Als Bäume noch groß und Schneefälle bedrohlich stark waren…

Als die Bäume groß waren, war auch meine große Schwester tatsächlich größer als ich. An meine Kindheit habe ich sehr warme Erinnerungen. Mit all den Extremen, die Abwechslung in den Alltag brachten.

Früher war bekanntlich alles besser. Die Winter waren kälter und schneereicher. Ich erinnere mich an einen Wintertag, als ob es erst gestern gewesen wäre. Der Schneefall wollte kein Ende nehmen. Der Schulunterricht fiel aus.

Meine Schwester und ich kämpften uns auf Anordnung unserer Mutter durch heftiges Unwetter zu Oma und Opa väterlicherseits durch. Dort wäre es warm. Wir wären unter Aufsicht. Und dort gäbe es auf jeden Fall etwas zu essen. Der Weg dorthin war aber lang, weil die Bäume noch groß, die Wege unendlich weit und Schneefälle bedrohlich stark waren. Wir gingen und gingen. Der Schnee flog uns ins Gesicht. Er war unangenehm kalt und nass. Die Schneeverwehungen wurden immer höher. Wir sanken bis zu den Knien im Schnee ein.

Den Ausdruck „sibirischer Winter“ mag ich nicht, weil ich den sibirischen Winter nicht kenne und nicht vergleichen kann. Ich würde aber in dem Fall ausnahmsweise zu diesem Ausdruck greifen wollen, um die ganze Dramatik des besagten Tages anschaulicher machen zu können.

Im Übrigen waren frostige Wintertage gar nicht schlimm. Dieselbe Strecke ging ich mindestens zwei Mal in der Woche zum Musikunterricht. Auf dem Weg war ein vereister Hügel, der auf rutschfreudige Kinder sehr anziehend wirkte. Die Notenmappe schien mir und anderen musikalisch begabten Kindern sehr geeignet, um darauf den Hügel runter zu gleiten. Die Klamotten musste man bekanntlich schonen.

P.S.
Die große Schwester aß als Kind wenig Grießbrei und wuchs deshalb nicht so groß wie ich. Den Brei mochte ich in der Tat sehr gern. Welche Ursachen es dafür noch gab, weiß ich nicht. Die Begriffe „groß“ und „klein“ verlagerten sich und wechselten die Seiten. Wir sind weitgehend kein Einzelfall in der Geschichte.
 



 
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