am morgen

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Arcos

Mitglied
traumlose nacht
befreie mich
aus den klauen der bettdecke

regentropfen
nadelstiche am gesicht
doch mein weg ist kurz

der geruch vom frischen brot
vertreibt die reste des schlafs

zwei kürbiskernbrötchen bitte

das lächeln der bäckerin
verkauft mir noch einen cappuccino

später ergänzt der brotaufstrich
den kaffeegeschmack zu einer
leisen morgenmelodie
 
Zuletzt bearbeitet:

revilo

Verboten
traumlose nacht
ich befreie mich
aus den klauen der bettdecke

regentropfen setzen gezielte
nadelstiche an meinem gesicht
doch der weg ist nicht lang

der geruch vom frischen brot
vertreibt die reste des schlafs

zwei kürbiskernbrötchen bitte

das lächeln der bäckerin
verkauft mir noch einen cappuccino

später ergänzt der brotaufstrich
den kaffeegeschmack zu einer
leisen morgenmelodie
Das Gedicht hat gute Ansätze; die von mir markierten Stellen finde ich zu fett. Herzliche Grüße von Oliver
 

sufnus

Mitglied
Hey Arcos!
Ich hab schon öfter bei mehreren Texten diverser Lupianer*innen geschrieben, dass ich grundsätzlich Versuche in eher puristischer und "ereignisarmer" Lyrik mag, schlicht geschriebene Gedichte über den ganz normalen Alltag, bei denen kein "unerhörtes Ereignis" geschildert wird. Mein Paradebeispiel für einen gelungenen Angang in dieser Richtung ist "This is just to say" von W. C. Williams, ein ikonisches Werk dieser Stilrichtung, das langsam auf seinen 100. Geburtstag zumarschiert und doch immer noch total modern klingt (von Enzensberger stammt die klassische Übersetzung ins Deutsche).
Wie dem auch sei... also jedenfalls bin ich solcher Lyrik gegenüber durchaus aufgeschlossen, (und jetzt kommt mein freundlich gemeintes: ) aber.... wie Oliver schon geschrieben hat, stört hier etwas die rhetorische Extraschnörkelei und außerdem (und das halte ich für bedenklicher) fehlt mir bei dem Text das, was man in der Filmtheorie einen McGuffin (vgl. Wikipedia) nennen würde, irgend etwas, das einen Anknüpfungspunkt für das Interesse der Leser bietet und den Text in gewisser Weise "trägt".
Insofern mag ich also den poetologischen Grundansatz, aber nicht so sehr das hieraus resultierende Produkt.
LG!
S.
 

Arcos

Mitglied
Herzlichen Dank sufnus für deinen Kommentar und die Sterne.

Das Werk ist (meiner Ansicht nach) durchaus nicht ganz weit von der Realität entfernt.
Man wacht (mehr oder weniger) neutral auf.
Die Tropfen fühlen sich auf der (noch) warmen Haut wie tatsächliche Nadelstiche an.
Man ist nicht ganz erwacht. Der Geruch vom frisch gebackenem Brot dringt langsam ins Zentrum des Bewusstseins. Der Geruch wird im Stammhirn verarbeitet (also ziemlich zentral und der älteste Teil des Gehirns). Deswegen diese massive Wirkung.
Nach der notwendigen Bestellung (zwei Brötchen) ist man froh, dass es dem Körper bald besser gehen wird. Man wird weich und empfänglicher für Verführungen und das Lächeln der Menschen. Läßt sich berieseln, kauft mehr als notwendig.
Später verursachen die Geschmackskombinationen (wieder zentral im Hirn) weitere Stimmulatione im Hirn, in völlig anderen Bereichen….angenehme Erinnerung…alles schon erlebt.
Das wollte ich etwas herausarbeiten…

LG
Arcos
 

wirena

Mitglied
Hallo Oliver - ich kann "die klauen der bettdecke" gut nachempfinden, nachvollziehen - irgendwie hält einem etwas unter der Bettdecke, eben die Klauen zurück - das Aufstehen, sich davon befreien ist ein Kampf - ja und die "leise morgenmelodie" hör ich ebenfalls - einfach schön, dies zu lesen, dieser Abschluss -

LG V
 

sufnus

Mitglied
Hey Arcos!
Vielen Dank für die Erläuterung! Mir ist jetzt etwas klarer (glaube ich), was Du bedichten wolltest, es geht Dir, wenn ich das richtig verstanden habe um einen Prozess, um dieses langsame in den Tag finden aus der Verschlafenheit über die primär sinnlichen Erfahrungen von Regentropfen oder Bäckereidüften bis zur sozialen Interaktion und dann weiter zur Reflexion. Die Tatsache, dass Du das so "prozedural" angelegt hast, erklärt jetzt für mich, warum Dein Gedicht keine so rechte "Mitte" hat (das, was ich mit McGuffin angedeutet hab). Trotzdem hautes für mich noch nicht sorecht hin, eril die Erzählstimme des Gedichts von Anfang an "voll da" ist. Das Aufsteigen sus einem Verschlafenheitsnebel in die reale Welt müsste sich irgendwie auch sprachlich mehr abbilden, finde ich... aber ich bin da jetztzugegebenermaßen sehr kritisch... ;)
LG!
S.
 

Arcos

Mitglied
Alles gut sufnus. Du darfst sehr kritisch sein.
Jede Rückmeldung ist sehr wertvoll für mich.

Genau, das Motiv ist das langsame Erwachen aller Sinne und Erinnerungen. Und das Zusammenspiel all dieser Elemente.

Herzlichen Dank Oliver @revilo auch für deine Rückmeldung. Schade, dass ich deinen Geschmack nicht treffen konnte.

Herzlichen Dank @wirena auch für deine Rückmeldung. Freut mich sehr, dass ich dich mit meinem Werk erreichen konnte.

LG
Arcos
 

Johnson

Mitglied
Sehr lebensnah…deshalb gefällt es mir……….ich muss dabei keinen unverständlichen politischen oder philosophischen Diskurs anfangen, der nur dazu dienst mich als überlegendes intellektuelles Individuum in den Vordergrund zu stellen.
 

sufnus

Mitglied
.ich muss dabei keinen unverständlichen politischen oder philosophischen Diskurs anfangen, der nur dazu dienst mich als überlegendes intellektuelles Individuum in den Vordergrund zu stellen.
Hi J.
Ich beziehe die Stänkerei gegen renommiersüchtige Zeitgenossen jetzt einfach mal auf mich, weil m. E. sonst in diesem Thread niemand gemeint sein könnte (und es mir nicht naheliegend erscheint, warum Du Gift absondern solltest, ohne jemanden Bestimmten im Sinn zu haben).
Also, mir will es so scheinen, als ob Arcos ganz gerne auch über kritische Anmerkungen nachdenkt, um dann - zu Glück - zu einem ganz eigenen Urteil zu gelangen. Da Du das aber für Dich offenbar anders siehst, will ich Dich gerne in Zukunft mit Anmerkungen verschonen. :)
S.
 

anbas

Mitglied
Moin Arcos,

ich bin bei diesem Gedicht von Anfang an mitten drin dabei. Mir gefällt es gut. Meine persönliche Formulierung, wenn ich leicht neben mir stehend auf der Arbeit erscheine, ist "Der Weg aus dem Bett war heute lang ..." Aber auch die "Klauen der Bettdecke" sind durchaus zutreffend.

Trotzdem hautes für mich noch nicht sorecht hin, eril die Erzählstimme des Gedichts von Anfang an "voll da" ist. Das Aufsteigen sus einem Verschlafenheitsnebel in die reale Welt müsste sich irgendwie auch sprachlich mehr abbilden,
Diese Anmerkung von sufnus finde ich sehr überlegenswert. Vielleicht lässt sich der "Effekt" dadurch erzeugen, wenn der Anfang des Gedichtes noch "wortkarger" fast schon fragmentarisch daherkommt. Es reichen schon ein paar Streichungen und Änderungen. Ab "der Geruch vom frischen Brot" kann das Gedicht Fahrt aufnehmen. Hier mein Vorschlag:

traumlose nacht
ich befreie mich
aus den klauen der bettdecke

regentropfen setzen gezielte
nadelstiche an meinem im/am gesicht
doch der mein weg ist nicht lang kurz

der geruch vom frischen brot
vertreibt die reste des schlafs

zwei kürbiskernbrötchen bitte

das lächeln der bäckerin
verkauft mir noch einen cappuccino

später ergänzt der brotaufstrich
den kaffeegeschmack zu einer
leisen morgenmelodie
Liebe Grüße

Andreas
 

Arcos

Mitglied
Hallo Andreas,

vielen Dank für das Kommentieren.
Das leuchtet ein. Am Morgen ist man nur begrenzt aufnahmefähig.
Nur Gedankenfetzen und Wahrnehmung von äußeren Reizen.
Bis schließlich längere Sätze möglich sind.

LG
A
 



 
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