Amphibrachen. Glück. - Sonett in solchen.

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Walther

Mitglied
Amphibrachen. Glück.

Am Morgen war ihm heute richtig zum Lachen.
Ein Sonnenstrahl kitzelte Netzhäute heiter,
Die Stimmung nahm schmunzelnd drei Stufen der Leiter.
Jetzt musste es sein. Hey, wir lassen es krachen!

Geeignetes Metrum? Na klar! Amphibrachen!
Sein Lachen wird heller, sein Grinsen wird breiter:
Wir lassen den Winter zurück und so weiter.
Das Glück dieser Welt schwimmt in goldenen Nachen!

Sind da nicht die Wolken, die dunklen, die grauen?
Er möchte sie schieben. Sein Geist schiebt das Fenster.
Wer will schon dem Unglück ins Triefauge schauen!

Er fängt schnell die Strahlen, die sich noch verirren,
Und bannt rasch mit ihnen die bösen Gespenster,
Die grade die schönsten Gedanken verwirren!
 

sufnus

Mitglied
Hey Walther,

ich bin schon ziemlich begeistert und les noch ein paar mal... danach wird mein Urteil differenzierter sein, aber bei höchstwahrscheinlich sogar noch gewachsener Begeisterung. :)
Was mir auf Anhieb schonmal auffällt und meiner Lese-Hochstimmung kräftigen Auftrieb verschafft, ist die metrische Kippfigurstruktur des Textes: Die erste Zeile lässt sich natürlich mit einem knallig betonten "ihm" wunderbar amphibrachial lesen (und das Metrum funktioniert dann auch im Folgenden hervorragend). Das coole an den Zeilen ist aber für mich, dass man das alles natürlich auch ziemlich unmetrisch gegen den Amphibrachys, aber dafür entsprechend einer natürlichen (ungebundenen) Betonung lesen kann.

Die erste Zeile ginge dann ge-ixt (soweit das bei natürlicher Sprachmelodie mit ihren viel nuancierteren Betonungsabstufungen überhaupt Sinn ergibt) ungefähr so: xX xxx Xx Xx (X)Xx , womit ich andeuten will, dass hier das "-gen" von Morgen und das "war ihm" ziemlich gleichförmig und wenig betont runtergeleiert wird (= xxx) und das "zum Lachen" mit starker Betonung auf dem La- und einem schwächeren aber doch leicht akzentuierten "Zum" vornedran (= (X)Xx). Diese i-xe sind, wie bereits von mir betont (sic), als Wiedergabe eines natürlichen Sprechrhythmus nur bedingt verwendbar, hoffentlich bringen sie grob die Idee rüber.

In ähnlicher Weise lassen sich auch die Folgezeilen metrisch stark korsettiert (im Amphibrachys) oder frei (und dann sehr "Prosa-arig" ungebunden) lesen. Jetzt kann man sagen, dass das doch nix Besonderes ist, schließlich kann man jedes metrisch gebundene Gedicht auch gegen den Strich der rhythmischen Vorgabe lesen (und professionelle Vortragende setzen diesen "Trick" auch gerne mal ein, was zu sehr schönen Effekten führen kann). Aber ich finde halt, hier bei diesem Text von Dir ist das besonders frappant und passt halt gut zu der formreflektierenden Meta-Haltung.

Ach... ich muss es noch ein paar mal Lesen... macht Spaß! :)

LG!

S.
 

Walther

Mitglied
Hey Walther,

ich bin schon ziemlich begeistert und les noch ein paar mal... danach wird mein Urteil differenzierter sein, aber bei höchstwahrscheinlich sogar noch gewachsener Begeisterung. :)
Was mir auf Anhieb schonmal auffällt und meiner Lese-Hochstimmung kräftigen Auftrieb verschafft, ist die metrische Kippfigurstruktur des Textes: Die erste Zeile lässt sich natürlich mit einem knallig betonten "ihm" wunderbar amphibrachial lesen (und das Metrum funktioniert dann auch im Folgenden hervorragend). Das coole an den Zeilen ist aber für mich, dass man das alles natürlich auch ziemlich unmetrisch gegen den Amphibrachys, aber dafür entsprechend einer natürlichen (ungebundenen) Betonung lesen kann.

Die erste Zeile ginge dann ge-ixt (soweit das bei natürlicher Sprachmelodie mit ihren viel nuancierteren Betonungsabstufungen überhaupt Sinn ergibt) ungefähr so: xX xxx Xx Xx (X)Xx , womit ich andeuten will, dass hier das "-gen" von Morgen und das "war ihm" ziemlich gleichförmig und wenig betont runtergeleiert wird (= xxx) und das "zum Lachen" mit starker Betonung auf dem La- und einem schwächeren aber doch leicht akzentuierten "Zum" vornedran (= (X)Xx). Diese i-xe sind, wie bereits von mir betont (sic), als Wiedergabe eines natürlichen Sprechrhythmus nur bedingt verwendbar, hoffentlich bringen sie grob die Idee rüber.

In ähnlicher Weise lassen sich auch die Folgezeilen metrisch stark korsettiert (im Amphibrachys) oder frei (und dann sehr "Prosa-arig" ungebunden) lesen. Jetzt kann man sagen, dass das doch nix Besonderes ist, schließlich kann man jedes metrisch gebundene Gedicht auch gegen den Strich der rhythmischen Vorgabe lesen (und professionelle Vortragende setzen diesen "Trick" auch gerne mal ein, was zu sehr schönen Effekten führen kann). Aber ich finde halt, hier bei diesem Text von Dir ist das besonders frappant und passt halt gut zu der formreflektierenden Meta-Haltung.

Ach... ich muss es noch ein paar mal Lesen... macht Spaß! :)

LG!

S.
Hi @sufnus,
es ist die hohe kunst der formlyrik, dass die sprache sich in die form legt, als müsste sie genau darin liegen und könnte anders gar nicht dargebracht werden. wenn das gelingt. da der dichter, der etwas auf sich hält, so ungefähr das maximale kompliment erhalten, das es zu vergeben gibt.
ich möchte - dessen eingedenk - auf dem teppich bleiben und mir insgeheim die eine oder andere stelle vor augen halten, wo das nicht ganz perfekt klappt.
der vortrag ist die zweite königsdisziplin. daher schreibe und sage ich immer wieder, dass meine texte erst richtig funktionieren, wenn man sie sich vorträgt.
lg W.

hi @Chandrian, dake für die blümchen! lg W.

der dichter dankt @sufnus und @Chandrian fürs leseempfehlen (und auch fürs reingelesen haben!).
 



 
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