Zwillingsjungfrau
Mitglied
Afrikanische Kunst
Gerade von einer Studienreise aus Afrika zurückgekehrt, sitzt Friedrich am heimischen Kaffeetisch und genießt ausführlich die heutige Tageszeitung.
Sein Blick fällt auf einen Artikel – „Museum hat auf Rat und Empfehlung des Grafen für eine unvorstellbar hohe Summe das neueste Werk eines international anerkannten Künstlers – eine alte schmutzige Badewanne – angekauft.“
Friedrich hat eine andere Vorstellung davon, wie Steuergelder im Bereich Kunst eingesetzt werden sollten. Die Förderung junger Künstler hält er beispielsweise für wesentlich wichtiger als die hohen Ausgaben für den Erwerb einer alten schmutzigen Badewanne.
In seine Gedanken hinein läutet das Telefon. Sein Freund und Maler, Jaques, kündigt seinen Besuch an. Die beiden Freunde haben sich lange nicht gesehen. Nach vielen „Weißt Du noch; erinnerst Du“ sprechen sie über ihre kürzlichen Erlebnisse.
Friedrich berichtet von der Afrikareise und Jaques erzählt kummervoll, dass er seine Bilder nicht verkaufen kann. Das bringt Friedrich auf den gerade gelesenen Zeitungsartikel.
„Sag Friedrich, kennst du den Grafen persönlich?“ Der Graf hat sich nicht nur in dieser Stadt mit seinen Ausstellungen einen Namen geschaffen. Kannst du es arrangieren, dass der Graf einige meiner Bilder in seiner Ausstellung aufnimmt?“
„Ich kenne den Grafen gut, deine Werke werde ich ihm nicht empfehlen. Vergiss es Jaques, das mache ich ganz bestimmt nicht. Ich bin nämlich dein Freund.“
Mit staunenden und ungläubigen Augen schaut Jaques Friedrich an. Gerade weil sie Freunde sind, müsste Friedrich doch helfen.
Friedrich sieht die Zweifel in Jaques Gesicht. Er ist Jaques wohl eine Erklärung schuldig.
„Sieh doch mal, Jaques, du bist mein Freund. Ich möchte dich vor den skrupellosen Machenschaften des Grafen schützen."
„Der Graf hat als Galerist und Kunstkritiker nur eine Leidenschaft. Er ist stets bedacht, sein Geld zu vermehren. Dies setzt er mit allen Mitteln durch. Der Graf hat sehr viel „Kleingedrucktes“ in seine Verträge eingebaut, ohne einen fachkundigen Juristen darfst du dich dem Grafen nicht ausliefern. Deine Arbeiten sind zu gut. Du bekommst eine lachhaft kleine Summe, den Gewinn macht einzig und allein der Graf."
"Da er in der Vergangenheit einige junge Künstler mit großer Überzeugungskraft gefördert hat, übersieht man in der Stadt seine schlechten Eigenschaften. Er nutzt Notlagen dieser Künstler schamlos aus, ist rücksichtslos nur auf eigenen Profit bedacht. Außerdem nimmt er nur ganze Serien und beutet die unbekannten Künstler total aus.“
„Hat der Graf eine Schwäche, durch die ich vielleicht unerkannt meine Bilder trotzdem bei ihm ausstellen könnte?“
„Ja,“ sagt Friedrich, „die hat er. Ihn verfolgt ständig eine große Angst, durch andere Menschen bloßgestellt zu werden und der öffentlichen Lächerlichkeit ausgesetzt zu sein.“
Friedrich und Jaques sind sich einig, im Eilverfahren kann Jaques keine Serie zusammenstellen.
Die beiden machen ein traurigernstes Gesicht. Dann kommt ihnen eine Idee, die von allen Seiten betrachtet wird und realisierbar erscheint.
Jaques kauft die nötige Farbe und Leinwand, während Friedrich es übernimmt, eine Gruppe ihm gut bekannter afrikanischer Künstler auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Der Plan wird ausgeführt und innerhalb weniger Stunden sind über 20 Schöpfungen vollendet.
Der Zeit ist gut gewählt. Der Graf hat gerade eine Ausstellung beendet und ist auf der Suche nach etwas Neuem. Das ist die Gelegenheit, das vollbrachte Werk zu präsentieren. Der Graf wird eingeladen, um die Arbeiten zu begutachten, zwischen die auch drei Bilder von Jaques gestellt werden.
Der Graf kommt und ist spontan voller Begeisterung, überschlägt in Gedanken schon seinen Profit und verspricht sich hohe Gewinne mit den Gemälden der Afrikaner, die er mit verklausulierten Verträgen, welche diese – wie er hofft - rechtlich und inhaltlich nicht verstehen, benachteiligen kann.
Er verspricht eine Sonderausstellung für die afrikanische Künstlergruppe, rührt kräftig die Werbetrommel, kündigt die Vernissage groß an, lädt Presse, die kaufkräftigen Honoratioren der Stadt sowie Kritikerkollegen ein.
Endlich ist es soweit. Die Bilder sind ansprechend mit Rahmen versehen und der Tag der Ausstellung rückt ständig näher. Die Ausstellung wird ein voller Erfolg. Alle geladenen Gäste sind gekommen, die Presse überschlägt sich und druckt begeistert die Lobeshymnen der Kunstsachverständigen.
Die Bilder werden enthusiastisch beschrieben als Werke des abstrakten Expressionismus der Neuen Wilden, die in den achtziger Jahren mit ihrer spontanen, aggressiven Malerei für Aufsehen sorgten. Die ausdrucksstarken Farbkontraste, die gegenstandslose Darstellung, welche den Betrachter zu eigenen Interpretationen anregt, und die sperrigen, kan-tigen Formen kennzeichnen ihre Ausdrucksstärke, ihre Ängste und existentiellen Fragen, besitzen aber auch eine starke Körperlichkeit.
Dabei wurden dick aufgetragene Farbschichten immer wieder gewaltsam bearbeitet und mit Materialien wie Holz und Pflanzenteilen kombiniert. Hierdurch entsteht mittels Medi-tation und magischen Formeln eine ekstatische Reise durch die sieben Astralsphären.
Die versammelten Kunstkritiker sind sich darin einig, dass diesen Künstlern mit ihrer natürlichen Erdverbundenheit und Energie ein großartiges Werk erweiterter, tief empfun-dener Gegensätze von Wärme und Kälte, Entwicklung und Erstarrung, Kreativität und Rationalisierung gelungen ist.
Im gesellschaftlichen Zusammenhang und damit völkerverbindend betrachtet, ist diese Ausstellung eine große Herausforderung. Dieses Schaffen zeigt Bilder der Natur, Energie, Sprache. Hier ist meisterhaft gelungen, Materie, Kultur, Mythos und Wissenschaft eins werden zu lassen.
Alle Bilder sind innerhalb der ersten Stunde für schwindelerregend hohe Preise verkauft.
Der Graf bedrängt Friedrich, die Künstler der Öffentlichkeit vorzustellen. Anfangs weigert sich Friedrich energisch, die afrikanischen Künstler legen keinen Wert auf Publicity. Da Friedrich jedoch immer wieder aufgefordert wird, das Geheimnis um die Künstler zu lüften und der Graf all seine Überredungskünste aufbietet, so beispielsweise hervorragende Verträge für die Künstler vorbereiten will, lässt Friedrich sich überzeugen. Er bittet alle Gäste, die Presse und die sich so euphorisch äußernden Kritiker für den nächsten Tag zu einem Künstlerempfang in seine berufliche Wirkungsstätte.
Allen voran der Graf erscheinen die Großen dieser Stadt in dieser herrlichen Parkanlage. Presse und Fernsehen ist versammelt, alle warten sehr gespannt auf das Eintreffen der Künstlergruppe, doch erscheinen zu diesem Treffen nur Friedrich und Jaques.
Mit weit ausholender Handbewegung stellt Friedrich Jaques als einen der Künstler vor, und beglückwünscht den weitsichtigen Käufer, der die so hochgelobten Gemälde Nr. 1, 8 und 13 von diesem begnadeten Künstler erwerben konnte.
„Die Künstler der restlichen Schöpfungen sehen Sie hier.“ Mit einer halben Drehung seines ausgestreckten Armes weist er auf das hinter ihm liegende große Gehege, in dem sich eine ungewohnt bunt bekleckste Anzahl von Elefanten und Affen tummeln.
Gerade von einer Studienreise aus Afrika zurückgekehrt, sitzt Friedrich am heimischen Kaffeetisch und genießt ausführlich die heutige Tageszeitung.
Sein Blick fällt auf einen Artikel – „Museum hat auf Rat und Empfehlung des Grafen für eine unvorstellbar hohe Summe das neueste Werk eines international anerkannten Künstlers – eine alte schmutzige Badewanne – angekauft.“
Friedrich hat eine andere Vorstellung davon, wie Steuergelder im Bereich Kunst eingesetzt werden sollten. Die Förderung junger Künstler hält er beispielsweise für wesentlich wichtiger als die hohen Ausgaben für den Erwerb einer alten schmutzigen Badewanne.
In seine Gedanken hinein läutet das Telefon. Sein Freund und Maler, Jaques, kündigt seinen Besuch an. Die beiden Freunde haben sich lange nicht gesehen. Nach vielen „Weißt Du noch; erinnerst Du“ sprechen sie über ihre kürzlichen Erlebnisse.
Friedrich berichtet von der Afrikareise und Jaques erzählt kummervoll, dass er seine Bilder nicht verkaufen kann. Das bringt Friedrich auf den gerade gelesenen Zeitungsartikel.
„Sag Friedrich, kennst du den Grafen persönlich?“ Der Graf hat sich nicht nur in dieser Stadt mit seinen Ausstellungen einen Namen geschaffen. Kannst du es arrangieren, dass der Graf einige meiner Bilder in seiner Ausstellung aufnimmt?“
„Ich kenne den Grafen gut, deine Werke werde ich ihm nicht empfehlen. Vergiss es Jaques, das mache ich ganz bestimmt nicht. Ich bin nämlich dein Freund.“
Mit staunenden und ungläubigen Augen schaut Jaques Friedrich an. Gerade weil sie Freunde sind, müsste Friedrich doch helfen.
Friedrich sieht die Zweifel in Jaques Gesicht. Er ist Jaques wohl eine Erklärung schuldig.
„Sieh doch mal, Jaques, du bist mein Freund. Ich möchte dich vor den skrupellosen Machenschaften des Grafen schützen."
„Der Graf hat als Galerist und Kunstkritiker nur eine Leidenschaft. Er ist stets bedacht, sein Geld zu vermehren. Dies setzt er mit allen Mitteln durch. Der Graf hat sehr viel „Kleingedrucktes“ in seine Verträge eingebaut, ohne einen fachkundigen Juristen darfst du dich dem Grafen nicht ausliefern. Deine Arbeiten sind zu gut. Du bekommst eine lachhaft kleine Summe, den Gewinn macht einzig und allein der Graf."
"Da er in der Vergangenheit einige junge Künstler mit großer Überzeugungskraft gefördert hat, übersieht man in der Stadt seine schlechten Eigenschaften. Er nutzt Notlagen dieser Künstler schamlos aus, ist rücksichtslos nur auf eigenen Profit bedacht. Außerdem nimmt er nur ganze Serien und beutet die unbekannten Künstler total aus.“
„Hat der Graf eine Schwäche, durch die ich vielleicht unerkannt meine Bilder trotzdem bei ihm ausstellen könnte?“
„Ja,“ sagt Friedrich, „die hat er. Ihn verfolgt ständig eine große Angst, durch andere Menschen bloßgestellt zu werden und der öffentlichen Lächerlichkeit ausgesetzt zu sein.“
Friedrich und Jaques sind sich einig, im Eilverfahren kann Jaques keine Serie zusammenstellen.
Die beiden machen ein traurigernstes Gesicht. Dann kommt ihnen eine Idee, die von allen Seiten betrachtet wird und realisierbar erscheint.
Jaques kauft die nötige Farbe und Leinwand, während Friedrich es übernimmt, eine Gruppe ihm gut bekannter afrikanischer Künstler auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Der Plan wird ausgeführt und innerhalb weniger Stunden sind über 20 Schöpfungen vollendet.
Der Zeit ist gut gewählt. Der Graf hat gerade eine Ausstellung beendet und ist auf der Suche nach etwas Neuem. Das ist die Gelegenheit, das vollbrachte Werk zu präsentieren. Der Graf wird eingeladen, um die Arbeiten zu begutachten, zwischen die auch drei Bilder von Jaques gestellt werden.
Der Graf kommt und ist spontan voller Begeisterung, überschlägt in Gedanken schon seinen Profit und verspricht sich hohe Gewinne mit den Gemälden der Afrikaner, die er mit verklausulierten Verträgen, welche diese – wie er hofft - rechtlich und inhaltlich nicht verstehen, benachteiligen kann.
Er verspricht eine Sonderausstellung für die afrikanische Künstlergruppe, rührt kräftig die Werbetrommel, kündigt die Vernissage groß an, lädt Presse, die kaufkräftigen Honoratioren der Stadt sowie Kritikerkollegen ein.
Endlich ist es soweit. Die Bilder sind ansprechend mit Rahmen versehen und der Tag der Ausstellung rückt ständig näher. Die Ausstellung wird ein voller Erfolg. Alle geladenen Gäste sind gekommen, die Presse überschlägt sich und druckt begeistert die Lobeshymnen der Kunstsachverständigen.
Die Bilder werden enthusiastisch beschrieben als Werke des abstrakten Expressionismus der Neuen Wilden, die in den achtziger Jahren mit ihrer spontanen, aggressiven Malerei für Aufsehen sorgten. Die ausdrucksstarken Farbkontraste, die gegenstandslose Darstellung, welche den Betrachter zu eigenen Interpretationen anregt, und die sperrigen, kan-tigen Formen kennzeichnen ihre Ausdrucksstärke, ihre Ängste und existentiellen Fragen, besitzen aber auch eine starke Körperlichkeit.
Dabei wurden dick aufgetragene Farbschichten immer wieder gewaltsam bearbeitet und mit Materialien wie Holz und Pflanzenteilen kombiniert. Hierdurch entsteht mittels Medi-tation und magischen Formeln eine ekstatische Reise durch die sieben Astralsphären.
Die versammelten Kunstkritiker sind sich darin einig, dass diesen Künstlern mit ihrer natürlichen Erdverbundenheit und Energie ein großartiges Werk erweiterter, tief empfun-dener Gegensätze von Wärme und Kälte, Entwicklung und Erstarrung, Kreativität und Rationalisierung gelungen ist.
Im gesellschaftlichen Zusammenhang und damit völkerverbindend betrachtet, ist diese Ausstellung eine große Herausforderung. Dieses Schaffen zeigt Bilder der Natur, Energie, Sprache. Hier ist meisterhaft gelungen, Materie, Kultur, Mythos und Wissenschaft eins werden zu lassen.
Alle Bilder sind innerhalb der ersten Stunde für schwindelerregend hohe Preise verkauft.
Der Graf bedrängt Friedrich, die Künstler der Öffentlichkeit vorzustellen. Anfangs weigert sich Friedrich energisch, die afrikanischen Künstler legen keinen Wert auf Publicity. Da Friedrich jedoch immer wieder aufgefordert wird, das Geheimnis um die Künstler zu lüften und der Graf all seine Überredungskünste aufbietet, so beispielsweise hervorragende Verträge für die Künstler vorbereiten will, lässt Friedrich sich überzeugen. Er bittet alle Gäste, die Presse und die sich so euphorisch äußernden Kritiker für den nächsten Tag zu einem Künstlerempfang in seine berufliche Wirkungsstätte.
Allen voran der Graf erscheinen die Großen dieser Stadt in dieser herrlichen Parkanlage. Presse und Fernsehen ist versammelt, alle warten sehr gespannt auf das Eintreffen der Künstlergruppe, doch erscheinen zu diesem Treffen nur Friedrich und Jaques.
Mit weit ausholender Handbewegung stellt Friedrich Jaques als einen der Künstler vor, und beglückwünscht den weitsichtigen Käufer, der die so hochgelobten Gemälde Nr. 1, 8 und 13 von diesem begnadeten Künstler erwerben konnte.
„Die Künstler der restlichen Schöpfungen sehen Sie hier.“ Mit einer halben Drehung seines ausgestreckten Armes weist er auf das hinter ihm liegende große Gehege, in dem sich eine ungewohnt bunt bekleckste Anzahl von Elefanten und Affen tummeln.