Alles sein

Andri Vento

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Alles sein

Singend im Glück, ein einfacher Mann
sorglos und froh, weil ich alles kann
geschickt meine Hände, bin voller Ideen
mein Lachen heiter, die Mühen vergehen

Die höchsten Berge und Wände sind mein Ziel
tödliche Mühen, die Todesgefahr, nie ist es zu viel
unendlich meine Kraft, unaufhaltsam, einfach ein Stier
alles vergessend, gnadenlos, wie das wildeste Tier

Bin graue Eminenz hinter jedem Beschluss,
und doch verräterisch mein Bruderkuss
allen flüstere ich leise die Wahrheit ein
das dies jetzt soll und jenes muss sein

Ein Eremit grau und geehrt, mit Weisheit gesegnet
der jedem Menschen mit Milde und Rat begegnet
Rätsel durchdringt mein Verstand in glücklicher Stund
mein Wort beleuchtet des Menschen letzten Grund

Geachtet im Feuilleton, Argumente wie Messer
scharf, kein Philosoph, kein Redner ist besser
intellektuell, kühlen Herzens und klaren Verstandes
denk ich das Neue, nicht nur immer altbekanntes

In Dekadenz und Genuss mich verlieren
mit Dichtern über die Schönheit parlieren
selbst edel von Wuchs und Angesicht
die Frauen weinen bei meinem Gedicht

Nur mir vertraust du, mir ganz allein,
in wahrer Stunde dein Grund, deine Tiefe sein
dein Sehnen, deine Begierde und all deine Lust
bin das Schreien und Stöhnen aus deiner Brust

Gefesselt sein, kniend vor deiner Gunst, in deinen Hieben
winseln und mit brennenden Hintern dich endlich lieben
bin nur noch Gier und Sex und Schwanz wie ein irrer Faun
wie eine Wahnsinnsmaschine, will nichts anderes schaun

Bin unersättlich trinke ohne Sinn und Innehalten
im Leuchten der Drogen mir neue Welten entfalten
berauscht bis zum völligen Ausfall der Sinne
lieg ich am Boden in einer dreckigen Rinne

In deinen Armen erfahre ich die Auflösung meines Ich
Liebe, nur mit dir kann ich sein, du bist alles für mich
gemeinsam, das unbedingte Vertrauen im Strom der Zeit
verbunden in Freude und schwereloser Heiterkeit

Bedacht herrsche ich über alle verlorenen Wesen
ein Wort von mir und leise es ihnen vorgelesen
kein Meer ist so tief wie meine verstehende Seele
emphatisch und zart, auf dass das Glück nicht fehle

Ungebunden bin ich stets, geh eigene Wege
ich lache nur über Gärten und Kinderpflege
bin gemein und böse und ungeduldig
und den Spießern keine Rechenschaft schuldig

Ich liebe die Menschen, reich jedem die Hand
dankbar berühren sie zart mein Gewand
sitze tief verbunden mit dir am Strand
und male alle Geheimnisse in den Sand

Ich bin der Geist in der Tiefe der Erde
und spreche leise: sei nicht mehr, werde
das Blau des Himmels soll mir weiter scheinen
zitternd vor dem Nichts um Gnade weinen

In meinen Augen vergehendes Licht
letzte Tränen fließen übers Gesicht
Schicksal lässt sich nicht wenden
alles sein und alles muss enden
 



 
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