amelanchier

4,50 Stern(e) 4 Bewertungen

rogathe

Mitglied
amelanchier

du zarte debütantin im weißen spitzenkleid
das grün zu deinen füßen kaum berührend
verneigst du dich vor jungen melodien
in linden lüften tiriliert und wiegst dich duftig leicht
als hätten sich die alten winterflocken
zu ehren deines frühlingsballs verwandelt

kokette kapriziöse diva du
kaum wagen schwere tropfen dich zu beugen
entziehst du unsern blicken deine schönheit
verweilst beleidigt unscheinbar im bunt
bis deine früchte reifen
und sanft genießerisches gurren dich versöhnt

zum abschied
zeigst du dich uns gnädig und verwöhnst uns
mit kupfer gold und purpurglanz der sonne
dann schwinden deine schatten
es wird still
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
wunderschön, Rogathe, sehr zart - ich bin noch ganz am Anfang, assoziiere die letzten allzuspäten aprilscherzenden Winterversuche, deren Schnee kaum liegen bleibt.

Deshalb nur zwei Kleinigkeiten zur Metrik:
Alle Verse beginnen unbetont, iambisch, außer der zweiten und der letzten Zeile der letzten Strophe: Zwar gleiten diese beiden Verse glatt durch, wenn sie mit ihren Vorgängerzeilen zusammengelesen werden - wahrscheinlich ist an diesen beiden Stellen nachträglich getrennt worden, was ursprünglich ein langzeiliger Vers war - aber nun stolpert der Leser, da die ersten Wörter einsilbig (also metrisch in sich unbestimmt) sind, beim ersten Lesen in falsche Iamben
zeigst [blue]du[/blue] dich [blue]uns[/blue] gnäd[red]ig[/red] und [red]ver[/red]wöhnst [red]uns[/red]
und muß wieder neu vorn an der Zeile ansetzen, trochäisch anfangsbetont:
[blue]zeigst [/blue]du [blue]dich [/blue]uns [blue]gnä[/blue]dig [blue]und [/blue]ver[blue]wöhnst[/blue] uns
 

rogathe

Mitglied
amelanchier

du zarte debütantin im weißen spitzenkleid
das grün zu deinen füßen kaum berührend
verneigst du dich vor jungen melodien
in linden lüften tiriliert und wiegst dich duftig leicht
als hätten sich die alten winterflocken
zu ehren deines frühlingsballs verwandelt

kokette kapriziöse diva du
kaum wagen schwere tropfen dich zu beugen
entziehst du deine schönheit unsern blicken
verweilst beleidigt unscheinbar im bunt
bis deine früchte reifen
und sanft genießerisches gurren dich versöhnt

zum abschied zeigst du dich uns gnädig
mit kupfer gold und purpurglanz der sonne
beglückst du uns
dann schwinden deine schatten
es wird still
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi rogathe

mach mich mal schlau: Was ist denn amelanchier? Muss irgendwas mit Frühling zu tun haben, aber warum verständlich, wenn es auch anders geht.

Aber es ist kein Text in vers libre, deshalb finde ich es überflüssig und weit hergeholt, wenn Mondnein einheitliche Verszeilen mit Auftakt fordert. Nein, es ist ein Text in freien Rhythmen, und das heißt, frei, also ungeordnet gesetzten Rhythmen, beim vers libre müsstest du durchgehend Jamben schreiben, was aber hier nicht der Fall ist. Das ist schon in Ordnung, wenn du mal jambisch und mal trochäisch beginnende Verszeilen schreibst.

Das Gleichsetzen des Frühlingsblühens mit einer Person weiblichen Geschlechts ist schon etwas ungewohnt, eher denkt man da ja an einen Jüngling, und stell ich mir die tirilierende Debütantin vor, wird es komisch. Sowieso finde ich den Vergleich des Frühlings mit einer Diva auf der Bühne etwas abwegig, um es mal so zu sagen. So etwas wirkt nur in Alltagssprache und im komischen Genre und verliert dann auch den leichten Kitschgeruch, der deinem Gedicht anhaftet.

Zum Beispiel tritt deine Debütantin in weißem Spitzenkleid auf, da musst du nicht noch eins draufgeben und sagen, dass sie eine "zarte" Debütantin ist. Das weiße Spitzenkleid ist ja schon ein Bild der Zartheit. "Duftig leicht" ist auch doppeltgemoppelt. Sowieso, versuch mal, von den Adverbien wegzukommen. Und was heißt "Früchte reifen"? Das gehört nun mal untrennbar zum Herbst. So könnte ich das ganze Gedicht durchgehen und würde viel Überladenes finden, das dem Gedicht abträglich ist.

Ich kann mich des Eindrucks nicht ganz entziehen, dass du den Versuch unternommen hast, eine "lyrische" Sprache zu finden,
und dabei auf dem Parkett ausgerutscht bist. Dadurch nimmt man dir die Bilder nicht wirklich ab, man liest kein wirkliches Empfinden, worunter natürlich auch die ganze Wirkung leidet, dieser Frühling ist kein Frühling, sondern doch eher ein verunglückter Versuch, ein Frühlingsgedicht zu schreiben.

Einsprengsel
 

anbas

Mitglied
Hallo Einsprengsel,

Amelanchier (ich musste googeln ;)): https://de.wikipedia.org/wiki/Kupfer-Felsenbirne

Wenn Du Dir die Bilder ansiehst, die unter dem Link zu finden sind, so wird auch deutlich, wie passend die Debütantinnen sind.

Was den Rhythmus betrifft, so darf es im Vers Libre natürlich auch völlig frei zugehen. Es gibt aber Gedichte, wie zum Beispiel dieses hier, die wesentlich schöner klingen, wenn es ein festen Rhythmus haben. So empfinde ich mondneins Einwand an dieser Stelle als einen durchaus konstruktiven Hinweis, der diesem Gedicht gut getan hat.

Grundsätzlich tue ich mich oft mit Texten schwer, für die ich erst Suchmaschinen benutzen muss, um sie zu verstehen. Hier war es aber nur das eine Wort, und das ist für mich Okay.

Ich jedenfalls, liebe rogathe, habe nichts zu meckern und finde dieses Gedicht wirklich schön!


Liebe Grüße

Andreas
 
O

orlando

Gast
Hallo rogathe,
ich möchte mich dem ersten Teil des einsprengenden Kommentar in etwa anschließen; er beschreibt, was auch mir zunächst durch den Kopf geschossen ist. Trotzdem bringst du bei mir eine Saite zum Schwingen, so dass ich es wagen möchte, dir eine entkernte Version vorzuschlagen:
debütantin im weißen spitzenkleid
das grün zu deinen füßen kaum berührend
verneigst dich vor [blue]des windes[/blue] melodie (o. ä.)
und wiegst dich duftig leicht
als hätten sich die winterflocken
zu ehren deines frühlingsballs verwandelt

kokette kapriziöse diva du
kaum wagen tropfen dich zu beugen
entziehst du deine schönheit unsern blicken
verweilst beleidigt unscheinbar im bunt
bis deine früchte reifen

zum abschied zeigst du dich uns gnädig
mit kupfer gold und purpurglanz der sonne

dann schwinden deine schatten
Könntest du dich mit derlei anfreunden? Sind natürlich schon ein paar heftige Einschnitte ...

Was mir mundet: Aus googlefreier botanischer Unkenntnis glaubte ich zunächst, es handele sich um eine Spieluhr mit klassischer Ballerina. Irgendwie passt das ja auch - nur die Tropfen scheren aus. Aber vieleicht schüttet ein Heavy Metal Fan seinen Bourbon in die Uhr?
Wer weiß das schon. ;)
Also, du siehst, dass ich recht eigentlich Gefallen am Werk finde, es aber ein wenig zu üppig ausgestattet sehe.

Freundliche Grüße
orlando
 
D

Die Dohle

Gast
das ist sehr gut, schön und gelungen. die felsenbirne im jahreslauf, bisschen seifensiederei vielleicht, aber, ich finde das ist erlaubt. schön ...

´nabend rogathe,

chapeau und mein respekt!

lg
die dohle
 

rogathe

Mitglied
Herzlichen Dank für euer Lob, HerbertH, anbas, Dohle! :)
Danke für eure kritischen Anmerkungen, Einsprengsel, orlando!

Die Felsenbirne (Amelanchier) ist mein Lieblingsstrauch, dem ich mit diesem schwärmerischen Text huldige.
"Zart" beschreibt seine Wuchsform, "Spitzenkleid" das Erscheinungsbild seiner Blüten.
Allerdings nur bis zum ersten Regenschauer.
"Tiriliert" hatte die Lerche, meistens singt die Amsel.
Wenn Ende Juli die Früchte reif sind, bevölkern Tauben das Geäst.
In unserem Garten verliert sie, nach kräftiger Herbstfärbung, als Erste ihr Laub.

LG rogathe
 



 
Oben Unten