Adieu !

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namibia

Mitglied
Sie lag neben Scylla im morgendlichen Gras
zweifelnd, in Ruhe - die Seele in Moll -
fragte sich mit jeder Pore des Seins wieder: was
sie in diesem Leben bloß soll.

Das taunasse Gras erinnerte an vergangene Tage,
das Einst, in dem sie sich verloren vorkam,
geschunden, geknebelt und immer ganz vage
die grausamen Geheimnisse der Familie wahrnahm.

Mit all diesem Wissen stand sie still nun im Tau
die morgendliche Kälte berührte die Hand,
als sie langsam und allmählich und ohne Radau
den Strick um den weißen Hals sich sacht wand.
 
hallo namibia,

mir wäre fast lieber gewesen, ich hätte hier kein so gutes gedicht gelesen...um deine texte ein wenig ausgewogener bewerten zu können. aber es ist wie es ist...

aus der sicht des handwerkers, könnte ich hier und da ansetzen...aber warum sollte ich, wenn das "ganze" stimmig scheint? - hier könnte ich aristoteles zitieren...aber das wäre wohl zu "billig".

du transportierst emotionen...und zumindest bei mir kommen sie auch an. ich habe dein gedicht vom ersten moment an ins herz geschlossen, mehr kann ich nicht erwarten.

gruß,a.d.
 

namibia

Mitglied
Lieber A.D.,

Aristoteles Antwort würde mich durchaus interessieren... Es freut mich, dass das Gedicht dein Herz erreicht.... wortberührungen sind besonders in meinen Augen...

Liebe Grüße

Anna
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
die gráusamen Gehéimnisse ...

Das Metrum
das holpert
und stolpert
verknotet
verschrotet
und bootet
und betet
und bietet
erschütternde
schlitternde
Schiete
und lotet
im Kot
lauter tote
verbotene
Schoten
 
C

cellllo

Gast
Hallo Mondnein - ja zu Deinen ersten vier Zeilen !!!!
- der Rest ist so schlafwandlerisch verwirrt und unkitschig,
dass es keinerlei Bezug zum Gedicht gibt.........
Ich hoffe ganz fest, dass Scylla nichts mit Charybdis zu tun hat, sondern als rettendes Wesen instinktiv rechtzeitig mit Radau bzw. wauwau interveniert..........
cellllo
 
Hallo namibia,

"...das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile"

Bei Schillers Glocke hätte man viel Arbeit, wollte man das Metrum in die Reihe bekommen - und in seine Einzelteile zerlegt, ist Schillers Gedicht eine einzige Katastrophe.
Da man von Schiller aber weiß, dass er es konnte...lagen wohl all diese Ecken und Kanten in seiner Absicht. Unter den guten Autoren fand und findet man nur selten auch Lehrer - das hat seine Gründe...

Viele Grüße, A.D.
 

namibia

Mitglied
Oh danke , lieber A.D. ,

und auch cellllo und mondnein, auch, wenn ich nur Teile von mondneins Kommentar verstanden habe ..

Aber wie hast du so treffend kommentiert, A.D. "das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" .....

ich sage adieu und bleibe ..

Best regards

Änne
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Mag ja sein, daß in anderen Dimensionen Schiller das Metrum nicht beherrscht und Lehrer nicht dichten können (nun ja, Lehrer können eigentlich nur lehren, wie Dichter vielleicht nur dichten, aber nicht lehren können). Nein, das ist falsch: Schiller z.B. (um dabei zu bleiben) konnte gewiß dichten, aber auch lehren: etwa Professor für Geschichte in Jena, auch in seinen glänzenden philosophischen Essays. Da kaum einer von Dichtung lebt, haben die meisten Dichter einen (anderen) Brotberuf, manche sind Lehrer. Ich will gar nicht wissen, bei wie viel tausend Deutschlehrern die Schubladen von unveröffentlichten Gedichten und unvollendeten Romanen überquellen. Diejenigen, die ich gefrage habe, machten ein finsteres Gesicht und gaben keine Antwort - ins Schwarze getroffen.

In den Dimensionen der deutschen Sprachkunst würde ich mir gerne mal zeigen lassen, wo es bei Schiller so holpert wie in diesem Versuch hier:

frágte sich mít jeder Póre des Séins wieder: wás
- kommt nach der Anfangsbetonung eine Folge von 5 (fünf!) unbetonten Silben?

Das táunasse Grás erínnerte án vergángene Táge, [6]
- oder heißt es eher mit immerhin noch 4 (vier!) Unbetonten:
erínnerte an vergángene Táge
das Éinst, in dém sie sich verlóren vórkam [oder vorkám?],
sie sich ver - das sind imerhin nur drei Unbetonte

usw.
 
C

cellllo

Gast
Mond nein bitte kein Hackfleisch....
Ich sehe das Problem verlagert :
Ein junger, spontaner, von Ideen
und Gefühlen überquellender Mensch
darf einen kitschigen Murks verfassen,
aber ein ausgewachsener Dichter
- oder wer sich jedenfalls dafür hält -
sollte selbigen nicht ausdrücklich loben !
cellllo
 
Schiller war ein großartiger Lyriker, das steht außer Frage, aber ebenso sicher kann man sein, dass seine Glocke hier und heute in der Luft zerrissen worden wäre ... hätte er sie anonym eingestellt. Zu seiner Zeit gab es kein Radio, kein Fernsehen - und Theater ... Opern ... Schriften.... waren nur für wenige Menschen zugänglich. Das Gedicht hatte eine ganz andere Bedeutung als heute - es war der Stab beim Staffellauf. Wer wäre da schon auf die Idee gekommen es zu x-en ...außer den Lyrikern selbst...? Damals gab es noch viele Lehrer unter den großen Dichtern ... was aber eher damit zu tun hat, dass das gemeine Volk 20 Stunden am Tag arbeiten musste - da kann man lange warten bis einen die Muse küsst.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
20 Stunden Arbeit ...

nun ja, wenn man im Schlaf so fünf Stunden arbeitet (an seiner Seele z.B.) und die Mahlzeiten während des Arbeitens einnimmt, dann kann man vielleicht 20 Stunden arbeiten.
Nein. Die meisten Menschen arbeiteten um 1800 noch in der Landwirtschaft, das bedeutet saisonal gebundenes Arbeiten, mit Höhepunkten bei der Heueinfuhr (Mai bis September) und bei der Ernte (je nach Getreide oder Sonderkultur Juni bis September). Diese Leute sangen bei der Arbeit, sie waren reiche Dichtungsträger, hatten mindestens 80, eher ca. 200 Lieder in ihrem Gedächtnisschatz, und Märchen, Witze, spannenden Klatsch, Sprüche, Sprüche und noch mehr Sprüche, die uns längst verloren gegangen sind.
Arbeit ist noch nie der Gegensatz zu Dichtung, Lernen durch Erfahrung und Tradition, Alltagswitz und Originalität gewesen - die extrem entfremdete Industriearbeit, wie mein Vater (geboren 1910) sie noch durchgemacht hat, war um 1800 gewiß noch nicht der allgemeine Arbeitstypus.
Wie viel sich wieder seit dem vorigen Jahrhundert gewandelt hat: Ich arbeite gerne, es ist mir Lebensinhalt.
 

namibia

Mitglied
Liebe Heike,

vielen Dank für deine Rückmeldung. Ja, das ist ein Gedicht, was aus meinen Tiefen geschrieben wurde - in der Tat.

liebe Grüße

Anna
 



 
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