Am Scheideweg

Hera Klit

Mitglied
Am Scheideweg

Mutter klingt schon wieder besser.
Nachts um drei assistierte ich ihr am Telefon beim Suchen ihres Wohnungsschlüssels.
Draußen hatte etwas gerumst, sie wollte nur nachschauen.
Der Schlüssel fand sich letztlich in ihrem Bademantel, den sie trug.
Ich muss heute nicht hin, sie weiß noch, wo der Schlüssel gerade ist.
Gott sei Dank!
My Home is my Castle.
Sie sagt aber, sie könne nicht mehr lange alleine bleiben.
Die Wohnung oben stehe doch leer.
Ich sei doch erst 52 und ich bräuchte nun auch wieder endlich eine Frau.
62. Korrigiere ich.
Das ist nun wirklich kein Alter.
Margot, die Bekannte ihrer Schwester, sei doch auch alleine.
Ich stehe doch nicht mehr auf Frauen, aber das sage ich nicht.
Trotzdem hätte ich es auf der Geburtstagsfeier meiner Enkelin
gestern praktischer gefunden, eine dabei zu haben.
Ein Mann allein muss sich so zusammenreißen.
Nichts Falsches sagen, keine der jungen Mütter zu lange anschauen.
Ein langer Blick verrät Begehrlichkeiten.
Alte Männer gelten ohnehin als schmutzig, egal wie oft sie duschen.
Jedenfalls, wenn sie keine Frauen haben.
Partnerinnen machen einen Mann erst salonfähig.
Steht mir ein Moshammerende bevor
oder wird aus mir ein Sedlmayr?
Ein unordentlicher Lebenswandel ist schrankenlos.
Unendliche Möglichkeiten wider den guten Geschmack zu verstoßen.
Alles kann passieren, nur nichts Gutes.
Je länger dieser Zustand anhält, desto mehr
Leute werden sich aufgefordert fühlen, Ordnung zu schaffen.
Besser als Schwuler geoutet, denn als Perverser verfolgt.
H.P. Kerkeling hatte sich auch geoutet und die Einschaltquoten gingen kaum zurück.
Wenn ich nicht bald komme, müsse das Haus verkauft werden und sie ginge ins Heim.
Was das bedeute, wisse ich ja.
Das Joch der Pflichten verlangt nach meinem Hals und
dafür muss er blitzblank sein.
 



 
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