Aktion 15

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hutschinator
Aktion 15

© 1991, 1999, 2016

-1-

Ich vertrocknete in der Wüste und die Hubschrauber flogen über mir. Der Sand rann zwischen den Wirbeln und ich drückte auf den Starthebel und die Rakete flog und flog und explodierte fern von ihrem Ziel. Und ich startete eine neue Rakete und wurde geröstet in der Feuerbrunst, ein Nebel aus Öl und Rauch schwebte über der Wüste.
Die Pflanzen verdorrten und die Sonne glühte auf die Metallgerüste und die Zelte waren verbrannt oder hingen in schwarzen Fetzen von den Stangen. Ich ruhte auf meiner Luftmatratze und die Gewehrkolben erhitzten sich und glühten rot. Schwarze Wolken verdichteten sich und es wurde kälter und kälter und die Dunkelheit nahm zu. Ich schüttelte meine Knochen und die verdorrte Lederhaut und die vertrockneten Eiweißmuskeln und lud das Gewehr. Die Patronen platzten im Lauf, die Flugzeuge flogen ihre Bahnen durch den rauchverhangenen, immer dunkler werdenden Himmel. Ich saß im Panzer, die Maschinenpistole zwischen den Knien.

Ich saß im Panzer, die Maschinenpistole zwischen den Knien und stützte den Kopf auf den Lauf der Maschinenpistole, die Mündung auf die Stirn gerichtet. Der Panzer fuhr und ich dämmerte vor mich hin. Ich hörte den Motor und das Scheppern der Ketten und den Hunger aus dem Magen und sah nichts von den Anderen. Ich hing zwischen den schmutzigen Fetzen meiner Uniform und dämmerte vor mich hin, betrachtete durch das verschmierte Bullauge den Mond. Und betrachtete durch das verschmierte Bullauge die Leuchtspuren der Geschosse. Und explodierte und flog in Fetzen umher. Und lag und verdorrte in der Sonne und trug keinen Zettel am Zeh. Ich spürte die Blicke der Amerikaner und die Blicke der Iraker und die der anderen. Und war ein Verbrecher Held Feigling und lag da und legte die Minenfelder. Die Marke aus Aluminium war geschmolzen und zu Staub zermahlen und zu Sand zerbröselt. Ich sah einen Löwenzahn blühen und wusste, er würde verdorren. Und er wurde schwarz vor meinen Augen und zerfiel zu Luft, unheimlicher Luft. Ich nahm einen Schluck aus der Feldflasche, feiner Sand rann zwischen meinen Zähnen.

Das Feuerwerk, prächtige Feuergarben, suchten ihren Weg im Himmel. Das Feuerwerk, ich lag zwischen den Panzerketten und meine Abwehrrakete hatte mich getroffen. Ich dachte an meine Frau und meine Kinder und richtete das Gewehr auf den Feind und traf und fiel um. Brandgeruch und Öldunst lagen über dem Feld, über dem Schlachtfeld. Ich nahm meine Kamera und drückte entschlossen auf den Knopf und leise surrte der Motor und der Film war alle und ich nahm alles auf, die Motorgerippe und die Menschengerippe , die Pflanzen- und Tiergerippe, und den Duft des brennenden Öls und den Passierschein, der durch meine Finger rann. Ich dachte nach und wieder traf ein Geschoss und die Gasmaske baumelte aus der Tragetasche und die Vorräte gingen zu Neige und ich war drin im Spiel, drin im Bildschirmspiel, und drückte wild auf die Tasten, hämmerte auf die Tasten, zertrümmerte schließlich den Joystick und starb, starb in den ungeahnten Möglichkeiten, vor mir das Fadenkreuz. Und wurde eingewickelt in eine Folie und vergessen in der Wüste und verdurstete und krepierte an Cholera, aber das war schon woanders. Ich lief durch das Kaufhaus und verbrannte mir die Finger. Ich bezahlte an der Kasse und die Kasse blieb leer - wer soll das schon bezahlen

- und reparierte das Flugzeug und den Panzer, der mir zwischen die Finger kam. Ich saß im Labor und sang Halleluja und Keine Gewalt, schaufelte das Pulver in die Kanone und zündete sie mit einem Feuerzeug aus der Kaufhalle. Und flog um den Mond - aber das war schon vergessen. Ich rettete das Land und fühlte mich beschissen. Ich lief und lief und lief und zerfiel dabei zwischen den Instrumenten; und die Temperatur und die Geschwindigkeit stiegen. Ich stand an der Wand mit erhobenen Händen und dachte angestrengt nach. Meine Augen waren verbunden und neben mir standen sie an der Wand mit verbundenen Augen und erhobenen Händen und warteten. Vorüber fuhr eine Straßenbahn und ein Bus und ein Radfahrer fuhr vorüber. Und ich stand und nahm das Gewehr von der Schulter "Gewehr ab", und lud und - "Feuer" - traf mich mitten in den Bauch und fiel um mit zerschmetterten Gliedern zwischen die anderen zerschmetterten Glieder und sagte "Rührt euch" und ging nach Hause.

Eine Bombe traf, ich hatte sie gerade abgeworfen, und lag nun da, schon wieder zerschmettert, zwischen all den anderen Trümmern. Ich lag nun wieder da und blickte durch die Gitter zur Sonne und auf dem Baum vor dem Gefängnis, auf dem Baum im Park, sang ein Vogel, eine Nachtigall, eine Amsel, ihr Zwitschern klang laut zwischen dem Kanonendonner, und verstummte. Ich stand in der Schlange nach Wasser und bettelte um Essen und fuhr in das Luxushotel, wo man mich erwartete. Ich aß und trank und flog zur UNO und stimmte im Sicherheitsrat für den Krieg. Und die Kinder werden erzogen. Und ich flog durch die Stratosphäre und fühlte das Weltende und stürzte als schwarzer Regen auf die Felder.


-2-

Ich liege in der Wüste und trockne und faule nicht - ich zerfalle einfach zu Staub. Ich sterbe zusammen mit den Antilopen und den Löwen und den Elefanten und den Blumenwiesen, den Bäumen und den Sträuchern. Hungrig beiße ich in das Schnitzel und lese in der Bibel und lese im Koran und im Talmud und in den anderen Büchern. Und es steht geschrieben du sollst nicht töten und Auge um Auge und Zahn um Zahn und ich nehme des anderen Weib und verlasse mich.
Ich liege da, geprügelter Hund, und heule.

Und kehre heim und werde empfangen und gefeiert und liege im Sarg als Held. Ich stinke und zerfalle und seziere mich und betrachte erstaunt das Herz. Ich liege auf dem Tisch und betrachte die Wunden, die vielen zahllosen Wunden und weine nicht. Ich zähle und zähle und liege auf dem Tisch und sterbe im Bombenhagel langsam. Ich stimme im Sicherheitsrat Krieg und nehme den Nobelpreis in Empfang Frieden und bin in Sicherheit.


-3-

Ich sitze in der Nacht und warte. Ich sitze traumlos und lange in der Nacht und warte. Dunkelheit im Zimmer, nur schwach vom Licht einer schwachen Funzel durchbrochene Dunkelheit.
Ich sitze in meiner Uniform im schwachen Dämmerlicht und döse und warte und gehe mit meinem Nachbarn durch den Bahnhof und warte. Ich gehe durch den Bahnhof am leeren Bahnsteig entlang und warte. Ich blicke in die Nacht und der Zug rollt ein und ich warte und fahre nicht mit. Mein Nachbar steht wortlos auf der anderen Seite des Schienenstrangs und der Zug rollt ein durch den leeren Bahnhof davon und fährt in die andere Welt und ich warte und die Falle ist aufgespannt. Jeder sieht mich und ich starre um Mitternacht auf die leeren Schienen und warte und die Falle ist bereit.

Ein altes leeres halbzerfallenes Bretterhaus mit Telefon und eine Trennwand und ich starre in die Nacht und die Falle ist aufgespannt und ich warte und der Köder Freiheit ist eingesetzt in die Falle von anderen und ich warte.

Ich stehe und die Sterne am Himmel tauchen hinter den Wolken hervor und unsichtbar schiebt eine Hand die Wolken beiseite und die Sterne leuchten und die Falle ist gespannt und ich dämmere vor mich hin und die Pistole in der Tasche am Gesäß ist geladen, die Patronen sind gezählt. Ich warte traumlos in der Nacht und stehe auf der anderen Seite des Schienenstrangs und warte ebenfalls dort. Ich bin der Grenzsoldat an der allgemeinen Ordnung und die Falle mit dem unsichtbaren Köder Freiheit ist gespannt und ich trete hinter der Bretterwand hervor und laufe in die Falle und habe Angst und bin da und werde gesehen und spreche leise und will fort.

Aber die Falle ist zugeschlagen und ich laufe durch den halbleeren Bahnhof und der Zug in die Freiheit fährt ohne mich. Und ich nehme den Hörer ab in der armseligen Hütte und läute und komme zu zweit. Ich lasse die Pistole in der Tasche und schweige eisiges Schweigen und sitze im Verhandlungsraum, sitze im Gericht und klage an und werde verurteilt und verliere mein Gesicht und schreie sehr laut. Ich bin ein Rad im immer leerer laufenden Getriebe Gerechtigkeit und zähle aufmerksam die Patronen in der Pistole und fahre weiter und warte, warte in der armseligen Falle Mensch und ziehe mich aus und kleide mich um und spanne eine neue Falle in der endlichen Zeit und warte und warte und dämmere vor mich hin und habe Watte in den Ohren und eine unsichtbare Brille vor dem Gehirn.


-4-

Aus der tiefen Nacht hervor tritt Urm. Seine Rüstung klappert, langsam reitet er auf seinem altersschwachen Pferd, seinem Schlachtross, seiner Rosinante. Urm ist der Wächter des Märchenschlosses mit den hohen Mauern, den hohen unüberwindlichen Mauern. Urm ist hungrig. "Rosinante ..." spricht er. Und das Pferd quiekt.
Das Pferd ist hungrig. "Rosinante ..." spricht er. Und traurig blickt das Pferd auf die schwarze Wüste und quiekt. Es wiehert schon lange nicht mehr. Rosinante verstummte, als der Vollmond verschwand. Urm reitet und langsam bewegt sich das Pferd durch die Wüste. Gold. Ringsum Gold. Schwarzes geröstetes Gold. Urm wartet. Seine Dialoge mit dem Pferd brachten einst Licht in das Land. Seine Dialoge mit dem Pferd waren Nahrung und löschten den Durst in den Welten, den Welten vor dem Märchenschloß. Das Pferd war verstummt und quiekte nur noch und das hieß Hunger. Urm hat Mitleid mit dem Tier und reitet und reitet. Einen Kreis nach dem anderen reitet er.

Nicht sieht er die Schlaglöcher im goldenen Asphalt.

Er schaut und denkt und spricht "Rosinante ..." Ich bin Urm. Urm blickt erschöpft in die Umgebung und sieht den Ring aus Kerzen leuchten in der Ferne und die Kerzen sind ausgebrannt. Urm reitet zum Tor des Schlosses und sieht es in der Mitte und findet es nicht. Und er wird auch morgen reiten und spricht: "Rosinante" sagt er.

Er blickt auf die vielen Schatzsucher, verzauberte Steine in der Wüste. Und am Kreuzweg sieht er den Wegweiser und früher konnte er einmal lesen, aber er entscheidet sich nicht und Rosinante läuft weiter, langsam immer weiter im Kreis. Überall liegen Steine, verzauberte Helden, keiner gelangt ins Schloss. Die Mauern sind unüberwindlich, denn sie sind zerfallen. Urm holt seine Flasche aus dem Beutel und trinkt und die Flasche ist längst schon leer.

Die Steine schreien und flüstern und jammern, Urm hört nicht. Langsam reitet er weiter im Kreis, schlaflos träumend, immer weiter im Kreis. Die schwarzen Steine in der Goldwüste lächeln, und schwatzen und denken an die Vergangenheit, aber die ist vorbei und kommt nicht wieder, sie haben das ihre getan und wurden verzaubert, verwandelt in Steine, und die Ringe verloren ihren Glanz. Lange weinten Prinzessinnen und schickten weitere Helden, aber die fanden keinen Drachen, sie sahen nur Steine, schwarze Steine. Ich blicke über das Feld und reite. "Rosinante ..." Und das Pferd quiekt.

-5-

Der Seelenzähler sitzt in der Straßenbahn ohne zu bezahlen. Weiter sucht er nach den Seelen und blickt in die Herzen der Leute und versteht alles. Er blickt in die Herzen der Leute und betrachtet den Kreislauf des Blutes. Er schreibt in sein Buch und blickt durch die Brille mit den großen Gläsern und sieht den Kreislauf der Leute und schüttelt ihn durcheinander. Zahlen schreibt er in sein Buch, Zahlen, er schreibt Zahlen.
Die Straßenbahn hält und fährt weiter und hält und fährt. Zu klappt der Seelenzähler das Buch und steckt es in die Tasche und schreibt weiter in Gedanken. Die Straßenbahn hält und fährt und hält. Station des Glücks. In der Ferne leuchtet die Schlossruine. In der Nähe leuchtet das Haltestellenschild. In den Herzen leuchten die Seelen. Aber dunkle Nebel schieben sich zwischen die Leute und sie erkennen sich nicht. Einsam wartend fahren die Menschen weiter, fort, fort von der Haltestelle des Glücks. Ich ziehe meinen Ausweis und prüfe die Fahrscheine.

Keiner hat einen, keiner hat einen gültigen Fahrschein und weit ist die Stelle des Glücks und ich schreibe in mein Buch. Und schreibe mit unsichtbarem Bleistift immer weiter in mein Buch und addiere die gezählten und die ungezählten Seelen der Leute und erhalte Null. Ich nehme einen Spiegel und blicke in das Herz des Seelenzählers und addiere und schreibe und erhalte Null. Ich blicke noch einmal und addiere und erhalte Null. Auf der Wiese neben den Schienen blüht ein Schneeglöckchen.


-6-

Ich liege in einer Grube nach langer Gefangenschaft und warte auf die Abfahrt. Neben mir liegt einer in einer Grube und wartet nach langer Gefangenschaft auf die Abfahrt. Eine und noch eine und noch eine Grube in der großen Wiese und die Sonne scheint und es regnet.
Die Bomben fallen schon lange nicht mehr und einige haben Spaten und graben Gruben und legen sich und warten. Und einer steht auf und zieht seine Uniform um und wartet auf die Abfahrt. Er wartet und Wolken kommen und es regnet und Blitz und Donner und Regen und Nebel. In einer der Gruben ist der Gral und in der daneben ist er und überall in den Gruben. Und alle trinken vom Wasser und essen vom Brot. Und die Flugzeuge mit den Bomben warten und rosten. Und die in den Gruben warten und graben und warten und sterben an der Cholera.

Und ich kleide mich in meine Rüstung, nehme Schild und Schwert und fasse den Speer und breche unter dem Gewicht zusammen und niese fürchterlich. Die Rüstung fällt von mir ab in die Grube und der schwarze Regen fällt in Sturzbächen Wasser und ich kleide mich erneut in die ölverschmierte Rüstung, niese, und wieder fällt die Rüstung verschmiert in das Öl. Die Opfer der Cholera sind verschwunden, versunken in den Fluten, Sturzbächen aus Öl und Schweiß.

Die Lebenden schwimmen in den wassergefüllten Gruben und graben weiter mit den Spaten und warten und werden mehr und mehr.

Ich stehe nackt in den Sturzbächen und hebe den nutzlosen Speer gegen den Himmel und rufe nach dem Bus und schwimme im Öl. Der Lehm klebt an den Füßen und die Rüstung verschwindet im schwarzen Wasser, im aufgeweichten Lehm, zwischen dem anderen Verschwundenen. Und ich rufe und schreie und ein Flugzeug am Himmel ruft und schreit und die Sturzfluten vom Himmel bilden Dunkelheit.

Ich rufe und schreie und strample und höre rufen und schreien und strampeln und esse Brot und trinke Wasser und suche den Gral. Ich fasse den Kelch und er zerbricht in meinen klammen Fingern.

Und ich bin ein Floß und die Lebenden drängeln sich auf mir und hungern und frieren im schwarzen Regen.

Irgendwo liegt die Rüstung und irgendwo meldet sich ein Lautsprecher und irgendwo spielt ein Lautsprecher Musik. Scheinwerfer leuchten auf zwischen den Gruben und werfen Bilder blühender Landschaften in die Wolken. Ich schwimme los und trage die schwere Last zu den neuen Ufern und komme an und da steht der Bus und wir steigen ein und beginnen die Fahrt in die Freiheit, die Fahrt in die neue Freiheit, und die Toten liegen zwischen den Gruben und werden weggespült und verwandeln sich in Gras und in Heuschrecken und in Vogelgezwitscher.


-7-

Urm gelangt in die Stadt mit den Wolkenkratzern und liest Leuchtreklamen. Urm liest Plakate und Werbeschriften und Straßenschilder und Hausnummern. Er liest Aufschriften auf Büchsen und Schachteln und Flaschen und Kartons. Er geht in den Supermarkt mit einem Wagen und füllt ihn und hat Brot und Getränke und Zahnpasta und Zeitschriften und Toilettenpapier. Er steht in der Schlange an der Klasse, er steht und wartet und bezahlt und bringt den Wagen zu Rosinante, dem Ford, er öffnet die Heckklappe und belädt das Auto, alles hinein, er schließt die Heckklappe, steigt ein, schaltet das Autoradio an, schließt sich an den dunstenden Schlangen, dem Verkehr, den Millionen, den Starken, dem endlosen Fortschritt. Er fährt und fährt und neben ihm küsst ein Mercedes einen Baum, eine Linde am Straßenrand.
Die Linde kippt um und zerquetscht wartet der Mercedes auf die Sirene und brennt. Ich bin in der Schlange und trage Urm und er tritt auf meine Pedale und lauscht der Musik, die ich ihm verstärke. Locker hält er das Lenkrad und der Scheibenwischer wischt den Regen von der Frontscheibe und ich fahre schneller und schneller auf dem Highway in Richtung Glück und er rast und ich rase und verwandele das Benzin in Kilometer und Gas. "Rosinante..." spricht Urm und ich quieke.


-8-

Ich sitze auf dem Olymp und berate mit Hera, Blitz und Donner schicke ich auf die Erde. Hera schweigt. Ich spreche von den neuen Göttern und von den Teufeln und von den Höllenfeuern. Hera schweigt. Hera sitzt da auf dem Thron und blickt auf die Erde rings um den Olymp und sieht die Blitze, nicht meine, und schweigt. Sie sitzt und nimmt Kopfhörer und setzt sie auf. Auf dem Bildschirm sind Menschen zu sehen, Geschöpfe von Prometheus, den ich an den Fels schmieden lies, den ich gern befreien würde, aber ich kann nicht.
Und so schickte ich ihm zur Gesellschaft einen Adler, denn einsam hängt er, angeschmiedet am Felsen,irgendwo im Kaukasus, zur Gesellschaft nur den Adler, der seine Leber frisst und ihn unterhält. Ich spreche mit Hera, Hera aber schweigt. Ich spreche mit Hera, unerwartet spricht sie. "Heute nicht."

Traurig verwandle ich mich in einen Schwan und fliege los. Trauriges Amt, Gott zu sein. Ich fliege zu Leda und verführe sie am Brunnen. "Heißes Eisen", denke ich und wir liegen am Brunnen und umarmen uns und sie streichelt meinen Kopf und meinen Hals und meine Flügel. Ich küsse sie und fühle ihre warmen Brüste und ihre Lippen und ihre Lenden und ihre Schenkel und ich bekleide sie mit meinen Flügeln und erscheine ihr als Traum und sanft schiebt sie den Gummi über mein steifes Glied und ich dringe ein in ihren Schoß und wir werden wilder und wilder im Gras neben dem Brunnen, im Duft der Sommerblumen, im Gesumm der Bienen und der Fliegen und der Hummeln, beim Zwitschern der Vögel, und Zeus hört nichts mehr und Leda stöhnt in maßlosem Entzücken und Zeus ist Zeus.

Sein Stöhnen ist Blitz und Donner und Regen und der Gummi platzt und der Samen strömt durch mich hindurch und befruchtet Leda, und ich falle nach unten, extrafeucht und elektrisch geprüft, liege da im Gras, nutzlos und zerrissen.


-9-

Ich eile. Mit mir eilen viele Millionen. Ich bin langsam. Ich gleite durch die Flüssigkeit, die warme, dunkle Flüssigkeit. Wir eilen. Pulsierende Wärme um uns. Und ich bleibe stecken in der Wand und warte. Ich zucke hin und her und komme los. Neben mir klebt eine Zelle, lautlos sterbend, lautlos ein letztes Mal zitternd in der Dunkelheit und Wärme. Ich fühle den anziehenden Duft im Gegenstrom der Zeit und eile wieder vorwärts. Ein unbändiger Drang bringt mich vorwärts.
Das wichtige Paket mit den allumfassenden Informationen trage ich mit mir. Auch die anderen tragen ihre Pakete. Langsamer werdend fallen viele ermüdet zurück in der warmen pulsierenden Dunkelheit, bleiben kleben in der schleimigen Flüssigkeit und zappeln. Ich dringe weiter vor und bin im Mittelfeld. Ich werde vorwärts gerissen mit der Menge, weiter durch die Röhre, die warme, die pulsende. Ich dringe vor, irgendetwas zieht mich unwiderstehlich an, eine reizende Kugel. Durchdringen, durchdringen, das ist mein Gedanke. Durchdringen ... Ich renne weiter, zapple und suche und fühle.

Dunkelheit.

Die Kugel.

Die goldene Kugel.

Wo ist sie?

Ist sie da?

Durchdringen.

Ich zapple und vorwärts. Eben mir überholt mich eine Kolonne und ich hänge fest. Neben mir überholt mich ein Schwarm, schwächer werdend zapple ich und klebe fest in der Dunkelheit und fühle das nahe Ende. Ich zapple und klebe und löse mich auf, langsam in der klebrigen Flüssigkeit, in dem klebrigen schlüpfrigen, wohlriechenden Schleim, werde ausgespült, zurück auf dem weg, wo ich kam. Wo liegst du, goldene Kugel? Schwächer werdend klopft mein Hinterteil, mein langer Schwanz, hin und her und erstarrt. Mein Paket verliere ich aus der Mitte und werde ausgewaschen aus dem Dunklen Weg, mit mir die vielen anderen.


-10-

Der Kaffee wird kalt und ich trinke ihn nicht. Der dunkle schwarze Kaffee, der dunkle kalte Kaffee, der Rand vom Kaffee an der Tasse und die Flaschen auf dem Teppich. Ich schlürfe schließlich doch und sehe das Telefon und den Hörer und den Sprecher am anderen Ende - Teilnehmer.
Ich drehe die Scheibe und schlürfe Kaffee und lausche dem Amtszeichen aus der Ferne. Ich lausche dem Amtszeichen und höre die Berichte vom Amt und unterhalte mich mit ihm, lege den Hörer hin, knalle ihn hin, die leere Tasse kippt um und zerbricht. Ich werde auf die Müllschippe gefegt und in die Tonne geworfen, geschüttet, hineingetan. Ich fahre zur Halde und liege zwischen den Badeöfen und Papierhaufen - Knüllpapier - Zeitschriften - Büchern. Aber ich lese sie nicht, sondern liege neben dem zerfetzten Sofa, zwischen all den alten Autoreifen.

Ringsum blüht Huflattich und ich pflücke ihn und koche. Ringsum blüht wilde Kamille, ich pflücke und koche. Ich pflücke und koche Tee Tee Tee. Ein LKW kippt seine Last auf den zerbrochenen Tisch, auf die vergessene Wohnstube, zwischen zerbrochene Tassen. Ich werde überschüttet mit einem alten Haus, Ziegeln, Mörtel, Holzstücken. Ich werde überschüttet und liege und schlürfe und lausche dem Flüstern der Ratten, dem Gesang der Ratten, dem Jauchzen der Ratten. Ich liege und lausche und sehe die Sterne. Ich bin die Ratte und habe Hunger.

Ich wühle in den Haufen nach Nahrung und finde Knochen und Käse und verschimmelte Wurst. Ich fresse und fresse und mir ist schlecht von all den Plasteabfällen über der Nahrung. Ich fresse und ächze und renne und sinke vergiftet in den Schlamm.


-11-

Ich sprang herunter und wanderte und ging und schlich und wartete und öffnete mich und die Samenzelle kam und bohrte sich in die Seite. Ich trank und schlürfte und nistete mich ein in die Plazenta und begann, mich zu teilen.
Und wurde zwei und vier und acht und sechzehn und mehr und mehr. Langsam wuchsen mir Organe und ich schlenkerte mit den Armen und den Beinen und steckte den Daumen in den Mund und schwamm und schwamm. Ich wurde größer und größer und neben mir wuchs noch eine und wir schwammen und schwammen. Dumpfe Geräusche und wachsender Druck. Und fühlten uns wohl und hingen an der Nabelschnur. Wir sahen alles und blickten und schauten.

Und waren blind. Dann drückte ich und drückte und wurde gepresst und drang hinaus, wurde gedrückt und gepresst und gezogen und atmete und schrie und schlief.
 

Wipfel

Mitglied
Hi Bernd,

tja, warum bekommt ein Text wie deiner so lange keine Bewertung? Kann es sein, dass er für die Kurzprosa etwas zu lang geraten ist? Oder liegt es an der sehr eigenständigen, fast reduktiven sprachlichen Umsetzung?

Mal abgesehen von einigen Verquirlungen, ich habe den Text zunächst neugierig gelesen. Erfrischend anders, innovativ und doch noch nicht sorgfältig genug. Beispiel:

Ich zapple und vorwärts. Eben mir überholt mich eine Kolonne und ich hänge fest.
Weißt, was ich meine?

Grüße von wipfel
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Uups - ein Abschreibfehler. Stammt aus der analogen Zeit. Das dumme ist, dass ich das Fehlende mitgelesen habe ...
Danke.
Wenn dir noch mehr auffällt, schreibe bitte, da wäre ich dankbar.

Gerade bei so einem Text muss jedes Wort passen.

An einigen Stellen sind Auslassungen auch Absicht.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hutschinator
Aktion 15

© 1991, 1999, 2016

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Ich vertrocknete in der Wüste und die Hubschrauber flogen über mir. Der Sand rann zwischen den Wirbeln und ich drückte auf den Starthebel und die Rakete flog und flog und explodierte fern von ihrem Ziel. Und ich startete eine neue Rakete und wurde geröstet in der Feuerbrunst, ein Nebel aus Öl und Rauch schwebte über der Wüste.
Die Pflanzen verdorrten und die Sonne glühte auf die Metallgerüste und die Zelte waren verbrannt oder hingen in schwarzen Fetzen von den Stangen. Ich ruhte auf meiner Luftmatratze und die Gewehrkolben erhitzten sich und glühten rot. Schwarze Wolken verdichteten sich und es wurde kälter und kälter und die Dunkelheit nahm zu. Ich schüttelte meine Knochen und die verdorrte Lederhaut und die vertrockneten Eiweißmuskeln und lud das Gewehr. Die Patronen platzten im Lauf, die Flugzeuge flogen ihre Bahnen durch den rauchverhangenen, immer dunkler werdenden Himmel. Ich saß im Panzer, die Maschinenpistole zwischen den Knien.

Ich saß im Panzer, die Maschinenpistole zwischen den Knien und stützte den Kopf auf den Lauf der Maschinenpistole, die Mündung auf die Stirn gerichtet. Der Panzer fuhr und ich dämmerte vor mich hin. Ich hörte den Motor und das Scheppern der Ketten und den Hunger aus dem Magen und sah nichts von den Anderen. Ich hing zwischen den schmutzigen Fetzen meiner Uniform und dämmerte vor mich hin, betrachtete durch das verschmierte Bullauge den Mond. Und betrachtete durch das verschmierte Bullauge die Leuchtspuren der Geschosse. Und explodierte und flog in Fetzen umher. Und lag und verdorrte in der Sonne und trug keinen Zettel am Zeh. Ich spürte die Blicke der Amerikaner und die Blicke der Iraker und die der anderen. Und war ein Verbrecher Held Feigling und lag da und legte die Minenfelder. Die Marke aus Aluminium war geschmolzen und zu Staub zermahlen und zu Sand zerbröselt. Ich sah einen Löwenzahn blühen und wusste, er würde verdorren. Und er wurde schwarz vor meinen Augen und zerfiel zu Luft, unheimlicher Luft. Ich nahm einen Schluck aus der Feldflasche, feiner Sand rann zwischen meinen Zähnen.

Das Feuerwerk, prächtige Feuergarben, suchten ihren Weg im Himmel. Das Feuerwerk, ich lag zwischen den Panzerketten und meine Abwehrrakete hatte mich getroffen. Ich dachte an meine Frau und meine Kinder und richtete das Gewehr auf den Feind und traf und fiel um. Brandgeruch und Öldunst lagen über dem Feld, über dem Schlachtfeld. Ich nahm meine Kamera und drückte entschlossen auf den Knopf und leise surrte der Motor und der Film war alle und ich nahm alles auf, die Motorgerippe und die Menschengerippe , die Pflanzen- und Tiergerippe, und den Duft des brennenden Öls und den Passierschein, der durch meine Finger rann. Ich dachte nach und wieder traf ein Geschoss und die Gasmaske baumelte aus der Tragetasche und die Vorräte gingen zu Neige und ich war drin im Spiel, drin im Bildschirmspiel, und drückte wild auf die Tasten, hämmerte auf die Tasten, zertrümmerte schließlich den Joystick und starb, starb in den ungeahnten Möglichkeiten, vor mir das Fadenkreuz. Und wurde eingewickelt in eine Folie und vergessen in der Wüste und verdurstete und krepierte an Cholera, aber das war schon woanders. Ich lief durch das Kaufhaus und verbrannte mir die Finger. Ich bezahlte an der Kasse und die Kasse blieb leer - wer soll das schon bezahlen

- und reparierte das Flugzeug und den Panzer, der mir zwischen die Finger kam. Ich saß im Labor und sang Halleluja und Keine Gewalt, schaufelte das Pulver in die Kanone und zündete sie mit einem Feuerzeug aus der Kaufhalle. Und flog um den Mond - aber das war schon vergessen. Ich rettete das Land und fühlte mich beschissen. Ich lief und lief und lief und zerfiel dabei zwischen den Instrumenten; und die Temperatur und die Geschwindigkeit stiegen. Ich stand an der Wand mit erhobenen Händen und dachte angestrengt nach. Meine Augen waren verbunden und neben mir standen sie an der Wand mit verbundenen Augen und erhobenen Händen und warteten. Vorüber fuhr eine Straßenbahn und ein Bus und ein Radfahrer fuhr vorüber. Und ich stand und nahm das Gewehr von der Schulter "Gewehr ab", und lud und - "Feuer" - traf mich mitten in den Bauch und fiel um mit zerschmetterten Gliedern zwischen die anderen zerschmetterten Glieder und sagte "Rührt euch" und ging nach Hause.

Eine Bombe traf, ich hatte sie gerade abgeworfen, und lag nun da, schon wieder zerschmettert, zwischen all den anderen Trümmern. Ich lag nun wieder da und blickte durch die Gitter zur Sonne und auf dem Baum vor dem Gefängnis, auf dem Baum im Park, sang ein Vogel, eine Nachtigall, eine Amsel, ihr Zwitschern klang laut zwischen dem Kanonendonner, und verstummte. Ich stand in der Schlange nach Wasser und bettelte um Essen und fuhr in das Luxushotel, wo man mich erwartete. Ich aß und trank und flog zur UNO und stimmte im Sicherheitsrat für den Krieg. Und die Kinder werden erzogen. Und ich flog durch die Stratosphäre und fühlte das Weltende und stürzte als schwarzer Regen auf die Felder.


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Ich liege in der Wüste und trockne und faule nicht - ich zerfalle einfach zu Staub. Ich sterbe zusammen mit den Antilopen und den Löwen und den Elefanten und den Blumenwiesen, den Bäumen und den Sträuchern. Hungrig beiße ich in das Schnitzel und lese in der Bibel und lese im Koran und im Talmud und in den anderen Büchern. Und es steht geschrieben du sollst nicht töten und Auge um Auge und Zahn um Zahn und ich nehme des anderen Weib und verlasse mich.
Ich liege da, geprügelter Hund, und heule.

Und kehre heim und werde empfangen und gefeiert und liege im Sarg als Held. Ich stinke und zerfalle und seziere mich und betrachte erstaunt das Herz. Ich liege auf dem Tisch und betrachte die Wunden, die vielen zahllosen Wunden und weine nicht. Ich zähle und zähle und liege auf dem Tisch und sterbe im Bombenhagel langsam. Ich stimme im Sicherheitsrat Krieg und nehme den Nobelpreis in Empfang Frieden und bin in Sicherheit.


-3-

Ich sitze in der Nacht und warte. Ich sitze traumlos und lange in der Nacht und warte. Dunkelheit im Zimmer, nur schwach vom Licht einer schwachen Funzel durchbrochene Dunkelheit.
Ich sitze in meiner Uniform im schwachen Dämmerlicht und döse und warte und gehe mit meinem Nachbarn durch den Bahnhof und warte. Ich gehe durch den Bahnhof am leeren Bahnsteig entlang und warte. Ich blicke in die Nacht und der Zug rollt ein und ich warte und fahre nicht mit. Mein Nachbar steht wortlos auf der anderen Seite des Schienenstrangs und der Zug rollt ein durch den leeren Bahnhof davon und fährt in die andere Welt und ich warte und die Falle ist aufgespannt. Jeder sieht mich und ich starre um Mitternacht auf die leeren Schienen und warte und die Falle ist bereit.

Ein altes leeres halbzerfallenes Bretterhaus mit Telefon und eine Trennwand und ich starre in die Nacht und die Falle ist aufgespannt und ich warte und der Köder Freiheit ist eingesetzt in die Falle von anderen und ich warte.

Ich stehe und die Sterne am Himmel tauchen hinter den Wolken hervor und unsichtbar schiebt eine Hand die Wolken beiseite und die Sterne leuchten und die Falle ist gespannt und ich dämmere vor mich hin und die Pistole in der Tasche am Gesäß ist geladen, die Patronen sind gezählt. Ich warte traumlos in der Nacht und stehe auf der anderen Seite des Schienenstrangs und warte ebenfalls dort. Ich bin der Grenzsoldat an der allgemeinen Ordnung und die Falle mit dem unsichtbaren Köder Freiheit ist gespannt und ich trete hinter der Bretterwand hervor und laufe in die Falle und habe Angst und bin da und werde gesehen und spreche leise und will fort.

Aber die Falle ist zugeschlagen und ich laufe durch den halbleeren Bahnhof und der Zug in die Freiheit fährt ohne mich. Und ich nehme den Hörer ab in der armseligen Hütte und läute und komme zu zweit. Ich lasse die Pistole in der Tasche und schweige eisiges Schweigen und sitze im Verhandlungsraum, sitze im Gericht und klage an und werde verurteilt und verliere mein Gesicht und schreie sehr laut. Ich bin ein Rad im immer leerer laufenden Getriebe Gerechtigkeit und zähle aufmerksam die Patronen in der Pistole und fahre weiter und warte, warte in der armseligen Falle Mensch und ziehe mich aus und kleide mich um und spanne eine neue Falle in der endlichen Zeit und warte und warte und dämmere vor mich hin und habe Watte in den Ohren und eine unsichtbare Brille vor dem Gehirn.


-4-

Aus der tiefen Nacht hervor tritt Urm. Seine Rüstung klappert, langsam reitet er auf seinem altersschwachen Pferd, seinem Schlachtross, seiner Rosinante. Urm ist der Wächter des Märchenschlosses mit den hohen Mauern, den hohen unüberwindlichen Mauern. Urm ist hungrig. "Rosinante ..." spricht er. Und das Pferd quiekt.
Das Pferd ist hungrig. "Rosinante ..." spricht er. Und traurig blickt das Pferd auf die schwarze Wüste und quiekt. Es wiehert schon lange nicht mehr. Rosinante verstummte, als der Vollmond verschwand. Urm reitet und langsam bewegt sich das Pferd durch die Wüste. Gold. Ringsum Gold. Schwarzes geröstetes Gold. Urm wartet. Seine Dialoge mit dem Pferd brachten einst Licht in das Land. Seine Dialoge mit dem Pferd waren Nahrung und löschten den Durst in den Welten, den Welten vor dem Märchenschloß. Das Pferd war verstummt und quiekte nur noch und das hieß Hunger. Urm hat Mitleid mit dem Tier und reitet und reitet. Einen Kreis nach dem anderen reitet er.

Nicht sieht er die Schlaglöcher im goldenen Asphalt.

Er schaut und denkt und spricht "Rosinante ..." Ich bin Urm. Urm blickt erschöpft in die Umgebung und sieht den Ring aus Kerzen leuchten in der Ferne und die Kerzen sind ausgebrannt. Urm reitet zum Tor des Schlosses und sieht es in der Mitte und findet es nicht. Und er wird auch morgen reiten und spricht: "Rosinante" sagt er.

Er blickt auf die vielen Schatzsucher, verzauberte Steine in der Wüste. Und am Kreuzweg sieht er den Wegweiser und früher konnte er einmal lesen, aber er entscheidet sich nicht und Rosinante läuft weiter, langsam immer weiter im Kreis. Überall liegen Steine, verzauberte Helden, keiner gelangt ins Schloss. Die Mauern sind unüberwindlich, denn sie sind zerfallen. Urm holt seine Flasche aus dem Beutel und trinkt und die Flasche ist längst schon leer.

Die Steine schreien und flüstern und jammern, Urm hört nicht. Langsam reitet er weiter im Kreis, schlaflos träumend, immer weiter im Kreis. Die schwarzen Steine in der Goldwüste lächeln, und schwatzen und denken an die Vergangenheit, aber die ist vorbei und kommt nicht wieder, sie haben das ihre getan und wurden verzaubert, verwandelt in Steine, und die Ringe verloren ihren Glanz. Lange weinten Prinzessinnen und schickten weitere Helden, aber die fanden keinen Drachen, sie sahen nur Steine, schwarze Steine. Ich blicke über das Feld und reite. "Rosinante ..." Und das Pferd quiekt.

-5-

Der Seelenzähler sitzt in der Straßenbahn ohne zu bezahlen. Weiter sucht er nach den Seelen und blickt in die Herzen der Leute und versteht alles. Er blickt in die Herzen der Leute und betrachtet den Kreislauf des Blutes. Er schreibt in sein Buch und blickt durch die Brille mit den großen Gläsern und sieht den Kreislauf der Leute und schüttelt ihn durcheinander. Zahlen schreibt er in sein Buch, Zahlen, er schreibt Zahlen.
Die Straßenbahn hält und fährt weiter und hält und fährt. Zu klappt der Seelenzähler das Buch und steckt es in die Tasche und schreibt weiter in Gedanken. Die Straßenbahn hält und fährt und hält. Station des Glücks. In der Ferne leuchtet die Schlossruine. In der Nähe leuchtet das Haltestellenschild. In den Herzen leuchten die Seelen. Aber dunkle Nebel schieben sich zwischen die Leute und sie erkennen sich nicht. Einsam wartend fahren die Menschen weiter, fort, fort von der Haltestelle des Glücks. Ich ziehe meinen Ausweis und prüfe die Fahrscheine.

Keiner hat einen, keiner hat einen gültigen Fahrschein und weit ist die Stelle des Glücks und ich schreibe in mein Buch. Und schreibe mit unsichtbarem Bleistift immer weiter in mein Buch und addiere die gezählten und die ungezählten Seelen der Leute und erhalte Null. Ich nehme einen Spiegel und blicke in das Herz des Seelenzählers und addiere und schreibe und erhalte Null. Ich blicke noch einmal und addiere und erhalte Null. Auf der Wiese neben den Schienen blüht ein Schneeglöckchen.


-6-

Ich liege in einer Grube nach langer Gefangenschaft und warte auf die Abfahrt. Neben mir liegt einer in einer Grube und wartet nach langer Gefangenschaft auf die Abfahrt. Eine und noch eine und noch eine Grube in der großen Wiese und die Sonne scheint und es regnet.
Die Bomben fallen schon lange nicht mehr und einige haben Spaten und graben Gruben und legen sich und warten. Und einer steht auf und zieht seine Uniform um und wartet auf die Abfahrt. Er wartet und Wolken kommen und es regnet und Blitz und Donner und Regen und Nebel. In einer der Gruben ist der Gral und in der daneben ist er und überall in den Gruben. Und alle trinken vom Wasser und essen vom Brot. Und die Flugzeuge mit den Bomben warten und rosten. Und die in den Gruben warten und graben und warten und sterben an der Cholera.

Und ich kleide mich in meine Rüstung, nehme Schild und Schwert und fasse den Speer und breche unter dem Gewicht zusammen und niese fürchterlich. Die Rüstung fällt von mir ab in die Grube und der schwarze Regen fällt in Sturzbächen Wasser und ich kleide mich erneut in die ölverschmierte Rüstung, niese, und wieder fällt die Rüstung verschmiert in das Öl. Die Opfer der Cholera sind verschwunden, versunken in den Fluten, Sturzbächen aus Öl und Schweiß.

Die Lebenden schwimmen in den wassergefüllten Gruben und graben weiter mit den Spaten und warten und werden mehr und mehr.

Ich stehe nackt in den Sturzbächen und hebe den nutzlosen Speer gegen den Himmel und rufe nach dem Bus und schwimme im Öl. Der Lehm klebt an den Füßen und die Rüstung verschwindet im schwarzen Wasser, im aufgeweichten Lehm, zwischen dem anderen Verschwundenen. Und ich rufe und schreie und ein Flugzeug am Himmel ruft und schreit und die Sturzfluten vom Himmel bilden Dunkelheit.

Ich rufe und schreie und strample und höre rufen und schreien und strampeln und esse Brot und trinke Wasser und suche den Gral. Ich fasse den Kelch und er zerbricht in meinen klammen Fingern.

Und ich bin ein Floß und die Lebenden drängeln sich auf mir und hungern und frieren im schwarzen Regen.

Irgendwo liegt die Rüstung und irgendwo meldet sich ein Lautsprecher und irgendwo spielt ein Lautsprecher Musik. Scheinwerfer leuchten auf zwischen den Gruben und werfen Bilder blühender Landschaften in die Wolken. Ich schwimme los und trage die schwere Last zu den neuen Ufern und komme an und da steht der Bus und wir steigen ein und beginnen die Fahrt in die Freiheit, die Fahrt in die neue Freiheit, und die Toten liegen zwischen den Gruben und werden weggespült und verwandeln sich in Gras und in Heuschrecken und in Vogelgezwitscher.


-7-

Urm gelangt in die Stadt mit den Wolkenkratzern und liest Leuchtreklamen. Urm liest Plakate und Werbeschriften und Straßenschilder und Hausnummern. Er liest Aufschriften auf Büchsen und Schachteln und Flaschen und Kartons. Er geht in den Supermarkt mit einem Wagen und füllt ihn und hat Brot und Getränke und Zahnpasta und Zeitschriften und Toilettenpapier. Er steht in der Schlange an der Klasse, er steht und wartet und bezahlt und bringt den Wagen zu Rosinante, dem Ford, er öffnet die Heckklappe und belädt das Auto, alles hinein, er schließt die Heckklappe, steigt ein, schaltet das Autoradio an, schließt sich an den dunstenden Schlangen, dem Verkehr, den Millionen, den Starken, dem endlosen Fortschritt. Er fährt und fährt und neben ihm küsst ein Mercedes einen Baum, eine Linde am Straßenrand.
Die Linde kippt um und zerquetscht wartet der Mercedes auf die Sirene und brennt. Ich bin in der Schlange und trage Urm und er tritt auf meine Pedale und lauscht der Musik, die ich ihm verstärke. Locker hält er das Lenkrad und der Scheibenwischer wischt den Regen von der Frontscheibe und ich fahre schneller und schneller auf dem Highway in Richtung Glück und er rast und ich rase und verwandele das Benzin in Kilometer und Gas. "Rosinante..." spricht Urm und ich quieke.


-8-

Ich sitze auf dem Olymp und berate mit Hera, Blitz und Donner schicke ich auf die Erde. Hera schweigt. Ich spreche von den neuen Göttern und von den Teufeln und von den Höllenfeuern. Hera schweigt. Hera sitzt da auf dem Thron und blickt auf die Erde rings um den Olymp und sieht die Blitze, nicht meine, und schweigt. Sie sitzt und nimmt Kopfhörer und setzt sie auf. Auf dem Bildschirm sind Menschen zu sehen, Geschöpfe von Prometheus, den ich an den Fels schmieden lies, den ich gern befreien würde, aber ich kann nicht.
Und so schickte ich ihm zur Gesellschaft einen Adler, denn einsam hängt er, angeschmiedet am Felsen,irgendwo im Kaukasus, zur Gesellschaft nur den Adler, der seine Leber frisst und ihn unterhält. Ich spreche mit Hera, Hera aber schweigt. Ich spreche mit Hera, unerwartet spricht sie. "Heute nicht."

Traurig verwandle ich mich in einen Schwan und fliege los. Trauriges Amt, Gott zu sein. Ich fliege zu Leda und verführe sie am Brunnen. "Heißes Eisen", denke ich und wir liegen am Brunnen und umarmen uns und sie streichelt meinen Kopf und meinen Hals und meine Flügel. Ich küsse sie und fühle ihre warmen Brüste und ihre Lippen und ihre Lenden und ihre Schenkel und ich bekleide sie mit meinen Flügeln und erscheine ihr als Traum und sanft schiebt sie den Gummi über mein steifes Glied und ich dringe ein in ihren Schoß und wir werden wilder und wilder im Gras neben dem Brunnen, im Duft der Sommerblumen, im Gesumm der Bienen und der Fliegen und der Hummeln, beim Zwitschern der Vögel, und Zeus hört nichts mehr und Leda stöhnt in maßlosem Entzücken und Zeus ist Zeus.

Sein Stöhnen ist Blitz und Donner und Regen und der Gummi platzt und der Samen strömt durch mich hindurch und befruchtet Leda, und ich falle nach unten, extrafeucht und elektrisch geprüft, liege da im Gras, nutzlos und zerrissen.


-9-

Ich eile. Mit mir eilen viele Millionen. Ich bin langsam. Ich gleite durch die Flüssigkeit, die warme, dunkle Flüssigkeit. Wir eilen. Pulsierende Wärme um uns. Und ich bleibe stecken in der Wand und warte. Ich zucke hin und her und komme los. Neben mir klebt eine Zelle, lautlos sterbend, lautlos ein letztes Mal zitternd in der Dunkelheit und Wärme. Ich fühle den anziehenden Duft im Gegenstrom der Zeit und eile wieder vorwärts. Ein unbändiger Drang bringt mich vorwärts.
Das wichtige Paket mit den allumfassenden Informationen trage ich mit mir. Auch die anderen tragen ihre Pakete. Langsamer werdend fallen viele ermüdet zurück in der warmen pulsierenden Dunkelheit, bleiben kleben in der schleimigen Flüssigkeit und zappeln. Ich dringe weiter vor und bin im Mittelfeld. Ich werde vorwärts gerissen mit der Menge, weiter durch die Röhre, die warme, die pulsende. Ich dringe vor, irgendetwas zieht mich unwiderstehlich an, eine reizende Kugel. Durchdringen, durchdringen, das ist mein Gedanke. Durchdringen ... Ich renne weiter, zapple und suche und fühle.

Dunkelheit.

Die Kugel.

Die goldene Kugel.

Wo ist sie?

Ist sie da?

Durchdringen.

Ich zapple und schwimme vorwärts. Eben mir überholt mich eine Kolonne und ich hänge fest. Neben mir überholt mich ein Schwarm, schwächer werdend zapple ich und klebe fest in der Dunkelheit und fühle das nahe Ende. Ich zapple und klebe und löse mich auf, langsam in der klebrigen Flüssigkeit, in dem klebrigen schlüpfrigen, wohlriechenden Schleim, werde ausgespült, zurück auf dem weg, wo ich kam. Wo liegst du, goldene Kugel? Schwächer werdend klopft mein Hinterteil, mein langer Schwanz, hin und her und erstarrt. Mein Paket verliere ich aus der Mitte und werde ausgewaschen aus dem Dunklen Weg, mit mir die vielen anderen.


-10-

Der Kaffee wird kalt und ich trinke ihn nicht. Der dunkle schwarze Kaffee, der dunkle kalte Kaffee, der Rand vom Kaffee an der Tasse und die Flaschen auf dem Teppich. Ich schlürfe schließlich doch und sehe das Telefon und den Hörer und den Sprecher am anderen Ende - Teilnehmer.
Ich drehe die Scheibe und schlürfe Kaffee und lausche dem Amtszeichen aus der Ferne. Ich lausche dem Amtszeichen und höre die Berichte vom Amt und unterhalte mich mit ihm, lege den Hörer hin, knalle ihn hin, die leere Tasse kippt um und zerbricht. Ich werde auf die Müllschippe gefegt und in die Tonne geworfen, geschüttet, hineingetan. Ich fahre zur Halde und liege zwischen den Badeöfen und Papierhaufen - Knüllpapier - Zeitschriften - Büchern. Aber ich lese sie nicht, sondern liege neben dem zerfetzten Sofa, zwischen all den alten Autoreifen.

Ringsum blüht Huflattich und ich pflücke ihn und koche. Ringsum blüht wilde Kamille, ich pflücke und koche. Ich pflücke und koche Tee Tee Tee. Ein LKW kippt seine Last auf den zerbrochenen Tisch, auf die vergessene Wohnstube, zwischen zerbrochene Tassen. Ich werde überschüttet mit einem alten Haus, Ziegeln, Mörtel, Holzstücken. Ich werde überschüttet und liege und schlürfe und lausche dem Flüstern der Ratten, dem Gesang der Ratten, dem Jauchzen der Ratten. Ich liege und lausche und sehe die Sterne. Ich bin die Ratte und habe Hunger.

Ich wühle in den Haufen nach Nahrung und finde Knochen und Käse und verschimmelte Wurst. Ich fresse und fresse und mir ist schlecht von all den Plasteabfällen über der Nahrung. Ich fresse und ächze und renne und sinke vergiftet in den Schlamm.


-11-

Ich sprang herunter und wanderte und ging und schlich und wartete und öffnete mich und die Samenzelle kam und bohrte sich in die Seite. Ich trank und schlürfte und nistete mich ein in die Plazenta und begann, mich zu teilen.
Und wurde zwei und vier und acht und sechzehn und mehr und mehr. Langsam wuchsen mir Organe und ich schlenkerte mit den Armen und den Beinen und steckte den Daumen in den Mund und schwamm und schwamm. Ich wurde größer und größer und neben mir wuchs noch eine und wir schwammen und schwammen. Dumpfe Geräusche und wachsender Druck. Und fühlten uns wohl und hingen an der Nabelschnur. Wir sahen alles und blickten und schauten.

Und waren blind. Dann drückte ich und drückte und wurde gepresst und drang hinaus, wurde gedrückt und gepresst und gezogen und atmete und schrie und schlief.
 



 
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