am Anfang war

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Tula

Mitglied
am Anfang war

das Feuer das bestimmende Element
unserer Sprache, ein Knistern und Knacken
in jeder Silbe, jede zweite züngelte bereits
als Schwur in die schwüle Nacht und flackerte
verlangend in den Augen wider

in stetiger Verwandlung, aus Glut zu Atem,
schürend und kühlend zugleich, aus dem brodelnden
Elixier in unseren Adern zum Strom, der durch die
Jahre mäandert, aus fruchtbarer Erde hin zum
Sediment der Routinen, offenbart sie uns heute

die Platon/ische Leere

an stetig dürrere Landschaft gewöhnt, behauptet nun
ein jeder seine Erhebungen und verdrängt die Gefahren
semantischer Verwerfungen

aber

warum graben wir nicht hin und wieder nach Wasser,
beschwören den Sturm oder gar Vulcanus? und
wenn sie schon nicht auferstehen will in
lodernden Flammen, dann vielleicht
noch als boreales Leuchten
um uns flirrend
um uns
endlich wieder zu verzehren
Wort für Wort
 

Scal

Mitglied
Was sag ich, da ich es beschaut?

Stocherst fragend und gedankenvoll in der Glut mit einem Stock und siehe da: wie's glimmt !
Stockmeister, Künstler des Stöberns!
Beschwören be-geistert!

Liebe Grüße
Scal
 

sufnus

Mitglied
Hi Tula!
Eine Vier-Elemente-Lehre der Sprache, beinahe einen Hauch von Kulturpessimismus enthaltend. Höre ich hier Kritik an einer Verarmung der Sprache heraus? Ein Bedauern angesichts der immer länger werdenden Liste verbotener Wörter, deren Fehlen nicht hinreichend durch neue, schöne, frische Wörter kompensiert wird? Am Ende bleibt das Bild der vetrockneten Sprachlandschaft, in der Anhöhen in schöner Doppeldeutigkeit nur noch "behauptet" werden.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Autor dieser wunderbaren Zeilen optimistischer ist, als das lyrische Ich, welches dem verloren gegangenen schöpferisch-heraklitischen Streit der Elemente nachtrauert.
Übrigens bräuchte es für mich persönlich hier den Platon im Allgemeinen und den /isch-Nachklapp im Besonderen nicht sooo unbedingt. Aber wirklich stören tut michs auch nicht. Sehr sehr schöne Zeilen! :)
LG!
S.
 
Hi Tula,

Eine sehr gelungene Zeitreise auf die ich mich gerne bergab, wenngleich ich immer noch glaube, dass das erste Wort vermutlich leider kein erhabener Schwur, sondern schlicht "meins!" Gewesen ist ;-)

Die beiden letzten Zeilen sind großartig!

Mes compliments

Dio
 

Tula

Mitglied
Lieber Scal, sufnus und Dio
Ihr werdet mir verzeihen, wenn ich euch gemeinsam antworte, aber das erleichtert in der Tat meine Erklärungen zum Text. Ich freue mich, dass euch dieser gefällt und zur Interpretation inspiriert hat, auch über meine eigentliche Absicht hinaus.
Es geht, na klar, um die Entwicklung der Sprache, dem 'Vetrocknen der Landschaft' wie von sufnus poetisiert.

Die Frage hier ist das 'wir'. Als beabsichtigter Knackpunkt sollte die platonische Leere wirken, aber gerade damit und/oder dem Spiel der Elemente habe ich den Leser wohl etwas verwirrt. Genau genommen ging es mir um die Sprache der Liebe, innerhalb der Beziehung, dem Verlust der Lust, der sich auch im Gebrauch der Sprache selbst niederschlägt, als Sediment der täglichen Routine über Jahre hinweg usw.

Die weitergreifende Interpretation hat sicher auch seine Berechtigung, obgleich sich Sprache ja immer und unausweichlich im Wandel befindet. Aber als Nicht-Germanist wäre mir dieser Ansatz zu anmaßend ;)

Bleibt die Erinnerung an eine Zeit als jedes Wort und jeder Hauch der Geliebten in Herz und Seele dauerhaft nachglühten ... :)

Dankend lieben Gruß
Tula
 

Scal

Mitglied
"verlangend in den Augen wider"
Ja, durch deine Erläuterung schlüpft dein Text in einen anderen Kontextreichtum.

Ursprünglich dachte ich bei "aus dem brodelnden Elexier in unseren Adern zum Strom, der durch die Jahre mäandert" an @Tissop, bei dessen Texten derlei (für mein Empfinden) erspürbar werden kann (ohne Anspruch auf "Vollkommenheit").
 

Max Neumann

Mitglied
Geiler, guter, gelungener Wurf...

Nichts hinzuzufügen, bloß zu zitieren:

"am Anfang war

das Feuer das bestimmende Element
unserer Sprache, ein Knistern und Knacken
in jeder Silbe"

ist als Anfang deines Gedichts mitreißend, auf stille Weise. Wörter zum Anfassen, ich fühle sie.

Viele Grüße
Max
 

Ito Hotaru

Mitglied
ist mir etwas zu schwülstig, die Feinheiten aussparend, stürmt es mir zuviel dahin. Aber sicherlich gibt es Schlechteres.
 

revilo

Mitglied
Guten morgen.......mit diesem text kann ich mich leider - entgegen aller positiven meinungen, die dir von herzen gegönnt seien - nicht anfreunden.......er ist mir zu sehr auf ergebnis geschrieben und transportiert nach meinem empfinden auf teufel komm raus eine botschaft, wobei für mich zweitranging ist, welchen inhalt sie hat.......´weiterhin habe ich mit der einordnung als lyrik gerüttelt probleme, weil der text zu selbsterklärend und eher prosa ist....er wäre vermutlich am besten bei tagebuch aufgehoben......ich habe den eindrúck, dass dir bei den formulierungen ein wenig die pferde durchgegangen sind und du einen klopper nach dem anderen raushauen wolltest....anstatt der leere dachte ich daher eher an den turmbau zu babel, was der atemlosigkeit und der fülle geschuldet ist.....

ich schätze deine gedichte ansonsten sehr, aber dieses ist - gemessen an der qualität deiner sonstigen werke - weniger gelungen..........LG und nichtbösesein.......
 

Tula

Mitglied
Hallo Ito
Der sprachliche Stil muss und kann natürlich nicht jedem zusagen. Mehr dazu in ein paar Minuten im nächsten Kommentar.
LG
Tula
 

Tula

Mitglied
Hallo revilo
Keine Sorge, ich bin dir nicht böse und hoffentlich noch kritikfähig. Was nicht ausschließt, dass ich ein paar Punkten der Kritik irgendwie nicht folgen will, in anderen durchaus. In der Essenz deines Kommentars vielleicht drei Schwerpunkte:
1)
zu sehr auf Botschaft getrimmt
Ja, das mag man so empfinden und ist vielleicht der inhaltlichen Absicht selbst geschuldet. Vor Botschaften und Vorhersehbarkeit sollte sich der Dichter hüten, da stimme ich gern zu. Meine Sorge hier galt in dieser Hinsicht eher dem zweiten Teil, auch weil der sich zugegeben etwas in Richtung Kitsch bewegt.
2)
Tagebuch-Prosa
Das Konzept lyrischer Tagebucheinträge ist bekannt, d.h. griffen schon andere auf, hätte ich kein Problem damit.
Den Prosa-Vorwurf kann ich allerdings nicht nachvollziehen, widerspricht auch irgendwo der Kritik sprachlicher Übertreibung. Selbst die sich ergänzenden Interpretationen der Leser deuten auf anderes.
3) die Klopper ...
Kann ich nachvollziehen, wie auch von Ito angedeutet, die sprachlich-stilistische Saite schwingt bei jedem anders. Wobei ich hoffte, mich vom Syndrom 'bombastischer Metaphern' längst befreit zu haben ... Aber ist es wirklich so arg? Der Versuch war der, vom Feuer des Anfangs (wohlbemerkt, ich dachte in erster Linie an Liebesbeziehungen und bei denen fängt es hoffentlich 'stürmisch heiß' an ...) über die bekannten Elemente von Wasser, Luft und Erde hin zur Erkaltung zu gelangen (die sprachlichen Sedimente des täglichen Einerleis).
Wie gesagt, beim zweiten Teil haderte ich etwas mit mir selbst, entspricht dennoch der Grundidee. Also warum nicht Vulcanus beschwören? Könnte man doch auch mit einem Schuß Ironie lesen ...

LG
Tula
 

revilo

Mitglied
Moin Tula, ich schreibe meine Anmerkungen aus dem Bauch heraus…. Mit Kloppern meinte ich nicht Metaphern, sondern die Fülle der Gedanken…. Schön, dass du mir meine Kritik nicht übel nimmst …LG
 



 
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