Hallo Alessa,
natürlich liegt mir dein wunderbares Gedicht schon seit längerer Zeit als Span im Auge. Bisher bin ich einem Kommentar jedoch aus dem Weg gegangen, weil der sich bei dir stets so zeit- und hirnintensiv gestalten muss.
Schon im Titel arbeitest du mit einem Symbol.
Der (lunare) Frosch steht für Fruchtbarkeit, Produktivität und Erotik. [Im Unterschied zur Trockenheit des Todes aufgrund seiner feuchten Haut auch für die
Erneuerung des Lebens selbst.]
Der nicht in Augen sieht,
wie ein schwarzer Hai
im Rosentau steckt.
Aus meiner Sicht könnte es sich hier also um das Sterben einer Liebe / bzw. um das allmähliche Versiegen kreativer Kräfte handeln. Fische gelten als chthonisch - insbesondere natürlich ein schwarzer Hai.
Auf dem leeren Teller
liegen noch immer
Salz und Finger in Dreiecke.
Die Nächte sind gespalten
zu essen.
Das Dreieck gilt mit nach oben gerichteter Spitze als männlich; zeigt die Spitze nach unten als lunar und weiblich (in dieser Form natürlich auch ein Symbol des weiblichen Primärgeschlechtsmerkmales). Du sprichst von Dreiecke
n (Plural).
In einer anderen Lesart, unter Einbeziehung des Salzes (Beständigkeit Treue, Erkenntnis), setzt sich die Aussage der ersten Textgruppe fort: Leer geworden ist, was einmal war.
Mütter und Mönche schweigen
vor Wein und Knochen.
Sie brechen Lippen und lachen,
aber da glotzen die Frösche
längst nicht mehr hin.
Im näheren Umfeld (bei einer Selbstschau?) bleibt die Veränderung nicht unbemerkt, wird jedoch eher hämisch zur Kenntnis genommen. Im übertragenen Sinn: Erfahrung und Erkenntnis verfehlen ihre Ziele.
Der sie auf seine Schultern legt,
gekreuzt ins Gefolge
mit widersachender Spur
bis ins Kinderreich führt.
Nehmen wir hier das Kreuz als kosmisches Symbol (Weltzentrum, Ort der Kommunikation zwischen Himmel und Erde), kann es sich beim "Der" um die Schicksalsmacht oder um den übermächtigen Gefährten handeln, um Versuch und sein Scheitern, um Anfang und Ende. Und Neuanfang.
Der Kreis schließt sich also (siehe Titel).
Form und Inhalt schmiegen sich auch diesmal in- und aneinander.
Für mich ein perfektes Gedicht - obwohl ich mit Sicherheit nicht alles "verstanden" habe.
Hier geht es jedoch weniger um ein Verstehen, sondern um die Annäherung an ein Geheimins - das, was für mich gute Lyrik ausmacht.
Liebe Grüße
orlando