Am Fenstergitter

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sufnus

Mitglied
Hey Wortliebe,
dieses Gedicht gefällt mir sehr gut!
Durch seine Kürze lässt es dem Leser viel Freiraum! Das bedeutet nicht, dass ich längere Gedicht grundsätzlich schlecht(er) finde - aber in gewisser Weise finde ich tatsächlich, dass es technisch schwieriger ist, ein langes Gedicht zu schreiben, dass den Leser nicht quasi unter sich begräbt. Vermutlich ist das der Grund, warum Haikus (und ihre Verwandten) so beliebte Gedichtformen sind. Der Schreibneigungswinkel der schiefen Ebene, über die ein durchschnittliches Gedicht in die Gefilde des misslungenen Gedichts abrutschen kann, ist bei kurzen Gedichten entschieden flacher.
Nun ist dieses Gedicht aber eh kein durchschnittles Werk sondern, wie ich finde, äußerst erfreulich und leselaunehebend. :)

Kleinigkeiten:
Ich persönlich hätte den Schneckenseim noch nicht per Honig-Attribuierung positiv gewertet, sondern aus Gründen der Spannungsökonomie neutral bezeichnet (eine gute Idee war es aber keinen Schleim sondern eben Seim zu schreiben - da Schleim schwerlich etwas Positives ist und damit bereits eine negative oder paradoxe Wertung einherginge).
Außerdem würde ich den inversen Genitiv der letzten Zeile vermeiden, der für mich einen etwas altertümelnden Klang einführt, den man da (m. E.) nicht unbedingt "braucht".

Vorschlag daher:

Am Fenstergitter
schöpfte einst ein Fünkchen Licht
den Seim der Schnecke.

Es schleckte diesen auf und trägt
seitdem die Hoffnungsschleppe.

(alternativ: "… und trägt / jetzt eine Hoffnungsschleppe." wenn der Rhythmus noch etwas weicher sein soll - was er m. E. aber nicht sein muss. :) ).

LG!

S.
 

Wortliebe123

Mitglied
Hallo sufnus,
freue mich sehr über deine Anmerkungen und Vorschläge. Aber ich werde trotzdem bei genau der Textgestaltung bleiben, wie sie eben ist.

Versuche doch einmal, dieses Gedicht laut zu lesen und dabei auf den Sprachklang zu achten.

Vielleicht wird dir dabei auffallen: schöpfte - Schnecke - schleckte - Schleppe (Nicht, das du dazu eurythmische Bewegungen ausführen müsstest! ;))

Ich liebe es einfach, einen gewissen musikalisch-rhythmischen Schwung in solche kleinen Texte zu bringen. Und wenn ich dazu das eine oder andere Wort bewusst etwas "verbiegen" muss: Wenn es dem Text dient, habe ich nur wenig Hemmungen und würde lieber ein neues Wort erfinden, als meinem Gedicht eventuell "intellektuell Richtigeres" als "Kuckuckskind" sozusagen unterzuschieben.

LG, Susanne
 



 
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