Als die Bombe im Flur stand

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Hagen

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Als die Bombe im Flur stand

Man sagt mir nach, dass ich immer noch einen draufzusetzen pflege, wenn irgendwas recht gut angekommen ist. Mag sein, dass dem so ist, aber diesmal kann ich wirklich nichts dafür. Trotzdem stellte ich die Arbeit an meinem potentiellen Weltbestseller noch etwas zurück und mich dieser Herausforderung.
Die Centaury Raumschiff Manufactur, der geneigte Leser erinnert sich vielleicht noch, dümpelte so vor sich hin, der Ursula von der Leyen-Preis stand irgendwo in unserer Schrankwand, und die liebe Lydia entdeckte ihr künstlerisches Talent. Sie meißelte Skulpturen, schweißte Plastiken und schuf unendlich schöne Bildwerke. Schön aus dem Grunde, weil ich ihr für die männlichen Akte öfter Modell stehen, sitzen oder liegen musste; - das in Posen, die in mir heute noch Muskelkater hervorrufen, wenn ich nur dran denke.
Aber das nebenbei, ich tue schließlich fast alles für die schönen Künste, auch wenn mein potentieller Weltbestseller dabei vorläufig auf der Strecke bleibt.
Mit ebensolcher Sorgfalt beschaffte ich ihr auch eine Lokalität für eine Ausstellung. Ich hatte mal eine Lesung in einer ehemaligen Kohlenhandlung, die zum Abbruch freigegeben worden war, absolviert. Diese fand nun ihre Fortführung in der Ausstellung von der lieben Lydias Meisterwerken, weil sich der Abbruch etwas verzögerte. Es bot sich an, diese Räumlichkeiten bis dahin für eine Kunstausstellung zu nutzen, was wir auch umgehend wahrnahmen. Mit dem Datum für den Abriss verbumfiedelte sich der Besitzer allerdings um genau eine Woche, aber das wussten wir nicht, sagten Oberstleutnant Guntram Greulich, dem latent schizophrenen Fliegerleitoffizier, und Falk Bescheid, mieteten einen Transporter und brachten die Kunstwerke in die Kohlenhandlung. Oberstleutnant Guntram Greulich und Falk halfen tragen und wir drapierten die Vollkommenheiten aus der lieben Lydias Händen zu ihrer Zufriedenheit, was nochmal in Arbeit ausartete.
Falk baute einen Joint und Oberstleutnant Guntram Greulich meinte, dass er noch einige Exponate aus seiner Bombensammlung dazustellen könnte, wäre ja noch Platz genug da.
„Wie, Bombensammlung?“, fragte ich.
„Na, ich sammel doch Deutsche Abwurfmunition des Zweiten Weltkrieges“, meinte Oberstleutnant Guntram Greulich mit toternstem Gesicht, „Briefmarken sammelt schließlich jeder. – Habe da gerade ein sehr interessantes Exponat hereinbekommen, eine SC 250 mit Trialenfüllung.“
„Was?“
„Wie, WAS? - Trialene sind Sprengstoffmischungen aus TNT, Hexogen und Aluminiumpulver, das weiß doch jedes Kind.“
„Ich nicht.“
„Kein Wunder, wenn du nicht zu deinem Weltbestseller kommst, bei deiner geringen Allgemeinbildung. – Meine SC 250 ist zudem im Besitz einer Prallscheibe!“
„Wie Prallscheibe?“
„Hier nimm mal einen Zug“, sagte Falk, der seinen Joint inzwischen fertig gebaut hatte, „ist guter Stoff! - Hört sich interessant an, was dieser Fliegerleitoffizier erzählt!“
Obwohl ich seit den 68gern keinen Joint mehr angerührt hatte, nahm ich doch einen Zug, während Oberstleutnant Guntram Greulich gar munter erzählte: „Bei Einsätzen von Bomben aus geringeren Höhen, so aus 40 bis 100 Metern gegen Schiffsziele, erfolgte durch die ogivale Bombenspitze oftmals ein unkontrolliertes Abprallen von der Wasseroberfläche, teilweise sogar vom Blech des Decks, so dass die Bombe sogar über das Schiff hinaussprang und dem werfenden Flugzeug nacheilte, es somit durch die Detonation gefährdete. Durch den Anbau von Prallscheiben an die Bombenspitze der SC 250 wurde zwar das Abprallen von der Wasseroberfläche nicht verhindert, aber die Bomben wurden derart stark abgebremst, dass sie sich über der Wasseroberfläche der Länge nach überschlugen und entweder gegen die Bordwand des angegriffenen Schiffes prallten und dort durch den Aufschlagzünder sofort detonierten oder nach kurzer Flugstrecke von 25 bis 35 Metern neben dem Schiff versanken und dann über die Verzögerungsfunktion des Zünders unter Wasser detonierten. Bei Aufschlägen auf das Deck sollte die Prallscheibe das Abprallen verhindern und die sofortige Detonation auslösen.“
„Sag bloß“, sagte Falk, zeigte sich interessiert und ich bekam nur noch rudimentär etwas von einem Jericho-Gerät mit, sowie irgendwas mit dem Sowjetischen Satelliten METEOR 44M, und dann war da noch irgendwas mit einer Wette.
Es ging darum, dass der Fliegerleitoffizier Oberstleutnant Guntram Greulich die Flugbahn von besagtem METEOR 44M verfolgt und berechnet hatte. Demnach müsste der Satellit übermorgen irgendwo im Heinekens Park niedergehen.
„Glaube ich nicht“, murmelte ich, „bei meinem Glück fällt der, - wie sagten Sie noch gleich, Herr Oberstleutnant?“
„METEOR 44M!“
„Dann fällt der METEOR 44M bestimmt in meines Vaters Garten und ich habe wieder mächtig zu tun, weil mein Vater mich bei jeder Gelegenheit ruft, im ihm zu helfen. Rosen schneiden, Rasen mähen, Kamin sauber machen, Laub harken, Dachrinnen reinigen und so weiter. Er liegt dann im Liegestuhl auf der Terrasse und gibt Anweisungen, widrigenfalls könnte ich mir mein Erbe an den Hut stecken, er hätte kein Problem damit, alles zu versaufen. – Scheiße! So komme ich nie zu meinem potentiellen Weltbestseller, wenn ich den Scheißsatelliten auch noch zum Sperrmüll bringen muss!“
„Wir können ja wetten! Fällt der METEOR 44M in den Garten deines Vaters, kriegst du die SC 250 mit der Trialenfüllung, fällt er in Heinekens Park, kriege ich eines von Lydias Bildern, den ‚Liegenden Akt‘, auf dem du so trefflich dargestellt bist. Das Bild wird Katrin, meiner Verlobten, gut gefallen.“
Diese Wette erfüllte mich zwar nicht mit voller Begeisterung, ich murmelte aber trotzdem „Okay, so machen wir das“, weil die liebe Lydia wiederkam von irgendwas und noch ein paar Änderungen an der Platzierung ihrer Skulpturen wünschte. Da es absolut sinnlos ist, sie von irgendwas anzubringen was sie sich in den Kopf oder sonst wohin gesetzt hatte, krempelten Falk und ich nochmal die Ärmel hoch und platzierten die Skulpturen solange in der Kohlenhandlung herum, bis die liebe Lydia alles abnickte. Wir waren anschließend so erschöpft, dass ich Joint und Wette vergaß.

Während der Vernissage am übernächsten Tag darauf, standen alle mit einem Glas Sekt in der Hand und dem Rücken zur Kunst, die liebe Lydia war hinreißend charmant, die Kritiker überboten sich an Lobpreisungen, aber mein Vater rief an. Ich sollte sofort kommen, irgendwas Komisches läge in seinem Rosenbeet, das wie eine Waschmaschine aussah und sehr heiß wäre.
‚Verdammt, das ist dieser blöde Satellit!‘, dachte ich, ‚da hatte dieser ausgeknallte Fliegerleitoffizier doch ausnahmsweise mal Recht, jedenfalls fast.‘
Ich informierte die liebe Lydia kurz und machte mich auf den Weg. Erschwerend kam hinzu, dass der Fliegerleidoffizier Oberstleutnant Guntram Greulich den Absturz des METEOR 44M gemeinsam mit seiner Verlobten Katrin beobachten wollte und vor Heinekens Park Stellung bezogen hatte.
Ich kam nicht umhin ihn in den Garten meines Vaters zu bitten. Der stand an seinem Rosenbeet und betrachtete den Satelliten METEOR 44M, der drin lag und verhalten vor sich hin qualmte.
„Die schönen Rosen“, fluchte er, „wer ersetzt mir die jetzt?“
„Reg dich nicht auf“, sagte ich. „Ich bestelle Sperrmüll, fahre morgen in den Baumarkt und hol dir neue Rosen, viel Schönere als dieses blöde Kraut da.“
„Was? Blödes Kraut? Das sind Rosa filipes. Sie gedeiht sonst nur in Höhenlagen zwischen 1300 und 2300 Meter in den chinesischen Provinzen Gansu, Shaanxi, Sichuan, Xizang sowie Yunnan. Ein Wunder, dass ich die überhaupt soweit gekriegt habe.“
Ich grübelte angestrengt, weil ich meinen Vater nicht aufregen wollte, wegen seinem Tinnitus, und machte ihn mit dem Fliegerleitoffizier Oberstleutnant Guntram Greulich und seiner Verlobten Katrin bekannt.
„Was du auch immer für komische Leute kennst“, murmelte mein Vater kopfschüttelnd. Oberstleutnant Guntram Greulich knallte die Hacken zusammen und mein Vater verabreichte Katrin einen formvollendeten Handkuss. Das bekam meine Mutter mit, sie kam sogleich eilends hinzu geeilt und Oberstleutnant Guntram Greulich verabreichte ihr wiederum einen Handkuss. Meine Mutter errötete und bat die Herrschaften herein, Cognac trinken und sie wollte Nussecken backen, weil normales Gebäck momentan nicht verfügbar war.
Lief alles ganz gut, nur mein Vater befahl mir, ‚die Sauerei‘ aus dem Rosenbeet sofort zu entfernen, erst dann könnte ich auch dazu stoßen.
Hatte sich was mit stoßen, denn der METEOR 44M war weiterhin zu heiß zum Anfassen und augenscheinlich zu schwer ihn alleine in mein Auto zu wuchten. Und dann war immer noch die Frage, ob der Sperrmüll sowas überhaupt mitnahm, denn auf der Anforderungskarte für diesen war nirgends was anzukreuzen, was in irgendeiner Form mit Satelliten zu tun hatte.
Mein Vater wollte die Hässlichkeit jedenfalls aus seinem Garten weg und seine Rosen ersetzt haben.
„Was sollen die Nachbarn denn denken, wenn hier so ein Monstrum rumliegt? Glücklicherweise sind die Konrad Adenauer-Rosen nicht beschädigt wurden.“
Meine Mutter meinte, ich sollte das mit dem Aufräumen mal eben schnell erledigen, bevor meines Vaters Tinnitus wieder anschwoll, außerdem sähe ich doch, dass sie Gäste hatte und für diese Nussecken à la Guildo Horn backen wollte. Weil keine Aprikosenkonfitüre verfügbar war, wollte sie Kirschkonfitüre verwenden, oder lieber Mirabellenkonfitüre, was ich denn dazu meinte.
Die Gesamtsituation zauberte mir kein Lächeln der Entspannung auf das Antlitz, aber die liebe Lydia rief an, bevor ich meine Meinung abgeben konnte, fragte, wo ich solange bliebe und erzählte mir, dass sie bereits ein Bild verkauft hatte, den ‚Liegenden Akt‘. Eine Kapitänswitwe hatte ihn erworben, weil das Bildnis von mir sie an ihren seligen Gatten erinnerte, einer der letzten Kaphoorniers.
Aber egal, ich fuhr wieder zur Vernissage und wir absolvierten diese bis zum Schluss. Nachdem die Vernissage glatt durchgegangen war, suchten wir meine Eltern auf um den Satelliten, der inzwischen abgekühlt sein dürfte, gemeinsam in meinem Auto zu verlasten.
Das erübrigte sich glücklicherweise, denn zwei Männer mit stark russischem Akzent, die Genossen Karambolenko und Koschedub, meine Mutter stellte sie mir vor, hatten den METEOR 44M bereits auf ein Panjewägelchen geladen, während das Pferd des Panjewägelchens mit dem Namen ‚Cumulus‘, wie ich mitbekam, gar munter im Garten graste. Fand ich gut, denn es ersparte mir das wöchentliche Rasenmähen.
Der Genosse Koschedub war dabei meiner Mutter einen Surimisalat "Mimosa" mit Krabbenfleischstäbchen zu bereiten, den wir dann gemeinsam verzehrten. Was mich wunderte war, dass die Russen überhaupt keinen Wodka tranken und ihre Namen nicht mit ‚witsch‘ endete. Der Surimisalat "Mimosa" war aber trotzdem gut.
Jedenfalls waren wieder alle vergnügt, und meine Mutter bot den Herren Karambolenko und Koschedub, diesen ganz reizenden Russen, ein Nachtlager an. Doch diese bedauerten außerordentlich, da der METEOR 44M Eigentum der Sowjetunion sei, und sie sich beeilen müssten, ihn nach Moskau zu bringen.
Als mein Vater kurz anklingen ließ, dass das Eigentum der Sowjetunion seine Rosen der Gattung ‚Rosa filipes‘ vernichtet hatte, versprach der Genosse Karambolenko ‚Rosen von Weihrauch‘ als Ersatz zu beschaffen, die sogenannte ‚Königin von Russland‘. Um unnötigen diplomatischen Verwicklungen zu entgehen wollte er auch pflanzen helfen. Das ließ meinen Vater aufmerken, da dieser Rugosa-Hybrid mit edelrosenähnlicher, weiß-rosafarbener, gefüllter Blüte und Rugosatypischer, graugrüner Belaubung eine ausgezeichnete Winterhärte, bis -30 Grad, aufweist. Man kann ja nie wissen bei der momentanen Regierung.
Als sich die Genossen Karambolenko und Koschedub, sowie mein Vater und Oberstleutnant Guntram Greulich auch noch über das ‚Unternehmen Barbarossa‘ zu unterhalten begannen, wollten die liebe Lydia und ich das Anwesen verlassen, bevor mein Vater auf den Bolzen kam, mich zum Kaminsaubermachen einzuspannen, da man sich inzwischen auf eine Zigarre und einen Cognac ins Kaminzimmer zurückgezogen hatte, weil Cumulus noch nicht zuende gegrast, aber noch einen weiten Weg vor sich hatte. Zudem brachte meine Mutter auch noch die Nussecken rein, mit Marzipanmasse, Macadamianüssen und mächtig Cognac gebacken.
Wir blieben natürlich noch eine Weile, verzehrten Nussecken und lauschten den Erzählungen vom Unternehmen Barbarossa. Der Genosse Koschedub war der Ansicht, dass während der Kesselschlacht bei Bialystok mehr Artillerie hätte eingesetzt werden müssen, während Oberstleutnant Guntram Greulich den Standpunkt vertrat, dass die von deutschen Truppen erbeuteten Iljuschin Il-2 „Schturmowik“ hätten zu diesem Zeitpunkt unbedingt zum Einsatz gebracht werden müssen. Die „Schturmowiks“ wurden jedoch nur getestet und nicht von der Luftwaffe bedienstet, da die Flugzeuge als für die Piloten für gefährlich eingestuft wurden, weil sie keinen technischen Normen entsprachen.
„Wusstet ihr eigentlich“, bemerkte Oberstleutnant Guntram Greulich und nahm noch eine Nussecke zu sich, „das Finnland bis 1944 bevorzugt sowjetische Beuteflugzeuge erhielt, die Il-2 aber auch nicht verwendete? – Ausgezeichnet, die Nussecke.“
Ich hielt mich da raus und drängte zum Aufbruch, da die Nussecken langsam zur Neige gingen und mein Vater situationsbedingt dazu neigte, mir zu befehlen meiner Mutter zu helfen, Neue zu backen.

Die Situation war zugegebenermaßen etwas abstrus, zumal am nächsten Tag, ich arbeitete endlich mal wieder an meinem potentiellen Weltbestseller, erneut eine Kiste geliefert und auf den Flur gestellt worden war. Ich hielt die Kiste für den Transportbehälter irgendwelcher geheimen Dokumente für die Centaury Raumschiff Manufactur, und überlegte, wie ich sie als Irrläufer deklarieren und zurückschicken könnte.
Nun, ich gab den Trägern ein angemessenes Trinkgeld, sie murmelten, „Danke Cheffe“, und wandte mich wieder meiner Arbeit zu, weil ich ausnutzen wollte, dass die liebe Lydia in die Kohlenhandlung, auf den Wochenmarkt und anschließend zu einem Fräulein Gerda gehen wollte, um Rommé zu spielen.
Doch kaum hatte ich ein paar Sätze geschrieben, ich tue mich mit den Anfangssätzen immer unheimlich schwer, erschien Oberstleutnant Guntram Greulich und wollte wissen, ob die ‘SC 250 mit Trialenfüllung‘ im ‘Transportbehälter 250‘ auch ordnungsgemäß geliefert worden war.
„Was? Hier ist keine SC 250 geliefert worden.“
„Doch! Da steht sie doch auf dem Flur! Augenscheinlich ist alles in Ordnung, du hast ‘ein Stück Abwurfmunition‘ also eine Bombe doch bei einer Wette gewonnen, und ich habe sie geliefert. Ein Mann, ein Wort. Ehrensache.“
„Wie, Wette?“
„Mann, du hast bei unserer Wette in der Kohlenhandlung eine Bombe gewonnen! Erinnerst du dich nicht mehr?“
„Ach du je. Das kommt dabei raus, wenn man bekifft ist. Das erste Mal seit ‘68 fass ich einen Joint an und dann gleich sowas! Kein Wort zu der lieben Lydia, die frikassiert mich, wenn sie mitbekommt, dass ich am Joint genuckelt habe, und dass in unserer Wohnung eine Bombe rumsteht. Sei gut und nimm die Bombe wieder mit, ich schenke sie dir.“
„Geht nicht.“
„Warum nicht?“
„Ich hab’s im Kreuz und meine Leute haben schon Feierabend gemacht. – Man so ein Stück Abwurfmunition wiegt um die 250 Kilo ohne den Transportbehälter! Daraus leitet sich auch die Bezeichnung SC 250 ab.“
„Ist da etwa noch Sprengstoff drin?“
„Natürlich! Wir haben schließlich nicht um einen Dummy gewettet.“
„Ach du Scheiße. Ist die eigentlich scharf?“
„Nein, aber ich kann sie dir mal eben scharf machen. Die beiden Zünder vom Typ 38 sind mit in dem Transportbehälter. Der Elektroaufschlagzünder Typ 38 wurde übrigens für den Einsatz in Low-Level-Bereich eingesetzt. Interessant nicht wahr?“
„Wie, die beiden Zünder?“
„Na, die SC 250 hat Einbaubuchsen für zwei Zünder, seitlich angebracht. Ich zeige es dir mal eben.“
„Um Gotteswillen, mach die Kiste nicht auf! Ich will damit nichts zu tun haben! Elektroaufschlagzünder vom Typ 38, sag mal spinnst du?“
„Ich könnte dir natürlich auch einen Dinort-Stab besorgen, wenn dir der Elektroaufschlagzünder Typ 38 nicht gefällt.“
„Guntram, du machst mich wahnsinnig! Ich habe nichts lieber, als eine ausgeglichene Gemütslage. Die erreiche ich aber nicht, wenn in unsere Wohnung irgendwelche funktionstüchtige Abwurfmunition rumsteht, weil das von der lieben Lydia nicht sonderlich gerne gesehen wird. Da ändern auch die ausgebauten Elektroaufschlagzünder vom Typ 38 oder dieser dämliche Dinortstab nichts.“
„Wieso das denn? Die nach dem Stuka-Piloten Oskar Dinort benannten Stäbe wurden an die Bombenspitze geschraubt. Dinort-Stäbe dienten dazu, dass die Bombe schon beim Auftreffen der Spitze des Dinortstabes durch Auslösung des normalen Bombenzünders ansprach. Dadurch erreichst du einen gewissen Abstandszünder-Effekt, der eine optimale Verteilung der Splitter verspricht.“
„Guntram. Bitte, ich will die Bombe hier nicht haben.“
„Wieso? Ist doch ein sehr schönes Stück, ein funktionstüchtiges Exponat! Du könntest damit einen ganzen Häuserblock wegsprengen.“
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich weder die Splitter optimal verteilen, noch einen Häuserblock wegsprengen will.“
„Natürlich nicht! Aber du könntest! Das ist doch ein starkes Gefühl!“
„Stake Gefühle habe ich lieber mit der lieben Lydia.“
Es gibt da so ein schönes Sprichwort, das besagt: ‚Wenn du vom Esel sprichst, dann kommt er gleich um die Ecke gelaufen‘, oder so ähnlich, jedenfalls kam die liebe Lydia statt um die Ecke die Treppe rauf, und wir absolvierten unser Begrüßungsritual.
„Du“, sagte sie anschließend, „Gerda ist mit ihrem neuen Freund etwas überstürzt nach
Portofino aufgebrochen, Urlaub machen und streifenlos braun werden. – Du musst nur aufpassen, dass er weder verfettet noch zu dünn wird.“
„Warum soll ich denn Aufpassen, dass der neue Freund Fräulein Gerdas weder verfettet noch zu dünn wird?“
„Den Goldfisch meine ich! – Futter musst du ihm allerdings noch beschaffen, habe ich in der Eile vergessen.“
Sie hatte um zu unserer Begrüßungszeremonie die Hände frei zu haben, ein Glas nebst Goldfisch auf den Transportbehälter für die SC 250 gestellt.
„Das ist Agamemnon“, sagte die liebe Lydia, “ich habe ihn in Pflege genommen, während Gerda mit ihrem neuen Freund im Urlaub in ist. Er könnte doch solange in deinem Arbeitszimmer auf dem Tisch stehen.“
„Das geht gar nicht“, sagte ich, „ein Goldfisch bring zu viel Hektik in mein Arbeitszimmer! Aber der Herr Oberstleutnant Greulich hat uns wieder eine Kiste gebracht. Wunderhübsch, nicht wahr? Wir legen erst ein Deckchen drauf und dann den Goldfisch. Ist ja nur für kurze Zeit, dann nimmt der Herr Oberstleutnant Greulich die Kiste bestimmt wieder mit, und wir geben Agamemnon zurück. In meinem Arbeitszimmer will ich jedenfalls keinen Goldfisch haben; - diese hektischen Viecher kann ich in meinem Arbeitszimmer nicht ertragen!“
Das sah die liebe Lydia ein, legte ein handgehäkeltes Deckchen aus lichtblauem Baumwollgarn mit Hohlsaum Umhäckelung auf den Transportbehälter für und mit der SC 250, stellte das Glas mit Agamemnon darin darauf und ging, weil Katrin auch noch kam, in die Küche um Tee zu kochen.
Wir spielten noch ein wenig Scrabble und ich war froh, dass die liebe Lydia nicht nach dem Inhalt der Kiste fragte, denn dann hätte ich lügen müssen, was ich, wie jeder weiß, nicht kann. Deshalb war ich auch hochgradig besorgt, dass der Herr Oberstleutnant ihr voller Begeisterung die Bombe auf dem Flur zeigen würde, die von ihr in unserer Wohnung mit Sicherheit nicht sonderlich gerne gesehen werden würde.
Ein wenig brenzlig wurde es allerdinge, als ich ‚MUNITION‘ legte, und der Oberstleutnant Guntram Greulich dieses Wort mit ‚ABWURFMUNITION‘ komplettierte. Die liebe Lydia kannte das überhaupt nicht und wollte wissen, was sowas ist. Sie beherrscht mehr Chrysanthemen und ähnliches Gestrüpp, auf das ich wiederum nicht gekommen, geschweige denn zu legen in der Lage gewesen wäre. Glücklicherweise legte Katrin das Wort ‘BOUGASTA‘, einer Spezialität aus der Stadt Thessaloniki. Das Bougasta ist ein äußerst delikates Blätterteigdessert, wie wir nach umfangreicher Recherche herausfanden.
Nun, unsere Gäste gingen auch in Bälde, weil Katrin mal wieder Bougasta backen wollte, und wir ins Bett.

Eigentlich passierte dann weiterhin nichts, außer dass ich für Agamemnon in die Zoohandlung fuhr, Futter kaufen und mich bei der Gelegenheit gleich ein wenig über die artgerechte Haltung Agamemnons informieren wollte.
„Goldfische gelten zwar als Pflanzenfresser und sind Friedfische“, klärte mich der Aquarienbedarfsfachhändler auf, „fressen aber auch kleinere Fische, Schnecken und ihren Laich oder Nachwuchs, sofern er im Aquarium verbleibt. Ihnen schmeckt fast alles und sie haben gerne Abwechslung auf dem Speisezettel. Goldfische sind verfressen und werden Sie immer anbetteln, sobald Sie in die Nähe des Aquariums kommen. Sie können ihm gerne drei bis fünf kleine Mahlzeiten am Tag gönnen, die von ihrem Agamemnon in zwei bis drei Minuten vollständig aufgefressen sein sollten. Achten Sie bitte auf den Futterzustand Ihres Fisches – er sollte nicht zu schlank sein aber auch keinesfalls verfetten.“
Diese ebenso neue wie zeitintensive Herausforderung musste ich annehmen. Um kleinere Fische, Schnecken und ihren Laich oder Nachwuchs zu züchten erwarb ich auch ein zweites Aquarium mit kleinen Fischen und Schnecken nebst allerhand Grünzeugs, damit Agamemnon sich bei uns auch wohl fühlen sollte, welches ich neben das Glas mit Agamemnon stellte.
Ich kam wieder nicht so recht zu meinem potentiellen Weltbestseller, da ich Agamemnon fünf Mal am Tag mit gekochtem Gemüse, überbrüten Salaten oder frischem Obst fütterte. Brokkoli und Erbsen bereicherten den Speisezettel Agamemnons ebenfalls, wurden von ihm aber nicht sonderlich gerne gegessen, dafür aber der Nachwuchs Annegrets, einer besonders schönen Spitzschlammschnecke.
Ich machte zudem die Erfahrung, dass Armleuchteralgen und Froschbiss von Agamemnon gerne genommen wurde, er verschmähte allerdings das gemeine aber kostenintensive Nixenkraut.
Als ich wieder mal Agamemnons Wasser gewechselt und auf die von ihm bevorzugte Temperatur von 22,5 Grad gebracht hatte, rief die liebe Lydia ganz aufgeregt aus der Kohlenhandlung an und erzählte mir, das gerade eine Abrissbirne an dieselbe donnerte.
Ich rief Oberstleutnant Guntram Greulich sowie Falk an, einen Transporter besorgen, um der lieben Lydias Skulpturen, Plastiken und Bilder zu retten, und eilte zu der Kohlenhandlung.
Dort saßen der Besitzer derselben und Paul von der Ramme, wie die liebe Lydia, die da auch saß und sich damit beschäftigte schön zu sein, mir den Abbruchunternehmer vorstellte, bei einem Tässchen Tee rum. Allen war alles sichtbar peinlich, weil sich der Besitzer der Kohlenhandlung um eine Woche mit dem Abriss verbumfiedelt hatte, Paul von der Ramme, weil er anschließend noch einen Spitzbunker niederzurammen gedachte, und der lieben Lydia weil sie die Einladungen zur feierlichen Finissage ihrer Ausstellung bereits rausgeschickt hatte.
Paul von der Ramme erzählte, dass er ein Grundstück billig erworben hatte; - allerdings mit der Auflage, dass der Spitzbunker darauf verschwinden müsse.
Irgendwie konnte keiner dem anderen böse sein und als Falk und der Oberstleutnant Guntram Greulich nebst Kleintransporter eintrafen und erst mal ein Tässchen Tee zu sich nahmen, waren alle relativ entspannt und Paul von der Ramme half sogar mit, der lieben Lydias Skulpturen, Plastiken und Bilder in den Kleintransporter zu verbringen. Er wollte sogar eine Skulptur kaufen, wenn die Sache mit dem Spitzbunker durch wäre und Falk baute einen Joint.
Dann lief irgendwas, was ich nicht mitbekam, weil ich mit der lieben Lydia wieder nach Hause eilte, Agamemnon füttern. Die war der Ansicht, dass ich die Sache mit dem blöden Goldfisch etwas übertreiben würde, zumal ich den Versuch unternommen hatte, Agamemnon mit Safran gewürztem Kaviar zu füttern.
Dieses Experiment verlief allerdings nicht so ganz zu meiner Zufriedenheit und ich stellte Überlegungen an, den verbliebenen Safran für ein von der lieben Lydia hochgeschätztes Safran-Estragon-Hühnergericht zu verwenden. Es musste dazu nur noch ein Huhn beschafft werden, was ich mir als nächstes zu tun vornahm, denn nach einem stressigen Tag ist dank solcher Speisen der Entspannung kein Riegel mehr vorgesetzt.
Ich kam nicht zuende mit der Planung für die Zubereitung des Safran-Estragon-Hühnergerichtes weil Oberstleutnant Guntram Greulich, Falk und seltsamerweise auch der Abbruchunternehmer Paul von der Ramme mit dem Transporter eintrafen. Wir brachten die Skulpturen, Plastiken und Bilder in unsere Garage und dann gemeinsam den Transportbehälter 250 mit der SC 250 mit Prallscheibe nebst Zündern vom Typ 38 darin in den Transporter, und dann kam auch noch Fräulein Gerda, erzählte von ihrem Urlaub, summte dauernd das Lied Love in Portofino, welches 1958 ein Hit war und von Fred Buscaglione komponiert und von Leo Chiosso geschrieben wurde, wie sie uns erzählte, und wollte ihren Agamemnon wiederhaben.
Weil Fräulein Gerda behauptete, das sei nicht ihr Agamemnon, denn ihrer war nicht so überfettet, wie der den sie bei uns in Pflege gegeben hatte. Sicher wäre ihr Agamemnon wegen mangelnder Pflege bei uns gestorben und wir würden nun versuchen, ihr einen ordinären, dicken Goldfisch unterzujubeln. Überhaupt könnten Künstler keine Goldfische ordentlich pflegen, summte wieder Love in Portofino und erzählte von der romanischen Chiesa di San Giorgio aus dem 12. Jahrhundert: „Sie wurde nach ihrer kompletten Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1950 rekonstruiert. In der Kirche werden die Reliquien von Sankt Georg aufbewahrt“.
Ich konnte nichts anderes tun, als mit den Herren die Flucht zu ergreifen, während die liebe Lydia Tee kochte und sich zu einem klärenden Gespräch sowie etlichen Urlaubserinnerungen mit Fräulein Gerda zurückzog.
Wir fuhren aber nicht zu Oberstleutnant Guntram Greulich, der die SC 250 wieder in seine Sammlung Deutscher Abwurfmunition zu integrieren gedachte, sondern zu einer etwas verwahrlost erscheinenden Liegenschaft, auf dem ein Spitzbunker wie ein drohendes Menetekel in den Himmel ragte.
„Den sprengen wir jetzt mit der SC 250“, sagte Oberstleutnant Guntram Greulich mit leuchtendem Gesicht, „ist zwar schade um das schöne Exponat, aber da werdet ihr mal sehen, was die Deutsche Abwurfmunition zu leisten vermag!“
Paul war begeistert, Falk begann einen Joint zu drehen und ich hielt mich da raus, denn ich war froh darüber, dass die Bombe aus unserem Flur verschwunden war ohne dass die liebe Lydia etwas von deren Existenz mitbekommen hatte, und plante gedanklich weiterhin den Einkauf eines Huhns für das Safran-Estragon-Hühnergericht.
Aber war es mit einem einfachen Huhn getan?
Da liegen nämlich in der Tiefkühltheke im Supermarkt Hühner der mannigfaltigen Art: Brathähnchen, Deutsche Hähnchen, Poularden, Suppenhühner, ergänzt durch das Angebot frischer Ware, als da wären: Maishähnchen, Biohähnchen sowie Bauernhofhähnchen, irgendwas war da noch mit Stubenhähnchen und Kapaunen. Im Feinkostgeschäft kommen noch Bresse-Poularden dazu, die von der lieben Lydia außerordentlich geschätzt und von ihr an besonderen Feiertagen gerne zu Besse-Poularden im Lorbeer-Speck-Mantel mit Balsamico-Linsen zubereitet wurde. Ich konnte da zwar nicht mithalten, wollte ihr aber mal mit meinem Safran-Estragon-Hühnergericht zeigen, dass ich auch als Koch meinen Mann stehen konnte.
Egal, Paul von der Ramme fuhr den Kleintransporter an den Spitzbunker, wir luden die Bombe aus und befreiten sie von dem Transportbehälter. Sodann band Paul mehrere Abschleppseile zusammen und führte das so entstandene lange Seil durch das oberste Lüftungsloch in dem Spitzbunker, während Oberstleutnant Guntram Greulich das Ende des Seils am Leitwerk der SC 250 befestigte. Wir starteten den Transporter und zogen die Bombe in etwa Brusthöhe Oberstleutnant Guntram Greulichs, der sofort begann, die Zünder einzubauen und sorgsam einzustellen. Den dazugehörigen Vorträgen entging ich, indem ich, gemeinsam mit Falk, der wieder begann einen Joint zu bauen, eine geeignete Deckung aufsuchte und die liebe Lydia wegen eines Huhns anrief.
Das Huhn interessierte sie nicht, schließlich hatte sie eine Menge Überzeugungsarbeit geleistet, was den blöden Goldfisch betraf. Sie konnte Gerda nur mit Mühe überzeugen, dass es sich tatsächlich um Agamemnon handelte, und was ich mir dabei gedacht hätte, das arme Tier derart zu überfüttern. Und sie wollte wissen, wo ich denn steckte.
Ich sagte ihr die Adresse und die liebe Lydia schrie schrill auf: „Was suchst du denn in dieser obskuren Gegend? Das steht doch ein Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, da sind doch sicher Ratten drin! Ich will nicht, dass du mit so einem Viehzeug in Berührung kommst! Komm sofort nach Hause!“
„Das geht nicht, wir müssen den Bunker erst sprengen, aber dann komme ich gleich nach Hause, wenn das erledigt ist. – Was soll ich denn für ein Huhn mitbringen?“
Die liebe Lydia legte, was sonst nicht ihre Art ist, einfach auf und ich mich in meinem Deckungsloch bequem hin. Falk hatte seinen Joint zuende gebaut und zündete ihn an.
In diesem Moment rumste es gewaltig aus der Richtung des Spitzbunkers und Falk meinte: „Mann, war das aber ein Flash von dem Joint! Mein lieber Mann! Ich glaube, ich sollte die Kifferei in Zukunft lassen, oder was meinst du?“
„In der Tat, besser ist das. Als ich das letzte Mal am Joint gezogen hatte, ist auch Fürchterliches passiert. An der Beseitigung der dabei entstandenen Kollateralschäden arbeite ich immer noch, denn nichts endet wie geplant!“
„Stimmt“, sagte Falk und warf seinen Joint weg.
Wir wollten aber mal nach den anderen beiden Herren sehen und ich gegebenenfalls Erste Hilfe leisten.
Oberstleutnant Guntram Greulich und Abbruchunternehmer Paul von der Ramme hatten die Detonation der SC 250 aber unbeschadet überstanden, sie waren in dem Transporter geblieben, und gerade dabei auszusteigen. Ich verteilte Zigaretten weil vor lauter Qualm und Verräuchern nichts von den Rudimenten des Spitzbunkers zu sehen war. Wir erwarteten mit Spannung das Sichverziehen des Rauches. Das dauerte eine Weile, wir rauchten und dann hub Oberstleutnant Guntram Greulich zu fluchen und die liebe Lydia kam an.
„Was macht ihr hier?“, fragte sie drakonisch.
„Denken“, antwortete ich, „wie du siehst haben wir soeben den blöden Spitzbunker weggesprengt, nur ist es uns nicht so ganz geglückt. Nun denken wir darüber nach, wie es weiter gehen soll.“
„Leider“, murmelte Oberstleutnant Guntram Greulich, „wir hätten eine SC 500 verwenden sollen, aber derartige Abwurfmunition befindet sich leider nicht in meinem Besitz.“
In der Tat sah der Bunker etwas aufgebläht aus, als hätte es sich die Explosion mitten in ihrem Vorgehen überlegt und sich etwas zurückgenommen. Der Spitzbunker war in etwa doppelt so bereit, aber nur noch halb so hoch, zudem ragte ein rostiges Gestell aus Eisenstangen an einigen Stellen aus den Rudimenten des Bunkers.
„Das war wohl nix“, sagte Paul von der Ramme, „naja, gegen gute deutsche Wertarbeit ist eben kein Kraut gewachsen.“
„Die Bombe war auch gute deutsche Wertarbeit“, entgegnete Oberstleutnant Guntram Greulich, „sowas kommt dann dabei heraus, wenn zweimal gute deutsche Wertarbeit aufeinander prallt.“
„Den Bunker in diesem Zustand nicht mit einer weiteren Bombe komplett niederzumachen“, sagte Falk, „ist ein ebenso hoffnungsloses Unterfangen, wie Jogi Löw einen Lacher zu entlocken.“
Wir guckten alle recht bedrabbelt drein, aber dann kam der lieben Lydia wieder mal eine ihrer ebenso glorreichen wie brillanten Ideen: „Du hast doch eine Abrissbirne“, sprach sie, „da könntest du doch stressgeplagten Managern die Möglichkeit geben, die Birne an die Relikte das Bunkers donnern zu lassen. Das befreit ungemein; - die Männer werden sich nach dem Niedermachen des Bunkers aufgebaut fühlen!“
Für eine Weile herrschte betretenes Schweigen, aber dann meinte Paul von der Ramme:
„Eine gute Idee! Ich werde Seminare veranstalten. Mit einem meiner Radlader könnten die Manager mir auch gleich das Gelände planieren und mit meinen Baggern könnten sie auch richtig baggern! Platz genug für ein Baggerloch habe ich ja auch.“
„Oh fein“, rief Oberstleutnant Guntram Greulich, „hast du auch einen Raupenbagger mit einer vollhydraulischen Schnellwechseleinrichtung und GPS-Steuerung? Sowas wollte ich schon als kleiner Junge schon mal fahren!“
„Natürlich!“, brummte Paul, „‘habe gerade einen Komatsu CD60R Tracked Dumper angeschafft.“
„Hast du vielleicht einen Job für mich?“, fragte Falk, „ich habe bereits Erfahrung auf Seilbaggern mit Schürfkübelausrüstung!“
„Aber natürlich! Wenn die Idee greift, werde ich sowieso Personal benötigen. Vorausgesetzt, du kiffst nicht mehr!“
„Das habe ich sowieso vorhin aufgegeben.“
Das Gespräch ging noch eine Weile so weiter, ich vernahm gerade noch Pauls Äußerung, „Schürfkübelmaschinen lösen das Erdreich während des Fahrens mit einem sogenannten Schürfkübel als Grabwerkzeug. Dieser ist in der Mitte der Maschine angeordnet und nimmt das gelöste Erdreich nach dem schneiden auf. Der gefüllte Schürfkübel wird dann vom Boden gelöst und zum Transport des Erdreichs verwendet. An der Abgabestelle wird das Erdreich während des Fahrens durch Kippen des Kübels verteilt. Schürfkübelmaschinen gliedern sich in Schürfzüge und Schürfraupen!“, als die liebe Lydia mich fortzog.
„Ja, ja, das Kind im Manne! – Wir haben jetzt aber Wichtigeres zu tun! Du wolltest ein Huhn besorgen?“
„Ja, ich möchte uns gerne ein Safran-Estragon-Hühnergericht zubereiten.“
„Dazu genügt ein einfaches Grillhähnchen! Du musst nur das Grillhähnchen häuten, das Fleisch von den Knochen lösen und in mundgerechte Stücke zupfen. Etwas Hühnerbrühe mit gemahlenem Safran und getrocknetem Estragon aufkochen...“
Die liebe Lydia gab mir das komplette Rezept für das Safran-Estragon-Hühnergericht, schaute bei der Zubereitung ab und zu mal herein und lobte mich sogar dermaßen, dass ich Kochen als eins meiner neuen Hobbys auserkor. Morgigen Tages werde ich mich mal mit Currywust versuchen, mal sehen, ob ich die auch hinkriege, dann dürfte meiner Karriere als Koch nichts mehr im Wege stehen.
Bei der Betrachtung Annegrets, der geneigte Leser erinnert sich noch der besonders schönen Spitzschlammschnecke, die nebst Aquarium mitzunehmen sich Fräulein Gerda beharrlich geweigert hatte, nur die kleinen Fische wollte sie zu Agamemnons Gesellschaft mit ins Glas tun, und deren Aquarium nun auf meinem Schreibtisch steht, beim Abweiden des Nixenkrautes, kam der Gedanke, die Armleuchteralgen und den Froschbiss in irgendeiner Form kulinarisch zu verwenden.
Da Annegret bei dieser Tätigkeit nicht halb so viel Hektik verbreitete, wie Agamemnon zu jeder Minute, formten sich bereits die ersten Gedanken, speziell den Froschbiss alternativ zum Brokkoli zu verwenden, aber vorher habe ich noch ein FAX der Britisch Spacecraft zu beantworten.
Die Britisch Spacecraft hatte nämlich bereits von unseren neuen Aktivitäten gehört und fragte an, ob ein Hochlöffel-Seilbagger zur Verfügung stand. In diesem Fall würde sie ihr gesamtes Management gerne auf ein Sonderseminar bei uns anmelden.
Da ich reinweg nichts von Hochlöffel-Seilbaggern verstehe, werde ich das Fax an den Abbruchunternehmer Paul von der Ramme weiterleiten, und Annegret weiterhin beim Abweiden des Nixenkrautes zuschauen.
Das beruhigt derart, dass die Welt wohl noch ein Weilchen auf meinen potentiellen Weltbestseller warten muss, was von der lieben Lydia mit Sorge gesehen wird.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Die gelungene Fortsetzung eines Weltbestsellers über einen Weltbestseller, der nicht so recht in die Pötte kommt,da Agamemnon im Glas, eine Abwurfbombe im Flur, eine skeptische Gattin und der ganz normale Wahnsinn des Rentnerdaseins, deine Kreativität negativ beeinflussen.

Nimm dir ein Beispiel an Paul von der Ramme! Er denkt nie darüber nach, ob und wie er seine Gedanken literarisch aufarbeiten kann, sondern Tatsachen schafft, indem er platt macht, was platt geht. Das lob ich mir.

Die Ruinen des Spitzbunkers würde ich den gestressten Managern mal als Spielwiese anbieten. Thema: Die Landung in der Normandie. Oberstleutnant Greulich spielt einen morphiumsüchtigen Fliegergeneral, du den Safran-Estragon-Hühnerklein-Nachschuboffizier, Lydia übernimmt die Feldküche und das Lazarett, Paul setzt sich, als „Der schwarze Heinrich“ an das Paintball – MG, und Falk sorgt während der Attacke für die Benebelung des Schlachtfeldes. Nach der Einnahme darf er als Reparationsleistung allen dann seine selbstgedrehten Nebelkerzen zum Rauchen anbieten. Die Eroberung ist erfolgreich abgeschlossen, wenn die Invasionstruppen Anegret und Agamemnon erbeutet haben, das Erlebnisseminar bezahlt ist, die Empfehlungen an andere Konzerne getwittert und die gemachten Selfies auf Facebook bei der NSA gespeichert sind. Es wird nicht lange dauern, bis auch Angie und Ursula auf der Ehrentribüne sitzen und euch leidenschaftlich anfeuern (Der Besuch von Mutti im Bunker ist quasi schon abgemachte Sache).

Jetzt mach aber erst mal an deinem Weltbestseller weiter! Kreativitätssteigernd ist vor dem Schreiben übrigens immer eine Bastelstunde. Lass dir von Guntram eine neue Kiste mit ordentlich Wumm bringen und entdecke, wie beruhigend es sein kann, mal Dinge zwanglos zusammenzufügen, die zusammengehören. Danach kannst du ja, frei nach Emil, das kleine Besseli und das Schäufeli nehmen und alles sauber aufkehren. Nach dieser Erfahrung schreibt es sich dann auch ganz von allein.

Ein weiterer Versuch: Wenn ihr zur Verstärkung zusätzlich noch eine U-Boot Attrappe mit glänzendem Fell braucht: Ich kann Schwimmen, Tauchen, heftig mit dem Schwanz rudern und die anlandenden Seminarteilnehmer schon auf der Elbe vernichtend beißen. Als ehemaliger Mittenwalder Gebirgsjäger bin ich zudem winterfest, vermag mit Steigeisen, Seilen, Skiern und Maultieren umzugehen und bin somit auch ein Garant für die erfolgreiche Verteidigung der Bremer Hochgebirgsregionen.

Grüße vom Ironbiber
 

Hagen

Mitglied
Hallo mein Eisenbiber,

danke für die Beschäftigung mit meinem Text sowie die gute Benotung.

Aber ich komme mit einer Bitte zu Dir, geschätzter Eisenbiber:
Da die liebe Lydia mir aufgrund dieser Geschichte mangelnde Phantasie vorwirft, weil ich diese Geschichte so aufgeschrieben habe, wie sie sich abgespielt hat, ohne irgendetwas phantasievoll auszuschmücken, Du aber bei Deinen Vorschlägen ein gerüttelt Maß an Phantasie aufzubringen in der Lage bist, möchte ich, schon im Hinblick auf meinen potentiellen Weltbestseller, gerne bei Dir ein Praktikum absolvieren.
Möglicherweise kann ich das als Koch kompensieren, mich sozusagen voll einbringen, da ich schon in der Lage bin, heißes Wasser selbständig! zuzubereiten. Bei der Zubereitung komplizierter Gerichte, Spiegelei, Pfannkuchen oder gar Kutteln könntest Du mir sicherlich auch noch was beibringen.

Fräulein Gerda hat sich übrigens zwischenzeitlich mit Paul von der Ramme verbandelt. Sie wollen gemeinsam den Spitzbunker restaurieren um ihn hübsch mit sogenannter Kriechspindel zu bewachsen. Die liebe Lydia äußerte allerdings Bedenken, denn mitunter - z. B. wohl bei Wassermangel - kommt es zu gelbroter Herbstfärbung mit anschließendem Laubabwurf, was sehr unschön wäre, und verwies auf Immergrüne Kriechmispel Lat.: Cotoneaster dammeri "Skogholm", bedingt auch "Coral Beauty" genannt. (Cotoneaster ist für die Fassadenbegrünung wertvoll, da sie herab hängende, immergrüne Schleppen bildet, manchmal sogar mit Fruchtschmuck.)

Da die liebe Lydia zudem begonnen hat, unser Haus mit einem hochkünstlerischen Sgraffito zu verschönen, und es mir überlässt, den abgekratzten Putz wegzuräumen, bleibt leider auch keine Zeit, Deinen Tipp mit der Bastelstunde wahrzunehmen, geschweige denn an meinem potenziellen Weltbestseller weiterzuarbeiten.

In diesem Sinne!

Viele Grüße
Yours Hagen

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Stimme niemals ein Klavier in nassem Zustand!
 

molly

Mitglied
Die Bombe

Hallo Hagen,
kleiner Tipp von mir: kauf Dir Ohropax, damit Du nicht ständig beim Schreiben gestört wirst, denn ich freue mich auf den weltbesten Weltbestseller.
Wenn Du schon Wasser einwandfrei kochen kannst, werden Dir die Spiegeleier gelingen, vorausgesetzt, du bist bereit, sie auch als Rühreier anzurichten.

Herzliche Grüße, auch an die liebe Lydia.

Ich habe die Geschichte genossen,

molly
 

Hagen

Mitglied
Hallo liebe Molly,

danke für die Beschäftigung mit meinem exorbitanten Text sowie die gute Benotung.
Die liebe Lydia lässt schön zurückgrüßen und fragt an, ob Du eventuell geneigt wärst, die Rudimente meines potentiellen Weltbestellers zu lesen und gegebenenfalls zu beurteilen, weil sie diesen für Spielkram hält, und ich sollte doch lieber bei der Herstellung eines Sgraffito helfen. Außerdem solltest Du Dir mal ‚Als die Kiste im Flur stand‘ antun.

Deinen Rat mit dem Ohropax kann ich leider nicht beherzigen, da ich etwas erbauliche Musik (Chuck Berry, Jerry Lee Lewis, dem frühen Elvis Presley, Johnny Cash, Duane Eddy, Buddy Holly, Matchbox und Eddie Cochran) bei der Arbeit an meinem potentiellen Weltbestseller benötige.

Bei der Zubereitung eines Rühreis bin ich ebenfalls auf Probleme gestoßen, da mir das Kochbuch hierbei leider angebrannt ist.

Aber ansonsten bleiben die liebe Lydia und ich aber weiterhin positiv motiviert und werden demnächst Urlaub machen, um uns von dem Stress der Vergangenheit zu erholen.

In diesem Sinne!

Viele Grüße
Yours Hagen

_______________
Egal was schief geht,
tue so als wäre es Absicht!
 

molly

Mitglied
Hallo Hagen,

leider kann ich den Wunsch Deiner lieben Lydia nicht erfüllen, da ich im Moment selber an einem weltbesten Seller schreibe, Lyrik mit dem Thema Holper und Stolper.
Aber Du kennst doch das Sprichwort von der einen Hand, die die andere wäscht. Wenn Du ihr nun vorschlägst, wieder einmal Modell zu stehen, selbst in muskelkaterfördernder Pose, vielleicht schaut sie dann Deine Spielereien an.

Hagen, es tut mir sehr leid, dass Dein Kochbuch angebrannt ist. Ich hätte erwähnen müssen, dass sich Bücher zum Spiegeleierbraten nicht eignen und mindestens 5 Meter vom Herd entfern liegen sollen.

Deine Kistengeschichte werde ich im August lesen, eine bombastische pro Monat reicht.

Nun wünsche ich Dir und Deiner lieben Lydia erholsame Ferien, in denen Euch keinerlei Kisten geschenkt oder in den Flur gestellt werden.

Herzliche Grüße, auch an die liebe Lydia

molly
 

Hagen

Mitglied
Hallo liebe Monika,

danke für den heißen Tipp mit den 5 Metern Abstand, aber da unsere Küche nur 3,60 Meter misst, tut sich da ein Problem auf.
Ich habe dem Maurer schon Bescheid gesagt, dass er uns ein Loch in die Wand stemmen möge, aber die liebe Lydia will das nicht, obwohl wir, so meine Überlegung, das Loch später als Durchreiche zum Wohnzimmer verwenden könnten. Da ich grundsätzlich alles tue, was meine liebe Lydia von mir werlangt, geht das leider nicht.

Eine weitere Möglichkeit wäre, das Küchenfenster offen zu lassen, aber das wollen unsere Eichhörnchen, Gottfried, Fitzgerald und Schewardnadse nicht.
Unser Dompfaff Domian will das erst mal mit seiner Gattin Ludmilla besprechen, weil dann die Futterschale etwas verrückt werden müsste, aber Frederick, unser Amsel ist das egal, und Fredericke seiner Gattin, ebenfalls. Er erwartet nur, dass ich ihm und seiner Gattin die Regenwürmer, die er mühsam aus dem Rasen zu ziehen genötigt ist, nicht auf einer gesonderten Schale servieren kann.

Das Problem habe ich erst mal bis nach dem Urlaub, den wir auf Paddinggartener Altendeich verbringen, und über den ich auch auf der LL berichten werde, verschoben.

Die liebe Lydia lässt übrigens schön zurückgrüßen und erkundigt sich nach den Fortschritten Deines weltbesten Sellers. Weiterhin möchte sie gerne wissen, ob Dir das Sprichwort von einem Hund, der den Anderen wäscht bekannt ist.
Möglicherweise gibt es Impressionen für Deine Kindergeschichten, die mir absolut nicht gelingen wollen.

Aber jetzt muss ich mich um Hannelore, meine beseelte Gartenpumpe, kümmern, sie meint auch noch ein Wörtchen mitreden zu müssen, was das Öffnen des Fensters von der Küche zum Garten betrifft.

In diesem Sinne!

Viele Grüße und küss die Hand, gnädige Frau!
Yours Hagen

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Egal was schief geht,
tue so als wäre es Absicht!
 



 
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