Lieber Herbert, aber ich war früher solch ein Erbsenzähler - einer von den Schlimmsten!
In dem Forum, in dem ich anfing, wurden nicht die kleinsten metrischen Schlenker geduldet und kein unreiner Reim. Solche Gedichte wurden z.B. für einen Wettbewerb gar nicht zugelassen: Für mich eine harte Schule. Doch es ist gut, metrisch richtig schreiben zu können. Es gibt viele "Bauchdichter", die sich nie mit der Metrik beschäftigt haben, einfach so schreiben, wie es sich für sie gut anhört. Dazu gehöre ich nicht. Ich liebe die Metrik. Und findest du eine metrische Unregelmäßigkeit, die von mir übersehen wurde, dann verbessere ich. Doch inzwischen passiert das nur noch selten - das Ohr schult sich mit der Zeit.
Wenn ich die Sonette von echten Könnern lese wie Goethe, Uhland, Rückert oder Rilke oder auch ganz moderne Sonette von Autoren aus dem 21. Jahrhundert, dann lese ich Schönes. Selbst wenn der Reim mal unrein ist, die Hebungen variieren, die Wörter einer Zeile nur ein- oder zweisilbig sind oder das Metrum nicht streng eingehalten wird. Konnten diese Leute nicht anders schreiben? Doch. Warum haben sie es dann nicht getan?
Kritisieren wir heute Goethe, Uhland, Rilke oder Rückert? Was wäre, wenn sie als Unbekannte hier schreiben würden?
Ach, da würden wir wohl einiges zu kritisieren finden!
Und dann höre ich: Du willst dich doch wohl nicht mit Goethe oder Uhland, Rilke oder Rückert vergleichen? Nein, will ich nicht. Wie käme ich wohl dazu! Aber ich will sie mir zum Vorbild nehmen. Wenn nicht sie, wen dann?
Was will ich damit sagen? Es ist gut und richtig, die Metrik zu beherrschen. Aber nicht sie allein sollte über ein Gedicht richten.
Ich nehme mir persönlich die Freiheit heraus, aus der Metrik zu fallen, wenn es mir angebracht scheint - und das Gedicht dennoch als Sonett zu bezeichnen. Ich weiß, dass nicht jeder meine Ansicht teilt. Wer Probleme mit meinen kleinen gewollten Ausbrüchen hat, der hat sie eben - ich nicht. Nicht mehr.
Danke für deine Offenheit und Bewertung.
lg,
kalei