zu Boden drücken,
so soll es sein, denn darauf will ich stehen.

Doch lasse hinters Licht Dich jetzt nicht führen
Dass ich Dich nicht verstünde, scheint nur so
Hast sicher Deine Gründe, aber so
wird nie ein andrer je Dein Herz berühren.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Julia,

Deine Reime sind ja sehr interessant verteilt. Für Binnenreime hatte ich immer schon eine Vorliebe.

"Entwaffne Dein Entzücken!" Ja, es kann sehr anstrengebd sein, ständig von Liebesschwüren verfolgt zu werden, und von Erwartungen, dem Bild eines anderen "doch bitte mal eben so" zu entsprechen.

Interessante Wörter hast Du da ineinander verhakelt, um Deine Aussage zu machen, ein feines kleines Werk!

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Balu

Mitglied
neurosenblütentoll
das will ich als Lieblingsstelle für mich markieren

ja, Klammern kann die Luft zum Atmen nehmen

der Inhalt ist sowieso mein Lieblingsthema und handwerklich zeugt es von Feinarbeit
gerne gelesen

Grüße von Balu
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Vera-Lena, lieber Balu

vielen Dank für eure netten Kommentare :)!
Deine Reime sind ja sehr interessant verteilt. Für Binnenreime hatte ich immer schon eine Vorliebe.
Ich habe in letzter Zeit gemerkt, dass mir "normale" Reimstrukturen immer weniger zusagen; ich mag es, Gedichte entweder "ungenügend" zu verreimen (wie in "leicht und schwer"), weil auch wenige Reime für die Herstellung der Melodiestruktur eines Gedichtes vollkommen genügen und dieses Unvollkommene dann einen besonderen Charme hat; oder ich muss mehr als nur einmal pro Vers reimen (wie hier oder in "Froh zu sein")! Ich finde es faszinierend, wie sehr man die Reimstruktur eigentlich verbiegen kann, ohne dass ein Gedicht an Form verliert!
Ja, es kann sehr anstrengebd sein, ständig von Liebesschwüren verfolgt zu werden, und von Erwartungen, dem Bild eines anderen "doch bitte mal eben so" zu entsprechen.
ja, Klammern kann die Luft zum Atmen nehmen
Ich war überrascht von diesen Kommentaren, da ich eigentlich gar nicht übers Klammern schreiben wollte! Aber dann habe ich gesehen, dass das Gedicht in der ursprünglichen Fassung wirklich diese Interpretation nahelegt! Vielen Dank für eure Kommentare also - ich habe das Gedicht jetzt ein wenig abgeändert - ich hoffe, so kommt das, was ich eigentlich ausdrücken wollte, besser rüber. Obwohl ihr mit euren Anmerkungen natürlich recht habt, geht es mir mehr darum, dass die angesprochene Person eine in jeder Hinsicht unheimliche Faszination auf das Lyri ausübt, von der sich das Lyri lossagen möchte - deshalb wird der Angesprochene gebeten, es zu unterlassen, ebenfalls fasziniert zu sein - weil sich zu verlieben ja immer eine reziproke Angelegenheit ist.

Ich habe das Gedicht auch noch in Hinsicht auf Wortfelder ("Meer" in Vers 4, "immerscharf" in Vers 5) und ein paar andere Einzelheiten abgerundet - ich glaube, es ist jetzt besser - ohne eure Kommentare hätte ich wahrscheinlich nicht den Ansporn gehabt, mich noch einmal damit zu befassen - danke nochmals :)!

Der neu ergänzte Titel ist übrigens - obwohl wahrscheinlich auch so bestimmte Assoziationen auslösend - eher ein "Insider" (es geht um linguistische Terminologie) - MH würd's verstehen... wenn ich ihm das Gedicht zeigen wollen würde ;).


Lieber JoteS,

vielen Dank für das wirklich schöne Gedicht! Du wirst noch von mir hören ;)...


Liebe Grüße an euch alle,
Julia
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hallo Julia,
Das du einen Hang zu sehr anspruchsvoller Lyrik hast, ist mir oft aufgefallen und wurde wohl auch in vielen Kommentaren erwähnt. So sehr anspruchsvoll, dass sich mir manchmal deine Wortbilder selbst nach langer Überlegung und -zigmaligem Nachlesen nicht erschließen. Ich bin zu blöd. So auch bei diesem. Mein erster Gedanke war (und er scheint ja zum Glück richtig gewesen zu sein): schade das du nicht MH bist, dann wüsstest du worum es geht. Zwingt dich eigentlich dein ungewöhnliches Reimschema zu deinen außergewöhnlichen Wortschöpfungen oder findest du erst die Worte und "erfindest" dann die Form?
Verzeih mir meine Naivität.;)

Liebe Grüße

Thomas
 

presque_rien

Mitglied
Lieber Thomas,

vielen Dank für Deine Anmerkung - Du sprichst da Punkte an, die mir sehr wichtig sind!

Zu dem aktuellen Gedicht möchte ich sagen: Es bezog sich nur auf die Überschrift, als ich von einem "Insider" sprach - deswegen heißt das Gedicht in der Forumsliste offiziell immer noch einfach "Achtzeiler" - die Überschrift ist also eher irrelevant. Der Gedicht an sich war aber eigentlich so geplant, dass es allgemein verständlich sein sollte. Aber natürlich nur insofern, als Gedichte überhaupt "verstanden" werden können. Meiner Meinung an ist ein Gedicht noch viel weniger als andere Textsorten geistiges Eigentum des Autors, es kann, wenn man das "dicht" am Gedicht ernst nimmt, schon a priori nichts Anderes sein, als eine Projektionsfläche für Gefühle und Gedanken der Leser. Vielleicht versuche ich deshalb eigentlich nicht, meine Gedichte "verständlich" zu machen - meine Schwerpunkte liegen beim Dichten auf einer kohärenten melodischen Form und einer "Rundheit" im Sinne von durchlaufenden Wortfeldern, Metaphernbündeln, Atmosphäre etc. Was nicht heißt, dass ich einfach Wörter aneinanderreihe - für mich haben meine Gedichte immer einen konkreten Sinn - aber die Aufgabe des Leser ist ja nicht, diesen genau zu rekonstruieren, sondern, zu assoziieren. Deshalb benutze ich auch gerne Neologismen - sie erlauben einfach die interessantesten, weil noch unverbrauchten, Assoziationspfade. Form und Inhalt von Gedichten entwickeln sich bei mir dabei meistens parallel.

Bei diesem Gedicht zeigte sich dann, dass Vera-Lena & Balu es schön fanden, obwohl sie es etwas anders interpretierten, als ich es meinte. Insofern "Mission erfüllt". Na gut, ich hab das Gedicht auf die Kommentare hin geändert - aber auch deshalb, weil ich bestimmte Stellen selbst nicht ganz mochte und mir das durch die Kommentare erst wirklich klar wurde.

Ich hoffe, du lässt sich vielleicht doch von den Wörtern inspirieren..? :) Dieses konkrete Gedicht finde ich eigentlich gar nicht so kompliziert - vor allem im Vergleich zu Sachen, die ich vor einigen Jahren schrieb... ;)

Liebe Grüße,
Julia

P.S.: Ich selbst mag am Liebsten Gedichte, die sich mir nur ganz langsam erschließen - an Celans "So schlafe..." knabbere ich schon seit fast einem Jahrzehnt! Aber dann erlebt man etwas neues, erinnert sich an ein Gedicht und denkt: "Ach DAS hat der Dichter vielleicht mit der Zeile gemeint..." - kennst Du das?
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hallo Julia.

doch, doch, ich bin immer bereit mich inspirieren zu lassen. Habe mal bei Celan nachgeschlagen und hab mich spontan zu folgendem Vierzeiler hinreissen lassen:

Wir Menschen fragen nach dem Sinn des Ganzen,
das unterscheidet uns enorm vom wilden Tier,
und prahlen noch, wenn wir am Abgrund tanzen -
wir schrieben Bücher, Bücher schrieben wir.

Aber das ist wohl doch nicht verschlüsselt genug um mit seinen Dichtungen zu konkurieren. Schwääääre Kost. :)

Viele Grüße
Thomas
 

viktor

Mitglied
...statt nietzsche würde ich schopenhauer lesen - damit wird es längerfristig erträglicher mit den beziehungen.
(siehe: "metaphysik der geschlechtliebe").
lg
viktor
 



 
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