Alles was ich mache ist Kunst!

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Hagen

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Alles was ich mache ist Kunst!

Auf 20.000 m2 Ausstellungs- und Aktionsfläche in Wien wurde Im Jahre 1983 die merkwürdigste Schau der Welt präsentiert. Mit 38.000 Beispielen von Freizeitbeschäftigungen und Hobbies, mit einem Multi-Media-Zelt der fünf Sinne sowie einer Werkstätte mit 80 Mitwirkenden aus 23 Ländern.
Ich war dabei, mit meinen Fantasy-Dioramen!
Auf diesen Dioramen waren sogenannte Asverzen, spärlich bekleidete und mit Schwertern oder ähnlichen, mehr oder weniger skurrilen Waffen ausgerüstete Mädels, die sich Sauriern erwehrten, in bizarren Kampfwagen gegen Maacks, furchterregende Männer, kämpften oder bruchgelandeten Raumschiffen entstiegen.
Diese Dioramen zu bauen war damals mein Hobby, und ich schickte Fotos und kleine Geschichten zum Management des Festivals der Fantasy.
Seltsamerweise wurde ich angenommen und reichte ruckartig Urlaub ein, erhielt ein Voucher für einen Kleintransporter, den ich am nächsten Tag von einer Autovermietung abholte. Den folgenden Tag verbrachte ich damit die teilweise sehr filigranen Dioramen sorgsam in dem Transporter zu verlasten und mit Gaffer Tape an die Bordwände des Tranporters zu kleben. Ich fuhr am Tag drauf heiteren Gemütes und voller Optimismus gen Wien.
Die fast tausend Kilometer bis Wien schaffte ich tagsüber, aber bevor ich Wien erreichte war noch der Zoll zu überwinden!
Auf deutscher Seite ging das problemlos. Ich erwähnte, dass ich die Dioramen nach Wien zum Festival der Fantasie bringen wollte. Die Zollbeamten merkten auf: „Ja, ja das Festival der Fantasie! Da haben wir auch schon von gehört! Muss’ ja eine tolle Sache sein!“ Sie waren alle ganz angetan und einer meinte: „Hej Schorschi komm doch mal her und guck dir das an!“ Sie bestaunten alle meine Dioramen und es fiel sogar das Wort ‘Kunst’. Aber dann schlich breites Grinsen über die Gesichter der Zöllner und sie wünschten mir viel Spaß auf der Österreichischen Seite.
‚Kann ja nicht so schlimm sein!‘, dachte ich und hatte recht.
Es war schlimmer!
Als ich beim Österreichischen Zoll erwähnte, dass ich die Dioramen nach Wien zum Festival der Fantasie bringen wollte, wusste keiner der Zollbeamten was das Festival der Fantasie überhaupt ist. Ich erklärte es ihnen. Googeln war damals noch nicht, aber irgendwie machte sich einer eine halbe Stunde lang schlau. Inzwischen guckten sich die Anderen meine Dioramen ausgiebig an und wollten wissen was die wert sind.
Ich zuckte die Achseln und beschäftigte ich damit nach der langen Fahrt müde zu sein.
„Wenn die Dinger eingeführt und verkauft werden sollen, müssen wir aber wissen was die wert sind!“, meinte einer.
„Die Dioramen“, antwortete ich, „sollen doch nur zum Festival der Fantasie, werden dort von vielen Menschen, unter Anderem Friedensreich Hundertwasser, bestaunt und kommen wieder zurück zu mir. Nix wird verkauft!“
„Wir müssen aber trotzdem wissen was die wert sind!“
Irgendwie beschlich mich außer der Müdigkeit das Gefühl, dass wir uns mächtig im Kreise drehten.
„Dann muss der Herr Beschauleiter das entscheiden!; sagte einer der Zöllner.
„Nehmen sie doch mal eben eins der Objekte aus dem Wagen und tragen sie es zu unserem Beschauleiter herein.“
„Geht nicht!“
„Warum nicht?“
„Wie sie sehen“, sprach ich und sah die Zeit davonlaufen, „sind meine Dioramen mit Gaffer Tape an den Bordwänden befestigt. Ich müsse das Gaffer Tape lösen und anschließend neu befestigen. Nur, Gaffer Tape klebt kein zweites mal! Ich müsste neues nehmen, aber das habe ich nicht mit. Unbefestigt kann ich die filigranen Dioramen nicht nach Wien, das ist nämlich noch ein gutes Stück Weg, nicht transportieren!“
Wieder legten sich die Gesichter der Zollbeamten in arge Falten, bis einer auf die Idee kam, den Herrn Beschauleiter mal kurz an den Wagen zu bitten. Das ging glatt durch und der Herr Beschauleiter wurde eingehend informiert was das Festival der Fantasie ist. Sodann entspann sich die Diskussion über das Einführen den Wert der Objekte auf Neue.
„Was ist das überhaupt?“, fragte der Herr Beschauleiter. „Ist das Kunst?“
Ich sah den Herrn Beschauleiter mit irrem Blick, einem Blick, der den noch unentdeckten Schauspieler in mir erweckte, an und sagte langsam und jedes Wort betonend: „Alles was ich mache ist Kunst!“
Worauf der Herr Beschauleiter mich mit ähnlichem, nur nicht ganz so ausgefeiltem Blick ansah und „Hau’ ab! Hau endlich ab!“ murmelte. Dabei vollführte er eine winkende Bewegung.

P, S.: Den Satz „Alles was ich mache ist Kunst!“ habe ich in der Folgezeit und Jahrzehnte später, als ich gemeinsam mit meiner Herzensdame, der Wunderbaren Ulrike, unsere ScheinBAR erbaut hatte, sehr erfolgreich wiederholt zur Anwendung gebracht.
 
Hallo Hagen,

ja, man muss nur alles überzeugend rüberbringen. Und wenn dann auch noch die anderen nicht zugeben wollen, dass sie eigentlich keine Ahnung haben, klappt alles :).

Hübsches Erlebnis, gut geschrieben.

LG SilberneDelfine
 

Hagen

Mitglied
Hallo Silberne Delfine,
Habe vielen Dank für Dein Lob und die vielen Sternchen.
Ja, ja, Sowas passiert mir immer wieder. Der Stern wollte einen Sonderbericht über das Festival der Fantasie, auch über meine Dioramen, bringen. Aber dann kam das Ding mit den Hitler-Tagebüchern und der Bericht flog raus ...
Das Leben ist nicht anders; - wer weiß wofür es gut war?

Nun denn, wir sehen uns an der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib’ schön fröhlich, guter Dinge, sowie ebenso guten Willens, gesund und munter, weiterhin positiv motiviert, moralisch einwandfrei, lüge niemals, erzähl‘ keine dreckigen Witze und sei stets heiteren Gemütes!
Herzlichst
Yours Hagen
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Merke: Da die Wahrscheinlichkeit ebenfalls proportional zu seinem Wert ist, ergibt sich eine exponentielle Steigerung der Wahrscheinlichkeit bei zerbrechlichen und wertvollen Kunstwerken.
 



 
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