Aleppo II

4,00 Stern(e) 5 Bewertungen

Vera-Lena

Mitglied
Aleppo II

Wörter atmen sich
aus deinem Mund.

Es sollte schon alles gesagt sein
zum abermalesten Male.

Schwarz wohnt Trauer
in deinen Augenwinkeln.

Zertretene Blumen heben das Gesichtlein
wieder,
aber was unter der Erde liegt,
in Eile dorthin verbracht,
hatte kein Antlitz mehr.

Blindlings klettert du über die entstellten,
von Steinkloben versperrten Gassen,
festgelegt auf die inneren Bilder,
auf verhallendes Dröhnen.

Dir selbst nicht bewusst
enteilen dir sukzessiv
Wörter,
Wörter,
Wörter -
 

Walther

Mitglied
lb vera-lena,

die trauer ist nicht mehr in worte zu fassen - weil das leid unaussprechlich ist und der tag keine nacht und die nacht keinen morgen und der morgen keinen tag mehr zu haben scheint.

lg w.
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

ich schwanke, ob "hat kein antlitz" nicht besser wäre. Im ersten moment habe ich gedacht Ja, aber dann fiel mir der dadurch induzierte bedeutungswandel auf, und dann dachte ich Nein, und dann wieder von vorn....

Die sprachlosigkeit angesichts des elends durch die wiederholung von "wörter" deutlich zu machen, fiel für mich zunächst etwas aus dem rahmen, aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr gefällt mir diese paradoxistische idee.

Beeindruckt bin ich von

Schwarz wohnt Trauer
in deinen Augenwinkeln.
- so wenige scheinbar geläufige wörter verdichtet in ein mich tief berührendes bild.

Ein grandioses gedicht ist dir gelungen!

Liebe grüße

Herbert
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther, lieber Herbert,

zum Text selbst möchte ich nichts mehr sagen, denn aus Euren Kommentaren entnehme ich, dass er für sich selbst spricht.

Ich entnehme aber auch aus Euren Kommentaren, dass Ihr den Schmerz in meiner Seele über die grauenvollen Dinge, die sich zur Zeit in Syrien ereignen, teilt. (Ich empfinde das jedenfalls so.) Und ich danke Euch dafür herzlich.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo,
nur um es abzurunden:
es fehlt ein "S" in
Blindlings kletter(s)t du...

habe ich gerne gelesen,
sprachlich kompetent

lg
ralf
 
Liebe Vera-Lena,
ein sehr trauriges Gedicht. Manches Mal können eben Wörter nicht wirklich trösten. Für mein Empfinden würde am Ende einmal "Wörter" reichen. Aber das ist Geschmackssache...
Herzliche Grüße
Karl
 

Vera-Lena

Mitglied
Aleppo II

Wörter atmen sich
aus deinem Mund.

Es sollte schon alles gesagt sein
zum abermalesten Male.

Schwarz wohnt Trauer
in deinen Augenwinkeln.

Zertretene Blumen heben das Gesichtlein
wieder,
aber was unter der Erde liegt,
in Eile dorthin verbracht,
hatte kein Antlitz mehr.

Blindlings kletterst du über die entstellten,
von Steinkloben versperrten Gassen,
festgelegt auf die inneren Bilder,
auf verhallendes Dröhnen.

Dir selbst nicht bewusst
enteilen dir sukzessiv
Wörter,
Wörter,
Wörter -
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Ralf, da war der Tipp-Fehler-Bösewicht doch wieder am Werke!

Danke für Deinen Hinweis und für Deinen Kommentar!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Karl,

ja Wörter können nicht immer trösten.

Hier aber (und nun sage ich doch etwas zu diesem Text) stolpert einer völlig verstört mit reduziertem Bewusstsein für das, was real um ihn herum ist, und will gar nicht wirklich sprechen, sondern die Wörter kommen einfach aus seinem Mund, weil er sich noch nicht wieder unter Kontrolle hat. Manche Menschen sind stumm, wenn sie einen Schock erlitten haben, andere murmeln oder schreien immer wieder dasselbe. Aber das weißt Du ja ganz sicher auch.

Danke für Deinen freundlichen Kommentar!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
Oben Unten