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Ja, und du erinnerst mich da auch an etwas schon Vergessenes. Jene Sache mit der Gültigkeitsdauer von DB-Rückfahrkarten, die über 50 km hinausgingen. Früher – das ist jetzt auch schon lange nicht mehr so – besaßen solche Tickets einen aufgedruckten, ziemlich lange währenden Gütigkeitszeitraum. Mir scheint, zwei Wochen waren es. Und über 100 km wohl gar vier Wochen!
Seinerzeit fuhr ich recht häufig jeweils nur für einen Tag nach Stuttgart, was über 50 km waren. Schon da war es eher die Ausnahme als die Regel, dass ein Kontrolleur kam und die Fahrtberechtigung durch seinen Zangenstempel entwertete. Tatsächlich bin ich aber nie auf die Idee gekommen, bzw. es war mir die Mühe und Aufregung nicht wert, mich deswegen in der Toilette zu verstecken. (Das tun ja heute vor allem die Raucher, seit die DB flächendeckend die Raucherbereiche abgeschafft hat. Was allerdings zu sehr unangenehmen Folge für diejenigen führen kann, die tatsächlich „müssen“. Denn pro Zugeinheit gibt es oft nur eine einzige Toilette, die nicht benutzt werden kann, wenn sich die Raucher häufen. Aber, bei dem bekannten Weltklasseservice unserer deutschen Bahn hat man sich sowieso schon halb an diesen Zustand gewöhnt, da es wirklich gar nicht selten vorkommt, dass diese einzige Toilette von vornherein versperrt ist, mit dem Hinweis: „Toilette unbenutzbar“. Jetzt mal ehrlich: Fühlt sich denn irgendwer „anständig“ bedient von einem Dienstleister, der alle paar Tage seine Kunden für 50, 80 km lange Fahrten in Züge einsteigen lässt, bei denen sich im Bedarfsfall dann herausstellt, dass sie „leider“ „momentan“ „vorübergehend“ nicht über Toiletten verfügen? Ist das jetzt Bananenrepublikniveau oder bin nur ich es, der schon ein wenig DB-paranoid zu werden beliebt?)
Gut war’s, wenn schon auf der Hinfahrt kein Schaffer auftauchte. Da wurde man hoffend gespannt: Wird das auf der Rückfahrt – bei mir war das sowieso meist der letzte Zug in der Nacht – auch wieder so? Wenn ja, dann hatte man ein jungfräuliches Ticket in der Tasche, das man am nächsten oder übernächsten Tag noch mal nutzen konnte. Es war wohl schon so, dass die Hinfahrt bei solchen Rückfahrkarten nur drei Tage Gültigkeit hatte. Die erwähnte „Wochen“ galten nur für die Rückreise. Wenn aber die Hinfahrt zwar entwertet war, die Rückfahrt aber nicht, bedeutete das, man konnte, wenn man Lust hatte, irgendwann in den nächsten Wochen noch einmal fahren, musste dafür dann nur noch die Hälfte des Preises zahlen. Nicht, dass ich das ständig gemacht hätte, manchmal warf ich das Ticket einfach weg, manchmal hob ich es zwar auf, hatte anschließend aber keine Lust auf Stuttgart.
In jenen Jahren, als die DB dann zur AG umgemodelt wurde, einen Chefmanager aus der Privatwirtschaft vor die Nase gesetzt bekam (Stihl, der Name war falsch, der war doch DIHT-Chef, aber der richtige Name will mir partout nicht einfallen, es war einer, der auch von Daimler-Benz gekommen war), als der Königsweg zum modernen, kostengünstig und profitabel operierenden Unternehmen darin entdeckt wurde, so viele Leute in den Vorruhestand zu entlassen, wie nur eben ging, kurz, als beschlossen wurde (die DB ist allzeit gut darin gewesen, solche Richtungsentscheidungen in all ihren medialen Auftritten sorgsam mit Schweigen zu übergehen, überhaupt nicht vergleichbar mit dem, was die Schweizer SBB angesichts ihrer Bahninitiative 2000 an Kundeninformation bewerkstelligt hat), da fiel den Herren in Frankfurt und später dann Berlin natürlich auf, dass man die Zweitklassbahn (als welche ich den Regionalverkehr in die „Tiefe des Raumes“ hinein, also ausdrücklich nicht den Erstklasskundenverkehr, wie er in Fernschnell-Städteverbindungen namens IC, EC, ICE abläuft, bezeichnen möchte) nicht mehrheitlich zugbegleiterlos („schaffnerlos“ würde Wolfgang Ambros sagen) arbeiten lassen kann, wenn man den Kunden Tickets in die Hand gibt, welche (ohne Zangenabdruck) zu mehrfachem Reisen über ganze Wochen hinweg einladen. Deshalb war die erste Stufe der „Reform“, dass man nun, wenn man so eine Rückfahrkarte im Regionalverkehr kaufte, gefragt wurde: „Für heute zurück?“ Falls ja, dann stand für die Rückfahrt jetzt nur noch ein kürzerer Zeitraum zur Verfügung, ich glaube, zehn Tage waren das seinerzeit. Gleichzeitig wurden für die Rückgabe von nicht gebrauchten Tickets so enorm hohe Bearbeitungsgebühren eingeführt, dass auch kaum noch einer auf die Idee kam, zwar zu fahren, sein nicht gestempeltes Ticket anschließend aber als „nicht benützt“ zur Kostenerstattung einzureichen.
In einer weiteren Stufe wurde die Sache dahin gehend verändert, alles natürlich, ohne dass je in der DB-Kundenzeitschrift oder einer Tageszeitung davon zu lesen gewesen wäre, dass es heute nur noch Rückfahrkarten gibt, die nur einen einzigen Tag Gültigkeit haben. Es soll ja auch mal Leute gegeben haben, die an den Bahnhöfen die Papierkörbe nach „ungelochten“ Fahrscheinen durchstöbert haben. Was, das Durchsuchen von Papierkörben in den Bahnhöfen, heute allerdings streng verboten ist und teuer geahndet werden kann. Nachzulesen auf jenen rot-weißen Plakaten mit der Überschrift „Hausordnung“, die mittlerweile an wirklich jeder DB-Station aushängen. Vielen Menschen sind sie noch nie aufgefallen. Aber gucken Sie sich mal um, wenn Sie mal wieder zur DB gehen! Diese „Hausordnung“ hängt inzwischen überall. Selbstverständlich kriegt man für seine München-Berlin-Reisen nach wie vor Tickets, die wesentlich länger gültig sind. Aber diese Reisen finden auch im Bereich der Erstklassbahn statt, wo pro IC, wie gesagt, sowieso mindestens vier Servicepartner operieren.
Oder die Masse ist mit Sonderangeboten wie „Schönes Wochenende“, „Quer durchs Land“, „Länderticket“, „Hopperticket“ unterwegs. Für dieselben gilt allerdings, dass sie sowieso immer nur einen Tag gelten, nach dem (möglicherweise versehentlichen) Kauf nicht zurückgegeben werden können und dass seit einigen Jahren ein vollständiger Name auf die Karte drauf geschrieben werden muss.
Ich bin allerdings noch nie Zeuge geworden, dass mal ein Zugbegleiter gesagt hätte: „Ja, da steht Carl Fons Gutenberg drauf. Und sie haben auch einen Bart im Gesicht. Könnte also sein, dass Sie Carl heißen. Jetzt zeigen Sie mir aber doch mal Ihren Ausweis, Sie kennen ja wohl unsere Geschäftsbedingungen, welche Sie mit dem Erstehen dieses Angebotstickets akzeptiert haben, wonach Sie bei dessen Nutzung ein Sie eindeutig identifizierendes amtliches Bilddokument mitzuführen haben. Könnte ja jeder sagen, das ist sein eigenes Ticket, wofür er die ganze Leistung selber erbracht hat, wenn da nur der Name Karl Fons Gutenberg draufsteht!“
Sie werden mit einem Mal vielleicht auch die hübschen, kleinen blau glänzenden Videokamera-Beulen in unseren Bahnhöfen, auf den Bahnsteigen und neuerdings vermehrt auch in den ansonsten auf dem Personalwege nicht mehr überwachten Zugwaggons entdecken. Welche selbstredend ja sein müssen, da doch unser Zugverkehr mehr und mehr von hinterhältigen Anschlägen seitens irgendwelcher Radikalislamisten – und nicht etwa seitens der DB höchstselbst – lahm gelegt wird.
Jaja, die liberalisierte Marktwirtschaft ist nämlich an keiner einzigen Stelle so sehr liberal, wie sie gerne behauptet. Also auch bei dem vorbildlich liberalisierten und immer noch weiter zu liberalisierenden DB-Betrieb nicht.
Öhm, ja, leider... Oder: Ich weiß nicht... Hat ja schon manchmal auch seine Vorteile... Jedenfalls, ich bin – und mir wird Entsprechendes auch immer wieder mal in vielerlei verschiedenen Rückmeldungen offenbar – ein extrem durchschnittlicher, ordentlicher, braver, langweiliger, wenig störender Zeitgenosse. Es gibt mich – und das war’s dann auch schon. Ich komme manchmal wo hin, da sind viele Menschen, da tut sich was. Ich bin auch da, dann bin ich wieder weg. Und nachher erinnert sich von den Vielen kein einziger an mich. Als wäre ich nie dabei gewesen.
Schlecht ist das ja zum Beispiel, wenn man zu Hause nicht mit einer Ehefrau und eventuellen Kinderlein gesegnet ist, die einen, allein auf Grund der Tatsache, dass man eben leider ihr Ehegemahl bzw. Erzeuger ist, für irgendwie speziell zu halten nicht umhin können. Dass man vielmehr homosexuell ist und auch da dann wieder unbeweibt bzw. unbemannt wie eine verirrte Raumkapsel im Weltenall. Wenn man aus diesem Grunde sich gelegentlich darin befleißigt, Stätten heimzusuchen, wo sich „’s Herz zum Herzen find’t“ (oder sonst was, falls nicht Herz). Dort wäre es manchmal schon opportun, eine Gestalt zu haben, welche die Blicke magisch mit Bann belegt. Da dies bei mir aber nicht so ist und auch noch niemals war, widerfahren mir Erlebnisse, wie ich sie in meiner Geschichte „This Will Be My Shining Hour“ berichtet habe.
Obwohl es sich dort um einen literarischen Text handelt, also nicht in jeder einzelnen Kleinigkeit ganz genau so war, wie ich es geschrieben habe, stimmt übrigens schon, dass ich jene für viele Schwule unschwer zu identifizierende Mannheimer Großdisco seit dem fraglichen Abend vor deutlich über zehn Jahre nicht ein einziges Mal wieder betreten habe. Kann also sein, dass es sich dort mittlerweile ganz, aber wirklich ganz, ganz anders zuträgt, als bei mir zu lesen.
Jedenfalls: Jenen Text, in seiner kürzeren Urversion, durfte ich seiner Zeit in einem sehr unbedeutenden schwulen Zeitschriftchen abdrucken lassen. Es war der umfangreichste Text, der dort jemals erschien. Ich kannte einen Schwulen, er ging später beruflich zur DB-Zentrale nach Frankfurt, hat aber nichts zu besagen, der mochte das überhaupt nicht, so lange Texte zugemutet zu bekommen. Überhaupt war das einer von der Sorte: „Ich weiß nicht, wie du das schaffst, immer noch Bücher zu lesen! Würde ich ja gerne auch mal wieder, aber man hat doch einfach nicht mehr die Zeit dazu.“ In dem Stück ging es darum, dass das Erzähler-Ich (später zu „er“ verändert, au, was war das eine Arbeit!) geschlagene 17 Seiten lang in einem Nachtlokal herumirrt, sich sagt, es suche ja überhaupt nach keinem Mann fürs Bett, obwohl immer mehr zu Tage kommt, dass es doch genau um dieses eigentlich geht, und zum Schluss ebenso unbemannt nach Hause fliegt, wie er angedüst war. Das Verweigern einer erwartbaren Pointe, ich mag so etwas. Dachte aber, die Leser von diesem Zeitschriftlein, die mögen das gar nicht, 17 Seiten lesen, dann passiert nicht das Geringste. Darum schrieb ich in der ersten Zeile etwas wie: „Ich will euch berichten von meiner Nacht, in der ich wieder mal keinen abgekriegt habe, obwohl ich auch wirklich nach keinem gesucht hab.“ Gelesen hatte diese erste Zeile wahrscheinlich auch mein leseentwöhnter Bekannter. Doch dass er es überhaupt gelesen hat, sonst sagte er mir nie was über die Sachen, die er von mir gelesen oder überschlagen hatte, teilte er mir mit dem Unterton der Empörung mit: „Jetzt hab ich deine Geschichte gelesen. Die ja wieder mal extrem lang und umständlich war. Ich hab das alles gelesen und immer gewartet, ob er was abkriegt oder nicht. Und dann kriegt er nichts ab! Warum machst du das? Warum schreibst du 17 Seiten über nichts!“ Da lächelte ich nur in mich hinein und war sehr zufrieden. ER hatte alles gelesen, obwohl ihn so was nervt. Selten wurde ich mehr gelobt.
Ja, ich war schon bei vielem dabei, hab schon mancherlei gesehen, aber mich hat man dabei entweder nicht gesehen oder schnell wieder vergessen hinterher. Mir hat der Rezzo Schlauch einst erzählt, ob er es je mit einem Mann getrieben hat oder nicht. (Wird auch hier nicht verraten.) Ich hab schon dem seinerzeit tv-bekanntesten Travestiestar Deutschlands einen geblasen. (Das verraten wir auch nicht, wer das war, immerhin, es war schlecht, sexqualitativ, meine ich.)
Ich war selber mehrfach im TV zu sehen. Nämlich als Komparse in „Tatort“ und so Sachen. Eine recht flüchtige Bekannte hatte mich in die Kartei beim Süddeutschen Rundfunk hineingebracht. Man bekam Kostüme angezogen und Bärte angeklebt, das war lustig. Durfte vom kalten Büffet nie was nehmen, das war Setdeko und die stank am dritten Tag erbärmlich nach altem Lachs. Ansonsten war es einfach nur öd und ermüdend. Warten, warten und noch mal warten, Film ist ja so unglamourös. War dann immer so, dass all die übrigen Leute, die als Komparsen herumwarteten, sich gegenseitig versicherten, also wegen der Gage würden sie es ja überhaupt nicht machen, das rechne sich ja nicht mal. Mir scheint, 110 Mark am Tag zahlte der SDR seinerzeit. Mir ging’s seinerzeit sehr um dieses Geld. War für mich der Grund, warum ich dabei war, 110 Mark am Tag, das konnte ich gut gebrauchen. Der Rest der Riege freute sich aber anscheinend darauf, alle Verwandten, Freunde und Bekannten anlässlich der Ausstrahlung antelefonieren zu können: „Du, ich bin heut Abend im Tatort.“ Keinen meiner Auftritte habe ich je gesehen, ich hab ja keinen Fernseher. Ich gehe aber mal davon aus, dass mich auch sonst nie einer in jenen Filmen gesehen hat, angesprochen drauf wurde ich jedenfalls nie. War mir auch lieber so. Dummerweise rutschte ich wohl eines Tages aus der Kartei wieder raus, als ich einen Fragebogen einsenden musste, auf dem stand, dass ich jetzt so und so alt bin, Stirnglatze habe und so und so viele Kilos wiege, Brille trage und nicht Auto fahren kann. Dumm war das, denn von da an gab es die Kohle fürs Warten nicht mehr.
Es gibt dann bloß eine Sache, da kann aus mir Dutzendmensch aufs Mal der verabscheuungswürdige Unhold werden. Und somit ja jemand, den man zwar nicht schätzt, dessen Besonderheit (wenn auch im negativen Sinne) man aber anerkennt. Diesem nachforschen kann auch, wer es auf sich nimmt, die 7.000 haltlos verplauderten „Antworten“ nachzulesen, die es hierorts, in der Leselupe, von mir gibt. Nämlich, nicht dass es zu meiner übergroßen Freude gewesen wäre, eines Tages ging mir auf, dass ich nicht einfach nur homosexuell bin, wie ja in diesem Lande mittlerweile auch Regierende Bürgermeister und Außenminister, sondern dass auf mich in dieser Eigenschaft mitunter (was nicht heißt: immer), Personen männlichen Geschlechts einen erotischen Zauber ausüben, welche nicht nur merklich jünger sind als ich, sondern zu allem hin teilweise auch noch nicht mal das Alter der Großjährigkeit für Rechtsgeschäfte erreicht haben.
Das ist in etwa so wie bei der katholischen Kirche, was die Betrachtung der Homosexualität angeht. Sind drei Dinge: 1. die Sehnsüchte haben, sie aber weder aussprechen noch ausüben. 2. die Sehnsüchte haben, sie zwar nicht ausüben, aber aussprechen. 3. die Sehnsüchte haben und deshalb auch den Sex dazu treiben. Die katholische Kirche hat nicht die mindesten Probleme mit Schwulen, für die 1. gilt. Sie sagt: Wenn sie sich nach so was sehnen, wird das schon seine Ordnung haben, der HErr wird es wohl so eingerichtet haben, also dürfen wir es nicht verurteilen, denn wir sind nur Menschen. Die katholische Kirche hat aber ganz extreme Probleme mit Schwulen der Kategorie 3. Also solchen, die auch schwulen Sex haben. Der nämlich ist, sagt die katholische Kirche, laut Bibel, also laut dem HErrn, verboten, ist große Sünde. Folglich verbietet die katholische Kirche es ihren Schäfchen nicht, schwul zu sein, sie verbietet ihnen nur, es zu leben.
Ich bin nicht ganz blöd. Ich glaube aber auch nicht, dass sehr viele Leute ganz blöd sind. Darum glaube ich, dass ich durchaus durchschnittlich bin in meiner Nicht-Blödheit. Genau diese Nicht-Blödheit führt bei mir aber dazu, dass ich nicht 30 Jahre schwul leben kann, ohne dass mir manchmal auffallen würde: „Holla, der Junge da drüben, der ist zwar erst 16, aber ich find ihn total toll.“ („Hach, wär das toll, wenn der mich auch toll finden würde, dann könnten wir heiraten und so weiter.“) Das ist, was ich ein ephebophiles Verlangen nenne. Da es kein „normales“ homosexuelles Verlangen ist. Schwule sind per se nicht auf Jungs von 16 oder 17 aus, wenn sie selber vierzig oder noch mehr sind. Wer das denkt, der denkt halt falsch und sollte sich mal etwas umtun in der Welt. Ich sehe es allerdings auch nicht als pädophiles Verlangen an, weil ich dergleichen niemals bei 8- oder 12-Jährigen erlebe.
Nicht, dass sich in ephebophilen Sehnsüchten meine Persönlichkeit erschöpfen würde... Wie alt noch mal war der von gestern Nacht? Na, fünfunddreißig, schätze ich, und schon wieder mal verheiratet, ich bin der Bisexuellen-Tröster schlechthin (kommt, weil: die sehen mich, Schwule übersehen mich). Und ja, ich geb’s ja zu, er war viel schöner als ich und ich hätte ihn gar nicht kriegen dürfen. Aber was sollte ich machen, er wollte halt. Aber wenn ich jetzt hingehe und das, was ich an Sehnsüchten in mir wahrnehme, alldieweil ich nicht ganz blöd bin, ausspreche oder hinschreibe, wie zum Beispiel hier in der Leselupe nicht zum ersten Mal, dann entspreche ich dem Fall 2. von obiger Sache über die katholische Kirche und die Schwulen. Und zwar nicht nur für die katholische Kirche, sondern für sozusagen alle. (Und darunter auch nicht wenige Schwule.)
1. Die Sehnsüchte zu haben, wenn sie da sind, kann man mir nicht verbieten. 3. Die Sehnsüchte in realen Sex umzuwandeln, würde mir sozusagen jeder verbieten wollen. Nun bin ich aber weder 1. noch 3., ich bin der Fall 2. Ich mach’s zwar nicht, wünsche es mir aber und rede darüber.
Dies führt in nicht wenigen Fällen – und hat auch (mehr oder weniger) im Kreis der LL-Kollegen schon dazu geführt (von der anderen Schreibplattform, wo man mich rausgeschmissen hat, mal ganz zu schweigen), dass mich die Leute, päpstlich, wie sie manchmal sein können, für den Fall 3. nehmen. Mir den praktizierenden Jugendschänder vorwerfen, der ich faktisch gar nicht bin. Ich mach zwar gar nichts, aber die, die es wirklich machen, die sagen ihnen nie, dass sie es machen. Sie meinen aber eben, die, die es machen, denen muss es verboten werden. Da sie aber die nie erwischen, denen sie es gern verbieten würden, wollen sie es mir verbieten, der ich es gar nicht mache. Irgendwie würde das die Seele wohl entlasten und die Welt verbessern.
Ich schreibe das an dieser Stelle, weil du, Arno, gerade Bezug genommen hast auf mein Autorprofil, wo angeblich stehe, dass ich so wohl tuend normal sei. Ich bin auch normal. Ich stelle jeden Abend den Wecker und stehe immer sofort auf, wenn er klingelt. Ich trenne meinen Müll. Ich werfe keine alten Batterien oder Akkus in die Abfallbehälter der DB AG. Ich achte darauf, gelegentlich Salat, Früchte oder Gemüse zu essen. Ich gehe zu jeder Wahl und kreuze immer nur Parteien an, welche über 5 Prozent kommen oder es zumindest höchst wahrscheinlich von nun an für längere Zeit tun werden. Ich habe ein seit weit über zehn Jahren musterhaft geführtes Bonusheft für jährliche Nachschau beim Zahnarzt. Ich trinke so gut wie nie Alkohol in der Öffentlichkeit. Ich kaufe ein, ich koche, ich mache den Abwasch, ich bügle gelegentlich meine Hemden. Ich kaufe einen Fahrschein, bevor ich in die S-Bahn steige, obwohl ich weiß, wie selten dort Kontrolleure auftauchen. Ich gebe Leuten Auskunft, die neben mir die Autoscheibe öffnen und nach der Lessingstraße fragen und erwarte nicht mal Dank dafür. Was auch so eine Gelegenheit ist, wo ich tatsächlich sehr oft bemerkt werde, obwohl man mich, wie ich behaupte, sonst meist übersieht.
Aber dennoch habe ich auf dem von dir erwähnten Profil stehen, mich habe draußen in Wald und Flur mal ein Jäger an- und mit seiner Waffe festgehalten, bis die Polizei gekommen sei, welche mich mitnahm, einen halben Tag festhielt, dann nach Hause fuhr, um sogleich, also ohne, dass ich vorher was wegschaffen konnte, eine Untersuchung durchzuführen, ob ich im Besitz von Kinderpornografie wäre. Wenn ich das wäre, wäre ich alles andere als normal. Und überhaupt, wem passiert so was? Mit der Waffe festgehalten! Einer, der angeblich zu der total harmlos wirkenden Sorte zählt, die ständig unkontrolliert durchrutscht?
Weil man sich jetzt wundert, will ich das noch erklären. Es gibt ja Leute, die schauen sich gerne Fotos an, auf denen Menschen abgebildet sind, welche nach ihrer Meinung ein schönes Gesicht haben. Und dazu auch noch einen Körper, der ihnen ebenfalls sehr wohlgeformt erscheint. Und dazu noch Fotos, wo diese Reize, also sowohl Gesicht wie Körper, zum absichtlichen Bildthema gemacht worden sind, alldieweil die Abgebildeten in einem kleidungsmäßig mehr oder weniger entblößten Zustand auftreten. Solche Leute, zugegebenermaßen dürften sie mehrenteils dem männlichen Geschlecht angehören, kaufen sich nicht zuletzt vielleicht deswegen eine Zeitung namens BILD Tag für Tag. Pro Ausgabe wird dort eine junge Frau in halbnacktem Zustand farbig abgebildet, zu welcher es dann ein paar Zeilen zu lesen gibt, die zum Beispiel so überschrieben sind: „Das ist die rote Angie. Sie hat ihre Männer fest im Griff.“
Wie wir alle wissen, handelt es sich bei besagten Abbildungen niemals um etwas Pornografisches. Weil ja die Verbreitung von Pornografie über Medien, welche Personen unter 18 Jahren frei zugänglich sind, in Deutschland sowieso verboten ist. Weil ja in BILD sowieso nie Pornografie vorkommt.
Entsprechende Bildveröffentlichungen in BILD würden mir vielleicht etwas mehr zusagen, wenn ich nicht nur männlich, sondern auch heterosexuell wäre. Was ich aber nicht bin. Jetzt könnte man sich doch einmal fragen, welche Presseerzeugnisse gibt es, wo die auch nicht gar so wenigen homosexuellen Mitbürger mit vergleichbaren Abbildungen versorgt werden. Dann käme man drauf, dass es einige Titel gibt, zwar keine Tageszeitungen, aber monatlich erscheinende Zeitschriften, von welchen eine Handvoll Titel an den Bahnhöfen unserer Großstädte erhältlich sind, in welchen durchaus ähnlich gestaltete Fotos mit schönen jungen Männern erblickt werden können. (Wobei dieselben natürlich gewaltig viel mehr Geld kosten als BILD, aber das ist ein anderes Thema.) Selbstverständlich enthalten dann auch diese Publikationen keinerlei Pornografie, sind also die erwähnten Jünglinge zwar halb oder ganz nackt, deswegen aber noch lange nicht pornografisch.
Jeder Schwule in Deutschland kennt das und weiß, welche Art von Modellen er in solchen Blättern zu sehen bekommt. Darum weiß auch jeder deutsche Schwule (wenn auch bei weitem nicht jeder Deutsche), dass in derartigen Veröffentlichungen keine Jungen im Sinne von „na, vielleicht sechzehn, siebzehn Jahre alt“ zu sehen sind. Mag ja mal vorkommen, dass die „rote Angie“ oder die „kesse Lotti“ bei BILD gerade erst süße siebzehn ist, aber in schwulen Magazinen kommt das nie vor. Da ist jeder süße Gert oder Peer mindestens 18 Jahre alt, meist wohl so etwa 20 oder 24 (und so gut wie nie über 30).
Inzwischen haben wir das Internet hinzu bekommen. Wo man, so man will, sich alle möglichen Fotos kostenlos „runterziehen“ kann. Gehört man nun einer Spezies Mann an, die (neben anderen, sagte ich schon) sich für die gesichtsmäßigen und körperlichen Vorzüge von Halbwüchsigen von 16 oder 17 Jahren erwärmen kann (ich nenne das „Jungen“, „Männer“ nennen kann ich es nicht), probiert man das eines Tages vielleicht mal aus, ob man nicht per Internet an Fotos gelangt, die an „Schärfe“ bzw. „Unschuld“ ziemlich genau das bieten, was der tägliche BILD-Pin-up bietet, nur eben, dass die Person darauf zwar 17, aber nicht weiblich ist. Ich tat dies jedenfalls eine Zeitlang, ich sammelte solche Fotos. (Tue auch das schon seit Jahren nicht mehr.) Einige dieser Bilder druckte ich mir auf Papier aus. Wohl gemerkt, es handelte sich nicht um Pornografie. In aller Regel waren die Dargestellten zwar mit mehr als ihrem Gesicht zu sehen und waren oft auch ziemlich ausgezogen, aber ihre Geschlechtsorgane waren in aller Regel nicht zu sehen. Und falls doch einmal, dann aber ganz gewiss nicht sexuell erregt oder in irgendwelcher „Aktion“.
Manche Leser wird es verwundern, dass diese Art Foto keine Pornografie ist. Aber sie ist nun mal keine. Und darum ist sie auch nicht verboten. Weder ihre Herstellung, noch ihre Verbreitung, noch ihr Besitz. (Und es waren auch keine „Kinder“ drauf, weil ich nach Fotos mit Kindern nie gesucht habe, weil mich Kinder erotisch nun mal nicht interessieren.)
Irgendwann beim Blättern fand ich den ganzen „Schatz“ nur noch lächerlich. Ich beschloss, die Fotos wegzuwerfen. Ich hätte sie einfach in die Mülltonne werfen können. Dann kam mir aber ein komischer Gedanke. Man muss vielleicht erwähnen, dass ich an manchen Punkten ein Spaßvogel seltsamer Güte bin, mehr als andere Menschen. So normal dann doch wieder nicht. Die Frage, die ich mir stellte und zu der ich Sie jetzt auch auffordere, stellen Sie sich die mal: Wir oft haben Sie schon ein Pin-up-Girl-Foto à la BILD gesehen? Also eines, wo eine schöne, schlanke Achtzehnjährige drauf ist, die untenrum ein Höschen trägt, oben aber bar ist, dazu ein freundlich einladendes Lächeln im Gesicht? Ist schon vorgekommen, haben Sie schon gesehen, paar Mal seit ihrer Geburt. Okay, und wie oft haben Sie dasselbe Bild schon gesehen mit einem Detlef oder Maik drauf? Und jetzt mal nicht Mark Wahlberg oder sonst ein muskelbepackter Beau in der Parfüm- oder Calvin-Klein-Anzeige, sondern ein ganz normaler Junge von siebzehn Jahren, der bei Ihnen im Viertel aufs Gymnasium gehen könnte?
Ich dachte, ich schmeiß das Zeug jetzt einfach weg, weil es mich nicht mehr interessiert. Aber ich schmeiße es nicht in meine Tonne, sondern ich verteile es wie eine Schnitzeljagd in ländlicher Landschaft. Ich gehe häufig wandern, darf erwähnt werden. Jedoch auch dieses manchmal gar nicht so normal, wie ich aussehe. Nämlich in besagtem Fall, da startete ich um Mitternacht, es war Sommer, und lief ganz alleine einsam stundenlang durch den nächtlichen Wald, bis gegen Morgen das Büchsenlicht aufkam. Wo der deutsche Jäger mit seinem Allradfahrzeug im Anstand steht und durchs Fernglas nach kapitalen Böcken Ausschau hält, die er schießen kann. Den Jäger sah ich natürlich nicht, wie das dem Wild ja zukommt, er aber sah mich, wie ich ein Stück Papier sorgfältig auf dem Boden ausbreitete und dann weiterging. Er trat aufs Gas, fuhr hin zu der Stelle, sah, was er nachher gegenüber der Polizei so erklärte: „Diesen nackten Jungen, na, ich weiß ja nun nicht...“
Ich kann mir das fragliche Foto mittlerweile innerlich gar nicht mehr vor Augen führen. Ich gehe mal davon aus, dass es ein Halbakt mit einem allein der Kamera gegenüber stehenden Jungen von etwa sechzehn Jahren war. Dessen Geschlecht wohl nicht auf dem Bild war. Oder, möglicherweise war es das sogar, dennoch, es war kein pornografisches Bild, da ich solche nie im Besitz hatte. (Ich habe übrigens pornografische Bilder in meinem Besitz. Heute immer noch. Das dann aber gängige pornografische Sexshopware, schwule Titel, wo manifest sexuelle Handlungen gezeigt werden, diese aber nur unter erwachsenen Männern.)
Der Jäger rief mit dem Handy die Polizei und hielt mich fest mit seinem Gewehr, bis diese mich übernommen hatte. Es war noch sehr früh am Morgen. Also gelang es der Polizeidienststelle, wo man inzwischen noch weitere derartige Fotos aus dem Internet in meinem Rucksack gefunden hatte, ähnlich schuldig oder unschuldig, eine geraume Zeit nicht, einen Kollegen von der Kripo aus der nächsten größeren Stadt herbeizuschaffen. Als der Beamte von dort die Bilder schließlich begutachtete, fand er, diese hier seien zwar nicht verboten, könnten aber den Verdacht aufkommen lassen, dass sich zu Hause auf meinem PC kinderpornografisches Material befinde. Darum, die Sache spielt über mehrere Landkreise hinweg, wurde ich jetzt erst mal zu einer anderen Stadt gefahren, dort auf einer anderen Polizeiwache festgehalten, bis die Kripo aus meiner Heimatstadt erschien, mich zu meiner Wohnung brachte und im Rahmen einer „freiwilligen Wohnungsnachschau“ meinen Computer und die Wohnung nach Kinderpornografie durchforschte. Aber natürlich keine fand, weswegen die Angelegenheit keine weiteren Konsequenzen für mich zeitigte.
Die ganzen Stunden über wunderte ich mich, dass nicht ein einziger der Beamten mir sagte, es sei aber nicht erlaubt, einfach irgendwelchen Bildermüll in die freie Natur zu schmeißen. Ich fragte mich, ob ich dafür mit Bußgeld belegt werden könnte. Ich erwartete, dass man mich fragt, wo sonst noch ich solches Papier weggeworfen hätte, dass man verlangte, ich müsste zurückgehen und es aufheben. Was alles nicht geschah. Ich fragte mich das, weil ich sonst, wie gesagt, ein sehr braver und ordentlicher Mensch bin. Ich nehme die Alufolie und die PET-Flaschen mit aus dem Wald und schmeiße nie irgendwelche Verunreinigungen in die Natur. Dafür liegt mir zu viel an ihr.
Wem ist auch schon mal aufgefallen, wie seit ein paar Jahren die Papierkörbe von den Rastplätzen im deutschen Wald verschwinden? Nämlich aus dem Grund, dass die Kommunen somit das Personal einsparen können, das dieselben andernfalls warten müsste. Aber ja, ich mach ja schon Schluss.