Hallo Lester,
es ist - wie schon gesagt - nicht leicht, etwas dazu zu sagen (Aber wer hat denn gesagt, daß es leicht sein muß. Leicht kann jeder...)
Ich will es dennoch versuchen.
Soll ich mit der Interpretation beginnen...? Na gut... ich bin nicht der Meinung - zumindest lese ich den Text so nicht - daß die Frau erblindet. Vielmehr tun dies ihre Fenster... ,-) im Ernst: Diese erste Strophe evoziert das Bild einer Frau, die im Begriff ist, die Vorhänge zu schließen, den Tag zu beschließen. Draußen wird es dunkler, möglicherweise regnet es. Sie steht - wie jeden Tag - am Fenster, denn das Vorhangschließen ist ein alltägliches Ritual. (Eine alte Frau?) Und sie nimmt noch einen kurzen Blick auf sich selbst. Wie immer Tag für Tag, Jahr für Jahr seit ihr Mann starb. Nimmt diesen kurzen Moment der Reflexion um zu sehen, wie sie älter wird. Wie die Welt um ihre Augen verschwimmt, weniger präzise, undifferenzierter, älter wird. (Deswegen halte ich dieses "um" auch für legitim.)
Zu zweiten Strophe: Hier ist es nicht so leicht, zwischen Interpretation und Analyse zu trennen, denn beides liegt eng beieinander -weswegen ich mit der Kritik beginnen will:
"Und" ist so ein schwieriges Wörtchen. Vermaledeites dies! Am Beginn eines Satzes wünschte ich mir geradezu etwas Zwingendes, es zu rechtfertigen... Am Beginn dieses ganz besonders. Ich verstehe, daß sie nichts von dem wahrnimmt, das jenseits des Fensters ist, aber das ist nebensächlich, und, daß sie nichts wahrnimmt, stimmt ja nicht... immerhin sieht sie sich...
Wie wäre es mit:
So hat, was in ihr Hoffen war
der Tag in einen Schlaf gehüllt,
wenn ihre Augen sich im Fenster sehn,
als wären sie die ganze Welt.
Hybrisch, wie ich nun mal bin, geht mir dies leichter, nicht zu sehr gegen die Zunge. (Liest du deine Texte gelegentlich laut, vor dir selbst? Reine Neugier Ich finde, das hilft.
Zur Dritten: Der Weg. Eine Metapher so unergründlich wie ein See und immer dann benutzt, wenn man Unergründliches nicht sagen kann, oder will. Jetzt frage ich mich, ob es nicht ein sinnfälligeres Bild gibt, daß sich einsetzen ließe... Möglicherweise gibt des Spiegel etwas her... da ist alles drin... von Schneewittchen bis Alice hinter den Spiegeln. Jedenfalls genug Metaphern-Material für: um-so-richtig-um-die-Ecke-zum-denken...
Alles in allem hat mich der Text zum Nachdenken angeregt. (Nicht über die Welt und unsere Vergänglichkeit, aber immerhin...) Aber ich finde, du solltest da noch mal ran, das Metrum bearbeiten und die Nebensätze haben in der Lyrik ohnehin nichts verloren. Jedenfalls nicht, wenn man Lyrik als Nebensatz-Poesie begreift... was sich dann von selbst versteht... aber dies nur als Nebensatz...
Gruß flo