als ich nach Deutschland kam

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Arcos

Mitglied
Zuhause herrschte Bürgerkrieg
der Tod klopfte an viele Türen
ungebeten trat er herein
und nahm sich
was nicht seins war

meine Eltern schickten uns Tickets
und ließen uns in den Flieger setzen
mit einem Schild um den Hals
da wir noch klein waren

ich wollte nichts essen

ich freute mich nicht
als wir abhoben
weinte unzählige Tränen
die Liebe der Großeltern
war jetzt unendlich weit weg
diese Wärme

wieviel Trauer kann
ein kleiner Junge schon ertragen

die Gefühle waren größer als ich

in der Schule konnten sie nicht
meinen Namen aussprechen
ich lernte eine fremde Sprache
und sie lernte mich kennen

in einem Land
in dem ich ein Fremder war

manchmal
da fühlte ich mich
wie ein Tier im Zoo
beäugt von vielen Leuten
war es nur Neugier
oder richtiger Hass

oh
wie ich den Schnee liebte
ich legte mich hinein
ein Stück Freiheit
auch wenn es so kalt war
bis heute sehe ich kleine Funken
dieser unbeschreiblichen Freude

ein letztes Aufflammen
des erlöschenden Feuers
wenn sich eine Windböe
hierher verirrt

die Schneeflocken
waren auch heimatlos
vom Himmel ausgestoßen
fielen sie ins Unbekannte
wo sie nur kurze Zeit überlebten

ja
wir waren echte Freunde



(nach wahren Begebenheiten)
 
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Mitglied
oh
wie ich den Schnee liebte
ich legte mich hinein
ein Stück Freiheit
auch wenn es so kalt war
bis heute sehe ich kleine Funken
dieser unbeschreiblichen Freude
Wie schön, dass es den tröstlichen Schnee gab, lieber Önder!

Man sagt als Erwachsener so gerne - und unbedacht - , dass Kinder sich doch ach so leicht und schnell in neuen Umgebungen einleben, weil sie noch so anpassungsfähig sind. Ich halte das in erster Linie für das Wunschdenken der Erwachsenen, die das sagen. Klar - man hofft, dass es schnell und leicht geht (und manchmal tut es das auch tatsächlich), aber ab einem gewissen Alter sind Kinder schon geprägt und vieles bleibt immer ein wenig "fremd". Und dann sind da die anderen Kinder, die "Produkte" ihrer Elternhäuser, die sich mit dem Fremden auch nicht immer leicht tun (um es mal nett zu formulieren...die Kinder selbst können ja nichts dafür, wenn man's genau nimmt).

Ach...jetzt komm ich doch glatt noch ins Plappern. Mich berührt das Thema - nicht nur, weil es gut geschrieben ist (wie immer), sondern weil ich in meiner Berufszeit als Pädagogin natürlich das eine oder andere mitbekommen habe. Und weil mein Herz immer für die Außenseiter schlägt. Heimat zu finden - das ist so viel mehr als in besseren Lebensumständen aufzuwachsen.

Und meine Großmutter vermisse ich noch heute.

Sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße,
Claudia
 
G

Gelöschtes Mitglied 26800

Gast
Lieber Arcos
Bin tief berührt und gerührt. Kein Kind sollte seine Heimat verlassen müssen, weil Krieg herrscht. Überhaupt niemand sollte um sein Leben fürchten und flüchten müssen. Wann hören wir Menschen endlich auf uns gegenseitig zu zerstören.
Danke für Dein Gedicht.
Liebe Grüsse
Galadriel
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Arcos

Mitglied
Herzlichen Dank liebe Claudia und liebe Galadriel!

Vielleicht
werden manche Wunden niemals heilen…
…oder sie sind so zahlreich, dass ein Leben dafür nicht ausreichen würde….
… und manche Erinnerung werden ihre scharfen Klingen behalten…

Doch ich bin so dankbar…
…für die Schulkameraden, die mich so akzeptierten wie ich war und immer noch bin…
…dankbar für so viele Dinge, die ich nicht aufzählen kann…

…und mit der Sprache habe ich mich angefreundet…
…heute spiele ich mit ihr…
…und sie mit mir.

Liebe Grüße
Önder
 



 
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